Deduktion des Sittengesetzes - UK-Online
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„...so sind die Kategorien Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung und<br />
gelten also a priori auch von allen Gegenständen der Erfahrung.“ 64<br />
Schon hier also sind Erfahrung und Erfahrungsgegenstände in jene Relation<br />
gebracht, welche allein die spätere Identifikation der Bedingungen <strong>des</strong> einen<br />
(<strong>des</strong> Problemprinzips) und der Bedingungen <strong>des</strong> anderen (<strong>des</strong> Referenzprinzips)<br />
rechtfertigen kann: Die Bedingungen <strong>des</strong> (subjektiven) Problemprinzips<br />
sind ihrerseits nicht (schlicht) subjektive Bedingungen, sondern gültige begriffliche<br />
Bestimmungen der Objekte und insofern identisch mit den (notwendiger<br />
Weise) zu denkenden Bestimmtheiten der Gegenstände.<br />
| Für unsere Problematik (und die Fragen <strong>des</strong> Empiristen) entscheidend ist<br />
bei alledem der Nachweis, daß jene scheinbar bloß subjektive Möglichkeit der<br />
Erfahrung, um auch nur das Allersubjektivste, die analytische Einheit <strong>des</strong><br />
Selbstbewußtseins (gegenüber der Mannigfaltigkeit der Anschauungen), zu<br />
wahren, einer synthetischen Einheit der Gegenstandsbestimmung in diesem<br />
Selbstbewusstsein bedarf, welche nur durch reine, den Urteilsfunktionen entstammende<br />
Begriffe von Gegenständen möglich ist.<br />
Es könnte uns erstaunen, daß Kant dem Problemprinzip der möglichen<br />
Erfahrung mit dem Prinzip der synthetischen Einheit einen Begriff sozusagen<br />
als ‚Lösungsprinzip‘ beigesellt, der jener ,Transzendentalphilosophie der Alten‘<br />
entnommen ist, von der er sonst nicht gerade mit Hochachtung spricht. 65<br />
Doch geht der Gebrauch, den Kant von diesem Begriff macht, offensichtlich<br />
weit über den ‚kümmerlichen‘ Gebrauch, den die Tradition von ihm machte,<br />
hinaus. Insbesondere Kants Unterscheidung der analytischen und der synthetischen<br />
Einheit <strong>des</strong> Selbstbewußtseins, die Herausarbeitung der synthetischen<br />
Einheit als Bedingung der analytischen Einheit und schließlich die Verknüpfung<br />
<strong>des</strong> Begriffs der synthetischen Einheit mit dem der objektiven Einheit<br />
<strong>des</strong> Selbstbewußtseins, welche den Begriff der Einheit in eine prinzipientheoretische<br />
Relation zu dem der Wahrheit, also dem zweiten Prinzip der ‚Transzendentalphilosophie<br />
der Alten‘ setzt, sind Kants eigene Leistung und die<br />
Voraussetzungen dafür, daß diese Prinzipien eine Funktion in Kants eigener<br />
Transzendentalphilosophie übernehmen können.<br />
64 Vgl. B 161; III 125‚14-16. - Zur Interpretation dieses zweiten Teils der transzendentalen <strong>Deduktion</strong> vgl.<br />
die Auseinandersetzung Hans Wagners mit der Analyse D. Henrichs: H. Wagner, Der Argumentationsgang<br />
in Kants <strong>Deduktion</strong> der Kategorien, in: Kant-Stud. 71, 1980, S. 352-366 sowie die Beiträge beider Autoren<br />
und weiterer Diskussionsteilnehmer zu: Die Beweisstruktur der transzendentalen <strong>Deduktion</strong> der reinen<br />
Verstan<strong>des</strong>begriffe - eine Diskussion mit Dieter Henrich, in: Probleme der „Kritik der reinen Vernunft“,<br />
Kant-Tagung Marburg 1981, hrsg. v. B. Tuschling, S. 34-96 (dort auch weitere Lit.-Hinweise).<br />
65 Vgl. insbes. B 113; III 97‚24-33.<br />
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In der Erklärung der synthetischen Einheit <strong>des</strong> Selbstbewußtseins als einer<br />
objektiven Einheit <strong>des</strong> Selbstbewusstseins(65) und der darauf beruhenden<br />
Notwendigkeit von Urteilfunktionen und Kategorien in einer jeden Erfahrung<br />
liegt letztlich der Grund dafür, daß Kant die Bedingungen <strong>des</strong> Problemprinzips<br />
mit denen <strong>des</strong> Referenzprinzips identifizieren kann. Denn die objektive<br />
Einheit der Apperzeption ist eben nur dadurch möglich, daß den erfahrenen<br />
Gegenständen selbst in reinen Gegenstandsbegriffen oder Kategorien eine<br />
synthetische Einheit zugedacht wird.<br />
Um seinem Gesprächspartner nun auch die reinen Verstan<strong>des</strong>grundsätze als<br />
Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung vorzustellen, könnten wir Kant<br />
mit der Erläuterung <strong>des</strong> ‚obersten Grundsatzes alles synthetischen Urteile‘ beginnen<br />
lassen:<br />
„... ein jeder Gegenstand steht unter den nothwendigen Bedingungen der<br />
synthetischen Einheit <strong>des</strong> Mannigfaltigen der Anschauung in einer möglichen<br />
Erfahrung.“ 66<br />
Welches diese Bedingungen sind, wissen wir schon aus der transzendentalen<br />
Dededuktion der Kategorien; und die an den ‚obersten Grundsatz‘ anschließende,<br />
oben | (S. 133, Anm. 15) schon zitierte, ‚<strong>Deduktion</strong>‘ der synthetischen<br />
Urteile a priori macht in ihrem einleitenden ‚wenn‘-Satz deutlich, daß dieser<br />
Grundsatz zugleich auch eine Art Zusammenfassung der transzendentalen<br />
<strong>Deduktion</strong> der Kategorien enthält: Denn nur durch die letzteren erhält die auf<br />
„die formalen Bedingungen der Anschauung a priori“ zurückbezogene „Synthesis<br />
der Einbildungskraft ... nothwendige Einheit“. Die reinen Verstan<strong>des</strong>grundsätze<br />
als synthetische Urteile a priori aber sind nichts anderes als die Artikulation<br />
der ursprünglichen Anwendung reiner Gegenstandsbegriffe auf empirische<br />
Anschauungen. Und <strong>des</strong>halb können nun, wie die berühmte ‚<strong>Deduktion</strong>sformel‘<br />
behauptet, die Bedingungen jenes subjektiven Problemprinzips<br />
(der Möglichkeit der Erfahrung) und jenes objektiven Referenzprinzips (der<br />
Möglichkeit der Erfahrungsgegenstände) identisch sein, weil sie Urteile (und<br />
Begriffe) sind, in denen dem Gegenstand der Erfahrung etwas zugedacht wird. Sie<br />
sind insofern die ursprüngliche und notwendige Entfaltung <strong>des</strong> zweiten Transzendentalienbegriffs,<br />
<strong>des</strong> Prinzips der Wahrheit.<br />
Für unsere späteren Überlegungen wichtig ist es im übrigen, daß sowohl<br />
Kants Begriff der transzendentalen Einheit als auch der hier vorauszusetzende<br />
Begriff der ‚transzendentalen Wahrheit‘, die nach einer Bemerkung <strong>des</strong> Schematismuskapitels<br />
eben ‚in der allgemeinen Beziehung auf mögliche Erfahrung<br />
66 Vgl. B 197; III 145‚26-29.<br />
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