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<strong>Kapitel</strong><br />
ABCDEFG<br />
Seite
Hermann-Föttinger-Institut für Strömungsmechanik<br />
Technische Universität Berlin<br />
Lehrveranstaltung 1034L577<br />
Statistische Turbulenzmodellierung<br />
zweite, korrigierte Fassung vom WS 03/04<br />
Th. Rung<br />
Global Center of Competence Aerodynamic and Thermodynamic<br />
Bombardier Transportation<br />
Hermann-Föttinger-Institut für Strömungsmechanik, Sekr. HF 1,<br />
Müller-Breslau-Strasse 8, 10623 Berlin, Germany<br />
rung@pi.tu-berlin.de
Inhaltsverzeichnis<br />
Seite<br />
Symbolverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . iv<br />
Überblick 1<br />
1 Mathematische Grundlagen 8<br />
1.1 Transportgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
1.2 Materialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
1.3 Statistische Beschreibung turbulenter Strömungen . . . . . . . . . . . . 15<br />
1.3.1 Statistische Mittelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
1.3.2 Reynolds–gemittelte Transportgleichungen . . . . . . . . . . . . 18<br />
1.3.3 Fluktuations–Transportgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
1.3.4 Transportgleichungen zweiter statistischer Momente . . . . . . . 20<br />
1.3.5 Schließungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
1.4 Energiespektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
1.5 Instationäre Strömungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
1.5.1 Instationäre RANS (URANS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
1.5.2 Hybride RANS/LES Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
1.5.3 Periodische Strömungen & Phasenmittelung . . . . . . . . . . . 34<br />
1.6 Grobstruktursimulation (LES; Beitrag von St. Schmidt) . . . . . . . . . 35<br />
1.6.1 Filtertechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
2 Wirbelzähigkeit 41<br />
2.1 Semi–empirische Wirbelzähigkeits–Turbulenzmodelle . . . . . . . . . . 41<br />
2.2 Isotrope und anisotrope Wirbelzähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
2.3 Isotrope Zwei–Parameter–Wirbelzähigkeitsmodelle . . . . . . . . . . . . 47<br />
2.3.1 k − ε Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />
2.3.2 Alternative Zwei–Parameter–Formulierungen (k n − ζ Modelle) . 53<br />
2.3.3 Prallstrahlproblematik (Launder–Kato Modifikation) . . . . . . 54<br />
2.3.4 Turbulenter Wärmestrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
2.4 Primäre, sekundäre und tertiäre Stress–Strain Interaktion . . . . . . . . 56<br />
3 Rationale Modellierungstechniken 60<br />
3.1 Materielle Objektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />
3.2 Realisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />
3.3 Darstellungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />
3.3.1 Funktions– und Integritätsbasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74<br />
3.3.2 Anisotrope Wirbelzähigkeitsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />
i
4 Reynolds–Spannungsmodelle 82<br />
4.1 Lineare Transportgleichungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />
4.2 Algebraische Spannungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
5 Lineare Druck–Scher–Korrelationsmodelle 88<br />
5.1 Modellbildung des langsamen Anteils Φij1 . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
5.2 Modellbildung des schnellen Anteils Φij2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
5.3 Kalibrierung linearer Druck–Scher–Korrelationsmodelle . . . . . . . . . 94<br />
5.4 Wandreflektionsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />
5.5 Elliptic Relaxation Verfahren von Durbin . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />
6 Projektionstechniken 102<br />
6.1 Illustratives Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />
6.2 Gatski & Speziale Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />
6.3 Erweiterungen klassischer EASM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106<br />
7 Wandrandbedingung 108<br />
7.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />
7.2 Lokal-orthogonale Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />
7.3 Schnittlastbezogene Impuls- und Druckrandbedingungen . . . . . . . . 116<br />
7.3.1 Druck- und Druckkorrekturgleichung . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />
7.3.2 Impulsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />
7.4 High-Re Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
7.4.1 Impulsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
7.4.2 Parameter der Wirbelzähigkeitsmodelle . . . . . . . . . . . . . . 125<br />
7.4.3 Reynoldspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127<br />
7.5 Low-Re Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />
7.5.1 Impulsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130<br />
7.5.2 Parameter der Wirbelzähigkeitsmodelle . . . . . . . . . . . . . . 131<br />
7.5.3 Reynoldspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137<br />
7.6 Universelle high-Re Randbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138<br />
7.6.1 Zweiparameter-Turbulenzmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />
7.6.2 Spalart-Allmaras Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140<br />
8 Eingleichungsmodelle 142<br />
8.1 Spalart–Allmaras Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />
8.1.1 Edwards Modifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />
8.2 Parameterreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />
8.2.1 Transportgleichung der Wirbelzähigkeit . . . . . . . . . . . . . . 145<br />
9 Schließung der Produktionsrate 150<br />
9.1 Iterative Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150<br />
9.2 Regularisierte Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153<br />
9.3 Selbstkonsistente Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />
ii
9.4 Quasi–Selbstkonsistente Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158<br />
10 Analyse 164<br />
10.1 Homogene Scherturbulenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164<br />
10.2 Homogene Turbulenz in rotationsfreier Distorsion . . . . . . . . . . . . 173<br />
10.3 Realisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181<br />
10.4 Rotierende homogene Scherströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191<br />
10.5 Turbulente Sekundärströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />
Literaturverzeichnis 210<br />
A Invarianten des Anisotropietensors 211<br />
B Koordinatentransformation 214<br />
C Caley–Hamilton Theorem 217<br />
D Hintergrundmodelle 222<br />
E Greensche Integration 224<br />
F Zweipunktkorrelationen 226<br />
iii
Symbolverzeichnis<br />
Das Symbolverzeichnis erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es soll vielmehr<br />
nur die wichtigsten Symbole erklären, die über größere Textpassagen hinweg Verwendung<br />
finden. Ansonsten sei auf die Definition der Symbole im laufenden Text verwiesen.<br />
Über doppelt auftretende lateinische Indizes wird nach der Einsteinschen Summenkonvention<br />
summiert. Die Summenkonvention gilt jedoch ausdrücklich nicht in Verbindung<br />
mit griechischen Indizes. Zur Vereinfachung der Darstellung werden Mittelwerte und<br />
Schwankungsgrößen im Bedarfsfalle nicht weiter gekennzeichnet, sondern durch Großbzw.<br />
Kleinbuchstaben unterschieden. Die Koordinaten von Vektoren und Tensoren beziehen<br />
sich in der Regel auf ein kartesisches Basissystem.<br />
Lateinische Kleinbuchstaben<br />
Skalare<br />
a = √ γRT Schallgeschwindigkeit<br />
ca, cw<br />
Auftriebs– und Widerstandsbeiwert<br />
cp<br />
Druckbeiwert<br />
spezifische isobare Wärmekapazität<br />
cv<br />
spezifische isochore Wärmekapazität<br />
cµ, cµ<br />
Anisotropiekoeffizient des Wirbelzähigkeitsmodells, bzw. des<br />
konventionellen isotropen Wirbelzähigkeitsmodells (cµ = 0.09)<br />
e innere Energie<br />
kleinskaliger Anteile der Turbulenzenergie (Zwei-Skalen-Modell)<br />
g, ˜g, g selbstkonsistenter (g), quasi–selbstkonsistenter (˜g) bzw.<br />
regularisierter (g) Gleichgewichtsparameter,<br />
gravitative Erdfeldstärke (g)<br />
h Enthalpie<br />
k Turbulenzenergie<br />
ˆk Betrag des Wellenzahlvektors<br />
kp<br />
großskaliger Anteil der Turbulenzenergie (Zwei-Skalen-Modell)<br />
m Masse<br />
n Wandnormalenabstand<br />
p Druckfluktuation<br />
r lokaler Radius, radiale Zylinderkoordinate<br />
sφ<br />
volumenspezifischer Quellterm der Transportgleichung von φ<br />
t<br />
uτ =<br />
Zeitkoordinate<br />
τw/ρ Wandschubspannungsgeschwindigkeit<br />
x, y, z kartesische Raumkoordinaten<br />
Vektoren<br />
fi<br />
ki<br />
Volumenkraftdichte<br />
Wellenzahl<br />
iv
qi<br />
ui<br />
xi<br />
Tensoren<br />
bij = uiuj<br />
2k<br />
eijk<br />
− 1<br />
3 δij<br />
Wärmestromdichte<br />
Schwankungsgeschwindigkeit<br />
kartesische Raumkoordinaten<br />
Anisotropietensor der Reynolds-Spannungen<br />
Permutationstensor<br />
sij = Tt ˜ Sij dimensionloser, spurfreier Scherraten–Tensor<br />
Reynolds–Spannungstensor<br />
wij = Tt(Wij − eijkΩk) dimensionloser, objektiver Wirbeltensor<br />
uiuj<br />
w ∗ ij<br />
= TtW ∗<br />
ij<br />
Lateinische Großbuchstaben<br />
dimensionsloser, effektiver Wirbeltensor<br />
Skalare<br />
A, B, C Koeff. des expliziten algebraischen Spannungsmodells<br />
A0 . . . A4<br />
Koeff. der quasi–selbstkonsist. Formulierung von (P/ε)g<br />
C∗ 1<br />
Koeff. des Druck–Scher–Korrelationsmodells<br />
C1 . . . C4<br />
Koeff. des Druck–Scher–Korrelationsmodells<br />
Koeff. der Dissipationsratengleichung<br />
D diffusiver Fluß der Turbulenzenergie<br />
IIb, IIIb<br />
Hauptinvarianten des Anisotropietensors bij<br />
Beschleunigungsparameter<br />
Cε1, Cε2, C5<br />
K = ν<br />
U 2 δ<br />
Lt<br />
Ma, = |U|<br />
Mat =<br />
√<br />
a<br />
2k<br />
a<br />
∂Uδ<br />
∂x<br />
integrales turbulentes Längenmaß<br />
Machzahl<br />
Turbulenzmachzahl<br />
P Produktion von Turbulenzenergie<br />
statischer Druck<br />
µ cp<br />
P r = λ<br />
R<br />
Prandtlzahl<br />
spezifische Gaskonstante<br />
Außenradius einer achsensymmetrischen Konfiguration<br />
Re = UL<br />
ν<br />
Reynoldszahl<br />
Ret = k2<br />
lokale Turbulenz–Reynoldszahl<br />
ε<br />
√<br />
ν<br />
k n<br />
ν<br />
Rek =<br />
Ri =<br />
nicht–lokale Turbulenz–Reynoldszahl<br />
2Ω3<br />
S∗ 2Ω3 1 − S∗ <br />
<br />
Richardsonzahl<br />
S = 2s2 kk<br />
S<br />
skalierte Invariante des Tensors sij<br />
∗ <br />
= 2 ˜ S2 kk<br />
skalierte Invariante des Tensors ˜ Sij<br />
St = fL<br />
U =<br />
T<br />
L<br />
UTm<br />
Strouhalzahl (dimensionslose Frequenz)<br />
Temperatur<br />
Tt = k/ε integrales turbulentes Zeitmaß (eddy–turn–over–time)<br />
v
Tm<br />
Zeitmaß der transienten mittleren Geschwindigkeit<br />
U, V, W kartesische Geschwindigkeitskomponenten<br />
U + = |U|<br />
V, V, V<br />
uτ<br />
Tangentialgeschwindigkeit im Wandkoordinatensystem<br />
bewegtes, raumfestes und materielles Volumen<br />
Vt<br />
charakteristisches integrales Geschwindigkeitsmaß<br />
Y + = nuτ<br />
ν<br />
dimensionslose Wandkoordinate<br />
Vektoren<br />
Ui<br />
Tensoren<br />
Dij<br />
Pij<br />
Rij<br />
Sij = 0.5<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
˜Sij = Sij − 1<br />
Wij = 0.5<br />
3 Skk<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
<br />
∂Uj<br />
+ ∂xi<br />
− ∂Uj<br />
∂xi<br />
<br />
Reynolds–gemittelter Geschwindigkeitsvektor<br />
diffusiver Fluß der Reynolds-Spannungen<br />
Produktionstensor der Reynolds–Spannungen<br />
allgemeiner Korrelationstensor<br />
Scherraten–Tensor<br />
spurfreier Scherraten–Tensor<br />
Wirbeltensor<br />
W ∗<br />
ij = Wij − 4−C4<br />
2−C4 eijkΩk effektiver Wirbeltensor<br />
˜Wij = Wij − eijkΩk objektiver Wirbeltensor<br />
Griechische Buchstaben<br />
Skalare<br />
α Koeffizient<br />
β1,2,3<br />
Koeffizienten des algebraischen Spannungsmodells<br />
γ allg. Koeffizient<br />
Isentropenexponent<br />
δ, δ1, δ2<br />
Grenzschicht–, Verdrängungs–, Impulsverlustdicke<br />
ε isotrope Dissipationsrate<br />
ηk =<br />
ν 3<br />
ε<br />
1/4<br />
Kolmogorovsches Längemaß dissipativer Skalen<br />
η0 . . . η6<br />
Invarianten der Integritätsbasis bij(sij, wij)<br />
θ Drall- bzw. Azimutalkoordinate<br />
κ von–Kármán Konstante<br />
λ Eigenwert und isotrope Wärmeleitfähigkeit<br />
µ dynamische Zähigkeit<br />
µt<br />
dynamische turbulente Wirbelzähigkeit<br />
ν kinematische Zähigkeit<br />
νt<br />
kinematische turbulente Wirbelzähigkeit<br />
ρ<br />
τk =<br />
Dichte<br />
<br />
ν 1/2<br />
ε<br />
Kolmogorovsches Zeitmaß dissipativer Skalen<br />
Betrag der Wandschubspannung<br />
τw<br />
vi
˜φ, φ = φ Momentan–, Mittelwert einer generischen Variablen<br />
ϕ = φ ′ Schwankungswert einer generischen Variablen<br />
φd<br />
Druckdilatationsterm<br />
ϕ Koeffizient<br />
ψ<br />
ω =<br />
Parameter der quasi–selbstkonsist. Darstellung von (P/ε)g<br />
ε<br />
cµk<br />
spezifische isotrope Dissipationsrate<br />
Diffusionskoeffizient der Transportglg. von φ<br />
Γφ<br />
Ψ =<br />
Ω =<br />
Vektoren<br />
√<br />
6η3<br />
η1 1.5<br />
<br />
2w∗2 kk<br />
Schiefenparameter<br />
skalierte Invariante von w ∗ ij<br />
ωi = eijkUk,j Rotation des Geschwindigkeitsvektors<br />
Rotation des Basissystems<br />
Ωi<br />
Tensoren<br />
δij<br />
νijkl, νij<br />
φij<br />
τij<br />
εij<br />
Einheitstensor<br />
anisotrope kinematische Wirbelzähigkeit<br />
Tensor der Druck-Scher-Korrelationen<br />
Tensor der molekularen Reibungsspannungen<br />
Tensor der Dissipationsraten<br />
Symbolische Vektoren, Matrizen und Operatoren<br />
A , B , C Matrix, Tensor zweiter Stufe<br />
A , B , C Vektor<br />
U Geschwindigkeitsvektor<br />
∇ Gradientenoperator<br />
ei Basisvektor des kartesischen Koordiantensystems<br />
˜e i<br />
Basisvektor eines beliebigen Koordiantensystems<br />
êi Basisvektor eines Hauptachsensystems<br />
˜e r, ˜e θ, ˜e x<br />
physikalische Zylinderkoordinatenbasis<br />
T (1) . . . T (10) Generatoren der Funktionsbasis<br />
M Systemmatrix des Projektionsverfahrens<br />
G Gram–Matrix der Funktionsbasis<br />
untere Indizes<br />
(·)0<br />
(·)i<br />
(·)ij...<br />
(·)reg<br />
(·)ref<br />
(·)t<br />
(·),xyz<br />
Zeiger zur Kennzeichnung von Ruhegrößen<br />
Vektorkoordinate<br />
Tensorkoordinate<br />
Zeiger der regularisierten Modellbildung<br />
Referenzwert<br />
Zeiger zur Kennzeichnung turbulenter Größen<br />
partielle Ableitung nach kartesischen Koordinaten<br />
vii
(·) (NW)<br />
(·)R<br />
(·)∞<br />
Zeiger zur Kennzeichung wandnaher Größen<br />
Zeiger zur Kennzeichung äusserer radialer Werte<br />
Zeiger zur Kennzeichung von Anströmgrößen<br />
obere Indizes<br />
(·) (2D/3D) Zeiger für zwei– bzw. dreidimensionale Größen<br />
(·) ′ Zeiger zur Kennzeichnung von Fluktuationswerten<br />
(i) Zeiger zur Kennzeichnung von Koordinaten eines<br />
bestimmten, durch i gekennzeichneten Bezugssytems<br />
Sonstige Symbole<br />
O(·) von der Ordnung<br />
(·) T transponierte Matrix<br />
|(·)| Betrag eines Skalars, Determinante einer Matrix<br />
tr{·} Spur eines Tensors<br />
(·) Wert zur rückwertigen Iteration, konstanter Wert<br />
[·] von der Dimension<br />
O(V ) geschlossene Oberfläche des betrachteten Volumens<br />
ˆφ Koordinaten des Hauptachsenssystems<br />
φ Mittelwert bei konventioneller Mittelung<br />
φψ . . . höheres statistisches Moment<br />
φ Mittelwert bei dichtegewichteter Mittelung<br />
φ Momentanwert<br />
˙φ, Dφ<br />
Dt<br />
˜Γ j<br />
im<br />
+ U · (∇φ) substantielle Ableitung<br />
physikalische Christoffel-Symbole zweiter Art<br />
F Funktionsbasis<br />
FGS<br />
Drei–Generator–Basis nach Gatski und Speziale<br />
E Energie–Spektralfunktion<br />
N Integritätsbasis<br />
A → B Übergang von A nach B<br />
= ∂φ<br />
∂t<br />
Abkürzungen<br />
1D,2D,3D ein-, zwei- dreidimensional<br />
ASM algebraisches Spannungsmodell<br />
EVM Wirbelzähigkeitsmodell (engl.: eddy–viscosity model)<br />
EASM explizites algebraisches Spannungsmodell<br />
HOT Terme höherer Ordnung<br />
IP Druck-Scher–Korrelationsmodell nach<br />
dem Isotropization–of–Production Konzept<br />
LL Lien–Leschziner (1993) low-Re k − ε Modell<br />
QI Druck-Scher–Korrelationsmodell nach<br />
dem Quasi–Isotropization–of–Production Konzept<br />
viii
QS quasi-selbstkonsist. Darstellung des Parameters ˜g<br />
REG regularisierte Darstellung des Parameters ˜g<br />
RHS rechte Seite einer Gleichung<br />
RSTM Reynolds–Spannungs Transportgleichungsmodell<br />
SA Spalart–Allmaras Eingleichungsmodell<br />
SK selbstkonsist. Darstellung des Gleichgewichtsparameters g<br />
SST Shear–Stress Transport Modell (Menter, 1994)<br />
WC Wilcox (1988,1993) k − ω Modell<br />
Druck–Scher–Korrelationsmodelle<br />
FRLT Fu, Rung, Lübcke und Thiele (1999)<br />
GL Gibson und Launder (1978)<br />
GY Gibson und Younis (1986)<br />
GS linearisiertes SSG Modell nach Gatski und Speziale (1993)<br />
LRR Launder, Rodi, und Reece (1975)<br />
RO Rotta (1951)<br />
SSG Speziale, Sarkar und Gatski (1991)<br />
TB Druck–Scher–Korrelation nach Taulbee (1992)<br />
ix
Überblick<br />
Die Simulation komplexer Problemstellungen aus dem Entwurfsprozeß strömungstechnisch<br />
hochbelasteter Bauteile stellt hohe Anforderungen an die Genauigkeit der<br />
strömungsphysikalischen Modellbildung. Hierbei hängt die Güte der Simulation wesentlich<br />
von der Behandlung des Turbulenzproblems ab. Turbulente Austauschmechanismen<br />
basieren auf Schwankungen von Druck, Dichte und Geschwindigkeit. Aufgrund der<br />
Nichtlinearität der (Eulerschen) Transportgleichungen treten die Schwankungen miteinander<br />
in Wechselwirkung, weswegen selbst für geringe Schwankungsaktivitäten stark<br />
veränderte Transportvorgänge auftreten. Eine detaillierte Beschreibung der räumlichen<br />
und zeitlichen Fluktuationen ist sehr aufwendig, da sie sich über ein breites Wellenzahl–<br />
und Frequenzspektrum erstrecken. Eine vollständige Auflösung des Schwankungsspektrums<br />
durch die numerische Diskretisierung ist in industriellen Strömungen auch langfristig<br />
nicht realisierbar. Die Berechnung technischer Strömungen ist daher auf eine<br />
effizientere Berücksichtigung von Strömungsturbulenz durch mathematische Modelle<br />
angewiesen.<br />
Stand der technischen Turbulenz–Simulations–Forschung<br />
In technischen Anwendungen sind zumeist nur die statistischen Eigenschaften einer turbulenten<br />
Strömung von Bedeutung. Numerische Verfahren zur Berechnung praxisrelevanter<br />
turbulenter Strömungen basieren daher fast ausnahmslos auf einer statistischen<br />
Betrachtung der Strömung. Hierzu werden die Transportgleichungen nach einem Vorschlag<br />
von Reynolds (1895) punktweise statistisch gemittelt. Die Reynolds–gemittelten<br />
Impulsgleichungen (Reynolds–Averaged Navier–Stokes Gleichungen; RANS) enthalten<br />
aufgrund der Nichtlinearität des Konvektionsterms zusätzliche Unbekannte in Gestalt<br />
zweiter statistischer Momente von lokalen Geschwindigkeitsfluktuationen. Diese sogenannten<br />
Reynolds–Spannungen werden durch eigene Transportgleichungen beschrieben,<br />
in denen wiederum neue Unbekannte in Form höherer bzw. zusätzlicher statistischer<br />
Momente auftreten. Die Verkettung der Transportgleichungen, von niedrigeren<br />
zu höheren Momenten, ist kennzeichnend für die statistische Betrachtung, weswegen<br />
die Herleitung weiterer Transportgleichungen prinzipiell zu keiner Schließung des Gleichungssystems<br />
führt. Ausgangspunkt der statistischen Turbulenzmodellierung ist der<br />
zunächst willkürlich gewählte Abbruch der Schließungskette.<br />
Die Empfehlung eines optimalen Abbruchstadiums ist schwierig, da sich der Einfluß<br />
höherer Momentengrade pauschal nicht abschätzen läßt. Die Modellierung höherer Momente<br />
ist oftmals ungleich schwieriger, zudem stellen sie aufgrund ihrer komplexeren<br />
mathematischen Gestalt höhere Anforderungen an das Modell. Aus Effizienzgründen<br />
sind anwendungsorientierte Disziplinen auf einen Abbruch der Schließungskette im Bereich<br />
zweiter statistischer Momente angewiesen. In diesem Falle müssen entweder die<br />
Reynolds–Spannungen (Wirbelzähigkeitsmodelle), oder aber die in ihren Transportgleichungen<br />
auftretenden höheren statistischen Momente (Transportgleichungs–Reynolds–<br />
Spannungsmodelle) durch ein Turbulenzmodell geschlossen werden.<br />
1
KAPITEL<br />
Isotrope Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
Lineare niederparametrige Wirbelzähigkeits–Turbulenzmodelle (Baldwin und Lomax<br />
1978; Jones und Launder 1972; Wilcox 1993; Spalart und Allmaras 1992) bilden bis heute<br />
die Basis für die Mehrzahl industrieller Berechnungen turbulenter Strömungen. Ihre<br />
Popularität beruht vor allem auf programmtechnischen Aspekten. Die hohe numerische<br />
Stabilität des resultierenden Gesamtsystems und die algorithmisch einfache, effiziente<br />
Umsetzung des Ansatzes machen lineare isotrope Wirbelzähigkeitsmodelle (Eddy–<br />
Viscosity Modelle; EVM) äußerst attraktiv. Dies gilt insbesondere für industrielle Anwendungen,<br />
in denen keine wesentlichen Prioritätsunterschiede zwischen numerischer<br />
Effizienz und Genauigkeit existieren. Lineare Wirbelzähigkeitsmodelle stützen sich auf<br />
einen nach Boussinesq benannten isotropen Zusammenhang zwischen den Reynolds–<br />
Spannungen und den Scherraten. Der isotrope Wirbelzähigkeitsansatz besitzt erhebliche<br />
konzeptionelle Defizite in Bezug auf die Darstellung komplexer turbulenter Austauschmechanismen.<br />
Aussagen über strömungsmechanische Belastungen sind, vor allem<br />
im Hinblick auf deren kritische Grenzen, mit herkömmlichen Wirbelzähigkeitsmodellen<br />
nur unter starken Einschränkungen machbar (Leschziner 1995). Das diesbezüglich am<br />
häufigsten zitierte Beispiel für Modelldefizite von erheblicher industrieller Relevanz ist<br />
der klassische druckinduzierte turbulente Nichtgleichgewichtszustand mit stark variierendem<br />
Clauserparameter. Die erzielbare Vorhersagegenauigkeit im Bereich abgelöster<br />
oder ablösenaher Strömungssituationen unter Einfluß eines positiven Druckgradienten<br />
ist bei konventioneller Modellierung nahezu ausnahmslos unbefriedigend. Weitere<br />
(un)populäre Beispiele sind die unzulängliche Modellierung von anisotropiegetriebenen<br />
Sekundärströmungen und starke 3D Effekte, wie sie bei der Strömungssimulation in rotierenden<br />
Bauteilen oder als Folge von krümmungsinduzierten Variationen turbulenter<br />
Schubspannungen auftreten.<br />
Grobstruktursimulation<br />
Im Unterschied zur statistischen Modellierung ermöglicht die Grobstruktursimulation<br />
(Large–Eddy Simulation; LES) detaillierte Einsichten in die strömungsphysikalischen<br />
Prozesse. Während statistische Ansätze auch bei instationären Strömungen einen im<br />
Prinzip zeitlich gemittelten Prozess betrachten, versucht die LES die dreidimensionale<br />
instationäre Entwicklung aller makroskopisch relevanten (Wirbel–)Strukturen durch<br />
das numerische Verfahren aufzulösen. Hierzu werden entsprechend feine räumliche und<br />
zeitliche Maschenweiten benötigt. Die energetisch untergeordneten Beiträge von geringer<br />
zeitlicher und räumlicher Ausdehnung werden analog zur RANS–Technik über<br />
ein Turbulenzmodell (Subgrid–Scale–Modell; SGS) geschlossen. Die industrielle Anwendung<br />
von LES in wandgebundenen Strömungen ist gegenwärtig jedoch begrenzt<br />
auf geometrisch einfache Konfigurationen bei niedrigen Reynoldszahlen (Re ≤ 10 4 ).<br />
Die Gründe hierfür liegen im prohibitiven Aufwand zur Auflösung der extrem dünnen<br />
(δ ∼ Re −0.5 ), in ihren Details jedoch hoffnungslos komplizierten Wandgrenzschichten<br />
durch die LES. Chapman (1979) schätzt, daß der Aufwand zur Auflösung des Außenbereichs<br />
einer turbulenten Grenzschicht proportional zu Re 0.4 anwächst. Mit Annäherung<br />
an die viskose Unterschicht steigt diese Proportionalität auf Re 1.8 . Ein besonderes<br />
2
KAPITEL<br />
Problem ist die nahezu isotrope Struktur des benötigten wandnahen Rechengitters,<br />
weswegen vor allem die spannweitige (laterale) Auflösung aufwendiger als bei einer<br />
RANS Simulation ist. Für eine einfache Flügelumströmung bei einer Reynoldszahl von<br />
Re = 10 6 wird die Anzahl der benötigten Gitterpunkte in Spalart (1999) mit 10 11.5<br />
und die Anzahl der benötigten Zeitschritte mit 10 6.7 angegeben. Geht man von einer<br />
Verfünffachung der verfügbaren Rechenleistung in fünf Jahren aus, was eine realistische<br />
Abschätzung derzeitiger Zuwachsraten darstellt, so ist mit der Durchführbarkeit einer<br />
LES–Flügelsimulation nicht vor dem Jahr 2045 zu rechnen. Zudem ist die Qualität der<br />
LES mit steigender Reynoldszahl zunehmend von der Güte des Subgrid–Scale–Modells<br />
im Wandbereich abhängig. Um den qualitätsmindernden Einfluß des SGS zu reduzieren,<br />
entspricht das wandnahe Auflösungsvermögen aktueller LES Simulation häufig<br />
dem der direkten numerischen Simulation (DNS).<br />
Hochauflösende Turbulenz–Simulations–Verfahren werden üblicherweise auf massiv parallelen<br />
Systemen eingesetzt, welche heutzutage durch den Einsatz von Standardkomponenten<br />
aus dem PC–Bereich zu günstigen Preis–Leistungs–Verhältnissen installiert<br />
werden können. Aufgrund der konzeptionellen Unterschiede zwischen der vielfach nichtparallelen<br />
pre– und postprocessing Software und dem massiv parallelen Strömungslöser<br />
stellt die schlechte Skalierbarkeit der Gittergeneratoren und Visualisierungswerkzeuge<br />
ein weiteres, wesentliches Hindernis für den industriellen Einsatz hochauflösender<br />
Verfahren dar.<br />
In Hinblick auf eine physikalisch fundierte und zugleich praxisnahe Strategie galt die<br />
Grobstruktursimulation lange Zeit als Hoffnungsträger der ingenieurwissenschaftlich<br />
orientierten Turbulenzforschung. Aus den oben genannten Gründen zeichnet sich mittlerweile<br />
ein Paradigmenwechsel ab, durch den eine modellierungsbehaftete Vorgehensweise<br />
wieder stärker in den Blickpunkt des Interesses gerückt ist.<br />
Der Großteil industrieller Simulationen wird auch in Zukunft auf eine partiell statistische<br />
Betrachtung der Turbulenz angewiesen sein. Dies gilt insbesondere für die Berechnung<br />
wandnaher inhomogener Scherschichten, welche auch in instationären Strömungen<br />
häufig durch die spektrale Trennung von turbulenten und transienten mittleren<br />
Anteilen gekennzeichnet sind. Bei der industriellen Berechnung instationärer Probleme<br />
mit gebietsweise nichtlinearen Impuls– und Energieflüssen über das gesamte Spektrum<br />
zeichnet sich gegenwärtig die Verwendung hybrider RANS/LES Ansätze ab.<br />
Hierbei werden die wandfernen Wirbelstrukturen einer instationären Strömung im<br />
Grobstruktur–Modus simuliert, die wandnahen Grenzschichten jedoch im wesentlich<br />
effizienteren RANS–Modus berechnet. Nichtzonale hybride Techniken sind unter dem<br />
Namen Very Large–Eddy Simulation (VLES; Speziale 1997b) bzw. Detached–Eddy Simulation<br />
(DES; Spalart 1999, Shur et al. 1999) bekannt.<br />
Transportgleichungs–Reynolds–Spannungsmodelle<br />
Der Einsatz von Transportgleichungs–Reynolds–Spannungsmodellen (RSTM) anstelle<br />
defizitärer EVM fand im industriellen Kontext trotz ihrer Prädestinierung für komplexe<br />
Strömungssituationen und der jahrzehntelangen Verfügbarkeit solcher Ansätze (Launder<br />
et al. 1975; Gibson und Launder 1978; Fu et al. 1987; Speziale et al. 1991) kaum<br />
3
KAPITEL<br />
Verbreitung. Die primäre Ursache hierfür ist der hohe Kernspeicher– und Rechenbedarf,<br />
der mit den üblicherweise sieben zu lösenden Transportgleichungen des RSTM<br />
verbunden ist. Die quelltermdominierten, eng gekoppelten Transportgleichungen der<br />
RSTM sind stark nichtlinear und numerisch steif. Ihre formal konvektive Bindung an<br />
die gemittelten Impulsgleichung schwächt die numerische Stabilität und verursacht<br />
einen erheblichen Implementierungsaufwand (Obi, Perić und Scheuerer 1991; Lien und<br />
Leschziner 1994; Rung 2000). Einfache (lineare) RSTM vermögen erfahrungsgemäß<br />
nicht alle Defizite isotroper EVM zu vermeiden. Diesbezüglich existieren leider nur<br />
wenige systematische Untersuchungen, da die Modellbildung aufgrund ihrer wesentlich<br />
komplexeren Struktur schwieriger zu analysieren und modifizieren sind. Neuere<br />
Ad–hoc–Ansätze zur Erweiterung des Gültigkeitsbereichs der RSTM auf der Grundlage<br />
hochgradig nichtlinearer Umverteilungsterme werden vielfach mit Skepsis betrachtet<br />
(Speziale 1995). Ungeachtet ihrer theoretischen Vorteile steht die erfolgreiche Validierung<br />
fortschrittlicher Transportgleichungs–Reynolds–Spannungsmodelle in Bezug<br />
auf die genauere Darstellung von komplexen, praxisrelevanten Strömungen noch aus<br />
(Bradshaw et al. 1996). Erste vielversprechende Arbeiten hierzu findet man z.B. bei<br />
Batten et al. (1999) oder Hanjalić et al. (1999).<br />
Anisotrope Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
Zur Verbesserung der strömungsphysikalischen Modellbildung werden derzeit vielerorts<br />
nichtlineare Erweiterungen der Zwei–Parameter–Wirbelzähigkeitsmodelle untersucht.<br />
Diese gleichen in Bezug auf den Rechenaufwand und ihre numerischen Eigenschaften<br />
den isotropen Wirbelzähigkeitsmodellen. Sie sind daher besonders für den Einsatz<br />
in industriellen Simulationsverfahren geeignet. Gemeinsames Merkmal dieser Ansätze<br />
ist der im Unterschied zu isotropen EVM nichtlineare Zusammenhang zwischen den<br />
Reynolds–Spannungen und den Geschwindigkeitsgradienten (nichtlineare Stress–Strain<br />
Beziehung). Neben mehreren heuristisch motivierten Vorschlägen, z.B. von Speziale<br />
(1987) oder Craft et al. (1996), sind aus der Literatur eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Vorgehensweisen bekannt, welche sich bei der Konstruktion der nichtlinearen<br />
Wirbelzähigkeitsbeziehungen an einem übergeordneten mathematisch/physikalischen<br />
Prinzip orientieren. Nichtlineare Stress–Strain Beziehungen wurden beispielsweise auf<br />
der Grundlage von Renormalisierungsgruppen–Theorien (Rubinstein und Barton 1990;<br />
Yakhot et al. 1992), der Direct–Interaction–Approximation (Yoshizawa 1984), dem<br />
Realizability–Prinzip (Shih et al. 1993) oder der Rationalen Mechanik (Pope 1975; Taulbee<br />
1992; Gatski und Speziale 1993; Wallin und Johansson 2000) formuliert.<br />
Im Vergleich zu anderen Vorschlägen erscheinen die Expliziten Algebraischen Spannungsmodelle<br />
(EASM) überlegen. Die ursprünglich auf Pope (1975), Gatski und Speziale<br />
(1993) zurückgehende Entwicklung expliziter algebraischer Spannungsmodelle basiert<br />
auf der Vereinfachung linearer RSTM für strukturell stationäre Turbulenz. Durch<br />
diese Vereinfachung lassen sich die Transportgleichungen der Reynolds–Spannungen<br />
als System gekoppelter algebraischer Bilanzgleichungen darstellen (Rodi 1976), welche<br />
ergänzend zu den Transportgleichungen des Zwei–Parameter–Modells gelöst werden<br />
müssen. Die Algebraischen Spannungsmodelle (ASM) können mit Hilfe der Darstellungs–<br />
4
KAPITEL<br />
bzw. Invariantentheorie (Spencer 1971; Zheng 1994) in explizite nichtlineare Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
überführt werden. Der entscheidende Vorteil der EASM ist ihr strenger<br />
mathematischer Zusammenhang zu impliziten linearen RSTM, wodurch die exakte<br />
Darstellung der dominanten Produktionsterme und eine Berücksichtigung von Umverteilungsmechanismen<br />
gewährleistet ist. Die enge Beziehung zum impliziten Reynolds–<br />
Spannungsmodell ermöglicht eine verbesserte Vorhersage von Effekten, welche aus<br />
Spannungsanisotropie, Systemrotation oder extremer Stromlinienkrümmung gespeist<br />
werden, und erleichtert die Analyse der Modellbildung. Die EASM verfügen prinzipiell<br />
über ähnliche physikalische Gültigkeitsbereiche wie RSTM und besitzen im Vergleich<br />
zu Transportgleichungs–Reynolds–Spannungsmodellen Vorteile in Bezug auf die Integration<br />
des wandnahen low–Re Bereichs. In Anbetracht des engen Zusammenhangs<br />
zwischen RSTM und nichtlinearen EVM erscheint die klassische Gliederung statistischer<br />
Turbulenzmodelle nach Wirbelzähigkeits– und Reynolds–Spannungsmodellen unangemessen.<br />
Ein alternatives Kriterium wäre die Differenzierung nach expliziten und<br />
impliziten Reynolds–Spannungsmodellen.<br />
Gliederung und Zusammenfassung der Lehrveranstaltung<br />
Die Vorlesung widmet sich vornehmlich der Entwicklung und Analyse von statistischen<br />
Turbulenzmodellen aus der Ingenieurpraxis. Den Schwerpunkt der Vorlesung bilden<br />
isotrope (lineare), anisotrope (nichtlineare) Transportgleichungs–Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
sowie einfache lineare Transportgleichungs–Reynolds–Spannungsmodelle. Im Fokus<br />
der nichtlinearen Modellierung stehen vornehmlich explizite algebraische Spannungsmodelle,<br />
deren Diskussion gebräuchliche lineare Transportgleichungs–Reynolds–<br />
Spannungsmodelle einschließt.<br />
Neben der Erörterung konventioneller, empirisch/heuristischer Modellierungstechniken<br />
wird besonderer Wert auf die systematische Einordnung formal unterschiedlicher Modelle<br />
in eine kanonische Hierarchie statistischer Turbulenzmodelle gelegt. Die systematische<br />
Gliederung offenbart mathematische und physikalische Zusammenhänge zwischen<br />
verschiedenen Modelltypen. Der damit verbundene mathematische Formalismus wird<br />
zur Analyse der Modellbildung in vielerlei Hinsicht intensiv benutzt.<br />
Der natürlichen Gliederung folgend, befaßt sich das erste <strong>Kapitel</strong> den mathematischen<br />
Grundlagen. Neben den strömungsmechanischen Grundgleichungen werden hier insbesondere<br />
die Grundzüge der statistischen Turbulenzmodellierung dargelegt, und erste<br />
Modellierungstechniken, wie z.B. die Gradientendiffusion oder die Entwicklung der<br />
Transportgleichungen für konventionelle Zweigleichungsmodelle, erläutert.<br />
Im zweiten <strong>Kapitel</strong> erfolgt eine kritische Bewertung des linearen Wirbelzähigkeitskonzepts<br />
aus dem Blickwinkel der Darstellungstheorie. Das <strong>Kapitel</strong> strebt eine formale<br />
Erörterung von Defiziten konventioneller isotroper Wirbelzähigkeitsmodelle an, und<br />
versucht so die Motivation zur Verwendung einer im darstellungstheoretischen Sinne<br />
höherwertigen Modellbildung zu entwickeln. Daran anschließend wirden im dritten<br />
<strong>Kapitel</strong> ein Einblick in rationale Modellierungspraktiken, insbesondere die für die<br />
Entwicklung nichtlinearer Wirbelzähigkeitsmodelle relevanten Grundlagen der Darstel-<br />
5
KAPITEL<br />
lungstheorie erörtert. Die hierbei verwendeten vektoralgebraischen Hilfsmittel können<br />
Anhang C entnommen werden.<br />
<strong>Kapitel</strong> vier diskutiert implizite, lineare Reynolds–Spannungsmodelle. Letztere umfassen<br />
sowohl Transportgleichungsmodelle, als auch algebraische Spannungsmodelle. Die<br />
Schwerpunkte dieses <strong>Kapitel</strong>s liegen auf der Entwicklung von Modellen zur Beschreibung<br />
der Druck–Scher–Korrelationen.<br />
Im <strong>Kapitel</strong> fünf wird, ausgehend von den impliziten algebraischen Reynolds–Spannungsmodellen,<br />
eine Projektionstechnik zur Formulierung beliebig aufwendiger expliziter algebraischer<br />
Spannungsmodelle skizziert. Ein wichtiges Merkmal dieser Vorgehensweise<br />
ist ihre hohe Flexibilität in Hinblick auf die gezielte Modellierung einzelner physikalischer<br />
Mechanismen. Ferner eignet sich die Prozedur zur Erweiterung klassischer<br />
expliziter algebraischer Spannungsmodelle. Die explizite Darstellung der Reynolds–<br />
Spannungen verlangt zusätzliche Annahmen zur Schließung der spezifischen Produktionsrate<br />
P/ε innerhalb der Koeffizienten des expliziten algebraischen Spannungsmodells.<br />
<strong>Kapitel</strong> sechs diskutiert unterschiedliche Schließungstechnikenund erläutert den Begriff<br />
der asymptotischen Konsistenz.<br />
Ein Analysekapitel befaßt sich mit der Vorhersage fundamentaler Strömungszustände<br />
durch unterschiedliche explizite algebraische Spannungsmodelle. Im Vordergrund des<br />
<strong>Kapitel</strong>s stehen die Darstellbarkeit homogener Turbulenzfelder, die physikalische Realisierbarkeit<br />
der modellierten Reynolds–Spannungen sowie die Konsistenz zur Rapid–<br />
Distortion–Theorie. Daneben findet die Darstellung normalspannungsgetriebener Sekundärströmungen<br />
und krümmungsinduzierter Variationen von Schubspannungen besondere<br />
Beachtung. Die Betrachtungen ermöglichen eine Validierung des linearen Druck–<br />
Scher–Korrelationsmodells und eignen sich zur Formulierung von Restriktionen für<br />
die dazugehörigen Koeffizienten. Das achte <strong>Kapitel</strong> erörtert Optimierungsstrategien<br />
und befaßt sich mit der Erweiterung expliziter algebraischer Spannungsmodelle für<br />
Wandturbulenz, kompressible Medien, Mehrskalentheorien und dreidimensionale Strömungszustände.<br />
Daneben werden die traditionellen Schwierigkeiten von Wirbelzähigkeitsmodellen<br />
in Bezug auf die Vorhersage krümmungsbehafteter Strömungen analysiert.<br />
Im Anschluß daran wird der Modellkanon durch die Herleitung von Eingleichungsmodellen<br />
aus hierarchisch übergeordneten Zweigleichungsmodellen vervollständigt und<br />
die mathematisch/physikalischen Zusammenhänge zer schen einzelnen Modellen zusammengefasst.<br />
Im Rahmen eines abschließenden <strong>Kapitel</strong>s werden numerische Aspekte, welche zur Umsetzung<br />
der Modelle in finiten Approximationsverfahren wichtig sind, erörtert. Hierzu<br />
zählen insbesondere die Formulierung von geeigneten Randbedingungen im Bereich<br />
fester Wände, wie z.B. high-Re und Low-Re Bedingungen, sowie die Diskussion von<br />
Fernfeldrandbedingungseinflüssen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Modellierungstechniken.<br />
Die Validierung bezieht sich vorwiegend auf akademische Beispiele, welche einen vertieften<br />
Einblick in isolierte physikalische Mechanismen erlauben. Die diesbezüglichen<br />
Anwendungen sind begleitend in den laufenden Text integriert. Hierzu zählen unter<br />
6
KAPITEL<br />
anderem die Berechnung von scherfreier und schergetriebener Turbulenz, die Simulation<br />
von Sekundärströmungsphänomenen und Wandturbulenz, sowie die Untersuchung<br />
von Strömungsdrall bzw. die Vorhersage von Strömungen in rotierenden Systemen.<br />
Weite Teile der Darstellung und Berurteilung von Ergebnissen erfolgen unter Verwendung<br />
der Invariantenkarte nach Lumley (1978) und der damit verbundenen skalaren<br />
Deskriptoren, deren Herleitung man Anhang A entnehmen kann.<br />
7
<strong>Kapitel</strong> 1 Mathematische Grundlagen<br />
??<br />
Für die Berechnung von Strömungsproblemen bieten die in einer Vielzahl bewährter<br />
Literaturstellen (z.B. Bird et al. 1962, Spurk 1989) angebotenen Ausgangsgleichungen<br />
einen attraktiven Einstieg in die Problematik. Der Vollständigkeit halber erfolgt zu<br />
Beginn dieses Manuskripts eine knappe Zusammenfassung der mathematischen Grundlagen.<br />
Der erste Abschnitt befaßt sich mit den fundamentalen Bilanzgleichungen. Die<br />
Schließung der Bilanzgleichungen stützt sich auf die Materialgesetze einfacher Navier–<br />
Stokes/Fourier Fluide und perfekter Gase, welche im zweiten Abschnitt wiedergegeben<br />
sind. Die folgenden Abschnitte stellen die Grundzüge der statistischen Modellierung<br />
turbulenter Strömungen dar, zu dessen Ergänzung bereits hier auf die Bücher von Hinze<br />
(1959), Tennekes und Lumley (1972), Launder und Spalding (1972), Rotta (1972),<br />
Wilcox (1993) und Hallbäck et al. (1996) hingewiesen sei. Zur Abgrenzung der statistischen<br />
Turbulenzmodellierung werden abschliessenwerden die Grundzüge der Grobstruktursimulation<br />
dargelegt.<br />
1.1 Transportgleichungen<br />
Im Rahmen der Strömungsmechanik werden die Bilanzgleichungen in der Regel nicht<br />
auf der Basis körperfester materieller oder Lagrange–Koordinaten, sondern auf der<br />
Basis raumfester Euler–Koordianten betrachtet. Die zeitliche Ableitung eines Integrals,<br />
dessen Grenzen und Integrand von der Zeit t abhängen, erfolgt unter Verwendung der<br />
Leibnitzschen Integrationsregel:<br />
d<br />
dt<br />
<br />
V<br />
<br />
φdV →<br />
V<br />
∂φ<br />
dV +<br />
∂t<br />
<br />
O(V)<br />
dA · (Uφ) = Sφ . (1.1)<br />
Hierin repräsentiert V den räumlichen Bereich, der momentan mit dem materiellem Volumen<br />
V zusammfällt, und Sφ eine spezifische rechte Seite, die aus sogenannten Quelltermen<br />
zur Erzeugung, Vernichtung oder Umverteilung von φ beiträgt. Die Leibnitzsche<br />
Integrationsregel für Volumina (1.1) ist auch als Reynoldssches Transporttheorem bekannt.<br />
Mit Hilfe des Gaußschen Satzes erhält man anstelle von (1.1) die alternative<br />
Darstellung:<br />
<br />
V<br />
∂φ<br />
∂t<br />
<br />
+ ∇ · (Uφ) dV = Sφ . (1.2)<br />
Im Rahmen der Kontinuumshypothese gilt (1.2) für beliebige Kontrollräume V, weswegen<br />
die differentielle Form der Bilanzgleichungen<br />
∂φ<br />
∂t + ∇ · (Uφ) = sφ<br />
<br />
, mit Sφ = sφdV (1.3)<br />
lautet. Die Gültigkeit der differentiellen Form beschränkt sich genaugenommen auf<br />
Punkte, in denen die Feldgrößen stetig sind, insbesondere also keine Diskontinuitätsflächen<br />
auftreten. Für die numerische Simulation von Strömungsproblemen wird die<br />
8
1.1. TRANSPORTGLEICHUNGEN<br />
konservative Integralform (1.1) zumeist bevorzugt. Die Herleitung der Transportgleichungen<br />
für die zweiten statistischen Momente stützt sich vorwiegend auf die differentielle<br />
Form, deren Notation im weiteren Verlauf des <strong>Kapitel</strong>s auf kartesischen Tensorkoordinaten<br />
basiert und die übliche Definition der substantiellen Ableitung verwendet<br />
Kontinuitätsgleichung<br />
˙φ = Dφ<br />
Dt<br />
= ∂φ<br />
∂t<br />
∂φ<br />
+ Uk .<br />
∂xk<br />
Der Satz von der zeitlichen Erhaltung der Masse in quellfreien Strömungsgebieten<br />
(Sρ=0) wird durch den Transport der Dichte (φ := ρ) in (1.1) beschrieben<br />
<br />
∂ρ<br />
dV + dA · (Uρ) = 0 . (1.4)<br />
∂t<br />
V<br />
O(V)<br />
Auf der Basis kartesischer Tensorkoordinaten lautet die entsprechende differentielle<br />
Form<br />
Impulsgleichung<br />
V<br />
∂ρ<br />
∂t<br />
+ ∂ ρ Ui<br />
∂xi<br />
= 0 . (1.5)<br />
Die Impulsgleichung ergibt sich aus dem 1. Newtonschen Grundgesetz, nach dem die<br />
Änderung des Impulses (φ := ρU) der Summe aller äußeren Kräfte auf das Fluid<br />
entspricht. Auf der rechten Seite der Eulerschen Beziehung (1.1) sind daher sämtliche,<br />
auf den flüssigen Körper wirkenden mechanischen Lasten zu bilanzieren:<br />
<br />
∂<br />
∂t (ρU)<br />
<br />
dV + ρU U · dA = − P dA + τ · dA + fdV . (1.6)<br />
O(V)<br />
Hierin ist P der statische Druck, τ der noch zu definierende (symmetrische) Tensor der<br />
Reibungsspannungen und f eine beliebige Volumenkraftdichte – z.B.(0, 0, −ρg) –. Mit<br />
Hilfe des Gaußschen Satzes lassen sich die Integrale über die Oberflächenkraftdichten<br />
in Volumenintegrale wandeln, und man erhält für beliebige Teilbereiche lokal stetiger<br />
Feldvariablen die folgende differentielle (kartesische) Koordinatenbeziehung<br />
ρ DUi<br />
Dt<br />
O(V)<br />
∂P<br />
= − +<br />
∂xi<br />
∂τij<br />
∂xj<br />
O(V)<br />
+ fi . (1.7)<br />
Im Falle eines mit der Winkelgeschwindigkeit Ω stationär um den Koordinatenursprung<br />
rotierenden Bezugsssystems ist die rechte Seite um Coriolis– (−2ρ Ω × U) und Zentrifugalbeschleunigungen<br />
(−ρ Ω × Ω × x) zu ergänzen, woraus sich<br />
ρ DUi<br />
Dt<br />
= −∂P ∗<br />
∂xi<br />
+ ∂τij<br />
∂xj<br />
9<br />
+ f ∗ i<br />
V<br />
(1.8)
KAPITEL<br />
ergibt. Hierin sind der um die Zentrifugalbeschleunigungen erweiterte Druck durch<br />
P ∗ = P − 0.5ρ (xmxm)(ΩkΩk) + 0.5ρ (Ωmxm)(Ωkxk) , (1.9)<br />
und die um die Coriolisbeschleunigung ergänzte Volumenkraftdichte durch<br />
f ∗ i = fi − 2ρ eijk ΩjUk (1.10)<br />
erklärt. Der in (1.10) auftretende Permutationstensor eijk folgt der Definition<br />
⎧<br />
⎪⎨ 1 für ijk = 123, 231, 312 ,<br />
eijk = −1<br />
⎪⎩<br />
0<br />
für ijk = 213, 132, 321 ,<br />
sonst .<br />
(1.11)<br />
Druckpoissongleichung<br />
Für die statistische Turbulenzmodellierung spielt die Poissongleichung des Drucks in<br />
inkompressiblen Medien eine zentrale Rolle. Diese gewinnt man mit Hilfe der Kontinuitätsaussage<br />
∇ · U = 0 aus der Divergenz von Gleichung (1.8)<br />
1<br />
ρ<br />
∂ 2 P ∗<br />
∂xi∂xi<br />
<br />
∂Uk ∂Ui<br />
= −<br />
∂xi ∂xk<br />
+ 2eijkΩj<br />
<br />
∂Uk<br />
∂xi<br />
+ 1<br />
ρ<br />
∂fi<br />
∂xi<br />
, (1.12)<br />
wobei der Reibungsspannungstensor dem in Abschnitt 1.2 notierten Materialgesetz<br />
(1.32) folgt.<br />
Wirbeltransportgleichung<br />
Die Transportgleichung des Wirbelvektors ωi = eijk ∂Uk repräsentiert ein weiteres,<br />
∂xj<br />
geeignetes Instrument zur Analyse turbulenter Strömungen<br />
<br />
D ωi D ∂Uk ∂ ∂ ∂Uk<br />
= eijk = + Um eijk<br />
Dt Dt ∂xj ∂t ∂xm ∂xj<br />
<br />
∂ DUk ∂Uk ∂Um<br />
= eijk<br />
− eijk . (1.13)<br />
∂xj Dt ∂xm ∂xj<br />
Für inkompressible Medien erhält man mit Hilfe des in Abschnitt 1.2 notierten Materialgesetzes<br />
(1.32) für den ersten Term der rechten Seite von Gleichung (1.13)<br />
<br />
∂ DUk<br />
(...)eijk<br />
=<br />
∂xj Dt<br />
eijk<br />
2 ∂ τkm<br />
+<br />
ρ ∂xm ∂xj<br />
∂ fk<br />
<br />
+ d<br />
∂xj<br />
eijk ∂ fk<br />
(1.14) .<br />
ρ ∂xj<br />
= (1.32) ν ∂2 ωi<br />
∂x 2 m<br />
Bei Verwendung statistischer Turbulenzmodelle ergibt sich im Volumenkraftdichtefreien<br />
Fall fk = (ukum),m. Der zweite Summand der rechten Seite von Gleichung (1.13)<br />
läßt sich für inkompressible Strömungen, wegen m = i, wie folgt vereinfachen<br />
eijk<br />
∂Uk<br />
∂xm<br />
∂Um<br />
∂xj<br />
= emjk<br />
∂Uk<br />
∂xm<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
10<br />
= −ejmk<br />
∂Uk<br />
∂xm<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
= −ωj<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
,
womit sich die Wirbeltransportgleichung schließlich in Form von<br />
ergibt.<br />
Energiegleichung<br />
D ωi<br />
Dt<br />
= ωk<br />
∂Ui<br />
∂xk<br />
+ ν ∂2 ωi<br />
∂x 2 k<br />
+ eijk<br />
ρ<br />
1.1. TRANSPORTGLEICHUNGEN<br />
∂ fk<br />
∂xj<br />
(1.15)<br />
Der energetische Transport durch einen Kontrollraum V wird durch den 1. Hauptsatz<br />
der Thermodynamik beschrieben. Hiernach ist die Änderung von kinetischer Energie<br />
K und innerer Energie E in V gleichgewichtig zur Summe aus Spannungsleistungen Ps,<br />
Wärmeflüssen über die Oberfläche ˙ Q sowie dem pro Zeiteinheit produzierten Anteil an<br />
eingeprägter Wärme ˙ Qe (beispielsweise aus Strahlung resultierend):<br />
˙E + ˙ K = Ps + ˙ Q + ˙ Qe . (1.16)<br />
Eingeprägte Wärmeanteile bleiben fortan unberücksichtigt. Da diese zumeist Quelltermgestalt<br />
besitzen, sind sie im Bedarfsfall leicht zu ergänzen. Mit Hilfe der Leistungsdichten<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
˙Q = − q · dA bzw. Ps = U · τ · dA − dA · (U P ) + U · fdV (1.17)<br />
erhält man unter Verwendung intensiver Feldgrößen<br />
dE := ρe dV und dK := ρ<br />
die Integralgleichung<br />
<br />
∂<br />
ρ e +<br />
∂t<br />
U 2 <br />
g<br />
dV +<br />
2<br />
<br />
V<br />
−<br />
<br />
O(V)<br />
O(V)<br />
2 U · U dV = ρU 2 g<br />
2<br />
dA ·<br />
dA · q + U P − τ T · U <br />
+<br />
V<br />
<br />
ρU e + U 2 <br />
g<br />
=<br />
2<br />
dV (1.18)<br />
U · fdV . (1.19)<br />
Die Beziehung (1.19) geht nach Wandlung der Oberflächenintegrale unter der Voraussetzung<br />
stetiger Feldgrößen in eine differentielle Formulierung über. Subtrahiert man<br />
hiervon die durch skalare Multiplikation mit der Geschwindigkeit erweiterte Impulsbilanz<br />
(1.7), so ergibt sich eine weitere differentielle Bilanzgleichung<br />
ρ De<br />
Dt<br />
∂qi<br />
= − − P<br />
∂xi<br />
∂Ui<br />
∂xi<br />
∂Ui<br />
+ τji . (1.20)<br />
∂xj<br />
<br />
Die hierin auftretende doppelte Überschiebung zwischen den Verzerrungsgeschwindigkeiten<br />
und den daran wirkenden Reibungsspannungen wird zumeist als Dissipationsfunktion<br />
φD bezeichnet und symbolisiert die volumenbezogene Spannungsleistung infolge<br />
von Kontrollraumverzerrung.<br />
11<br />
:=φD
KAPITEL<br />
Enthalpiegleichung<br />
Neben (1.20) finden eine Reihe weiterer Formulierungen der Energiegleichung Verwendung.<br />
Hierzu zählt beispielsweise die in Termen der Enthalpie h formulierte Variante,<br />
zu der man vermöge ρh := ρe + P gelangt<br />
ρ Dh<br />
Dt<br />
∂qi<br />
= − + φd +<br />
∂xi<br />
DP<br />
Dt<br />
. (1.21)<br />
Diese Beziehung geht für kalorisch ideale Medien (vgl. Abschnitt 1.3) in<br />
DT<br />
ρcp<br />
Dt<br />
∂qi<br />
= − + φd +<br />
∂xi<br />
DP<br />
Dt<br />
(1.22)<br />
über. Die Beziehung (1.22), bzw. deren konservative Integralform dienen im Folgenden<br />
als Ausgangsgleichung zur Berechnung kompressibler Probleme.<br />
Generische Transportgleichung<br />
Der Transport einer generischen Strömungsvariablen folgt der Beziehung<br />
ρ Dφ<br />
<br />
∂ ∂φ<br />
= Γφ + sφ . (1.23)<br />
Dt ∂xi ∂xi<br />
1.2 Materialgleichungen<br />
Im Rahmen der Lehrveranstaltung werden lediglich Strömungen einfacher Navier–<br />
Stokes–Fourier Fluide behandelt. Die mechanischen und thermodynamischen Konsequenzen<br />
aus dieser Vereinfachung sind allgemein bekannt und sollen daher im folgendem<br />
Abschnitt nur kurz skizziert werden. Das im vorangehenden Abschnitt notierte System<br />
von Bilanzgleichungen ist für alle Materialien und Strömungszustände gültig. Dennoch<br />
bildet es kein geschlossenes Gleichungssystem, sondern benötigt hierzu folgende Konstitutivbeziehungen<br />
• eine thermische Zustandsgleichung,<br />
• ein Stoffgesetz zur Verknüpfung von Zustandsgrößen,<br />
• Ansätze für die Transportkoeffizienten.<br />
Thermische Zustandsgleichung<br />
Vernachlässigt man die intermolekularen Phänomene, wir z.B. Binnendruck und Kovolumen,<br />
so spricht man von idealem oder auch perfektem Gas. Für dieses Fluid sind<br />
die Zustandsgrößen Druck p, Dichte ρ und Temperatur T durch die Zustandsgleichung<br />
P = ρRT (1.24)<br />
12
1.2. MATERIALGLEICHUNGEN<br />
beschrieben. Die medienspezifische Gaskonstante R bestimmt sich darin über<br />
R =<br />
˜ R/M<br />
˜R = universelle Gaskonstante = 8.3143 J<br />
mol K<br />
M = Molmasse des Strömungsmediums z.B. Luft = 29g<br />
mol<br />
. (1.25)<br />
Aus der Voraussetzung eines thermisch idealen Stoffverhaltens ergibt sich für die differentiellen<br />
Zustandsgrößen der inneren Energie de und der Enthalpie dh<br />
de = cvdT bzw. dh = cpdT = d(e + P/ρ) (1.26)<br />
mit (nicht notwendigerweise konstanten) isobaren bzw. isochoren Wärmekapazitäten<br />
cp und cv. Das Stoffgesetz (1.24) des Idealgases ergibt die Restriktion<br />
dh = de + d(P/ρ) → cpdT = cvdT + RdT → cp − cv = R , (1.27)<br />
welche sich bei Verwendung des Quotienten cp<br />
γ = cp<br />
cv<br />
cv<br />
(:= Isentropenexponent γ) zu<br />
→ cp = Rγ<br />
γ − 1 , cv = R<br />
γ − 1<br />
(1.28)<br />
notiert. Die in dieser Vorlesung berechneten kompressiblen Strömungen setzen zudem<br />
kalorisch ideales Verhalten voraus (cp und cv =konst.), weswegen sich die differentiellen<br />
Stoffgesetze (1.26) der inneren Energie und Enthalpie zu<br />
h − href = cp(T − Tref) und e − eref = cv(T − Tref) (1.29)<br />
integrieren lassen. Eine Modifikation für kalorisch reale Stoffe sollte mit Hilfe von Stoffgesetztabellen,<br />
z.B. Blanke (1989), leichterdings möglich sein. Für die Berechnungen<br />
benötigt man somit die Vorgabe einer spezifischen Gaskonstante R sowie eines Isentropenexponenten<br />
γ. Das verwendete numerische Verfahren ist vornehmlich zur Berechnung<br />
von Luftströmungen entwickelt worden. Für dieses, in der Hauptsache aus zweiatomigen<br />
Stickstoffmolekülen bestehende Medium, ist die Gültigkeit der thermischen<br />
Zustandsgleichung bei nicht zu hohen Drücken im wesentlichen vom lokalen Temperaturzustand<br />
abhängig. Bei Temperaturen oberhalb von 500 K wird vom Medium zusehends<br />
mehr Energie in die Nutzung des Vibrationsfreiheitsgrades des Hantelmodells<br />
umgesetzt. In diesem Fall kann nicht mehr mit konstanten spezifischen Wärmen gerechnet<br />
werden (kalorisch reales Verhalten). Oberhalb von ca. 2000 K ist die verstärkt<br />
einsetzende Dissoziation der Sauerstoffanteile zu berücksichtigen, von 5000 K an findet<br />
zudem Stickstoffdissoziation statt. Berechnungen für T > 2000 K erscheinen auch<br />
bei Berücksichtigung von Realgasfaktoren fragwürdig. Eine Abschätzung der maximal<br />
berechenbaren Temperaturen in Abhängigkeit der Anströmzahl kann mit Hilfe der<br />
Staupunkttemperatur erfolgen. Mit γ = 1.4 sowie T∞ ≈ 300 K ermittelt man (für in<br />
erster Näherung zu 1 gesetzte Recoveryfaktoren) aus:<br />
13
KAPITEL<br />
To<br />
T∞<br />
= 1 +<br />
γ − 1<br />
2 Ma2 ∞ , (1.30)<br />
die T0 ≈500 K Grenze bei Ma∞ ≈ 2 sowie den Realgasbereich bei Ma∞ ≈ 5. Die<br />
in (1.30) verwendete dimensionslose Kennzahl Ma∞ (Anströmmachzahl) ist durch das<br />
Verhältnis von Anströmgeschwindigkeitsbetrag Ug∞ zu Schallgeschwindigkeit der Anströmung<br />
a∞ definiert<br />
Stoffgesetz<br />
Ma := Ug<br />
a<br />
mit a 2 := γRT . (1.31)<br />
Der molekulare Reibungsspannungstensor τ wird im Rahmen einfacher Medien üblicherweise<br />
durch den Deformationsgeschwindigkeitsansatz nach Navier–Stokes beschrie-<br />
ben<br />
<br />
∂ Ui<br />
τij = µ +<br />
∂ xj<br />
∂ Uj<br />
<br />
+ µd −<br />
∂ xi<br />
2<br />
3 µ<br />
<br />
∂ Uk<br />
δij . (1.32)<br />
Hierin sind µ die molekulare Scherzähigkeit und µd die Druckzähigkeit. Die Symmetrie<br />
des Spannungstensors ist zwingend notwendig, wie die Analyse des Drehimpulserhaltungssatzes<br />
ergibt (Spurk 1989). Diese erlaubt die Redefinition der oben genannten<br />
Dissipationsfunktion (1.20)<br />
φD = Sij τij mit Sij = 0.5<br />
<br />
∂ Ui<br />
+ ∂ Uj<br />
∂ xj<br />
∂ xk<br />
<br />
∂ xi<br />
. (1.33)<br />
Die mittlere Gesamtnormalspannung entspricht für inkompressible Strömungen gerade<br />
dem negativen Druck. Damit dies für kompressible Strömungen auch gilt, muß die<br />
Druckzähigkeit µd gemäß der Stokesschen Hypothese verschwinden, wovon im Folgenden<br />
ausgegangen werden soll:<br />
τij = 2 µ Sij − 2<br />
3 µ<br />
<br />
∂ Uk<br />
δij mit µ = ρ ν . (1.34)<br />
∂ xk<br />
Die Druckzähigkeit dient üblicherweise zur Beschreibung der Anregung innerer Molekülfreiheitsgrade<br />
durch den Übergang von kinetischer Energie. Für einatomige Gase<br />
ohne innere Freiheitsgrade ist die Druckzähigkeit folglich null. Für die hier vorwiegend<br />
betrachteten Luftströmungen im Idealgasbereich ist der aus der Stokesschen Hypothese<br />
resultierende Fehler von untergeordneter Bedeutung.<br />
Die über die Oberfläche in den Kontrollraum einfließende Wärmemenge sei positiv für<br />
nach innen gerichtete Wärmeflüsse. Die Komponenten des Vektors der Wärmestromdichten<br />
q bestimmen sich dann aus dem nach Fourier benannten isotropen Gradienten-<br />
Diffusionsansatz:<br />
qi = −λ ∂T<br />
. (1.35)<br />
∂xi<br />
14
Transportkoeffizienten<br />
1.3. STATISTISCHE BESCHREIBUNG TURBULENTER STRÖMUNGEN<br />
Die (Scher-)Zähigkeit µ und die Wärmeleitfähigkeit λ von Fluiden sind im allgemeinen<br />
eine Funktion von Druck und Temperatur. Die Druckabhängigkeit spielt bei verdünnten<br />
Gasen (z.B. Luft bei mäßig hohen Drücken) nur eine untergeordnete Rolle. Die<br />
exakten Abhängigkeiten werden durch die kinetische Gastheorie beschrieben (Sommerfeld<br />
1988). Für die Viskosität wird zumeist eine von Sutherland (1893) angegebene<br />
Näherungsformel verwendet<br />
<br />
T<br />
µ(T ) = µref(Tref)<br />
Tref<br />
3<br />
2 Tref + ϑ<br />
T + ϑ<br />
. (1.36)<br />
Darin ist µref die Viskosität für die Referenztemperatur Tref und ϑ eine stoffabhängige<br />
Konstante. Für Luft findet man (Jischa 1982)<br />
5 kg<br />
ϑ = 110K Tref = 280K, µref = 1.75 · 10 . (1.37)<br />
ms<br />
Eine analoge Formel läßt sich zur Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit finden. Da die<br />
dynamische Viskosität und die Wärmeleitfähigkeit für verdünnte Gase in sehr ähnlicher<br />
Weise mit der Temperatur variieren, kann λ im interessierenden Temperaturbereich<br />
einfacher über die Definition der konstant gesetzten Prandtlzahl P r bestimmt werden:<br />
λ = µcp<br />
P r<br />
, mit P r ≈ 0.7 . (1.38)<br />
Abschließend sei bemerkt, daß sämtliche Stoffwerte als schwankungsfrei betrachtet werden.<br />
1.3 Statistische Beschreibung turbulenter Strömungen<br />
Die mathematische Beschreibung von Strömungsturbulenz ist die Grundlage für das<br />
Verständnis und die Optimierung technischer Strömungen. Dabei ist die Effizienz des<br />
verwendeten Ansatzes ebenso wichtig wie dessen Genauigkeit. Turbulente Austauschmechanismen<br />
basieren auf Wechselwirkungen der zeitlichen und räumlichen Schwankungen<br />
von Druck, Dichte und Geschwindigkeit, welche sich über ein großes Spektrum<br />
unterschiedlicher Skalen erstrecken. Eine präzise Simulation der Vorgänge verlangt die<br />
Auflösung sämtlicher Skalen durch die Diskretisierung. Dies ist aus Effizienzgründen<br />
für praxisnahe Anwendungen in absehbarer Zeit nicht möglich, darüber hinaus sind<br />
in technischen Anwendungen nur die statistischen Eigenschaften der Strömung von<br />
Interesse. Numerische Verfahren zur Berechnung praxisrelevanter Problemstellungen<br />
basieren daher fast ausnahmslos auf einer statistischen Betrachtung der Strömung unter<br />
Verwendung semi–empirischer Turbulenzmodelle zur Schließung der statistisch gemittelten<br />
Bilanzgleichungen. Der letzte Abschnitt des ersten <strong>Kapitel</strong>s diskutiert die<br />
mathematischen Grundlagen statistischer Turbulenzmodelle.<br />
15
KAPITEL<br />
1.3.1 Statistische Mittelung<br />
Bei den im Folgenden definierten Mittelungsoperatoren handelt es sich um die klassische<br />
Reynolds– oder Ensemblemittelung (Reynolds 1895) und die zur Behandlung kompressibler<br />
Strömungen vorteilhafte dichtegewichtete Favré–Mittelung (Favré 1965). Daneben<br />
werden die unter dem Oberbegriff Reynoldssche Mittelung firmierenden Derivativa<br />
der Ensemblemittelung für statistisch stationäre und homogene Strömungen skizziert.<br />
Die Definition der Mittelungsoperatoren macht von Hilfsgrößen Z(i) Gebrauch,<br />
die eine beliebige statistische Variable (U, P , T oder ρ) repräsentieren.<br />
Die Reynoldssche Mittelung ist die am häufigsten gebrauchte Mittelungstechnik.<br />
Ihre allgemeingültigste Definition gründet auf der klassischen Ensemblemittelung<br />
˜Z = Z + z mit ˜ Z = Z bzw. z = 0 . (1.39)<br />
Hierin kennzeichnen ˜ Z den Momentanwert, Z den Mittelwert und z den Schwankungswert<br />
von ˜ Z. Die Definition des Ensemblemittelwerts (·) lautet<br />
Z(x, t) = A E [ ˜ <br />
N<br />
<br />
1<br />
Z] = lim ˜Zn(x, t) . (1.40)<br />
N→∞ N<br />
Für einen im Mittel stationären Prozess geht der Ensemblemittelwert nach dem Ergoden–<br />
Theorem in den zeitlichen Mittelwert über<br />
Z(x) = A T [ ˜ Z] = lim<br />
δt→∞<br />
1<br />
δt<br />
n=1<br />
t+δt/2 <br />
t−δt/2<br />
˜Z(x, t ′ ) dt ′ . (1.41)<br />
Im Falle einer homogenen (translationsinvarianten) Strömung ist das Ensemblemittel<br />
äquivalent zu einem räumlichen Mittelwert, welcher durch<br />
Z(t) = A S [ ˜ <br />
1<br />
Z] = lim ˜Z(x, t) dV<br />
V→∞ V<br />
′ , (1.42)<br />
erklärt ist. Die Mittelwerte werden auch als erste statistische Momente bezeichnet. Aus<br />
der Definition der oben angeführten Mittelwerte lassen sich eine Reihe von Rechenregeln<br />
ableiten, die bei der Herleitung der statistisch gemittelten Transportgleichungen<br />
Verwendung finden<br />
˜Z = Z = Z , ˜ Z(1) + ˜ Z(2) = Z(1) + Z(2) , ˜ Z,x = Z ,x ,<br />
˜Zdx = Z dx , Z(1) . . . Z(i) z(k) = 0 , Z(1) . . . Z(i) z(k) . . . z(l) = 0 .<br />
V<br />
(1.43)<br />
Die Zerlegungen der wichtigsten im Verlauf dieser Vorlesung verwendeten Variablen<br />
lauten<br />
16
1.3. STATISTISCHE BESCHREIBUNG TURBULENTER STRÖMUNGEN<br />
Ũ = U + u , ˜ P = P + p , ˜ T = T + T ′ , ˜ρ = ρ + ρ ′ , ˜ f = f + f ′ , ˜ φ = φ + ϕ .<br />
Die homogene Turbulenz spielt bei der Entwicklung und Analyse von Turbulenzmodellen<br />
eine zentrale Rolle. Man beachte, daß die hiermit vebundene Translationsinvarianz<br />
statistisch gemittelter Größen auch für höhere statistische Momente z(i)...z(k) gilt. Neben<br />
der strengen Form der Homogenität existiert noch eine weniger restriktive Form,<br />
die homogene Gradienten von Mittelwerten zuläßt (vgl. Abschnitt 1.3.4). Der Begriff<br />
der Homogenität wird im Weiteren für beide Situationen verwendet.<br />
Die Favrésche Mittelung erleichtert die Formulierung der gemittelten Transportgleichungen<br />
für kompressible Medien. Anstelle der konventionellen Mittelungsoperationen<br />
(1.40–1.42) werden hierbei die entsprechenden dichtegewichteten Mittelwerte<br />
benutzt, deren Zusammenhang zur Reynoldsschen Mittelung durch<br />
ρ Z = ˜ρ ˜ Z , mit ˜ρ = ρ + ρ ′<br />
(1.44)<br />
erklärt ist. Unter Verwendung eines dichtegewichteten Mittelwertes Z lautet die Zerlegung<br />
des Momentanwertes<br />
˜Z = Z + z ′′<br />
mit ˜ Z = Z bzw. z ′′ = 0 und z ′′ = Z − Z . (1.45)<br />
Die Favrésche Mittelung ist eine rein mathematische Vereinfachung. Sie degeneriert<br />
unter Beschränkung auf schwach kompressible Medien zur Reynoldsschen Mittelung,<br />
wie die im Folgenden skizzierte Morkovin–Hypothese zeigt.<br />
Die Morkovin–Hypothese (1964) dient der Abschätzung der Dichtefluktuationen<br />
in schwach kompressiblen Medien. Die statistische Betrachtung der thermischen Zustandsgleichung<br />
(1.24) liefert nach Bildung der logarithmischen Ableitung<br />
d ˜ P<br />
P<br />
d˜ρ<br />
=<br />
ρ + d ˜ T<br />
T<br />
❀<br />
p<br />
P<br />
= ρ′<br />
ρ<br />
+ T ′<br />
T<br />
. (1.46)<br />
Die erste Aussage der Hypothese basiert auf der Analyse empirischer Daten und besagt,<br />
daß der Druckfluktuationsterm p/P vernachlässigbar ist. Im Weiteren ordnet die<br />
Hypothese den Schwankungen der Gesamtenthalpie<br />
˜h0 = cp ˜ T0 = cp ˜ T + 0.5 Ũ 2 g , mit ˜ h0 = h0 + h ′ 0 ,<br />
eine nachrangige Bedeutung zu. Die Reynoldssche Zerlegung der Gesamtenthalpie liefert<br />
damit<br />
˜h0 ≈ h0 ❀ T + U 2 g<br />
= T + T<br />
2cp<br />
′ + 1<br />
<br />
U<br />
2cp<br />
2 √ <br />
g + 2Ug 2k + 2k .<br />
17
KAPITEL<br />
In Gleichung (1.3.1) bezeichnet k = 0.5 uiui die kinetische Energie der turbulenten<br />
Schwankungsbewegung. Unterdrückt man hierin den von höherer Ordnung kleinen<br />
Term k/cp, dann lassen sich die Temperatur– und Dichtefluktuationen als Funktion<br />
der Machzahl darstellen<br />
ρ ′<br />
ρ<br />
= −T ′<br />
T<br />
√<br />
2k<br />
= (γ − 1) Ma 2<br />
Ug<br />
= (γ − 1) Ma Mat , mit Ma 2 t := 2k<br />
.<br />
a2 (1.47)<br />
Hierin kennzeichnen Mat die Turbulenzmachzahl, Ma die klassische Machzahl und a<br />
die Schallgeschwindigkeit, deren Definition bereits in <strong>Kapitel</strong> 1.2 erfolgte.<br />
Für die in dieser Vorlesung betrachteten geringen Machzahlen (Ma ≤ 2, Mat ≤ 0.2)<br />
können die Dichtefluktuationen vernachlässigt werden. Die Kompressibilitätseffekte beschränken<br />
sich dann auf Veränderungen der mittleren Dichte<br />
ρ ′ /ρ
1.3. STATISTISCHE BESCHREIBUNG TURBULENTER STRÖMUNGEN<br />
das Auftreten der zweiten statistischen Momente uiuj, uiT ′ und uiϕ . Die Reynolds–<br />
gemittelten Quellterme ergeben sich aus den in <strong>Kapitel</strong> 1.2 beschriebenen Materialgleichungen<br />
<br />
∂Ui<br />
τij = µ +<br />
∂xj<br />
∂Uj<br />
<br />
<br />
µcp ∂T<br />
= 2µ Sij , qi = −<br />
∂xi<br />
P r ∂xi<br />
, (1.53)<br />
φd = τijSij = 2µS 2 ii , f ∗<br />
i = f i − 2ρeijk ΩjUk . (1.54)<br />
Die turbulente Dissipationsrate ˜ε ist das turbulente Analogon der molekularen Dissipationsfunktion<br />
φd<br />
˜ε := 2ν S ′ 2<br />
ii , mit S ′ <br />
∂ui<br />
ik = 0.5 +<br />
∂xk<br />
∂uk<br />
<br />
<br />
∂ui ∂ui<br />
und ε := ν<br />
∂xi<br />
∂xk ∂xk<br />
<br />
∂ui ∂ui<br />
= ν<br />
∂xk ∂xk<br />
+ ∂ui<br />
∂xk<br />
<br />
∂uk<br />
=<br />
∂xi<br />
(1.49)<br />
ε + ν<br />
∂ 2 uiuk<br />
∂xi∂xk<br />
<br />
<br />
1<br />
= ε 1 + O<br />
Re<br />
(1.55)<br />
Der zweite Summand von ˜ε wird üblicherweise vernachlässigt. Die Vereinfachung ˜ε = ε<br />
ist sowohl für Wandturbulenz (Anhang D) als auch homogene Turbulenz exakt, weswegen<br />
ε vielfach auch homogenene Dissipationsrate genannt wird. Die homogene Dissipationsrate<br />
steht in engem Zusammenhang mit dem Begriff der Enstrophie, welche<br />
wie folgt definiert ist<br />
Homogenität : 2 W ′ 2<br />
ii ≈ 2 S′ 2 ε<br />
ii = . (1.56)<br />
ν<br />
Die zweiten statistischen Momente können entweder durch ein Wirbelzähigkeits– bzw.<br />
Wirbeldiffusivitäts–Turbulenzmodell oder eine höherwertige Modellierungstechnik geschlossen<br />
werden. Die höherwertige Modellbildung stützt sich auf die exakten Transportgleichungen<br />
der zweiten statistischen Momente, welche sich unmittelbar aus den<br />
Transportgleichungen der beiden an der Korrelation beteiligten Fluktuationen entwickeln<br />
lassen.<br />
1.3.3 Fluktuations–Transportgleichungen<br />
Die Differenz von Reynolds–gemittelten und Momentangleichungen führt zu Transportgleichungen<br />
für die Fluktuationen, von denen vor allem die Kontinuitätsbeziehung<br />
und die Transportgleichung einer Geschwindigkeitsfluktuation von Interesse sind<br />
∂ui<br />
∂xi<br />
D ui<br />
Dt<br />
≡ 0 , (1.57)<br />
= −uj<br />
∂Ui<br />
= − 1 ∂p<br />
ρ ∂xi<br />
∂xj<br />
+ ∂ui<br />
<br />
∂xj<br />
− 1 ∂p<br />
ρ ∂xi<br />
+ ∂ ′<br />
2νS ij + uiuj − 2eijkΩjuk +<br />
∂xj<br />
f ′ i<br />
ρ ,<br />
∂Ui<br />
− uj +<br />
∂xj<br />
∂<br />
(uiuj − uiuj) + ν<br />
∂xj<br />
∂2ui ∂x2 − 2eijkΩjuk +<br />
j<br />
f ′ i<br />
ρ<br />
19<br />
. (1.58)
KAPITEL<br />
Die Nichtlinearität des ersten Terms der rechten Seite von Gleichung (1.58) verursacht<br />
das Schließungsproblem der statistischen Modellierung. Dieses ist eine unmittelbare<br />
Konsequenz aus der Nichtlinearität des Transporttheorems und kann nur durch einen<br />
Wechsel in die Lagrangsche Betrachtung vermieden werden.<br />
Die Transportgleichung des Fluktuationswertes einer beliebigen skalaren statistischen<br />
Variablen lautet<br />
D ϕ<br />
Dt<br />
<br />
∂φ<br />
= − uj<br />
∂xj<br />
+ ∂ϕ<br />
<br />
+<br />
∂xj<br />
1<br />
ρ<br />
∂<br />
∂xj<br />
<br />
Γφ<br />
<br />
∂ϕ<br />
∂xj<br />
+ ∂(ujϕ)<br />
∂xj<br />
+ s′ φ<br />
ρ<br />
. (1.59)<br />
Die zu (1.12) analoge Poissongleichung des fluktuierenden Drucks ergibt sich aus<br />
1<br />
ρ<br />
∂ 2 p<br />
∂xi∂xi<br />
<br />
∂Ui<br />
= −2<br />
∂xk<br />
+ eijkΩj<br />
∂uk<br />
∂xi<br />
<br />
p schnell<br />
− ∂2 (uiuk)<br />
∂xk∂xi<br />
+ ∂2 (uiuk)<br />
∂xk∂xi<br />
<br />
p langsam<br />
1.3.4 Transportgleichungen zweiter statistischer Momente<br />
+ 1 ∂f<br />
ρ<br />
′ i<br />
∂xi<br />
<br />
p Auftrieb<br />
. (1.60)<br />
Die Fluktuations–Transportgleichungen (1.57)–(1.59) lassen sich in systematischer Weise<br />
zur Herleitung von Transportgleichungen für höhere statistische Momente verwenden.<br />
Die Transportgleichung der kinematischen Reynolds–Spannungen uiuj erhält<br />
man mit Hilfe der Transportgleichung der Geschwindigkeitsfluktuation (1.58) und der<br />
Abkürzung<br />
N(ui) =<br />
D ui<br />
Dt<br />
aus der Identität<br />
❀<br />
1 ∂p<br />
+<br />
ρ ∂xi<br />
∂Ui<br />
+ uj<br />
∂xj<br />
∂ui<br />
+ uj<br />
∂xj<br />
+ ∂ ′<br />
2νS ij − uiuj + 2eijkΩjuk −<br />
∂xj<br />
f ′ i<br />
ρ<br />
N(ui)uj + uiN(uj) = 0<br />
−Dij<br />
= 0<br />
D(uiuj)<br />
Dt + Gij = φij − εij + Pij − ∂<br />
<br />
D<br />
∂xk<br />
t ijk − ν ∂uiuj<br />
<br />
. (1.61)<br />
∂xk<br />
<br />
In Gleichung (1.61) symbolisieren φij, εij und Pij die Tensoren der Druck–Scher–Korrelation,<br />
viskosen Disspation und Produktion von Reynolds–Spannungen. Die Terme Gij<br />
und (D t ijk ),k benennen die Volumenkraftdichte–Geschwindigkeitskorrelationen und die<br />
turbulente Diffusion, deren Druckanteil von einigen Autoren auch als Druckdiffusion<br />
20
1.3. STATISTISCHE BESCHREIBUNG TURBULENTER STRÖMUNGEN<br />
bezeichnet wird. Die Definition der einzelnen Beiträge lautet:<br />
φij = 2<br />
ρ pS′ ij , Dt ijk = uiujuk + 1<br />
ρ p (uiδjk + ujδik) ,<br />
εij = 2ν ∂ui ∂uj<br />
∂xk ∂xk<br />
<br />
∂Ui<br />
, Pij = − ujuk<br />
∂xk<br />
Gij = 2Ωm(emkjuiuk + emkiujuk) − (uif ′ j )<br />
ρ − (ujf ′ i )<br />
ρ<br />
<br />
∂Uj<br />
+ uiuk ,<br />
∂xk<br />
. (1.62)<br />
In Gleichung (1.61) spielen die Transportterme D(uiuj)/Dt und Dij häufig eine untergeordnete<br />
Rolle. Die Transportgleichung wird zumeist von den Anteilen der Produktion,<br />
Dissipation und Druck–Scher–Korrelation dominiert. Die Dominanz von Pij<br />
und εij ist aufgrund ihrer energetischen Bedeutung für die Bilanzgleichung unmittelbar<br />
einsichtig; die Reynolds–Spannungen werden durch den Produktionsterm von<br />
der Grundströmung energetisch gespeist, der Dissipationsratentensor repräsentiert den<br />
Übergang von Schwankungsenergie in Wärme infolge viskoser Reibungskräfte.<br />
Im Gegensatz zu Pij und εij ist der Druck–Scher–Korrelationstensor φij in inkompressiblen<br />
Strömungsmedien von deviatorischem Charakter und tritt weder mit der<br />
Viskosität noch mit der Grundströmung in Wechselwirkung. Die Druck–Scher–Korrelationen<br />
sind primär für die Spannungsumverteilung, insbesondere den Abbau von anisotropen<br />
Normalspannungszuständen, verantwortlich. Man spricht in diesem Zusammenhang<br />
auch von einem return–to–isotropy Operator oder redistribution Term. Man<br />
beachte, daß die mathematisch–physikalischen Eigenschaften des Coriolisterms denen<br />
der Druck–Scher–Korrelation gleichen.<br />
Die Transportgleichung der massespezifischen Tubulenzenergie gewinnt man<br />
durch die Kontraktion der freien Indizes in Gleichung (1.61)<br />
Produktion:=P<br />
k := 0.5 uiui , mit (1.63)<br />
Dk<br />
Dt = −(uiuk) Sik−ε<br />
−<br />
<br />
∂<br />
<br />
0.5 uiuiuk +<br />
∂xk<br />
1<br />
ρ ukp − ν ∂k<br />
<br />
+<br />
∂xk<br />
<br />
1<br />
ρ pS′ ii<br />
<br />
Diffusion:=D<br />
Druckdilatation:=φd<br />
+ (uif ′ i )<br />
ρ<br />
. (1.64)<br />
Im weiteren Verlauf werden die Produktion, Diffusion und Druckdilatation von Turbulenzenergie<br />
durch P , D und φd gekennzeichnet. Die Diffusionsterme sind für die Entwicklung<br />
der Turbulenzenergie vielfach von untergeordneter Bedeutung. Die Druck–<br />
Scher–Korrelationen φij und die Coriolisterme haben aufgrund ihres deviatorischen<br />
Charakters keinen Einfluß auf die Transportgleichung der Turbulenzenergie, worin ein<br />
wichtiger Unterschied zur Transportgleichung der Reynolds–Spannungen besteht. Der<br />
Druckdilatationsbeitrag ist gemäß (1.57) zumeist vernachlässigbar klein.<br />
21
KAPITEL<br />
Die Transportgleichung einer beliebigen Doppelkorrelation (uiϕ) findet man<br />
unter Verwendung des Operators<br />
D ϕ<br />
N(ϕ) =<br />
Dt +<br />
<br />
∂φ<br />
ui +<br />
∂xi<br />
∂ϕ<br />
<br />
−<br />
∂xi<br />
1<br />
<br />
∂ ∂ϕ<br />
Γφ −<br />
ρ ∂xi ∂xi<br />
∂(uiϕ)<br />
−<br />
∂xi<br />
s′ φ<br />
= 0<br />
ρ<br />
aus der Identität<br />
D(uiϕ)<br />
Dt<br />
<br />
= −<br />
uiuk<br />
∂φ<br />
∂xk<br />
− (Γφ + ν) ∂ui<br />
∂xk<br />
N(ϕ)ui + ϕN(ui) = 0 ,<br />
+ ukϕ ∂Ui<br />
<br />
+<br />
∂xk<br />
(uisϕ)<br />
ρ − 2eijkΩj(ukϕ) + 1<br />
ρ<br />
∂ϕ<br />
−<br />
∂xk<br />
∂<br />
<br />
(ukuiϕ) +<br />
∂xk<br />
1<br />
ρ (pϕ) δik<br />
∂ϕ<br />
− Γφ ui<br />
∂xk<br />
∂ϕ<br />
p +<br />
∂xi<br />
(ϕf ′ i )<br />
ρ<br />
(1.65)<br />
− ν ϕ ∂ui<br />
<br />
∂xk<br />
Mit Ausnahme des Konvektionsterms der substantiellen Ableitung beeinflussen die<br />
Mittelwerte der ursprünglichen Variablen die Entwicklung der zweiten statistischen<br />
Momente nur durch ihren räumlichen Gradienten. Für konstante Gradienten der Mittelwerte<br />
lassen sich daher homogene höhere statistische Momente verwirklichen (homogene<br />
Turbulenz). In diesem Falle entkoppeln die Transportgleichungen der Mittelwerte<br />
(1.49)–(1.52) von den zweiten statistischen Momenten. Für die Entwicklung von Turbulenzmodellen<br />
ist dieser Zustand besonders attraktiv, weil er zu geschlossenen Lösungen<br />
führt.<br />
1.3.5 Schließungsproblem<br />
Aus den Transportgleichungen der zweiten statistischen Momente (1.61), (1.64) und<br />
(1.65) ergibt sich der Bedarf zur Schließung bzw. Modellierung weiterer statistischer<br />
Momente, deren Transportgleichungen sich analog zu den oben entwickelten Doppelkorrelations–Bilanzen<br />
herleiten lassen. Transportgleichungen für die in den Diffusionstermen<br />
auftretenden Trippelkorrelationen ϕ1ϕ2ϕ3 erhält man z.B. von<br />
ϕ1ϕ2Nφ3 + ϕ2ϕ3Nφ1 + ϕ3ϕ1Nφ2 = 0 .<br />
Der Transport der isotropen Dissipationsrate ε ergibt sich nach kurzer Zwischenrechnung<br />
von (Nui ),m (Nui ),m = 0 zu<br />
Dε<br />
Dt<br />
=<br />
<br />
−2ν Sij (ui,kuj,k + uk,iuk,j) + ∂2 <br />
Ui<br />
(ujui,k) + (ui,jui,kuj,k)<br />
∂xj∂xk<br />
−2ν<br />
(1.66)<br />
2 (ui,jkui,jk) − ∂<br />
<br />
ν (ui,jui,jum) +<br />
∂xm<br />
2<br />
ρ (p,ium,i)<br />
<br />
− ν ∂ε<br />
<br />
∂xm<br />
<br />
+2ν<br />
.<br />
<br />
1<br />
ρ (ui,mf ′ i,m ) − 2eijkΩj(ui,muk,m)<br />
22<br />
.
1.4. ENERGIESPEKTRUM<br />
Die Herleitung zusätzlicher Transportgleichungen führt zu keiner endgültigen Schließung<br />
des Gleichungssystems, weswegen die Schließungskette an geeigneter Stelle abgebrochen<br />
werden muß. Die Transportgleichungen höherer statistischer Momente sind den<br />
ursprünglichen Gleichungen zahlenmässig überlegen. In den drei Reynolds–gemittelten<br />
Impulsgleichungen treten 6 Reynolds–Spannungen auf, durch deren Bilanzgleichungen<br />
(1.61) weitere 22 Unbekannte in das Gleichungssystem eingeführt werden. Aufgrund<br />
ihres Konstruktionsprinzips sind die Gleichungen der höheren Momente hochgradig<br />
nichtlinear, eng gekoppelt und numerisch äußerst steif. Aus Effizienzgründen sind anwendungsorientierte<br />
Ingenieurwissenschaften auf einen Abbruch der Schließungskette<br />
im Bereich zweiter statistischer Momente angewiesen. In diesem Falle werden entweder<br />
die Reynolds–Spannungen (Wirbelzähigkeitsmodelle) oder die in ihren Transportgleichungen<br />
auftretenden höheren statistischen Momente (Transportgleichungs-Reynolds-<br />
Spannungsmodelle) durch ein mathematisches Modell geschlossen.<br />
1.4 Energiespektrum<br />
Die Verteilung der turbulenten Energie in Abhängigkeit des Längenmaßes wird als Turbulenzenergiespektrum<br />
E bezeichnet, welches üblicherweise im Fourierraum dargestellt<br />
wird. Der Zusammenhang zwischen der Energie–Spektralfunktion E – kurz: Turbulenzspektrum<br />
– und der Turbulenzenergie bzw. Dissipationsrate lautet<br />
Energiespektrum<br />
∞<br />
mit k = E dˆ ∞<br />
k , und ε = 2ν ˆk 2 E dˆ k. (1.67)<br />
0<br />
Die Einheit der Wellenzahl ist [ ˆ k] = m−1 , so daß die großräumigen Wirbelstrukturen,<br />
die ca. 90% der turbulenten kinetischen Energie enthalten, bei kleinen Wellenzahlen lie-<br />
Gleichgewichtsbereich<br />
k<br />
-5/3<br />
k<br />
k<br />
Wellenzahl<br />
4<br />
gen. Abbildung 1.1 illustriert<br />
eine klassische Verteilung der<br />
Energie–Spektralfunktion als<br />
Funktion der Wellenzahl. Aus<br />
Traegheitsbereich<br />
der Lage des Spektralmaxi-<br />
Dissipationsbereich mums kann eine integrale Län-<br />
energietragende<br />
Wirbel<br />
ge bestimmt werden, welche<br />
die Abmessungen der größten<br />
Wirbel charakterisiert. Da die<br />
großen Wirbelstruktuturen zumeist<br />
auch relativ langlebig<br />
Abbildung 1.1: Turbulenzenergiespektrum<br />
als Längenmaß interpretiert werden.<br />
sind, kann der Abszissenwert<br />
sowohl als Zeitmaß als auch<br />
23<br />
0
KAPITEL<br />
Energiekaskade<br />
Eine grundlegende Eigenschaft turbulenter Strömungen ist der Energieaustausch zwischen<br />
unterschiedlichen Skalen. Eine qualitativ korrekte Beschreibung des Mechanismus<br />
stützt sich auf die Veranschaulichung von Turbulenz als Überlagerung von Wirbelfäden<br />
(turbulent eddies) unterschiedlicher Größe in einem hierarchisch strukturierten Prozeß.<br />
Hiernach wird die Schwankungsbewegung durch großskalige Wirbelfäden niedriger Frequenz<br />
(Wellenzahl) eingeleitet. Diese beziehen ihre kinetische Energie von der Hauptströmung<br />
und reichen sie an immer kleinskaligere eddies weiter, bis hin zur Wandlung<br />
von mechanischer Energie in Wärme. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von<br />
einer Energiekaskade infolge Wirbelfadenstreckung. Der Mechanismus läßt sich anhand<br />
der laminaren Wirbeltransportgleichung (1.15) veranschaulichen<br />
Dωi<br />
Dt<br />
=<br />
∂Ui<br />
ωk<br />
∂xk <br />
+ ν<br />
Wirbelstreckungsterm<br />
∂2ωi ∂x2 k <br />
viskose Dissipation<br />
• Wirbelfäden großen Durchmessers werden durch die Geschwindigkeitsgradienten<br />
der Hauptströmung gestreckt. Durch den Wirbelstreckungsmechanismus wird<br />
Energie von der Hauptströmung in die Schwankungsbewegung eingespeist (Produktionsbereich).<br />
Für näherungsweise reibungsfreie Prozesse vergrößert sich die<br />
Wirbelstärke in Richtung der gestreckten Achse. Wegen der Erhaltung des Drehimpulses<br />
(1. Helmholtzscher Wirbelsatz) verringern sich gleichzeitig die Querschnitte<br />
der gestreckten Wirbelfäden.<br />
• Kleinere Wirbelfäden werden über die vergrößerte Wirbelstärke anders gerichteter,<br />
großer eddies ihrerseits gestreckt. Die ursprünglich der Hauptströmung entzogene<br />
Energie wird so von größeren zu kleineren Turbulenzelementen transferiert<br />
(Trägheitsbereich).<br />
• Am Ende des Kaskadenprozesses wird die Viskosität aufgrund des stark angewachsenen<br />
räumlichen Geschwindigkeitgradienten im Bereich kleiner Strukturen<br />
wirksam (Dissipationsbereich). Energie wird hier der Schwankungsbewegung entzogen<br />
(ε–Term in Glg. (1.64)) und in Wärme gewandelt (ρ ˜ε–Term in Glg. (1.51)).<br />
Lokale Isotropiehypothese<br />
Das oben beschriebenen Kaskadenmodell ist mit der Hypothese von der lokalen Isotropie<br />
der kleinen, dissipativen Skalen verbunden. Am Ende von hinreichend vielen<br />
Kaskadenstufen verteilt sich die Energie, wie in Abbildung 1.2 dargestellt, zu gleichen<br />
Teilen auf kleinskalige eddies aller drei Richtungen. Die Anzahl der Kaskadenstufen<br />
ist proportional zur Anzahl der beteiligten Wellenzahlen, welche ihrerseits mit<br />
der Reynoldszahl zunimmt. Die Hypothese impliziert, daß turbulente eddies nur dann<br />
miteinander in Wechselwirkung treten, wenn sie von der selben Größenordnung sind.<br />
Die großkalige Schwankungsbewegung kommuniziert mit den kleinskaligen, dissipativen<br />
24
1.4. ENERGIESPEKTRUM<br />
Fluktuationen über eine Vielzahl von Skalen. Daraus ergibt sich, daß die großskalige<br />
Bewegung nahezu reibungsfrei und daher unabhängig von der Reynoldszahl ist. Die in<br />
statistischen Turbulenzmodellen auftretenden Vernichtungsterme (z.B. ε) symbolisieren<br />
die Änderung des Energieinhalts der großen Skalen, und beschreiben daher nicht<br />
nur Dissipationsprozesse sondern auch Transfermechanismen.<br />
Ω1<br />
Ω2<br />
Ω2 Ω3 Ω2<br />
Ω1 Ω3<br />
Ω1 Ω2 Ω3 Ω1<br />
Ω2 Ω3<br />
Ω1<br />
Ω3<br />
Ω3<br />
Ω1<br />
Ω1 Ω2<br />
Ω1<br />
Ω2<br />
Ω3<br />
Ω1<br />
Ω3<br />
Ω2<br />
Ω1 Ω3<br />
Ω2<br />
Ω3<br />
Ω1<br />
Ω2<br />
Ω1 Ω2 Ω3<br />
1 0 0<br />
0<br />
2 1<br />
2<br />
1 1<br />
1<br />
3 3<br />
6 5 5<br />
Abbildung 1.2: Veranschaulichung der Hypothese von der lokalen Isotropie dissipativer<br />
Strukturen nach Bradshaw.<br />
Energiespektrum homogener Turbulenz<br />
Eine allgemeingültigere statistische Beschreibung der Turbulenz basiert auf der Formulierung<br />
von Korrelationen zwischen den Fluktuationen zweier Geschwindigkeitskomponenten<br />
an zwei Punkten zu zwei verschiedenen Zeiten (Rotta 1972)<br />
Rij = ui(x, t)uj(x + r, t + τ) = uiuj , analog Rijk = uiujuk etc. .<br />
Der Vorteil von Zwei–Punkt–Korrelationen ist die Erfassung von Transfermechnismen,<br />
die eine Einsicht in die physikalische Bedeutung der modellierten Disspationsratengleichung<br />
ermöglichen. Der Einfacheit halber beruft man sich dabei auf homogene<br />
Zustände, für die man (vgl. Rotta, 1972) in Analogie zu Gleichung (1.61)<br />
bzw.<br />
∂Rij<br />
∂t = ∂(Rikj − Rijk)<br />
− 2ν<br />
∂rk<br />
∂2Rij ∂rk∂rk<br />
∂Rii<br />
∂t = ∂(Riki − Riik)<br />
∂rk<br />
<br />
Transferterm<br />
− 2ν ∂2 Rii<br />
∂rk∂rk<br />
<br />
Dissipation<br />
− 1<br />
ρ<br />
∂puj<br />
∂ri<br />
− ∂pui<br />
<br />
∂rj<br />
(1.68)<br />
(1.69)<br />
findet. Man beachte, daß die Produktionsterme unter der Voraussetzung homogener<br />
Geschwindigkeiten nicht auftreten. Im Grenzübergang zur punktweisen Betrachtung<br />
(lim rk, τ → 0) genügen die Trippelkorrelationen dem Kommutativitätsgesetz Riki =<br />
Riik , und die Gleichung (1.69) geht in ˙ k = ε über.<br />
25
KAPITEL<br />
Für das tiefere Verständnis der energetischen Prozesse empfiehlt sich die Analyse der<br />
Beziehung (1.69) auf der Grundlage einer Fouriertransformation der Doppelkorrelation<br />
Rij<br />
Φij( ˆ k) = 1<br />
(2π) 3<br />
<br />
Rij e<br />
V (r)<br />
−i (ˆ k·r)<br />
dr , Rij(r) =<br />
<br />
V ( ˆ Φij e<br />
k)<br />
i (ˆ k·r)<br />
dk ˆ ,<br />
in der ˆ k [m−1 ] den Wellenzahlvektor und dˆ k = dˆ k1dˆ k2dˆ k3 ein Volumenelement im Wellenzahlraum<br />
kennzeichnen. Die Fouriertransformation ermöglicht die wellenzahlspezifische<br />
Zuordnung von (Energie-)Anteilen. Insbesondere gilt für r = 0<br />
<br />
lim<br />
r→o Rij = uiuj =<br />
V ( ˆ Φij d<br />
k)<br />
ˆ k ,<br />
weshalb Φij die spektrale Verteilungsdichte der Reynoldsspannungen im Wellenzahlraum<br />
repräsentiert. Obwohl zur Beschreibung des momentanen Geschwindigkeits– und<br />
Turbulenzfelds eine dreidimensionale Fourier–Zerlegung notwendig ist, läßt sich eine<br />
qualitative Analyse der Turbulenzenergie mit Hilfe einer eindimensionalen Beschreibung<br />
durchführen, in der lediglich der Betrag des Wellenzahlvektors ˆ <br />
k = ˆki ˆ ki von<br />
Bedeutung ist. Unter Verwendung einer sogenannten Energie–Spektralfunktion (Rotta<br />
1972)<br />
E( ˆ k, t) := 0.5 ˆ k 2<br />
<br />
Φii dΩ , mit E[m 3 s −2 ]<br />
findet man ein Fourier–transformiertes Pendant zur Beziehung (1.69), dessen Gestalt<br />
in homogenen oder isotropen Strömungen besonders einfach ist:<br />
∂E( ˆ k, t)<br />
∂t<br />
= T ( ˆ k, t)<br />
<br />
Transfer<br />
− 2ν ˆ k 2 E( ˆ k,t)<br />
<br />
Dissipation<br />
Die Energie–Spektralfunktion E( ˆ k, t) ist der Anteil der Turbulenzenergie, der aus den<br />
Fourierkomponenten aller Wellenzahlbeträge zwischen ˆ k und ˆ k + d ˆ k resultiert. In Gleichung<br />
(1.70) bezeichnen dΩ den Raumwinkel ( dΩ = 4π) und T das wellenzahlspezifische<br />
Transferdefizit, welches die Änderung des Energieflusses F( ˆ k, t) zwischen zwei<br />
benachbarten Skalen kennzeichnet<br />
T ( ˆ k, t) = − ∂F(ˆ k, t)<br />
∂ ˆ k<br />
Trägt man das Energiespektrum doppelt logarithmisch über der Wellenzahl auf, so<br />
findet man typischerweise den in Abbildung 1.3 skizzierten Verlauf. Das in der Abbildung<br />
auftretende makroskopische Turbulenzlängenmaß entspricht der Abmessung<br />
energietragender Wirbel. Das ergänzend angeführte transiente Längenmaß Lm kennzeichnet<br />
die charakteristische Länge der Strukturen einer möglicherweise transienten<br />
Grundströmung (z.B. Lm = UrefTm). Das dissipative Längenmaß ηk entspricht dem<br />
26<br />
.<br />
.
log E<br />
Produktionsbereich<br />
-1<br />
L m<br />
Gleichgewichtsbereich<br />
-1<br />
L t<br />
3<br />
-5<br />
Traegheitsbereich Dissipationsbereich<br />
η-1 k<br />
log k<br />
L t<br />
η k<br />
1.4. ENERGIESPEKTRUM<br />
: makroskopisches Laengenmass<br />
L : transientes Laengenmass<br />
m<br />
: dissipatives Laengenmass<br />
F<br />
k E<br />
2<br />
log k<br />
Abbildung 1.3: Schematische Darstellung des Energiespektrums im Wellenzahlbereich bei<br />
doppelt logarithmischer Auftragung.<br />
unten definierten Grenzwert für die Ausdehnung der kleinsten turbulenten Strukturen<br />
nach Kolmogorov.<br />
Üblicherweise unterteilt man das Spektrum in Wellenzahlbereiche. Den unterschiedlichen<br />
Wellenzahlbereichen lassen sich verschiedenartige Beiträge zum Turbulenzenergiehaushalt<br />
– Energieeintrag, Energietransfer und Energiedissipation – zuordnen. Im<br />
Zusammenhang mit der statistischen Turbulenzmodellierung und der Interpretation<br />
des Modellparameters ε ist die in Tabelle 1.1 skizzierte Dreiteilung des Spektrums<br />
dienlich.<br />
Tabelle 1.1: Dreiteilung des Wellenzahlbereichs eines turbulenten Energiespektrums.<br />
Produktionsbereich Gleichgewichtsbereich<br />
Trägheitsbereich Dissipationsbereich<br />
Primär– Produktion Transfer Dissipation<br />
beitrag<br />
Basis– ε, S ∗ ε, ˆ k ε, ν<br />
parameter<br />
Länge Lt = (ε/S ∗ 3 ) 1/2 ∼ k 3/2 /ε 1/ ˆ k ηk = (ν 3 /ε) 1/4<br />
Geschwind. Vt = (ε/S ∗ ) 1/2 ∼ √ k (ε/ ˆ k) 1/3 vk = (νε) 1/4<br />
Zeit 1/S ∗ ∼ k/ε (ε ˆ k 2 ) −1/3 Tk = (ν/ε) 1/2<br />
Die Definition des Produktionsbereichs ist unmittelbar einleuchtend. Im Gleichgewichtsbereichs<br />
spielen makroskopische Details, wie z.B. die Produktion von Turbulenzenergie<br />
durch große eddies, bereits keine Rolle mehr (Hinze 1959), weswegen die<br />
Gleichung (1.70) Aussagekraft besitzt. Der Gleichgewichtsbereich umfasst seinerseits<br />
27
KAPITEL<br />
zwei Anteile, in denen die lokale Änderung ∂E des Energiespektrums zumeist ver-<br />
∂t<br />
nachlässigbar ist, so daß man von einem statistischen Gleichgewicht der Turbulenz<br />
ausgehen kann. Der Trägheitsbereich wird von einem konstanten Energiefluß (T = 0)<br />
bei gleichzeitig vernachlässigbarer Dissipation bestimmt. Im Dissipationsbereich großer<br />
Wellenzahlen treten nennenswerte Anteile von Energiedissipation auf, welche den lokalen<br />
Transferüberschuß kompensieren.<br />
Im Produktionsbereich der großen, energietragenden Wirbel ( ˆ k
1.4. ENERGIESPEKTRUM<br />
Der Trägheitsbereich ist der klassische Arbeitsbereich der Grobstruktursimulation, die<br />
Direkte Numerische Simulation löst sämtliche Skalen bis in den Dissipationsbereich<br />
auf. Mit Hilfe der oben durchgeführten Größenordnungsabschätzung (1.70) läßt sich<br />
der Rechenaufwand einer DNS beziffern<br />
DNS : Knotenpunkte ∼ Re 9/4 , Zeitschritte ∼ Re 1/2 .<br />
Chapman (1979) schätzt, daß der Aufwand zur Auflösung des Außenbereichs einer turbulenten<br />
Grenzschicht bei der Grobstruktursimulation proportional zu Re 0.4 anwächst.<br />
Mit Annäherung an die viskose Unterschicht steigt diese Proportionalität jedoch auf<br />
Re 1.8 . Spalart (1999) schätzt den Rechenaufwand einer wandauflösenden LES bei Re =<br />
10 6 auf NP ∼ Re 1.92 und NT ∼ Re 1.1 .<br />
Aufgrund des konstanten Energieflusses sind weder viskose, noch Produktionsmechanismen<br />
im Trägheitsbereich bedeutend. Der Bereich nimmt für hinreichend große Reynoldszahlen<br />
den größten Teil des Spektrums ein. Der Verlauf des Energiespektrums kann<br />
durch Anpassung der Funktionen g(Lt ˆ k) und f(ηk ˆ k) aus den beiden benachbarten<br />
Bereichen gewonnen werden<br />
ν −5/4 = η −5/3<br />
k ε −5/12 , und S ∗ 5/2 = L −5/3<br />
t<br />
ε 5/6 ,<br />
❀ f(ηk ˆ k) = γ [ηk ˆ k] −5/3 , und g(Lt ˆ k) = γ [Lt ˆ k] −5/3 , (1.71)<br />
Dissipation von Turbulenzenergie<br />
❀ E = γ ε 2/3 ˆ k −5/3<br />
γ ≈ 1.5 . (1.72)<br />
Die Transportgleichung der Energie–Spektralfunktion erfüllt im Gleichgewichtsbereich<br />
die Beziehung<br />
˙<br />
E ≈ 0 . (1.73)<br />
Aus der Integration der Gleichgewichtsbeziehung (1.73) über hinreichend große Wellenzahlen<br />
(T ( ˆ k (1) )
KAPITEL<br />
daher in der unter (1.74) angezeigten weise mit makroskopischen Turbulenzgrößen skalieren.<br />
Die Beziehung (1.74) besagt, daß die Dissipationsrate auch im Falle einer unendlich<br />
großen Reynoldszahl (ν → 0) nicht veschwindet, und daher für große Reynoldszahlen<br />
unabhängig von der Zähigkeit sein muß.<br />
Die skalare Größe ε ist das Maß für die Vernichtung von Turbulenzenergie. Nach dem<br />
Impulssatz ist der Widerstand eines Turbulenzballens der durchschnittlichen räumlichen<br />
Ausdehnung Lt proportional zum Quadrat der Relativgeschwindigkeit (∼ k) des<br />
beteiligten Massenstroms gegen die Umgebung. Der Massenstrom zerfällt seinerseits in<br />
das Produkt aus Dichte, Querschnittsfläche (∼ L 2 t ) und Schwankungsgeschwindigkeit<br />
(∼ √ k). Für den massespezifischen Widerstand spezifiziert man den obigen Ansatz<br />
daher zu<br />
ε ∼ k · (ρ √ k L 2 t )<br />
ρ L 3 t<br />
1.5 Instationäre Strömungen<br />
= k3/2<br />
Lt<br />
. (1.75)<br />
Die Entwicklung statistischer Turbulenzmodelle zur Schließung der Reynolds–gemittelten<br />
Bilanzgleichungen basiert nahezu ausschließlich auf statistisch stationären Strömungen,<br />
weshalb bei deren Anwendung auf instati-<br />
U<br />
Tt onäre Probleme Vorsicht geboten ist.<br />
Grundsätzlich sind die Ergebnisse der statistischen<br />
Modellierung solange vertrauenswürdig, wie<br />
der zeitliche Mittelwert (1.41) in guter Näherung<br />
anstelle des Ensemblemittelwerts verwendet wer-<br />
Tm den kann. Der zeitliche Mittelwert kann zur Be-<br />
t schreibung von statistisch instationären Strömungen<br />
herangezogen werden, sofern die Existenz einer<br />
Abbildung 1.4: Zeitschrieb einer in– spektralen Lücke (engl. spectral gap) gewährleistet<br />
stationären, turbulenten Strömung mit<br />
langwellig schankendem Mittelwert.<br />
ist. In solchen Fällen liegt das Frequenz– und Wellenzahlband<br />
der numerisch aufgelösten transienten<br />
Grundströmung, klar getrennt von den turbulenten Fluktuationen, um ein bis zwei zeitliche<br />
Größenordnungen unterhalb des modellierten Turbulenzspektrums<br />
Tm<br />
Tt<br />
= O(10 1 ) − O(10 2 ) .<br />
Für Tm/Tt ≤ 1 führt das Bestreben, die transienten (deterministischen) Schwankungen<br />
der Strömung zeitgenau numerisch aufzulösen und gleichzeitig die turbulente Schwankungsbewegung<br />
(zeit)gemittelt zu erfassen zu formalen Konflikten in Gestalt einer<br />
spektralen Überlappung. Eine Veranschaulichung dieses Sachverhalts im Zeit– bzw. Frequenzbereich<br />
kann man den Abbildungen 1.4 und 1.5 entnehmen.<br />
30
log. Energie<br />
transiente Frequenzen<br />
Simulation<br />
spektrale Luecke<br />
Turbulenzmodell<br />
log. Frequenz<br />
log. Energie<br />
1.5. INSTATIONÄRE STRÖMUNGEN<br />
transiente Frequenzen<br />
Simulation<br />
Turbulenzmodell<br />
spektrale Ueberlappung<br />
log. Frequenz<br />
Abbildung 1.5: Schematische Darstellung des Energiespektrums im Frequenzbereich: Vergleich<br />
einer statistisch modellierbaren Strömung mit ausgeprägter spektraler Lücke (links),<br />
und einer durch spektrale Überlappung für konventionelle statistische Methoden unzugänglichen<br />
instationären Strömung (rechts).<br />
Ein anschauliches Beispiel für eine ausgeprägte spektrale Lücke ist der ozeanische Tiedenhub,<br />
dessen Rhytmus von 12h bzw. 24h die im Hz–Bereich liegenden Wellenschwankungen<br />
um mehrere Größenordnungen übersteigt (White 1990). Die spektrale Trennung<br />
von transienten und turbulenten Mechanismen berechtigt zur Vernachlässigung<br />
nichtlinearer Impuls– und Energieflüsse über das gesamte Spektrum. Das Turbulenzfeld<br />
anliegender Wandgrenzschichten operiert typischerweise unter diesen quasi–stationären<br />
Bedingungen. Die Existenz der spektralen Lücke ist in vielen technischen Anwendungen<br />
zumindest gebietsweise nicht mehr zu gewährleisten. Das bekannteste Beispiel hierfür<br />
sind instationäre, oszillierende Nachlaufströmungen hinter stumpfen Körpern. Ebenso<br />
sollte die Anwendung statistischer Turbulenzmodelle zur Simulation von Turbomaschinenströmungen<br />
mit Skepsis betrachtet werden (Eulitz 2000). Für Maschinendrehzahlen<br />
im Bereich von 10 4 U/min und Schaufelzahlen von ca. 60 findet man transiente Grundfrequenzen<br />
von etwa 10 kHz. Diese können zwar von der Simulation aufgelöst werden,<br />
liegen jedoch bereits deutlich oberhalb experimentell ermittelter Energiemaxima, welche<br />
typischerweise bei ca. 1 kHz und somit im Bereich der Modellbildung liegen.<br />
Mit Verringerung des Quotienten aus dem (kleinsten) Zeitmaß der transienten Grundströmung<br />
Tm und größtem turbulenten Zeitmaß (eddy–turn–over time) Tt kommt es zu<br />
nichtlinearen Wechselwirkungen zwischen Turbulenz und transienter Grundströmung.<br />
Der Arbeitsbereich des statistischen Turbulenzmodells deckt in diesem Falle auch einen<br />
Teil des transienten Spektrums ab. Die vielzitierten Schwierigkeiten statistischer Turbulenzmodelle<br />
bei der Behandlung von Strömungen, in denen es zu einer Überlagerung<br />
von transienten und turbulenten Phänomenen im Wellenzahlbereich kommt, resultieren<br />
aus dem dissipativen Charakter des Modells.<br />
Der Ursprung der dissipativen Modelleigenschaften ist die Vorstellung von einem einsei-<br />
31
KAPITEL<br />
tig gerichteten Energietransfer. Das statistische Turbulenzmodell entzieht der transienten<br />
Grundströmung Energie und transferiert diese in Anlehnung an das Kaskadenmodell<br />
von kleineren zu größeren Wellenzahlen. Sämtliche in das Modell eingespeiste Energie<br />
dissipiert folglich unwiderruflich in Wärme. Ein Rücktransfer (engl. back–scatter)<br />
zur Grundströmung ist nicht möglich. Die Analyse der Energie–Spektralfunktion in<br />
<strong>Kapitel</strong> 1.4 offenbarte den Transfercharakter der modellierten Dissipationsrate. Analoge<br />
Überlegungen führen zu einer ähnlichen Interpretation des effektiven Produktionsterms<br />
in transienten Strömungen. Die Existenz solcher Rücktransferterme wird durch<br />
das Auftreten transienter Produktions– und Konvektionsterme<br />
DRij<br />
Dt<br />
∂Ui<br />
= −Rkj<br />
∂xk<br />
− Rik<br />
∂Uj<br />
∂xk<br />
− (Uk − Uk) ∂Rij<br />
∂rk<br />
+ . . .<br />
in den Rottaschen (1972) Korrelations–Transportgleichungen bestätigt, deren Übersetzung<br />
wie folgt lauten könnte<br />
D uiuj<br />
Dt = Pij − ∂Um<br />
<br />
<br />
∂ uiuj<br />
γ1Uk (uiuk δmj + ujuk δmi) + γ2Tt δkm + . . . .<br />
∂t<br />
∂xk<br />
1.5.1 Instationäre RANS (URANS)<br />
Die einfachste Form instationärer Prozesse ist die Relaxation stark gestörter (nichtgleichgewichtiger)<br />
Anfangszustände in den Gleichgewichtszustand. Hierbei wird die<br />
zeitliche Entwicklung des Turbulenzfeldes von zumeist sehr einfachen, z.B. homogenen,<br />
Strömungen beobachtet. Für eine angemessene Modellierung instationärer Phänomene<br />
ist die adequate Darstellung der Relaxation aus einem stark nichtgleichgewichtigen<br />
Anfangszustand ein notwendiges Kriterium, daß natürlich weder hinreichend noch allgemeingültig<br />
ist. Die Dastellung von Relaxationsprozessen gelingt wesentlich besser<br />
auf der Basis von Modellen, die sich zur Simulation von Nichtgleichgewichtszuständen<br />
eignen. Ungeachtet der spectral–gap Problematik ergibt sich daraus eine mögliche Erklärung<br />
für den Erfolg von Nichtgleichgewichtsmodellen in instationären Anwendungen<br />
(vgl. <strong>Kapitel</strong> 7.1 und 8.1).<br />
Instationäre Anwendungen offenbaren besonders deutlich evt. Schwächen eines Turbulenzmodells<br />
in Bezug auf die Darstellung komplexer stationärer Phänomene. Beispiele<br />
hierfür sind die Vernachlässigung von Krümmungseffekten, oder die vielzitierte<br />
Überschätzung der Produktion von Turbulenzenergie P im Staupunktbereich, wie exemplarisch<br />
in Abbildung 2.4 illustriert. Im Zuge der Simulation instationärer Nachlaufströmungen<br />
hinter stationär angeströmten Körpern kann die Prallstrahlproblematik<br />
aus <strong>Kapitel</strong> 2.3.3 zu völlig unrealistischen Ergebnissen führen. Abbildung 1.6 verdeutlicht<br />
dies anhand der Umströmung eines quadratischen Zylinders, welche von Lyn,<br />
Einav, Rodi und Park (1995) experimentell untersucht worden ist.<br />
Spalart (1999) weist darauf hin, daß das Turbulenzmodell in Zonen ohne spektrale<br />
Lücke (Tt >> Tm) kaum Zeit hat die transiente gemittelte Strömung zu manipulieren,<br />
weswegen sich der Fehler einer falschen Modellbildung hier kaum zu Buche schlägt. Ein<br />
32
Y<br />
Y<br />
Y<br />
Y<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
Phase 01<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Phase 05<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Phase 09<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Phase 11<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
¡<br />
¢<br />
Y<br />
Y<br />
Y<br />
Y<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
¡<br />
£<br />
Phase 01<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Phase 05<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Phase 09<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Phase 11<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
¢<br />
¤<br />
1.5. INSTATIONÄRE STRÖMUNGEN<br />
Y<br />
Y<br />
Y<br />
Y<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
1<br />
0.5<br />
0<br />
-0.5<br />
-1<br />
-1.5<br />
<br />
¨©<br />
§<br />
¥¦<br />
Phase 01<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Phase 05<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Phase 09<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Phase 11<br />
-1 0 1 2 3<br />
X<br />
Abbildung 1.6: Umströmung eines quadratischen Zylinders (Re= 22 000, Lyn et al. 1995):<br />
Vergleich der (phasengemittelten) Stromlinien. Der Terminus ”LES” kennzeichnet die Grobstruktursimulation,<br />
”EASM” die Ergebnisse des Nichtgleichgewichtsmodells (RANS) und<br />
”Wilcox” die Resultate des entsprechenden Gleichgewichtsmodells (RANS) (Simulationen<br />
von Schmidt et al. 1999).<br />
bleibender Nachteil instationärer RANS Techniken ist ihre Neigung zur Unterschlagung<br />
dreidimensionaler Erscheinungen.<br />
1.5.2 Hybride RANS/LES Techniken<br />
In welchem Frequenzbereich sich das deterministische Spektrum und das turbulente<br />
Spektrum möglicherweise überlagern hängt neben einer evt. Erregerfrequenz auch von<br />
der Reynoldszahl und dem betrachteten Ort ab. Beispielsweise weisen die wandnahen<br />
Scherschichten instationär umströmter Körper im Unterschied zu ihren Nachläufen<br />
oftmals die spektrale Lücke auf (Abbildung 1.7). Zur Berechnung nichtlinearer, instationärer<br />
Probleme empfiehlt sich folglich die Anwendung zonaler oder lokal adaptiver<br />
Techniken. Die in letzter Zeit populäre hybride, adaptive RANS/LES–Vorgehensweise<br />
(DES, VLES) von Spalart (1999) bzw. Speziale (1997) versucht den Arbeitsbereich des<br />
Turbulenzmodells im Spektrum zu beschneiden. Hierbei werden die modellinhärenten<br />
turbulenten Zeit– und Längenmaße in Abhängigkeit von der Diskretisierung limitiert,<br />
wodurch eine Trennung zwischen aufgelösten und modellierten Frequenzen<br />
gewährleistet werden kann. Man beachte, daß sich diese Vorgehensweise fundamental<br />
von den URANS–Techniken unterscheidet. Im Falle einer Verfeinerung der numerischen<br />
Diskretisierung ermöglichen hybride Verfahren ein gesteigertes physikalisches<br />
Auflösungsvermögen von Strömungsdetails, wie z.B. koherente Strukturen, wohingegen<br />
instationäre URANS–Methoden lediglich zu einer genaueren numerischen Approxima-<br />
33
KAPITEL<br />
k/ε = ~ 0.01s<br />
k/ε = ~ 0.08s<br />
k/ε = ~ 0.001s k/ε = ~ 0.01s<br />
Abbildung 1.7: Umströmung eines oszillierenden NACA 0015 Tragflügelprofils (Piziali<br />
1993, αo = 11.0 o , ∆α = 4.2 o , Re = 2 · 10 6 , Ma = 0.29, Str = 0.1/π); Exemplarische<br />
Angabe berechneter turbulenter Zeitmaße Tt = k/ε bei einer Simulationszeitschrittweite von<br />
∆t ≈ Tm/15 = 5 · 10 −4 (Simulation von Bunge, 2000).<br />
tion führen.<br />
1.5.3 Periodische Strömungen & Phasenmittelung<br />
Einen Sonderfall instationärer Strömungen stellen die periodischen Strömungen dar.<br />
Das Energiespektrum einer quasi–harmonischen Grundströmung beschränkt sich im<br />
Unterschied zum turbulenten Spektrum auf einen engen Wellenzahlbereich (Abbildung<br />
1.3). Im Falle einer spektralen Lücke ist daher die Superposition beider Anteile möglich.<br />
Hierzu erweitert man die Zerlegung (1.39) um einen nichtturbulenten zeitabhängigen<br />
(periodischen) Term ˜z(x, t)<br />
˜Z = Z(x) + ˜z(x, t) +z(x, t) mit Z ˜ = Z bzw. z = ˜z = 0 . (1.76)<br />
<br />
Z ∗ (x,t)<br />
Neben dem zeitlichen Mittelwert Z(x) wird in diesem Falle oftmals ein Phasenmittel<br />
Z∗ (x, t), dessen Definiton auf der Periodenlänge Tm der Grundströmung basiert,<br />
verwendet<br />
Z ∗ (x, t) =< ˜ Z >= A P [ ˜ Z] = lim<br />
N→∞<br />
<br />
1<br />
N<br />
N−1 <br />
n=0<br />
˜Zn(x, t + nTm)<br />
<br />
. (1.77)<br />
Die Anwendung der Operation (1.77) auf verschiedene Variablenkombinationen ergibt<br />
< ˜ Z >= Z + ˜z(x, t) , < Z >= Z , < z >= 0 , < ˜z(i) z(k) >= 0 (1.78)<br />
˜z(i) z(k) = 0 , < ˜z(i) ˜ Z(k) >= ˜z(i) < ˜ Z(k) > < Z(i) ˜ Z(k) >= Z(i) < ˜ Z(k) > .<br />
In der Regel werden die zeitabhängigen Transportgleichungen, beispielsweise für U ∗ i (x, t),<br />
numerisch gelöst, und der dabei auftretende phasengemittelte turbulente Spannungstensor<br />
< uiuj > mangels geeigneter Alternativen durch ein konventionelles Turbulenzmodell<br />
geschlossen. Prinzipiell kann man bei der Formulierung des Problems auch<br />
34
1.6. GROBSTRUKTURSIMULATION (LES; BEITRAG VON ST. SCHMIDT)<br />
von der Dreifachzerlegung (1.76) Gebrauch machen. Die stationären Transportgleichungen<br />
der zeitlich gemittelten Größe Ui enthalten dann zusätzlich zu den Reynolds–<br />
Spannungen uiuj einen deterministischen Spannungstensor ũiũj. Die Schließung der<br />
deterministischen Schwankungsbewegung ũi geschieht mittels dreier instationärer, phasengemittelter<br />
Transportgleichungen in denen weitere sechs Unbekannte in Form des<br />
phasengemittelten turbulenten Reynolds–Spannungstensors < uiuj > auftreten. Die<br />
Vorgehensweise ist aufgrund des damit verbundenen Lösungsaufwands nicht sehr verbreitet,<br />
ihre Anwendung ist zudem auf Probleme mit ausgeprägter Grundfrequenz und<br />
vernachlässigbaren höheren Moden beschränkt.<br />
Zur Abschätzung der Güte einer Simulation periodischer Strömungen mit Hilfe statistischer<br />
Turbulenzmodelle mag die folgende Näherung dienen<br />
Tm<br />
Tt<br />
≈ γ Re1/5<br />
St<br />
, mit St = fL<br />
U<br />
= L<br />
UTm<br />
Wandgrenzschicht : γ ∈ [1, 10] freie Scherschicht : γ ∈ [0.1, 1] .<br />
(1.79)<br />
1.6 Grobstruktursimulation (LES; Beitrag von St. Schmidt)<br />
Die Direkte Numerische Simulation (DNS) basiert auf der instationären, dreidimensionalen<br />
Lösung der Navier-Stokes-Gleichungen. Da bei diesem Ansatz alle turbulenten<br />
Zeit- und Längenskalen bis zur Kolmogorofflänge ηk (vgl. <strong>Kapitel</strong> 1.4) durch das Gitter<br />
aufgelöst werden müssen, sind zur Durchführung einer DNS mindestens<br />
<br />
L<br />
NDNS =<br />
ηk<br />
3<br />
= Re 9/4<br />
L<br />
(1.80)<br />
Punkte notwendig. Bei einer Reynolds-Zahl von ReL = 10 5 ergeben sich demnach rund<br />
NDNS = 10 11 Punkte, was aus heutiger Sicht in naher Zukunft nicht mit den zur<br />
Verfügung stehenden Höchstleistungsrechnern bewältigt werden kann. Daher können<br />
mit dieser Methode derzeit nur akademische Strömungskonfigurationen kleiner und<br />
mittlerer Reynolds-Zahlen untersucht werden.<br />
Für einfache wandgebundene Scherströmungen bei moderaten Reynolds-Zahlen (Re ≈<br />
10 4 ) existieren bereits einige DNS–Lösungen, z.B. die von Kim, Moin und Moser (1987)<br />
veröffentlichte Kanalströmungssimulation. Diese erfüllen mit Punktzahlen von N ≈ 10 6<br />
zwar nicht obiges Kriterium (NDNS = 10 9 ), durch die gezielte Verdichtung des Rechengitters<br />
zur Wand hin konnten die turbulenten Strukturen auch in diesen Gebieten<br />
vollständig erfaßt werden. Aus den umfangreichen Daten können wertvolle Strömungsdetails<br />
gewonnen werden, die meßtechnisch gar nicht oder nur sehr begenzt zugänglich<br />
sind. Für die ingenieurmäßige Untersuchung technischer Strömungen kommt die DNS<br />
aus den vorher diskutierten Gründen in näherer Zukunft nicht in Frage. Ihre Daten stellen<br />
jedoch eine hervorragende Basis für die Weiterentwicklung von Turbulenzmodellen<br />
zur Verfügung.<br />
35
KAPITEL<br />
Eine Möglichkeit, die Auflösungsproblematik der DNS zu umgehen, ist die Large Eddy<br />
Simulation (LES). Bei dieser Methode werden nur die größten, energiereichsten Wirbel<br />
(Grobstruktur, engl. large eddies) des Turbulenzspektrums aufgelöst und deren<br />
räumlich-zeitliche Entwicklung verfolgt. Die kleinskalige Bewegung unterhalb einer bestimmten<br />
Größe wird modelliert und als Feinstruktur (engl. subgrid-scales) bezeichnet.<br />
Die Motivation für dieses Vorgehen liegt in der Tatsache begründet, daß die dissipierenden<br />
Wirbel – wie in <strong>Kapitel</strong> 1.4 dargestellt – praktisch keine Vorzugsrichtung aufweisen<br />
und bei hohen Reynoldszahlen unabhängig von den gewählten Randbedingungen und<br />
der Geometrie des Strömungsgebietes sind. Es kann davon ausgegangen werden, daß<br />
das Verhalten dieser Feinstruktur weitaus universeller, d.h. allgemeingültiger zu beschreiben<br />
ist als als das gesamte Turbulenzspektrum.<br />
Für die Durchführung einer LES ist es notwendig, die turbulenten Skalen in Grobund<br />
Feinstruktur aufzuspalten. Im Trägheitsbereich des Turbulenzspektrums, in dem<br />
hauptsächlich Transportvorgänge eine Rolle spielen, wird aus diesem Grund eine Trennungslinie<br />
bei einer Cut-Off Wellenzahl (kCut−Off) gezogen. Der Feinstrukturanteil<br />
(k > kCut−Off) wird hierbei von der Grobstruktur (k < kCut−Off) getrennt, wobei<br />
sichergestellt werden muß, daß sich in den aufgelösten Skalen der größte Energieanteil<br />
befindet, damit das Prinzip der LES Gültigkeit behält.<br />
Bei der LES ist es ebenso wie bei der DNS notwendig, das Strömungsfeld durch eine<br />
instationäre, dreidimensionale Simulation zu bestimmen. Die Vorteile gegenüber einer<br />
DNS liegen im geringeren numerischen Aufwand und der damit verbundenen Anwendbarkeit<br />
auf höhere Reynoldszahlen. Die LES stellt trotz dessen einen relativ zeitaufwendigen<br />
Kompromiß zwischen der DNS und RANS dar, dem erst in der jüngsten<br />
Vergangenheit aufgrund verfügbarer Hochleistungscomputer großes wissenschaftliches<br />
Interesse gewidmet wurde.<br />
1.6.1 Filtertechnik<br />
Bei der Large-Eddy Simulation werden die Transportgleichungen 1.5 und 1.7 gefiltert,<br />
d.h. die aufgelösten Längenskalen werden durch einen Filter von den zu modellierenden<br />
Längenskalen getrennt. Dies wird durch eine Filterfunktion G(xi, x ′<br />
i) erreicht, die die<br />
Form der Filterkurve festlegt. Die gefilterte Geschwindigkeit ergibt sich zu:<br />
<br />
U i(xk) =<br />
Ω<br />
G(xk, x ′<br />
′<br />
k) Ũi(x k) dx ′<br />
k, (1.81)<br />
wobei sich die Integration über das gesamte Rechengebiet Ω erstreckt. Für den Filterkern<br />
G muß dabei gelten:<br />
<br />
G(xk, x ′<br />
k) dx ′<br />
k = 1 (1.82)<br />
Einen allgemeinen Einblick in Filtertechniken bei turbulenten Strömungen gibt Germano<br />
(1992). Bei der Grobstruktursimulation kommen im wesentlichen folgende Filtertypen<br />
zum Einsatz:<br />
36
1.6. GROBSTRUKTURSIMULATION (LES; BEITRAG VON ST. SCHMIDT)<br />
Gauß-Filter Zur Trennung von Grob- und Feinstruktur wird eine Gaußsche Glockenkurve<br />
verwendet, die zu einer weiten spektralen Überlappung von beiden Längenskalen<br />
führt, was bei bestimmten Feinstrukturmodellen zu Fehlern führt. Die<br />
Größe ∆ legt die Filterweite fest und wird üblicherweise gleich der Gitterweite<br />
gewählt.<br />
G(xk, x ′<br />
1/2 6<br />
<br />
k) = exp −6(xk − x<br />
π ∆<br />
′<br />
k) 2 /∆ 2<br />
<br />
(1.83)<br />
Box-Filter (Top Hat) Es wird lediglich ein Mittelwert über ein Kontrollvolumen<br />
gebildet. Der so gewonnene Funktionswert ist ein stufenweise konstanter Wert.<br />
Dieser Filter bietet sich bei der Verwendung von Finiten-Volumen Verfahren an.<br />
G(xk, x ′<br />
<br />
1 ; |xk − x<br />
k) =<br />
′<br />
k | < ∆/2<br />
0 ; sonst<br />
(1.84)<br />
Eine wiederholte Filterung elimiert schrittweise die kleinsten Skalen aus dem<br />
Turbulenzspektrum. Dies ist für das tiefere Verständnis der Wirkungsweise der<br />
dynamischen Modelle sehr wichtig.<br />
Cut-Off-Filter Dieser Filter gilt in Verbindung mit Spektralverfahren, da dieser ab<br />
einer Grenzwellenzahl alle höherfrequenten Spektralanteile abschneidet. Grobund<br />
Feinstrukturanteile werden mit diesem Filter sauber voneinander getrennt.<br />
Mehrfache Anwendung des Cut-Off-Filters verändert die gefilterte Größe nicht.<br />
Gitterfilter Bei diesem Filter werden die Bewegungsgleichungen nicht explizit gefiltert,<br />
d.h. es wird an keiner Stelle im Verfahren eine Filterfunktion auf irgendeine<br />
Größe (z.B. Geschwindigkeit) angewendet.<br />
Bei der Herleitung der gefilterten Gleichungen (Gl. 1.87) wird davon ausgegangen,<br />
daß bei der realen LES eine gröbere Lösung als bei einer DNS erzeugt wird<br />
(daher der Ausdruck Grobstruktursimulation) und das Rechengitter bereits einen<br />
Filter der angestrebten Ziellösung (nämlich die der DNS) darstellt. Die Analogie<br />
eines Box-Filters zu den diskreten Kontrollvolumen einer Finiten-Volumen-<br />
Approximation erlaubt die Anwendung dieser impliziten Filtertechnik auf die<br />
Differentialgleichungen 1.5 bzw. 1.7, zumal die bei dynamischen Modellen angewandte<br />
explizite Filterung mit einem Box-Filter ähnliche spektrale Eigenschaften<br />
wie der Gitterfilter aufweist. Aus diesem Grund gibt es im Frequenzspektrum keine<br />
exakte Cut-Off Wellenzahl (kCut−Off), sondern es tritt eine spektrale Überlappung<br />
zwischen großen und kleinen Skalen im Bereich dieser Cut-Off Wellenzahl<br />
auf. Diese spektrale Verschmierung der Fein- und Grobstruktur ist wichtiger Bestandteil<br />
der dynamischen Modellierung.<br />
37
KAPITEL<br />
Mit Hilfe eines dieser Filter ist es möglich, die Momentangeschwindigkeit Ũi in einen<br />
Grobstrukturanteil U i bzw. U gs<br />
i und einen Feinstrukturanteil ui bzw. u sgs<br />
i aufzuspalten.<br />
In dieser Arbeit wird keine explizite Filterung der Grundgleichungen vorgenommen.<br />
Ũi = U i + ui bzw. Ũi = U gs<br />
i<br />
+ usgs<br />
i<br />
(1.85)<br />
Diese Zerlegung ist nicht zu verwechseln mit der von Reynolds üblicherweise verwendeten<br />
Aufspaltung von Momentanwert Ũi in Mittel- U i und Schwankungswert ui.<br />
Die Anwendung der Filterfunktion 1.81 auf die Gleichungen 1.5 und 1.7 ergeben die<br />
für die Grobstruktursimulation gültigen inkompressiblen Beziehungen 1.86 und 1.87:<br />
∂U i<br />
∂t + ∂(U i U j)<br />
∂xj<br />
= − 1 ∂p<br />
ρ ∂xi<br />
∂U k<br />
∂xk<br />
+ ∂<br />
∂xj<br />
= 0 , (1.86)<br />
<br />
∂U i<br />
ν +<br />
∂xj<br />
∂U <br />
j<br />
−<br />
∂xi<br />
∂qij<br />
∂xj<br />
. (1.87)<br />
Die Größe qij im letzten Term der Gleichung 1.87 stellt den anisotropen Teil des<br />
Feinstruktur-Spannungstensors τij dar, der den Einfluß der unaufgelösten Längenskalen<br />
(u ′<br />
i/u sgs<br />
i ) auf die aufgelösten Skalen (U i/u gs<br />
i ) beschreibt. Die einfachsten Wirbelviskositätsmodelle<br />
beschreiben lediglich den anisotropen Teil des Spannungstensors, da sie<br />
auf der Annahme beruhen, daß die Feinstrukturspannungen proportional zu dem Tensor<br />
der Scherrate der aufgelösten Längenskalen sind.<br />
qij ∼ Sij = 1<br />
<br />
∂U i<br />
+<br />
2 ∂xj<br />
∂U <br />
j<br />
∂xi<br />
(1.88)<br />
Bei inkompressiblen Strömungen ist die Spur der Scherrate gleich Null (Gl. 1.86), so daß<br />
diese auch für die Spur des Spannungstensors τij gelten muß. Dies wird erreicht, indem<br />
dessen Spur τkk dem Druck beaufschlagt wird und einen neuen ” Pseudo“-Druck P<br />
ergibt. Im Folgenden wird dieser nach wie vor als Druck bezeichnet. Die resultierenden<br />
Größen lauten:<br />
qij = τij − 1<br />
3 τkk δij<br />
(1.89)<br />
P = p + 1<br />
3 τkk , (1.90)<br />
wobei δij das Kroneker-Symbol ist und nur für i = j den Wert δi i = 1 annimmt. Die unbekannte<br />
Größe τij kann nicht aus den Grobstrukturwerten (ui, p) gebildet werden, d.h.<br />
dieser Term muß modelliert werden. Die Modellierung dieser Feinstrukturspannungen<br />
wird im nächsten Abschnitt ausführlich erläutert (Kap.1.6.1)<br />
τij = uiuj − uiuj . (1.91)<br />
38
1.6. GROBSTRUKTURSIMULATION (LES; BEITRAG VON ST. SCHMIDT)<br />
Dieser Tensor τij kann in drei Anteile zerlegt werden, die eine physikalische Interpretation<br />
dieses Terms erleichtern. Dabei wird der erste Term entsprechend der Zerlegung<br />
(Gl. 1.85) in Grob- ui und Feinstrukturanteil u ′ i aufgespalten (?), wodurch sich<br />
τij = uiuj − uiujLij + uiu ′ j + u′ i ujCij + u ′ i u′ j Rij<br />
(1.92)<br />
ergibt. Die Terme können zu neuen Tensoren zusammengefaßt werden und bezeichnen<br />
die Leonard-Spannungen Lij, die die Wechselwirkung zwischen Grobstrukturgrößen<br />
beschreiben und die Clark- bzw. Kreuz-Spannungen Cij, die Interaktionen zwischen<br />
Fein- und Grobstruktur erfassen. Beide Tensoren liefern im zeitlichen Mittel positiven<br />
Energietransport von großen zu kleinen Skalen, während Cij im Momentanfeld<br />
auch rückwärtigen Energietransport (auch Rückstreuung, engl. backscatter) von kleinen<br />
zu großen Skalen zuläßt. Die Feinstruktur-Reynoldsspannungen Rij beeinhalten<br />
dagegen auch im Zeitmittel lokale Rückstreuung von kinetischer Energie und setzen<br />
sich ausschließlich aus Feinstrukturgrößen zusammen. Da Lij explizit aus den Grobstrukturgrößen<br />
berechnet werden kann, sollte die Aufspaltung von τij die Modellierung<br />
der beiden verbleibenden unbekannten Terme (Cij + Rij) erleichtern. Dieser Ansatz<br />
ist jedoch aufgrund fehlender Galilei-Invarianz der Einzelterme Lij bzw. Cij verworfen<br />
worden, weil diese in starkem Maße vom verwendeten Filtertyp abhängen. Eine<br />
neue Definition hat Germano (?) vorgeschlagen, bei der die Tensoren (Gl. 1.92) leicht<br />
modifiziert werden und damit Galilei-invariant sind. Diese Terme lauten<br />
L ∗ ij = uiuj − ui uj (1.93)<br />
C ∗ ij = uiu ′ j + u′ i uj − ui u ′ j − u′ i uj (1.94)<br />
R ∗ ij = u ′ i u′ j − u′ i u′ j (1.95)<br />
und ergeben in der Summe τ ∗ ij = L ∗ ij + C ∗ ij + R ∗ ij ≡ τij mit L ∗ ij + C ∗ ij = Lij + Cij und<br />
R ∗ ij = Rij. Im Folgenden werden diese Modifikationen nicht verwendet, sondern τij in<br />
der ursprünglichen Form (Gl. 1.91) verwendet.<br />
Feinstrukturmodellierung<br />
Grundsätzlich basiert das Prinzip der Grobstruktursimulation darauf, die großräumigen<br />
Wirbel direkt zu simulieren, und die kleinsten Wirbelstrukturen durch ein Modell<br />
wiederzugeben. Da der größte Teil der turbulenten kinetischen Energie in den voll aufgelösten<br />
Wirbelstrukturen steckt, kann eine weniger aufwendige Form der Turbulenzmodellierung<br />
für die Feinstrukturen gewählt werden. Dies ist möglich, da die Feinstrukturen,<br />
die ihre Energie über Wirbelstreckungsmechanismen größerer Wirbel erhalten,<br />
immer weniger von der ursprünglichen Lage der größten Wirbel mitbekommen. Anders<br />
ausgedrückt bedeutet dies, daß durch das Durchreichen der Energie von größten<br />
zu kleinsten Skalen anisotrope Spannungszustände, aufgeprägt durch die Randbedingungen,<br />
abgebaut werden. Im Allgemeinen ist daher ein Modell, welches von isotroper<br />
Turbulenz ausgeht, nicht zwangsläufig schlechter, als eines, welches diese Anisotropien<br />
berücksichtigt.<br />
39
KAPITEL<br />
In diesem Abschnitt werden die verwendeten Feinstrukturmodelle vor- und gegenübergestellt.<br />
Dies sind algebraische Modelle, die lokale Strömungsgrößen und in der Regel<br />
eine Modellkonstante zu einer Spannung τij verrechnen und dadurch ihren Einfluß<br />
in die Gleichung übertragen. Bei einfachen Wirbelzähigkeitsmodellen geschieht dies<br />
über die Zähigkeit, die mit einer turbulenten Scheinzähigkeit (auch Wirbelviskosität,<br />
engl. eddy-viscosity) modifiziert wird. Das Smagorinsky-Modell (Kap. ??) weist eine<br />
Modellkonstante auf, die unabhängig vom Strömungstyp universell zu wählen ist. Damit<br />
einhergehende Modellunstimmigkeiten lassen sich entweder durch Korrektur dieser<br />
Konstante oder durch Adaption an die lokale Strömungskonfiguration erreichen, wie es<br />
bei dynamischen Modellen praktiziert wird (Kap. ??). Diese sind in der Lage sich an<br />
die lokale Strömungskonfiguration und Turbulenzstruktur anzupassen und beheben somit<br />
die Parameterschwäche des Smagorinsky-Modells. Das dynamische Modell in seiner<br />
Grundform ist jedoch numerisch labiler, was in komplexen Gebieten unter Umständen<br />
zur Divergenz des Lösungsverfahrens führen kann. Eine Kopplung des dynamischen<br />
Modellparameters mit der Feinstrukturenergie beseitigt diese Probleme, bewahrt aber<br />
die wichtigsten Eigenschaften des dynamischen Modells (Kap. ??). In den nächsten<br />
Abschnitten werden diese Modelle sowie ihre grundlegenden physikalischen und numerischen<br />
Eigenschaften vorgestellt.<br />
40
<strong>Kapitel</strong> 2 Wirbelzähigkeit<br />
Numerische Methoden zur Simulation turbulenter aerodynamischer Problemstellungen<br />
werden gegenwärtig sowohl zur Leistungssteigerung bestehender Konfigurationen,<br />
als auch zur Entwicklung und Optimierung neuer Flugzeuge in zunehmendem Umfang<br />
genutzt. Die numerische Simulation turbulenter Strömungen ist im Wesentlichen<br />
durch drei Primärthemenkreise gekennzeichnet (Spalart 1999). Hierzu zählen neben<br />
der Vorhersage von Strömungstransition (I) die Berechnung anliegender und quasi–<br />
stationär abgelöster Grenzschichten im Einflußbereich von Körperberandungen (II),<br />
sowie die Simulation stark instationärer (periodischer) Strömungszustände, in denen<br />
keine ausgeprägte Zeitskalentrennung zur Unterscheidung von Hintergrundturbulenz<br />
und transienten Strukturen eines gemittelten Feldes auftritt (III).<br />
Die Vorhersage von Strömungstransition auf der Basis statistischer Turbulenzmodelle<br />
ist, mit Ausnahme der By–Pass Transition, gegenwärtig nur eingeschränkt möglich. Die<br />
Simulation instationärer Prozesse mit kontinuierlichen Energiespektren stößt ebenfalls<br />
auf die konzeptionellen Grenzen statistischer Ansätze. Der überwiegende Teil industrieller<br />
Anwendungen ist jedoch einer stationären Simulation bzw. einer instationären<br />
Simulation, in denen das Turbulenzmodell aufgrund der vorhandenen spektralen Lücke<br />
im quasi-stationären Modus operiert, formal zugänglich.<br />
Die Qualität der Simulation komplexer dreidimensionaler, quasi-stationärer Strömungen<br />
hängt entscheidend von der Darstellbarkeit fundamentaler Strömungsphänomene<br />
durch das zu Grunde liegende Turbulenzmodell ab. Isotrope Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
bilden bis heute die Basis für die industrielle Berechnung komplexer turbulenter<br />
Strömungen. Obwohl sich diese Modelle durch eine einfache, robuste und vor allem<br />
numerisch effiziente Formulierung auszeichnen, sind sie oft nicht in der Lage, komplexe<br />
turbulente Austauschmechanismen korrekt vorherzusagen. Der folgende Abschnitt befaßt<br />
sich daher ebenfalls mit den strukturellen Defiziten isotroper Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
und versucht, die Motivation für eine im darstellungstheoretischen Sinne höherwertige<br />
Modellbildung zu entwickeln.<br />
2.1 Semi–empirische Wirbelzähigkeits–Turbulenzmodelle<br />
Im Zentrum des zweiten <strong>Kapitel</strong>s stehen klassische Wirbelzähigkeitsmodelle zur Berechnung<br />
der Reynolds–Spannungen. Hierbei wird der Tensor der kinematischen Reynolds–Spannungen<br />
in Anlehnung an das Materialgesetz (1.32) durch den symmetrischen<br />
Anteil des Geschwindigkeitsgradienten–Tensors und eine isotrope turbulente Wirbelzähigkeit<br />
νt modelliert (vgl. <strong>Kapitel</strong> 2.2)<br />
uiuj ∼ νt<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
+ ∂Uj<br />
<br />
∂xi<br />
. (2.1)<br />
Die Wirbelzähigkeit (eddy–viscosity) wird aus Dimensionsgründen zumeist in ein tur-<br />
41
KAPITEL<br />
bulentes Längemaß Vt und ein turbulentes Geschwindigkeitsmaß Lt zerlegt<br />
νt ∼ Lt · Vt . (2.2)<br />
Durch den Ansatz (2.1) verlagert sich das Problem der unbekannten Reynolds–Spannungen<br />
uiuj in ein Schließungsproblem zur Bestimmung der Wirbelzähigkeit νt bzw.<br />
der damit assoziierten turbulenten Längen– und Geschwindigkeitsmaße. Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
unterscheidet man üblicherweise nach der Anzahl der abhängigen Turbulenzvariablen<br />
zur Bestimmung von Lt und Vt. Verwendet man hierzu einen Ansatz,<br />
der mit Hilfe rein algebraischer Beziehungen das System aus Impuls– und Kontinuitätsgleichung<br />
schließt, so spricht man von einem algebraischen oder Nullgleichungs–<br />
Turbulenzmodell (Baldwin und Lomax 1978; Cebeci und Smith 1974). Analog nennt<br />
man Modelle auf der Basis einer oder zweier zusätzlicher Transportgleichungen zur<br />
Berechnung von νt Eingleichungs– (Wolfshtein 1969; Baldwin und Barth 1991; Spalart<br />
und Allmaras 1992) bzw. Zweigleichungsmodelle.<br />
Algebraische Modelle und Eingleichungsmodelle lassen sich mit Hilfe der Hypothese<br />
vom lokalen Gleichgewicht (P ≡ ε) aus Zweigleichungsmodellen rekonstruieren (Rung<br />
1998a). Dabei werden die Turbulenzvariablen durch Fixierung der Invarianten des Wirbelzähigkeitsansatzes<br />
(2.1) sukzessive reduziert. Wirbelzähigkeitsmodelle mit weniger<br />
als zwei Freiheitsgraden zur Bestimmung von Lt und Vt verschliessen sich einer darstellungstheoretischen<br />
Betrachtung und finden daher in dieser Vorlesung wenig Verwendung.<br />
WET–Hypothese von Launder<br />
Einen einfachen, intuitiven Weg zur Formulierung des Wirbelzähigkeitsansatzes (2.1)<br />
wurde von Launder (1987) angegeben. Aufbauend auf der Erfahrung, daß die wichtigsten<br />
Beiträge der Reynolds–Spannungs–Transportgleichung (1.61) aus den Produktionstermen<br />
stammen, formulierte Launder die WET–Hypothese<br />
Wealth = Earnings × Time ,<br />
deren Bezug zu allgemeinen Erfahrungen (Guthaben = Einkommen × Zeit) unmittelbar<br />
einsichtig ist. Übertragen auf den Wert der Reynolds–Spannungen lautete die<br />
WET–Hypothese<br />
<br />
<br />
∂Uj ∂Ui<br />
uiuj ∼ Pij × Tt = −Tt uiuk + ujuk . (2.3)<br />
∂xk ∂xk<br />
Vereinfacht man die obige Beziehung weiter, indem man die Reynolds–Spannungsterme<br />
der rechten Seite von (2.3) durch eine isotrope Darstellung (ukuj = 2k/3 δkj) approximiert,<br />
so ergibt sich erneut das lineare Wirbelzähigkeitsgesetz (vgl. auch Tabelle 1.1)<br />
<br />
∂Uj<br />
uiuj ∼ Tt k<br />
∂xi<br />
+ ∂Ui<br />
∂xj<br />
<br />
, mit Tt k ∼ Tt V 2<br />
t ∼ Lt Vt .<br />
42
Phänomenologische Analyse einachsiger Scherungen<br />
KAPITEL<br />
Ausgangspunkt der Betrachtungen ist das illustrative Beispiel einer einfachen, zweidimensionalen<br />
Scherschicht auf der Basis raumfester, kartesischer Koordinaten. Die<br />
additive Zerlegung des Geschwindigkeitsgradienten–Tensors<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
= Sij + Wij<br />
nach symmetrischem (Sij) und antimetrischem (Wij) Anteil lautet in diesem Fall:<br />
mit<br />
⎛<br />
Sij = ⎝<br />
0 S12 0<br />
S12 0 0<br />
0 0 0<br />
⎞<br />
Sij = 1<br />
<br />
∂Ui<br />
+<br />
2 ∂xj<br />
∂Uj<br />
<br />
∂xi<br />
⎛<br />
⎠ und Wij = ⎝<br />
0 W12 0<br />
−W12 0 0<br />
0 0 0<br />
Wij = 1<br />
<br />
∂Ui<br />
−<br />
2 ∂xj<br />
∂Uj<br />
<br />
∂xi<br />
.<br />
⎞<br />
(2.4)<br />
⎠ , (2.5)<br />
Der symmetrische Anteil wird im Folgenden als Deformationgeschwindigkeiten- oder<br />
Scherraten– (Strain–Rate) Tensor, der antimetrische Anteil als Drehgeschwindigkeitenoder<br />
Wirbeltensor bezeichnet. Im Falle kompressibler Strömungen läßt sich der Deformationsgeschwindigkeitentensor<br />
in einen kugelsymmetrischen Dilatationsbeitrag und<br />
einen Deviator zur Beschreibung der Distorsionsanteile zerlegen<br />
Sij =<br />
1<br />
3 δijSkk +<br />
<br />
Dilatationsbeitrag<br />
<br />
Sij − 1<br />
3 Skkδij<br />
<br />
<br />
Distorsionsbeitrag<br />
= 1<br />
3 δijSkk + ˜ Sij . (2.6)<br />
Der einfachheithalber stelle man sich beispielsweise eine ungekrümmte, zweidimensionale<br />
Grenzschicht– oder Kanalströmung mit S12 = W12 = 0.5 U,y vor. Wertet man das<br />
nach Boussinesq (1877) benannte klassische isotrope Wirbelzähigkeitsprinzip<br />
uiuj = 2<br />
3 δijk − 2νt<br />
<br />
Sij − 1<br />
3 Skk<br />
<br />
δij<br />
, (2.7)<br />
für den Strömungstyp (2.5) aus, so erkennt man unmittelbar die in extremem Widerspruch<br />
zur Realität stehende Vorhersage isotroper kinematischer Normalspannungen<br />
u2 1 = u2 2 = u2 3 = 2<br />
k . (2.8)<br />
3<br />
43
KAPITEL<br />
k + , u 2+ , v 2+ , w 2+ , 10uv +<br />
8.0<br />
6.0<br />
4.0<br />
2.0<br />
0.0<br />
DNS k +<br />
DNS u 2+<br />
DNS v 2+<br />
DNS w 2+<br />
DNS 10 |uv| +<br />
0 50 100 150 200 250 300 350<br />
Y +<br />
Abbildung 2.1: Turbulente Kanalströmung (Reτ =395); Reynolds-Spannungen aus direkter<br />
numerischer Simulation (Kim et al. 1987).<br />
Hierin repräsentieren uiuj die kartesischen Komponenten des kinematischen Reynolds–<br />
Spanungstensors und k die massespezifische Turbulenzenergie, deren Definition in (1.61)<br />
und (1.63) erfolgte. Tatsächlich liegt das Verhältnis zwischen kleinster und größter Normalspannung<br />
bei diesem Strömungstyp in vollturbulenten Zonen erfahrungsgemäß im<br />
Bereich von 3–10 (Abbildung 2.1). Bei genauerer Betrachtung der Normalspannungsanomalie<br />
(2.8) linearer Wirbelzähigkeitsmodelle tritt ein weiteres eigenartiges Phänomen<br />
zu Tage:<br />
• Der strukturell einfachste Zustand mit dem höchstmöglichen Symmetriegrad ist<br />
die isotrope Turbulenz, deren Korrelationstensor invariant gegen eine Drehung<br />
des Koordinatensystems ist. Isotrope Turbulenz wird daher mit kugelsymmetrischen<br />
Korrelationstensoren verbunden (Rotta 1972). Im Grenzfall isotroper<br />
Normalspannungszustände sollten folglich sämtliche Schubspannungskomponenten<br />
aus Konsistenzgründen verschwinden, was bei einem expliziten linearen Wirbelzähigkeitsansatz<br />
(2.7) augenscheinlich nur im trivialen Grenzfall S12=0 gelingt.<br />
Kennzeichnend für die in dieser Lehrveranstaltung schwerpunktmäßig diskutierten anisotropen,<br />
nichtlinearen Wirbelzähigkeitsmodelle ist das Bemühen, die strukturellen Eigenschaften<br />
der Turbulenz besser zu erfassen. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei<br />
der Turbulenz in Scherströmungen gewidmet, deren Struktur im wesentlichen durch<br />
den Grad der (An)Isotropie der Reynolds–Spannungen gekennzeichnet ist. Dieser wird<br />
geeigneterweise mit Hilfe des spurfreien, dimensionslosen Anisotropietensors der Rey-<br />
nolds–Spannungen<br />
bij :=<br />
uiuj<br />
2k<br />
1<br />
−<br />
3 δij<br />
<br />
und dessen Invarianten beschrieben (vgl. Anhang A).<br />
, (2.9)<br />
Der nächste Abschnitt erörtert die beiden theoretisch möglichen Wirbelzähigkeitskonzepte<br />
auf der Basis einer isotropen bzw. anisotropen Wirbelzähigkeit. Daran anschlie-<br />
44
2.2. ISOTROPE UND ANISOTROPE WIRBELZÄHIGKEIT<br />
ßend werden klassische Mängel der herkömmlichen isotropen Modellbildung in praxisrelevanten<br />
Scherströmungen zusammengetragen.<br />
2.2 Isotrope und anisotrope Wirbelzähigkeit<br />
Das Wirbelzähigkeitskonzept verknüpft definitionsgemäß den Geschwindigkeitsgradienten–Tensor<br />
mit dem Tensor der Reynolds–Spannungen<br />
u u ∼ U ∇ .<br />
Isotrope und anisotrope Techniken unterscheiden sich dabei durch die tensorielle Stufe<br />
der Verknüpfung. Prinzipiell kommen Wirbelzähigkeitsansätze auf der Basis ungerader<br />
Tensorenstufen zur Verknüpfung zweier Tensoren zweiter Stufe nicht in Frage, weswegen<br />
letztlich die unten angeführten drei Möglichkeiten verbleiben<br />
⎧<br />
⎪⎨ νt (Sij + Wij) isotrope Wirbelzähigkeit,<br />
uiuj ∼<br />
⎪⎩<br />
νik (Skj + Wkj) schwach anisotrope Wirbelzähigkeit,<br />
νijkl (Skl + Wkl) anisotrope Wirbelzähigkeit.<br />
In der Regel wird nur der Beitrag des Scherraten–Tensors zur Verknüpfung berücksichtigt,<br />
da man zur Abbildung der maximal sechs verschiedenen Reynolds–Spannungen<br />
höchstens sechs Geschwindigkeitsgradientenbeiträge benötigt.<br />
Der wesentliche Vorteil anisotroper Wirbelzähigkeitsmodelle ist die linear unabhängige<br />
Modellierung individueller Reynolds–Spannungen. Erste Hinweise zur Formulierung<br />
einer anisotropen Wirbelzähigkeit durch nichtlineare Geschwindigkeitsgradiententerme<br />
gehen auf Neuzgliadov (1960) zurück. Ziel der Überlegungen ist die Formulierung<br />
anisotroper Wirbelzähigkeitstensoren νijkl in Gestalt von nichtlinearen Stress–Strain<br />
Beziehungen, deren Herleitung auf algebraischen Spannungsmodellen basiert.<br />
Für eine erste Beurteilung der oben genannten Wirbelzähigkeitsalternativen ist deren<br />
Konsistenz zu den untenstehenden simplen Symmetrie– und Kontraktionseigenschaften<br />
des Reynolds–Spannungstensors von zentraler Bedeutung<br />
Anisotrope Modellierung<br />
uiuj = ujui und uiui = 2k .<br />
Der allgemeinste Ansatz zur Formulierung einer Wirbelzähigkeit wird, analog zu anisotropen<br />
linear-elastischen Materialgesetzen, durch einen Tensor vierter Stufe (Hinze<br />
1959; Gatski und Speziale 1993) beschrieben<br />
uiuj = 2<br />
3 δijk − νijkl (Skl + Wkl) . (2.10)<br />
45
KAPITEL<br />
Der kugelsymmetrische erste Summand erleichtert die Formulierung einer homogenen<br />
Kontraktionsrestriktion (bkk = 0), das Vorzeichen des zweiten Summanden fußt auf<br />
Kontinuitätsüberlegungen von Prandtl (1925) für das oben angesprochene Beispiel einer<br />
ebenen Scherströmung (uv ∼ −U,y ). Die vorstehend zitierten Kontraktions– und<br />
Symmetriebedingungen ergeben<br />
νijkl = νjikl und νiikl = 0 .<br />
Aus dem Blickwinkel des Scherraten–Tensors ist eine zusätzliche Symmetrie des Wirbelzähigkeitstensors<br />
νijkl in Bezug auf die hinteren beiden Indizes einleuchtend, da Skl<br />
und Slk letztlich denselben Beitrag zu uiuj leisten sollten<br />
uiuj = 2<br />
3 δij k − νijkl Skl , (2.11)<br />
νijkl = νjikl , νiikl = 0 , νijkl = νijlk .<br />
Die doppelte Überschiebung von symmetrischen und antimetrischen Indizes bleibt wirkungslos.<br />
Der antimetrische Wirbeltensor muß daher in Gleichung (2.11) nicht mehr<br />
mitgeführt werden, was die o.g. Aussagen zur Vernachlässigbarkeit eines expliziten<br />
Wij–Beitrags bestätigt. Nichtsdestoweniger können die Koordinaten des Wirbeltensors<br />
zur Definition der Koordinaten des Wirbelzähigkeitstensors beitragen.<br />
Schwach anisotrope Modellierung<br />
Im Rahmen der zweiten Möglichkeit wird die Wirbelzähigkeit durch einen Tensor zweiter<br />
Stufe beschrieben<br />
uiuj = 2<br />
3 δijk − νik (Skj + Wkj) . (2.12)<br />
Anhand der Kontraktionsbedingung erkennt man unmittelbar die Defizite des Ansatzes<br />
0 = νik (Ski + Wki) .<br />
Da die Geschwindigkeitsgradienten i. Allg. linear unabhängig sind, degeneriert der Wirbelzähigkeitstensor<br />
zweiter Stufe bei Beachtung der Kontraktionsbedingung zu einem<br />
Nulltensor.<br />
Isotrope Modellierung<br />
Die anisotrope Wirbelzähigkeit νijkl wird im Rahmen linearer Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
(EVM) einer Isotropiehypothese unterworfen. Mit Hilfe der allgemeinen Darstellung<br />
eines isotropen Tensors vierter Stufe findet man anstelle von (2.10)<br />
ν EVM<br />
ijkl := Aδijδkl + Bδikδjl + Cδilδjk ,<br />
❀ uiuj = 2<br />
3 δij k − [ AδijSkk + (B + C)Sij + (B − C)Wij ] . (2.13)<br />
46
2.3. ISOTROPE ZWEI–PARAMETER–WIRBELZÄHIGKEITSMODELLE<br />
Hieraus ergibt sich vermöge der Symmetrierestriktion B = C, bzw. des Kontraktionszwangs<br />
A = −2B/3 das lineare Boussinesqgesetz (νt := B)<br />
uiuj = 2<br />
3 δijk<br />
<br />
− 2νt Sij − 1<br />
3 Skkδij<br />
<br />
, (2.14)<br />
mit νt := isotrope Wirbelzähigkeit = cµkT t .<br />
Modelle von Typ (7.20) werden aufgrund der skalaren Wirbelzähigkeit auch isotrope<br />
Wirbelzähigkeitsmodelle genannt. Die in Gleichung (7.20) gewählte Zerlegung der isotropen<br />
kinematischen Wirbelzähigkeit ist willkürlich und erleichtert die im Folgenden<br />
bevorzugte dimensionslose Darstellung. Hierin repräsentiert Tt ein geeignet gewähltes<br />
turbulentes Zeitmaß und cµ den – i. Allg. nicht notwendigerweise konstanten – dimensionslosen<br />
Anisotropieparameter, auf dessen Bedeutung später näher eingegangen wird.<br />
Typische turbulente (high–Re) Zeitmaße einer Zwei–Parameter–Modellierung sind<br />
⎧<br />
k k − ε Modell (Jones und Launder 1972) ,<br />
Tt =<br />
⎪⎨<br />
ε<br />
1<br />
cµ ω<br />
k − ω Modell (Wilcox 1993) ,<br />
τ k − τ Modell (Speziale, Abid und Anderson 1992) ,<br />
⎪⎩ l k − l Modell (Rotta 1968) .<br />
√<br />
cµ k<br />
Der strukturelle Nachteil (expliziter) isotroper EVM läßt sich aus der Definition der<br />
isotropen Wirbelzähigkeit ergründen<br />
νt(k, Tt, b, ∇U) = −k bαβ<br />
˜Sαβ<br />
. (2.15)<br />
Hiernach ist die Wirbelzähigkeit eine Funktion des mittleren Geschwindigkeitsfeldes<br />
und des Turbulenzfeldes, letzteres in Form von sowohl isotropen (k) als auch anisotropen<br />
(bij) Beiträgen. Eine allgemeingültige Modellierung der Wirbelzähigkeit verlangt<br />
folglich neben der Berücksichtigung geeignet gewählter Normen des Distorsionsfeldes<br />
und isotropen Turbulenzgrößen auch die Einarbeitung des Anisotropiezustands der<br />
Reynolds–Spannungen, was zu einer impliziten Wirbelzähigkeitsformulierung führen<br />
würde.<br />
2.3 Isotrope Zwei–Parameter–Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
Den aus der Lösung zweier gekoppelter partieller Differentialgleichungen bestehenden<br />
Schließungsansatz nennt man Zwei–Parameter– oder Zweigleichungs–Modell. Zweigleichungsmodelle<br />
basieren ursprünglich auf dem isotropen Wirbelzähigkeitsprinzip.<br />
Sie lassen sich jedoch, wie in dieser Arbeit gezeigt, in höherwertige anisotrope Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
auf der Grundlage nichtlinearer Stress–Strain Kopplungen (2.1)<br />
47
KAPITEL<br />
überführen. Zweigleichungsmodelle unterscheidet man nach dem Typ der gewählten<br />
abhängigen Turbulenzvariabeln. Die am weitesten verbreitete Formulierung basiert auf<br />
modellierten Transportgleichungen für die Turbulenzenergie k und die Dissipations–<br />
bzw. Transferrate ε (k−ε Modell). Alle weiteren in der Literatur verfügbaren Formulierungen<br />
sind weitestgehend äquivalent und lassen sich prinzipiel ineinander überführen.<br />
Ein natürliches turbulentes Geschwindigkeitsmaß ist die Wurzel der turbulenten kinetischen<br />
Energie √ k. Zur Schließung der Turbulenzenergiegleichung (1.64) werden die<br />
diffusiven Beiträge nach dem Gradienten–Diffusionsmodell modelliert<br />
− ukuiϕ − 1<br />
ρ pϕ δik = 1) k<br />
Cφ<br />
ε ukul<br />
<br />
∂ uiϕ<br />
=<br />
∂xl<br />
2) C ∗ k<br />
φ<br />
2<br />
ε δkl<br />
<br />
∂ uiϕ<br />
=<br />
∂xl<br />
νt<br />
<br />
∂ uiϕ<br />
.<br />
P rφ ∂xk<br />
(2.16)<br />
Der Druckdiffusionsbeitrag ist in der Regel von untergeordneter Bedeutung. Die Symmetrieeigenschaften<br />
der verbleibenden Trippelkorrelation werden vom Gradienten–Diffusionsmodell<br />
gebrochen, was jedoch aufgrund der untergeordneten Bedeutung der Diffusionsterme<br />
in der Regel akzeptiert wird. Die algorithmische Struktur der meisten<br />
numerischen Verfahren basiert auf isotropen Diffusionsprozessen, weswegen sich die<br />
Anwendung des zweiten, isotropisierenden Modellierungschrittes empfiehlt. Unter Vernachlässigung<br />
von Volumenkraftdichten ergibt sich für inkompressible Medien die modellierte<br />
Turbulenzenergiegleichung<br />
<br />
Dk<br />
∂<br />
= P − ε + ν +<br />
Dt ∂xk<br />
νt<br />
<br />
∂k<br />
, mit P rk = O(1) . (2.17)<br />
P rk ∂xk<br />
2.3.1 k − ε Modell<br />
Die Schließung der modellierten Turbulenzenergiegleichung (2.17) bedarf einer Vorschrift<br />
zur Berechnung der isotropen Dissipationsrate ε. Die in Gleichung (1.66) notierte<br />
exakte Transportgleichung der Dissipationsrate enthält eine Vielzahl ungeschlossener<br />
Beiträge und ist in ihren Details inakzeptabel komplex. Daneben kommt der modellierten<br />
Dissipationsrate nach Gleichung (1.74) eine andere physikalische Bedeutung<br />
als der ursprünglichen Dissipationsrate zu. Die Modellierung der Energietransferbilanz<br />
geht auf Jones und Launder (1972) zurück und lehnt sich eng an die Modellgleichung<br />
der Turbulenzenergie (2.17) an<br />
Dε<br />
Dt<br />
= ε<br />
k<br />
<br />
<br />
Cε1P − Cε2 ε<br />
+ ∂<br />
<br />
ν +<br />
∂xk<br />
νt<br />
<br />
∂ε<br />
P rε ∂xk<br />
. (2.18)<br />
Die Basisgleichung (2.18) gilt ausdrücklich nur für voll–turbulente (sog. high–Reynolds<br />
number) Bereiche in hinreichender Entfernung fester Berandungen. Im Wandbereich<br />
sollte die Transferrate mit der isotropen Dissipationsrate übereinstimmen, wozu –wie<br />
in Anhang D skizziert– eine Manipulation ihrer Transportgleichung notwendig ist. Die<br />
48
2.3. ISOTROPE ZWEI–PARAMETER–WIRBELZÄHIGKEITSMODELLE<br />
Kalibrierung der Koeffizienten P rε, Cε1 und Cε2 basiert auf Erfahrungswerten. Hierzu<br />
werden üblicherweise die im folgenden skizzierten drei aussagekräftigen Referenzströmungen<br />
betrachtet.<br />
Gittertubulenz (Bestimmung von Cε2)<br />
Der Wert des Parameters Cε2 bestimmt sich aus dem experimentell untersuchten Abklingverhalten<br />
der homogenen Turbulenz in einer scherfreien Grundströmung.Die modellierten<br />
Differentialgleichungen von k und ε degenerieren in diesem Fall zu einer<br />
Balance zwischen instationären und dissipativen Termen<br />
Dk<br />
Dt<br />
= −ε , und Dε<br />
Dt<br />
die sich analytisch lösen läßt<br />
ε<br />
= −Cε2<br />
2<br />
k<br />
k = k0 (t − t0) −n<br />
❀ D2k Cε2<br />
=<br />
Dt2 k<br />
mit n =<br />
1<br />
Cε2 − 1<br />
2 Dk<br />
Dt<br />
, (2.19)<br />
. (2.20)<br />
Das oben skizzierte Abklingverhalten entspricht dem Abklingverhalten von Gitterturbulenz,für<br />
das man D/Dt = U0 d/dx findet, woraus sich unmittelbar k ∼ (x − x0) −n<br />
folgt (Abbildung 2.2). Experimentelle Untersuchungen von Comte-Bellot und Corrsin<br />
(1966) weisen dem Exponenten einen Wert von n = 1.1–1.3 zu, woraus man Cε2 = 1.8–<br />
2.0 erhält.<br />
U o<br />
k<br />
Abbildung 2.2: Bestimmung des Koeffizienten Cε2; Veranschaulichung von Gitterburbulenz.<br />
Homogene Scherturbulenz (Kalibirierung von Cε1)<br />
Die Kalibirierung des Koeffizienten Cε1 folgt aus der Betrachtung einer homogenen<br />
Scherung im Gleichgewichtszustand. Die Analyse der berechneten Gleichgewichtswerte<br />
des Reynolds–Spannungstensors für homogene Scherturbulenz zählt zu den wichtigsten<br />
49<br />
x
KAPITEL<br />
Eckpfeilern einer Beurteilung von Turbulenzmodellen. Die einzige von Null verschiedene<br />
Komponente des Geschwindigkeitsgradienten–Tensors ∂U/∂y = S ∗ sei hierbei positiv,<br />
und ebenso wie alle statistischen Turbulenzgrößen räumlich konstant<br />
D = Diffε = 0 , und ∇ U = const .<br />
Für homogene Scherturbulenz lauten die modellierten Transportgleichungen der Turbulenzenergie<br />
(2.17) und Disspationsrate (2.18)<br />
<br />
<br />
∂k<br />
∂ε ε<br />
= P − ε ,<br />
= Cε1 P − Cε2 ε mit P = cµ S<br />
∂t ∂t k<br />
2 ε , (2.21)<br />
deren Langzeitverhalten (Index ∞) durch den strukturellen Gleichgewichtszustands für<br />
die homogene Scherturbulenz charakterisiert ist<br />
<br />
Dε D(ε/k)k<br />
=<br />
=<br />
Dt ∞ Dt ∞<br />
ε<br />
<br />
Dk D(ε/k)<br />
+ k<br />
. (2.22)<br />
k Dt ∞ Dt ∞<br />
<br />
limt→∞=0<br />
Aus Gleichung (2.22) ergibt sich unmittelbar der Gleichgewichtswert für die spezifische<br />
Produktionsrate<br />
C5 := Cε2 − 1<br />
Cε1 − 1 =<br />
<br />
P<br />
. (2.23)<br />
ε ∞<br />
Experimentelle Untersuchungen von Tavoularis und Corrsin (1981) spezifizieren den<br />
Gleichgewichtswert zu (P/ε) ∞ = 1.9, woraus man Cε1 = 1.45 schließt.<br />
Logarithmischer Bereich einer Wandgrenzschicht (Bestimmung von Prε)<br />
Die Bestimmung der turbulenten Prandtl–Zahl Prε stützt sich auf die Analyse der ingenieurwissenschaftlich<br />
wichtigsten Referenzströmung, dem logarithmischen Bereich einer<br />
ebenen, druckgradientenfreien Wandgrenzschicht. In diesem Falle lassen sich die substantiellen<br />
Änderungen in guter Näherung vernachlässigen und das gesamte Strömungs–<br />
und Turbulenzfeld kann mit der Wandschubspannung uτ parametrisiert werden (Rung<br />
1999). Wertet man die Modellgleichungen für k und ε unter Verwendung der experimentell<br />
belegten lokalen Gleichgewichtsbeziehungen (P = ε)<br />
|uv| = 0.3 k = u 2 τ , νt = Lt Vt = κn uτ ,<br />
❀ P = −uiuj Sij = −uv ∂U<br />
∂y = u2 τ<br />
uτ<br />
κy<br />
= ε (2.24)<br />
∂ ∂<br />
und den üblichen Grenzschichtabschätzungen (V
2.3. ISOTROPE ZWEI–PARAMETER–WIRBELZÄHIGKEITSMODELLE<br />
Mit Hilfe der oben gefundenen Werte für Cε1 und Cε2 und dem üblichen Wert der von–<br />
Kármán Konstanten κ = 0.4–0.41 ergibt sich aus der Verträglichkeitsbeziehung (2.25)<br />
ein Wert für die Prandtlzahl der ε–Gleichung (P rε = 1.1–1.4) .<br />
Eine Variation des Koeffizienten Cε1<br />
ist für die erfolgreiche Berechnung von Nichtgleichgewichts–Zuständen oftmals notwendig.<br />
Der Parameter Cε1 wird von vielen Autoren in ähnlicher Weise an den Wert des<br />
dimensionslosen Scherratenparameters S = (k/ε) 2SijSij gekoppelt. Abbildung 2.3<br />
veranschaulicht die Verläufe dreier populärer Ansätze zur Formulierung eines scherpa-<br />
rameterabhängigen Koeffizienten Cε1<br />
Shih et al.(1995a) : Cε1 = max<br />
<br />
0.43, S<br />
<br />
1<br />
5 + S 0.3 ,<br />
Menter (SST k − ω, 1994) : Cε1 = 1 + 0.44 max(1, 0.3 S) ,<br />
Yakhot et al. (RNG, 1992) : Cε1 = 1.42 −<br />
Chen et al. (1987) : Cε1 = 1.15 + S2<br />
44.4<br />
S (1 − 0.2283 S)<br />
1 + 0.015 S 3<br />
. (2.26)<br />
Die Anwendung der Cε1–Modifikationen ist mit erheblichen Konsequenzen für die Entwicklung<br />
der Wirbelzähigkeit verbunden. Rung (1998a) weist darauf hin, daß die aus<br />
dem Zweigleichungsmodell entwickelte Formulierung einer Transportgleichung für νt<br />
im Falle von Cε1 > 2 mit einem negativen Produktionsterm behaftet ist<br />
Pνt ∼ νt<br />
<br />
k<br />
S<br />
ε<br />
2 <br />
ε<br />
<br />
<br />
ii (Cε2 − 2) + (2 − Cε1)<br />
P<br />
was rasch zum vollständigen Zusammenbruch des vorhergesagten Turbulenzfeldes führen<br />
kann.<br />
Die Realisierbarkeit des turbulenten Zeitmaßes<br />
ist eine weitere, vielfach berücksichtigte Zwangsbedingung. Der Quotient (k/ε) läßt<br />
sich als Zeitmaß Tt der energietragenden Wirbel (eddy–turn–over time) interpretieren.<br />
Das turbulente Zeitmaß Tt ist, in Anlehnung an die oben dargestellte Skalenanalyse,<br />
einer Realisierbarkeitsbeziehung unterworfen. Diese besagt, daß das turbulente Zeitmaß<br />
nie unterhalb des Kolmogorov–Zeitmaßes der viskosen Dissipation liegen darf. Da<br />
die höchste Frequenz im Energiespektrum durch die viskose Dissipation begrenzt ist,<br />
leuchtet die Restriktion physikalisch unmittelbar ein<br />
<br />
ε −1<br />
k ν<br />
→ Tt , mit Tt := max , α Durbin (1991) : α ≈ 6 . (2.27)<br />
k ε ε<br />
51<br />
,
KAPITEL<br />
C ε1<br />
2.2<br />
2.0<br />
1.8<br />
1.6<br />
1.4<br />
Shih et al. (1995)<br />
SST (Menter 1994)<br />
RNG (Yakhot et al. 1992)<br />
0 2 4 6 8 10<br />
S<br />
Abbildung 2.3: Populäre Ansätze für die Entwicklung des Koeffizienten Cε1 als Funktion<br />
des dimensionslosen Scherparameters S = (k/ε) 2SijSij.<br />
Eine einfache Dimensionanalyse der Wirbelzähigkeit<br />
ergibt für das k − ε Modell die Proportionalität (vgl. Glg. 2.2 und Tabelle 1.1)<br />
νt ∼ k ·<br />
<br />
k<br />
ε<br />
k<br />
❀ νt = cµ<br />
2<br />
ε .<br />
Den dazugehörigen Proportionalitätsfaktor bestimmt man üblicherweise aus den bereits<br />
unter (2.24) angegebenen Zusammenhängen für den Gleichgewichtsbereich einer<br />
Wandgrenzschicht<br />
<br />
<br />
<br />
−1<br />
∂U<br />
<br />
νt = |uv| = κn uτ = cµ<br />
∂y<br />
❀ cµ = u4τ =<br />
k2 |uv|<br />
k<br />
2<br />
k 2<br />
ε<br />
, (2.28)<br />
= 0.09 . (2.29)<br />
Der Faktor cµ wird aufgrund seiner Definition üblicherweise Anisotropieparameter genannt.<br />
Der am häufigsten verwendete Koeffizientensatz einfacher k − ε Modelle lautet<br />
damit<br />
k − ε Modell : cµ = 0.09 , Cε1 = 1.44 , Cε2 = 1.92 , P rε = 1.3 , P rk = 1 .<br />
52
2.3. ISOTROPE ZWEI–PARAMETER–WIRBELZÄHIGKEITSMODELLE<br />
2.3.2 Alternative Zwei–Parameter–Formulierungen (k n − ζ Modelle)<br />
Prinzipiell sind sämtliche Variablenkombinationen k n und ζ, deren Darstellung der<br />
Wirbelzähigkeit<br />
die Restriktion<br />
ζ = c 1−a<br />
µ<br />
k 2−b ε −1 1/c = c 1−a<br />
µ<br />
νt = c a µ k b ζ c<br />
T 2b−1<br />
t<br />
L 2b−21/c<br />
1−a<br />
t = cµ V 1−2b 1/c t Lt<br />
(2.30)<br />
(2.31)<br />
erfüllt, zur Modellierung geeignet. Die Transportgleichungen der Variablen k n und ζ<br />
gewinnt man durch Anwendung der Kettenregel auf die oben angeführten Gleichungen<br />
(2.17) und (2.18) für k bzw. ε<br />
Dkn Dt = nk n−1 Dk<br />
Dt<br />
Dζ<br />
Dt =<br />
2 − b<br />
c<br />
, (2.32)<br />
<br />
c 1−a<br />
µ<br />
k2−b−c <br />
1/c<br />
ε<br />
Dk<br />
Dt<br />
− 1<br />
c<br />
<br />
c 1−a<br />
µ<br />
k2−b ε1+c 1/c Dε<br />
Dt<br />
. (2.33)<br />
Die Transformationsbeziehungen zur Formulierung der ζ–Gleichung erleichtern sich<br />
erheblich durch die Annahme von P rk =P rε in (2.33). Die tatsächlich verwendete<br />
Prandtl–Zahl wird im Anschluß an die Herleitung der Transportgleichung durch die<br />
Formulierung einer zu (2.25) analogen Verträglichkeitsbeziehung fixiert.<br />
Neben dem k − ε Modell ist vor allem das von Wilcox (1988) entwickelte k − ω Modell<br />
νt = k<br />
ω<br />
❀ n = b = −c = 1 und a = 0<br />
weit verbreitet. Die aus der Transformationsbeziehung (2.33) abgeleitete Transportgleichung<br />
der spezifischen Dissipationsrate ω = ε/(cµk) lautet<br />
<br />
<br />
Dω ω<br />
= (Cε1 − 1) P − cµ(Cε2 − 1) ω k +<br />
Dt k<br />
1<br />
<br />
ν +<br />
∂xk<br />
νt<br />
<br />
∂ω<br />
(2.34)<br />
P rω ∂xk<br />
<br />
2 ∂k ∂ω<br />
+<br />
.<br />
ω P rω ∂xk ∂xk<br />
In der von Wilcox (1988) angegebenen Form wird der letzte Summand der Gleichung<br />
(2.34) unterdrückt. Wilcox (WC) bevorzugt die Koeffizientenkombination<br />
Wilcox k − ω Modell : cµ = 0.09 , Cε2 = 1.83 , Cε1 = 1.55 , P rk = P rω = 2 .<br />
Der Vorteil des k−ω Modells ist dessen inhärente Konsistenz zu den Gesetzmäßigkeiten<br />
des semi–viskosen und voll–turbulenten logarithmischen Bereichs (vgl. Anhang D oder<br />
53
KAPITEL<br />
Wilcox 1993). Daneben zeichnet sich das Modell durch die geringe Variation der o.a.<br />
Verträglichkeitsbeziehung in kompressiblen und inkompressiblen Wandgrenzschichten<br />
aus (Huang et al. 1994). Hieraus resultiert die Möglichkeit zur Handhabung beider<br />
Strömungszustände mit einem einheitlichen Koeffizientensatz.<br />
Die Vernachlässigung des letzten Summanden aus (2.34) steht in ursächlichem Zusammenhang<br />
zu den Vorteilen der k − ω Formulierung. Die Unterdrückung des Kreuzdiffusionsterms<br />
erhöht jedoch gleichzeitig die Sensitivität des Modells für die Fernfeld–<br />
und Zuströmrandbedingungen der Längenmaßvariablen, da sich der Kreuzdiffusionsterm<br />
als negativer Entrainmentbeitrag interpretieren läßt (Menter 1992; Wilcox 1993;<br />
Rung 1998b). Die Vorgabe der Fernfeldwerte von Lt ist keineswegs trivial. Eine geringe<br />
Fernfeldsensitivität ist daher erstrebenswert. In letzter Zeit sind zonal–hybride Kombinationen<br />
von k − ε und k − ω Modellen (Menter 1994) oder zonale Berücksichtigungen<br />
des Kreuzdiffusionsterms, welche die spezifischen Formulierungsvorteile kombinieren,<br />
in den Blickpunkt des Interesses geraten.<br />
Weitere Zweigleichungsmodelle sind z.B. von Rotta (1968), Speziale, Abid und Anderson<br />
(1992) oder Gibson, Harper und Dafa’Alla (1994) entwickelt worden.<br />
2.3.3 Prallstrahlproblematik (Launder–Kato Modifikation)<br />
Ein prinzipielles Problem konventioneller Wirbelzähigkeitsmodelle liegt in der unbefriedigenden<br />
Darstellung rotationsfreier Deformationzustände. Besonders kritisch wird<br />
das Modellverhalten wenn die Deformationsgeschwindigkeiten annähernd winkeltreu<br />
(scherfrei) sind:<br />
Sαβ = Wαβ = 0 für α = β .<br />
Sämtliche Staupunktströmungen, wie z.B. Prallstrahlen oder Bereiche in der Nähe des<br />
Staupunkts von Tragflügelprofilen, gehören zu diesem Strömungstyp. Erfahrungsgemäß<br />
kommt es in diesen Situationen zu einer deutlichen Überschätzung der Produktion von<br />
Turbulenzenergie durch übliche Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
P = 0.5Pkk = −uiuk (Sik + Wik) = −uiuk Sik ∼ 2 νt S 2 kk , (2.35)<br />
oftmals mit weitreichenden Konsequenzen für das gesamte Strömungsfeld. Die Überschätzung<br />
der Produktion von Turbulenzenergie im Staupunktbereich kann, wie exemplarisch<br />
in Abbildung 2.4 illustriert, zur extrem unrealistischen Vorhersage der aerodynamischen<br />
Güte von Tragflügel- oder Schaufelprofilen führen. Die lokalen Turbulenzspitzen<br />
im Nasenbereich der Profile werden dabei durch Konvektion den stromabliegenden<br />
auftriebserzeugenden Saugbereichen zugeführt. Sie bewirken dort infolge<br />
der unrealistisch hohen Turbulenzintensität eine deutliche Unterschätzung der Saugspitzen,<br />
bei gleichzeitig überschätzten Reibungswiderständen. Die Grenzschichtprofile<br />
besitzen wesentlich mehr Energie, was sich vor allem bei der Berechnung ablösenaher<br />
Strömungszustände negativ auf die Vorhersagequalität stromab liegender Grenzschichtprofile<br />
auswirkt. In jüngster Zeit sind diesbezüglich eine Reihe populärer Gegenmaßnahmen<br />
veröffentlicht worden, z.B. von Kato und Launder (1993), Jin und Braza (1994)<br />
54
Stroemung um A310.HIGH-Lift,TURBO,a=20G,64m/s,kin=1m2/s2<br />
TURB.ENE.(%)[k]<br />
Turbulence Intensity from 0−5%<br />
Present Realizable<br />
Stroemung um A310.HIGH-Lift,TURBO,a=20G,64m/s,kin=1m2/s2<br />
2.3. ISOTROPE ZWEI–PARAMETER–WIRBELZÄHIGKEITSMODELLE<br />
TURB.ENE.(%)[k]<br />
Turbulence Intensity from 0−5%<br />
Standard Model<br />
Abbildung 2.4: Box from ( -0.15, Umströmung -0.22) to ( 0.20, 0.16) von Mehrelemente-Tragflügelprofilen: Box from ( -0.16, -0.22) to ( 0.21, 0.18) Vergleich der Turbu-<br />
lenzintensitäten im Vorflügelbereich (”Present Realizable” entspricht einem Nichtgleichgewichtsmodel,<br />
”Standard Model” einem Gleichgewichtsmodell).<br />
oder Durbin (1996), die eine Manipulation der Produktion in (2.35) vorschlagen. Diese<br />
Manipulationen ersetzen S2 kk in (2.35) durch −W 2 kk , bzw. −S2 kk W 2 kk , was jedoch in<br />
formalem Widerspruch zum Wirbelzähigkeitsansatz (2.1) steht. Ferner läßt sich zeigen,<br />
daß diese Manipulation mit der Annahme antimetrischer Reynolds–Spannungstensoren<br />
in (2.35) verknüpft ist. Hierzu stelle man sich vor, der Reynolds–Spannungstensor wäre<br />
antimetrisch. Das Wirbelzähigkeitsgesetz zur Modellierung antimetrischer Reynolds–<br />
Spannungen wäre folglich durch<br />
uiuk ∗ = −ukui ∗<br />
❀ uiuk ∗ ∼ 2 νt Wik<br />
erklärt. Setzt man die zuletzt notierte Gleichung in die Beziehung (2.36) ein, dann<br />
ergibt sich die oben genannte, häufig verwendete Launder–Kato Modifikation<br />
P ∗ = −uiuk ∗ (Sik + Wik) = −uiuk ∗ Wik ∼ 2 νt W 2 kk . (2.36)<br />
Offenbar gelangt man zu der von vielen Autoren favorisierten wirbeltensorbasierten<br />
Darstellung der Produktion von Turbulenzenergie nur unter der falschen Vorraussetzung,<br />
daß die Reynolds–Spannungen durch einen antimetrischen Tensor repräsentiert<br />
werden. Wegen des positiven Einflusses auf das Ergebnis, erfreut sich die Launder–Kato<br />
Modifikation jedoch großer Beliebtheit.<br />
2.3.4 Turbulenter Wärmestrom<br />
Zur Berechnung des turbulenten Wärmestroms werden in der Regel isotrope Wirbeldiffusivitätsmodelle<br />
verwendet. Diese lassen sich unmittelbar aus dem Gradienten–<br />
Diffusions–Ansatz (2.16) entwickeln<br />
−ukT ′ = 1) CT<br />
<br />
k<br />
ε<br />
ukul<br />
<br />
∂T<br />
∂xl<br />
= 2) νt<br />
<br />
∂T<br />
P r ∂xk<br />
. (2.37)<br />
Der turbulenten Prandtlzahl wird zumeist der Wert P r = 0.9 zugewiesen. Die hiermit<br />
verbundenen Annahmen offenbaren sich durch die Rekonstruktion der Gleichung (2.37)<br />
55
KAPITEL<br />
aus der exakten Skalartransportgleichung (1.65). Für den Zustand des lokalen Gleichgewichts<br />
lassen sich sämtliche Transportterme in (1.65) vernachlässigen. Unterdrückt<br />
man ferner sämtliche Quellterme und Volumenkraftdichtebeiträge, dann ergibt sich<br />
uiuk<br />
∂T<br />
∂xk<br />
∂Ui<br />
= −ukT ′<br />
∂xk<br />
+ 1<br />
ρ<br />
p∂T ′<br />
∂xi<br />
− ν<br />
<br />
cp ∂ui<br />
+ 1<br />
P r ∂xk<br />
Im Falle einer nahezu isotropen Feinstruktur müssen die (viskosen) Dissipationsterme<br />
der zuletzt notierten Gleichung ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Die Druck–<br />
Skalargradienten–Korrelation wird üblicherweise analog zur Druck–Scher–Korrelation<br />
modelliert (Craft und Launder 1996). Der einfachste Ansatz ist der lineare Relaxationsansatz,<br />
bei dem nur der langsame Anteil berücksichtigt wird<br />
1<br />
ρ<br />
p∂T ′<br />
∂xi<br />
= −γ ∗ T −1<br />
t uiT ′ ❀ uiuk<br />
T ′ uk<br />
∂Ui<br />
∂xk<br />
∂T<br />
∂xk<br />
∂T<br />
∂xk<br />
∂Ui<br />
= −ukT ′<br />
∂xk<br />
− γ ∗<br />
∂T ′<br />
∂xk<br />
.<br />
<br />
ε<br />
<br />
uiT<br />
k<br />
′ .<br />
Das Gradienten–Diffusions–Gesetz (2.37) ergibt sich schließlich unter der Voraussetzung<br />
uiuk<br />
1<br />
= γ , mit γ =<br />
γ∗CT − 1 .<br />
Die Erweiterung der Technik auf anisotrope Wirbeldiffusivitäts– oder explizite algebraische<br />
Modelle zur Berechnung turbulenter Wärmeströme ist möglich. Näheres hierzu<br />
findet man z.B. bei Shabany und Durbin (1997), Adumitroaie, Ristorcelli und Taulbee<br />
(1998) oder Wikström, Wallin und Johansson (2000).<br />
2.4 Primäre, sekundäre und tertiäre Stress–Strain Interaktion<br />
Die Wechselwirkungen zwischen Turbulenz und Geschwindigkeitsgradienten sind eng<br />
mit bekannten physikalischen Mechanismen einer turbulenten Scherströmung verknüpft.<br />
Diese lassen sich ihrer Bedeutung nach in primäre, sekundäre und tertiäre Erscheinungen<br />
gliedern und können von den verschiedenartigen Wirbelzähigkeitskonzepten<br />
unterschiedlich gut wiedergegeben werden.<br />
Primäre Strömungsmerkmale sind durch die Wechselwirkung einander zugeordneter<br />
Reynoldsscher Schubspannungen und Scherraten bestimmt. Sie lassen sich<br />
in lokal zweidimensionalen Scherströmungen<br />
durch isotrope Wirbelzähigkeitsansätze hinreichend<br />
genau beschreiben. Die zweidimensionale<br />
Scherströmung ist keinesfalls nur akademischer<br />
Natur. Vielmehr läßt sich die Mehrheit<br />
der in der Praxis auftretenden Strömungen<br />
näherungsweise dadurch beschreiben. Hierzu<br />
gehört die in Abbildung 2.5 durch schwar-<br />
Abbildung 2.5: Hauptströmungskompoze Farbwerte gekennzeichnete druckinduzierte<br />
nente einer abgelösten Profilumströmung<br />
Hinterkantenablösung über der Saugseite ei-<br />
56
2.4. PRIMÄRE, SEKUNDÄRE UND TERTIÄRE STRESS–STRAIN INTERAKTION<br />
nes Tragflügelprofils. Eine adäquate Modellierung primärer Phänomene im Rahmen isotroper<br />
Ansätze geschieht beispielsweise durch die besondere Berücksichtigung der Realisierbarkeit<br />
der modellierten Reynolds–Spannungen (Schumann 1977). Ein Bestandteil<br />
der Realisierbarkeitsbedingungen ist die Gewährleistung positiver Normalspannungen,<br />
eine Anforderung, die von dem isotropen Wirbelzähigkeitsansatz nur durch<br />
die umgekehrte Proportionalität des Anisotropieparameters zum Scherratenparameter<br />
S = Tt<br />
<br />
2 ˜ Sij ˜ Sij befriedigt werden kann (Shih, Zhu und Lumley 1993; Rung 1998b).<br />
u 2 α = 2<br />
3 k − 2 cµ kTt ˜ Sαα , ❀ lim<br />
S→∞ cµ ≤ 1<br />
1.5 S .<br />
Die so formulierte Wirbelzähigkeit erfüllt den in Gleichung (2.15) geforderten umgekehrt–<br />
proportionalen Zusammenhang von νt und Sij zumindest im integralen Mittel. Analoge<br />
Überlegungen, in denen der Anisotropieparameter umgekehrt proportional zur zweiten<br />
Invariante des Wirbeltensors ist, führen zu den sogenannten Shear–Stress–Transport<br />
Modellen von Menter (1993). Die Darstellbarkeit von ebenen Krümmungseffekten gelingt<br />
ebenfalls bereits mit linearen Stress-Strain Beziehungen (vgl. <strong>Kapitel</strong> 7.4).<br />
Ein illustratives Beispiel für die Schwächen einer isotropen Modellierung bei der Darstellung<br />
primärer Strömungsmerkmale ist die zweiachsige Scherung, die in dreidimensionalen<br />
Grenzschichtströmungen relevant ist. Die komplementäre Schubspannungkomponente<br />
vw einer 3D Grenzschicht ist in isotropen Wirbelzähigkeitsmodellen in gleicher<br />
Weise an die Entwicklung der Querströmungskomponente W gekoppelt wie die<br />
Primärschubspannung uv an die Hauptströmungsgeschwindigkeit U. Experimentelle<br />
Untersuchungen, z.B. Schwartz und Bradshaw (1994), zeigen dagegen oftmals eine Abweichung<br />
zwischen dem Schubspannungswinkel und dem Strömungsgradientenwinkel<br />
Exp. : γτ = γg , mit γτ = tan −1<br />
vw<br />
uv<br />
<br />
und γg = tan −1<br />
∂W/∂y<br />
∂U/∂y<br />
Offenkundig versagt die starre isotrope Kopplung ganz allgemein bei der Vorhersage<br />
von mehreren, linear unabhängigen Komponenten des Reynolds–Spannungstensors.<br />
Sekundäre Strömungsformen bilden sich durch Normalspannungsdifferenzen in einer<br />
turbulenten Scherströmung aus. Die eingangs angesprochene Normalspannungsanomalie<br />
wird durch die unzulängliche Modellierung der Diagonalbeiträge der Scherturbulenz<br />
durch isotrope Ansätze verursacht. Im Sinne einer Polynomdarstellung<br />
uiuj = P δij, Sij, S 2 ij, SikWkj + SjkWki, W 2<br />
ij, S 3 ij, ... <br />
(2.38)<br />
werden die Normalspannungen für das betrachtete Scherströmungsbeispiel nur von nullter<br />
Ordnung in den Geschwindigkeitsgradienten genau approximiert, wohingegen die<br />
Schubspannungen von erster Ordnung genau approximiert werden. Allgemein findet<br />
man:<br />
57<br />
<br />
.
KAPITEL<br />
Die Normalspannungen werden in schwach–gekrümmten Scherströmungen<br />
von den geraden Potenzen einer Polynomdarstellung beschrieben, die<br />
Schubspannungen hingegen von den ungeraden Potenzen.<br />
Eine präzisere Modellierung der Normalspannungsanisotropie verlangt folglich mindestens<br />
einen quadratischen Wirbelzähigkeitsansatz. Ein eindrucksvolleres Beispiel für<br />
die Unterschlagung signifikanter sekundärer<br />
Strömungsmerkmale durch isotrope Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
ist die in Abbildung 2.6<br />
skizzierte Sekundärströmung in Gestalt von<br />
vier longitudinalen Eckenwirbelpaaren bei der<br />
U1 Durchströmung rechteckiger Rohre (Bradshaw<br />
1987; vgl. <strong>Kapitel</strong> 7.5). Derartige Sekundär-<br />
X 3<br />
strömungen werden durch die Normalspan-<br />
X 1<br />
X 2<br />
nungsdifferenzen einer ansonsten scherdominierten<br />
Strömung gespeist. Sie sind daher nur<br />
bei Berücksichtigung der quadratischen Glie-<br />
Abbildung 2.6: Turb. Sekundärströmung der des Wirbelzähigkeitsansätzes darstellbar.<br />
Tertiäre Effekte entstehen in zweiachsigen Scherströmungen durch die Interaktion<br />
einander nicht zugeordneter Komponenten der Reynoldschen Schubspannungen und<br />
des Scherraten–Tensors. Ein Beispiel hierfür ist die krümmungsinduzierte Varia-<br />
W(r)<br />
U(r)<br />
2R<br />
V, r<br />
U, x<br />
W,<br />
Ωx<br />
Abbildung 2.7: Vollentwickelte rot. Rohrströmung<br />
tion turbulenter Schubspannungen<br />
in Strömungen durch axial rotierende<br />
Rohre. Die in Abbildung 2.7<br />
skizzierte vollentwickelte Strömung<br />
(∂/∂z=∂/∂θ =0, V =0) wurde von<br />
einer Vielzahl von Autoren theoretisch,<br />
numerisch und experimentell<br />
untersucht (Kikuyama et al. 1983; Reich und Beer 1989; Imao et al. 1996; Orlandi und<br />
Fatica 1997; Oberlack 1999). Sie zeichnet sich durch die folgenden beiden Strömungsmerkmale<br />
aus, welche von linearen oder quadratischen Wirbelzähigkeitsmodellen nicht<br />
wiedergegeben werden können:<br />
• Mit steigender Drallzahl WR/UB sinkt der Betrag der Primärschubspannung uv<br />
und das Axialgeschwindigkeitsprofil relaminarisiert.<br />
• Der radiale Verlauf der Azimutalgeschwindigkeit W (r) erfährt in Folge der von<br />
Null verschiedenen Drall–Schubspannung vw eine parabolische Überhöhung<br />
W (r)/WR ≈ (r/R) 2 .<br />
58
2.4. PRIMÄRE, SEKUNDÄRE UND TERTIÄRE STRESS–STRAIN INTERAKTION<br />
Zur Illustration der Defizite linearer Wirbelzähigkeitsansätze in krümmungsbehafteten<br />
Strömungen wird das Beispiel eines Starrkörperwirbels diskutiert, das durch den<br />
z<br />
y<br />
θ<br />
e<br />
θ<br />
W(r)<br />
Abbildung 2.8: Starrkörperwirbel<br />
e<br />
r<br />
isotropen Wirbelzähigkeitsansatz identisch erfüllt<br />
wird. Die Betrachtungen basieren auf der in Abbildung<br />
(2.8) skizzierten Konfiguration in rotierenden<br />
zylindrischen Koordinaten U = W (r) e θ =<br />
(αr) e θ . Anhang B enthält eine Zusammenstellung<br />
der transformierten Bilanzgleichungen verdrallter<br />
Strömungen in zylindrischen Koordinaten.<br />
Die Kontinuitätsgleichung ist in diesem besonders<br />
einfachen Beispiel identisch erfüllt. Die einzig ver-<br />
bleibende Impulsgleichung ist die Transportgleichung der Azimutalgeschwindigkeit<br />
<br />
∂<br />
νr<br />
∂r<br />
∂W<br />
<br />
− vw r − vw − ν<br />
∂r W<br />
r<br />
=<br />
<br />
∂<br />
r<br />
r ∂r<br />
2<br />
<br />
νr ∂<br />
<br />
W<br />
− vw<br />
∂r r<br />
= 0 .(2.39)<br />
Nach einmaliger partieller Integration von (2.39) mit W (0) = 0 findet man für den<br />
Starrkörperwirbel wegen Srθ = 0 verschwindende Drall–Schubspannungskomponenten<br />
vw = νr ∂<br />
<br />
W<br />
= 2 νSrθ = 0 . (2.40)<br />
∂r r<br />
In Bezug auf die Vorhersage von krümmungsinduzierten Variationen der turbulenten<br />
Schubspannungen entnimmt man Gleichung (2.39), daß der isotrope Boussineq–Ansatz<br />
(7.20) immer mit einem Starrkörperprofil für die Umfangsgeschwindigkeit verbunden<br />
ist<br />
vwEVM = −2 νtSrθ ❀ (2.39)<br />
2 (νt + ν) r ∂<br />
<br />
W<br />
= 0 ❀ Srθ = 0 (2.41)<br />
∂r r<br />
und folglich auch stets verschwindende Drall–Schubspannungen vorhersagt. Der tertiäre<br />
Effekt eines parabolisch überhöhten Azimutalgeschwindigkeitsprofils ist daher unvereinbar<br />
mit dem isotropen Wirbelzähigkeitskonzept. Ein in der Praxis auftretendes<br />
nichtlineares Azimutalgeschwindigkeitsprofil ist nur durch kubische Wirbelzähigkeitsansätze<br />
simulierbar.<br />
59
<strong>Kapitel</strong> 3 Rationale Modellierungstechniken<br />
Die Mehrzahl der bekannten Strategien zur Erweiterung des Gültigkeitsbereichs von<br />
statistischen Turbulenzmodellen basiert letztlich auf den Prinzipien der rationalen Mechanik,<br />
insbesondere der Darstellungs- oder Invariantentheorie (Gatski und Speziale<br />
1993; Lumley 1978; Spencer 1971; Zheng 1994), die im Zentrum des letzten Abschnitts<br />
dieses <strong>Kapitel</strong>s steht. Im Unterschied zu empirisch/heuristischen Modellierungstechniken<br />
wird dabei eine allgemeingültige analytische Bestimmung der Modellkoeffizienten<br />
angestrebt. Mathematisch betrachtet sind die Koeffizienten des Turbulenzmodells dimensionslose<br />
Skalare und somit unabhängig (invariant) von der Wahl des Koordinatensystems.<br />
Es ist daher naheliegend, die Koeffizienten nicht konstant zu setzen, sondern<br />
als skalare Funktion aller im mathematischen Modell enthaltenen linear unabhängigen<br />
(irreduziblen) Invarianten der Tensorkoordinaten darzustellen. Die Invariantentheorie<br />
reduziert analog zur Dimensionsanalyse die Anzahl der beteiligten Parameter. Neben<br />
der Identifikation der im System auftretenden Einflussparameter müssen zu deren Bestimmung<br />
ergänzende Zwangsbedingungen, aus möglichst übergeordneten Prinzipien<br />
oder Axiomen, formuliert werden. Die Formulierung der Zwangsbeziehungen basiert<br />
typischerweise auf dem Realizability-Prinzip (Schumann 1977; Lumley 1978), der Rapid<br />
Distortion Theorie (RDT) (Reynolds 1987), der Renormalisierungsgruppentheorie<br />
(RNG) (Yakhot et al. 1992) oder der strengen darstellungstheoretischen Behandlung<br />
von linearisierten algebraischen Reynolds-Spannungsmodellen (Gatski und Speziale<br />
1993). Die Zwangsbedingungen setzen die Koeffizienten des Turbulenzmodells in<br />
Verhältnis zu den dimensionslosen irreduziblen Invarianten des Parameterraums.<br />
Der erste Abschnitt dieses <strong>Kapitel</strong>s beschäftigt sich mit Invarianzeigenschaften der<br />
Reynolds–Spennungen und ihrer Transportgleichungen gegenüber einer Bewegung des<br />
Beobachtersystems. Es zeigt sich, daß die Transportgleichungen der Reynolds–Spannungen<br />
invariant gegenüber einer erweiterten Galileitranformation sind, weshalb die Berücksichtigung<br />
des Wirbeltensors im Turbulenzmodell – entgegen vieler anderslautender<br />
Meinungen – zulässig ist. Der zweite Abschnitt erläutert exemplarisch die Grundgedanken<br />
des Realisierbarkeits–Prinzips am Beispiel des isotropen Wirbelzähigkeitsmodells,<br />
und vermittelt einen ersten Einblick in rationale Modellierungstechniken. Im Anschluß<br />
daran werden die Grundlagen der Darstellungstheorie erörtert, welche im Zentrum einer<br />
verallgemeinerten Modellierungspraxis steht.<br />
3.1 Materielle Objektivität<br />
Die systematische Entwicklung von Turbulenzmodellen stützt sich auf einige grundlegende<br />
Axiome zur Gewährleistung der mathematischen und physikalischen Widerspruchsfreiheit.<br />
Das Axiom der materiallen Objektivität – oder auch Beobachterindifferenz<br />
– ist Gegenstand vieler Diskussionsbeiträge zur Konstruktion von Turbulenzmodellen,<br />
weswegen es hier Berücksichtigung findet.<br />
60
3.1. MATERIELLE OBJEKTIVITÄT<br />
Genügt ein Turbulenzmodell dem Prinzip der materiellen Objektivität, dann dürfen die<br />
Modellgleichungen nicht von der Wahl des Bezugssystems abhängen. Hierzu betrachtet<br />
man zwei Bezugssysteme e und ê, welche durch eine Starrkörperbewegung und eine<br />
Zeittransformation miteinander verbunden sind<br />
ê(x, ˆt) = Q(t) · e(x, t) + b(t) , ˆt = t − to , Q · Q T = δ . (3.1)<br />
Dabei ist Q(t) ein beliebiger, zeitabhängiger orthogonaler Tensor, der entweder eine<br />
Drehung (|Q(t)| = 1) oder eine Spiegelung (|Q(t)| = −1) darstellt und t0 ein konstanter<br />
Zeitpunkt. Die Bewegung b(t) kennzeichnet eine allgemeine zeitabhängige Translation.<br />
In der oben skizzierten allgemeinen Darstellung repräsentiert die Gleichung (3.1)<br />
eine sog. euklidische Transformation. Beschränkt man sich auf die Kombination aus<br />
Starrkörperrotation (Q = const.) und beschleunigungsfreier Translation (b(t) = U 0 t),<br />
dann spricht man von einer Galileitransformation.<br />
Skalare, Vektoren und Tensoren sind objektive räumliche Größen, wenn für deren Darstellung<br />
in den unterschiedlichen Bezugssystemen ê und e folgenden Aussagen gelten<br />
Skalare : ˆy = y (3.2)<br />
Vektoren : ˆy = Q(t) · y<br />
Tensoren zweiter Stufe : ˆy = Q(t) · y · Q T (t)<br />
Wichtige Beispiele für objektive und nichtobjektive Größen lauten:<br />
1) Länge:<br />
dx = x − x0 <br />
❀ dˆx = Q · x + b −<br />
<br />
Q · x0 + b<br />
Das gerichtete Längenelement ist ein objektiver Vektor.<br />
2) Geschwindigkeitsvektor:<br />
❀<br />
= Q · dx (3.3)<br />
U = dx<br />
dt<br />
dˆx d<br />
<br />
Û = = Q · x + b<br />
dˆt dˆt<br />
= Q · U + ˙ Q · x + ˙ b (3.4)<br />
61
KAPITEL<br />
Der Geschwindigkeitsvektor ist kein objektiver Vektor.<br />
3) Geschwindigkeitsgradient:<br />
ˆ∇ Û = ∇ Û · QT<br />
= Q · ∇ U · Q T + ˙ Q · Q T<br />
Der Geschwindigkeitsgradient ist kein objektiver Tensor.<br />
(3.5)<br />
Für den Geschwindigkeitsgradiententensor ergibt sich aus (3.5) ein interessanter Zusammenhang<br />
für die symmetrischen und antimetrischen Anteile des Tensors. Mit Hilfe<br />
von<br />
folgt für den symmetrischen Anteil<br />
ˆS = 0.5<br />
<br />
ˆ∇ Û + ( ˆ ∇ Û)T<br />
<br />
( ˆ ∇ Û)T = Q · (∇ U) T · Q T + Q · ˙<br />
Q T (3.6)<br />
= 0.5<br />
= 0.5<br />
<br />
Q · ∇ U + (∇ U) T · Q T<br />
<br />
+ d<br />
<br />
dˆt<br />
Q · Q T<br />
<br />
<br />
δ<br />
<br />
<br />
Q · ∇ U + (∇ U) T · Q T<br />
<br />
= Q · S · Q T . (3.7)<br />
Die nichtobjektiven Beiträge zum Geschwindigkeitsgradiententensor lassen sich folglich<br />
dem antimetrischen Wirbeltensor W = 0.5 (∇ U − (∇ U) T ) zuordnen<br />
ˆW = ( ˆ ∇ Û) − ˆ S = 0.5<br />
<br />
Q · ∇ U − (∇ U) T · Q T<br />
<br />
+ ˙ Q · Q T .<br />
Die Anwendung des Objektivitätsprinzips auf die Modellgleichungen ist nur gerechtfertigt,<br />
sofern auch der Tensor der Reynoldsspannungen materiell objektiv ist. Die<br />
ensemblegemittelte Darstellung der Gleichung (3.4) lautet<br />
ˆ<br />
U = Q · U + ˙ Q · x + ˙ b = Q · U + ˙ Q · Q T · (ˆx − b) + ˙ b , (3.8)<br />
woraus für den Vektor der Geschwindigkeitsfluktuation Beobachterindifferenz gefolgert<br />
werden kann<br />
û = Q · u . (3.9)<br />
62
3.1. MATERIELLE OBJEKTIVITÄT<br />
Das dyadische Produkt zweier objektiver Geschwindigkeitsfluktuationsvektoren<br />
folgt somit dem Objektivitätszwang (3.2c). Zur Modellierung eines objektiven<br />
Reynolds–Spannungenstensors können nur objektive Tensoren und deren Invarianten<br />
verwendet werden, weswegen sich ein Zusammenhang zwischen dem<br />
Wirbeltensor und dem Reynolds–Spannungstensor – entgegen der üblichen Modellierungpraxis<br />
– verbieten würde.<br />
Ein anderes Bild ergibt sich aus der Analyse der Implusgleichungen für Û bzw. Û. Mit<br />
Hilfe der oben angeführten Transformationsbeziehungen ergibt sich<br />
˙Û = Q · ˙ <br />
U + ˙Q · U + Q ¨ T<br />
· Q · ˆx + Q ˙ T<br />
· Q · ˆx ˙ − Q ¨ T<br />
· Q · b − Q ˙ T<br />
· Q · b ˙ + ¨b = Q · ˙ <br />
U + ˙Q ·<br />
= Q · ˙ U +<br />
Q T · Û − QT · ˙ Q · Q T · ˆx + Q T · ˙ Q · Q T · b − Q T · ˙ b<br />
+ ¨ Q · Q T · ˆx + ˙ Q · Q T · ˙ ˆx − ¨ Q · Q T · b − ˙ Q · Q T · ˙ b + ¨ b<br />
<br />
ˆx · ¨Q T<br />
· Q − Q ˙ T<br />
· Q · Q ˙ T<br />
· Q + ˙ b ·<br />
<br />
+b · ˙Q T<br />
· Q · Q ˙ T T<br />
· Q − Q · Q ¨ T<br />
· Q<br />
<br />
<br />
<br />
˙Q T<br />
· Q · Q ˙ T<br />
· Q − Q ˙ T<br />
· Q<br />
<br />
+ ¨ <br />
b + 2 ˙ Q · Q T · Û<br />
= Q · ˙ U + A + 2 ˙ Q · Q T · Û (3.10)<br />
Der erste Term der rechten Seite von Gleichung (3.10) repräsentiert den objektiven<br />
Anteil. Nach dem Impulssatz (1.7) entspricht die Impulsänderung ˙ U der Summe aller<br />
Kräfte auf das Fluid ∇ · T total . Da das Stoffgesetz (1.32) nur auf dem symmetrischen<br />
Anteil des Geschwindigkeitsgradiententensors basiert, ist der Spannungstensor T total<br />
materiell objektiv<br />
Q · ˙ U = Q ·<br />
<br />
∇ · T =<br />
total<br />
ˆ ∇· ˆ T .<br />
total<br />
Für die momentane und Reynolds–gemittelte Änderung des Impulses ergibt sich somit<br />
˙Û = ˆ ∇· ˆ T +<br />
total A + 2 ˙ Q · Q T · Û ,<br />
˙ˆ<br />
U = ˆ ∇· ˆ T +<br />
total A + 2 ˙ Q · Q T · Û .<br />
Hieraus läßt sich für die Änderung des fluktuierenden Geschwindigkeitsvektors ein, im<br />
Unterschied zu Gleichung (3.9) nichtobjektiver Zusammenhang ableiten<br />
˙û = Q · ˙u + 2 ˙ Q · Q T · û . (3.11)<br />
Eine analoge Aussage findet man für die substantielle Änderung der Reynolds–Spannungen.<br />
In Bezug auf die Modellierung steht die Beziehung (3.11) im Widerspruch zur<br />
Beziehung (3.9).<br />
63
KAPITEL<br />
Für die Beantwortung der Frage, ob man zur Modellbildung auch nichtobjektive<br />
Größen verwenden kann ist die präzise Definition der Aufgabe des Turbulenzmodells<br />
von großer Relevanz. Ein Turbulenzmodell dient üblicherweise nicht<br />
der direkten Bestimmung von Reynolds–Spannungen, sondern der Schließung<br />
ihrer Transportgleichung. Die eingesetzten Modelle müssen daher lediglich die<br />
unter (3.11) notierte Beziehung befriedigen.<br />
Die Transportgleichung der Geschwindigkeitsfluktuationen ist unabhängig von der Wahl<br />
zweier Bezugssysteme, welche durch die folgende erweiterte Galilei–Transformation<br />
miteinander verbunden sind<br />
ê(x, ˆt) = Q · e(x, t) + b(t) . (3.12)<br />
Im Unterschied zur klassischen Galilei–Transformation erlaubt die erweiterte Galilei–<br />
Transformation (3.12) eine translatorische Beschleunigung (b(t) = U o t). Man beachte,<br />
daß die Darstellung des Wirbeltensors Wij für Q = const gemäß Gleichung (3.8)<br />
ebenfalls unabhängig gegen einen durch (3.12) beschriebenen Wechsel des Beobachtersystems<br />
ist und daher für die Modellbildung verwendet werden kann.<br />
3.2 Realisierbarkeit<br />
Bei der ins Auge gefassten Modellbildung handelt es sich um eine statistische Betrachtung.<br />
Ausgangspunkt der Vorgehensweise ist die in <strong>Kapitel</strong> 1.3.1 dargestellte Zerlegung<br />
der Momentanwerte ˜ φ in einen (Ensemble–)Mittelwert φ und eine entsprechende Fluktuation<br />
ϕ<br />
˜φ = φ + ϕ .<br />
Die Reynolds-Spannungen genügen folglich fundamentalen statistischen Zusammenhängen,<br />
die im Rahmen der numerischen Strömungsmechanik häufig unter dem Begriff<br />
Realizability– oder auch Realisierbarkeits–Prinzip zusammengefaßt werden:<br />
u 2 α ≥ 0 → keine negative Varianz, (3.13)<br />
u 2 α u 2 β − (uαuβ) 2 ≥ 0 → Ungleichung nach Schwartz. (3.14)<br />
Da es sich bei u 2 α um Anteile turbulenter kinetischer Energie handelt, ist die erste der<br />
beiden Realizability-Restriktionen auch physikalisch einsichtig: Energie ist nie negativ.<br />
Die Schwartzsche Ungleichung (3.14) ergibt sich mathematisch aus der Tatsache, daß<br />
die Reynolds-Spannungen durch einen symmetrischen, positiv semi-definiten Tensor<br />
64
3.2. REALISIERBARKEIT<br />
repräsentiert werden. Diese Aussage trifft prinzipiell auf die Korrelationsmatrix zweier<br />
beliebiger fluktuierender physikalischer Größen ˜ Γ und ˜ φ zu:<br />
⎛<br />
γ<br />
A = ⎝<br />
2 γϕ<br />
γϕ ϕ2 ⎞<br />
⎠ . (3.15)<br />
Ein symmetrisch positiv semi-definiter Tensor besitzt die Eigenschaft, daß seine Determinante<br />
und seine (stets reelen) Eigenwerte nie negativ werden können:<br />
det(A) ≥ 0 ❀ γ 2 ϕ 2 − (ϕγ) 2 ≥ 0 . (3.16)<br />
Physikalisch läßt sich die Schwartzsche Ungleichung dadurch erklären, daß zwei unterschiedliche,<br />
statistisch fluktuierende Größen ϕ und γ in ihrem Verhalten vollkommen<br />
korreliert sind, wenn sie sich statistisch gleich verhalten. Die Entwicklung der beiden<br />
Größen ließe sich in diesem Falle, in dem das zweite statistische Moment der beiden<br />
Größen maximal wäre, beispielsweise durch dieselbe Fourierreihe darstellen, z.B.<br />
ϕ = ∞<br />
n=0 αc cos (nπt) + αs sin (nπt) ,<br />
γ = ζ ∞<br />
n=0 αc cos (nπt) + αs sin (nπt) ,<br />
❀ (ϕγ) 2 = (ϕϕ) (γγ) . (3.17)<br />
Eine allgemeinere Formulierung der Schwartzschen Ungleichung, welche die Korrelation<br />
zwischen einem Skalar und einem Vektor beschreibt, ergibt sich aus:<br />
<br />
ϕiϕj γ2 <br />
− (ϕiγ) (ϕjγ) ≥ 0 . (3.18)<br />
Insbesondere leitet man von (3.18) exemplarisch folgende, häufig verwendete Aussagen<br />
ab:<br />
uv θ 2 − uθ vθ ≥ 0 ,<br />
u2 θ2 − uθ 2 ≥ 0 ,<br />
v2 u2 2 − uv ≥ 0 ,<br />
w2 <br />
uv − uw vw ≥ 0 . (3.19)<br />
Ein strengeres Realisierbarkeitskriterium fokussiert die untere Schranke der Beziehungen<br />
(3.13, 3.14), bei denen die Terme der linken Seiten den Nullzustand erreichen. Um<br />
sich von diesem Zustand in pyhysikalisch realisierbarer Weise zu erholen, muß die erste<br />
Zeitableitung der linken Seite verschwinden, und die erste von Null verschiedene höhere<br />
Zeitableitung positiv sein.<br />
65
KAPITEL<br />
Auf die Bedeutung des Realisierbarkeitsprinzips wurde zuerst von Schumann (1977)<br />
hingewiesen. Eine umfangreichere Einführung in die Thematik ist dem Betrag von<br />
Shih (Hallbäck, Henningson, Johansson und Alfredson 1996) zu entnehmen. Weitere<br />
Arbeiten zur Realisierbarkeit wurden unter anderem von Lumley (1978), Shih und<br />
Lumley (1985), Johansson und Hallbäck (1994), Speziale, Abid und Durbin (1993) und<br />
Pope (1993) veröffentlicht.<br />
3.2.1 Realisierbarkeit isotroper Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
Die Gewährleistung plausibler Stress-Strain Beziehungen mit Hilfe des Wirbelzähigkeitsprinzips<br />
(7.20) verlangt die Konsistenz der modellierten Reynolds-Spannungen<br />
zum Realizability-Prinzip (3.18). Der folgende Abschnitt befaßt sich mit der Entwicklung<br />
einer physikalisch tragfähigeren Formulierung auf der Basis des isotropen Wirbelzähigkeitsansatzes<br />
(7.20). Die Ergebnisse ermöglichen eine exakte Darstellung achsensymmetrischer<br />
Turbulenzzustände sowie eine verbesserte Darstellung von schergetriebenen<br />
Strömungen, vermögen jedoch nicht sämtliche der in <strong>Kapitel</strong> 2 geschilderten<br />
Anomalien des isotropen EVM Konzeptes zu korrigieren.<br />
Der primäre Fokus dieses Abschnittes ist das Verhalten der in Anhang A skizzierten Invarianten<br />
des Spannungsanisotropietensors bei isotroper Wirbelzähigkeitsmodellierung<br />
bij = −cµ sij .<br />
Die von Null verschiedenen Invarianten des modellierten Anisotropietensors lauten<br />
IIb = −1/2 b 2 kk = −1/2 c 2 µ s 2 kk = −1/2 c 2 µ η1 ,<br />
IIIb = 1/3 b 3 kk = −1/3 c 3 µ s 3 kk = −1/3 c 3 µ η3 . (3.20)<br />
Hierin repräsentieren b2 kk and b3kk die Spur der Tensoren b2ik und b3ik , z.B. b2kk = bkmbmk.<br />
Die Invarianten des Ansiotropietensors werden üblicherweise im Zusammenhang mit<br />
Lumley’s (Lumley 1978) Invariantenkarte studiert. Die Herleitung der Invarianten ist<br />
in Anhang A skizziert. Anhand von Abbildung 3.1 erkennt man, daß die physikalisch<br />
realisierbaren Invariantenzustände auf einen engen Bereich begrenzt sind. Dieses Merkmal<br />
ist von Bedeutung für die Konstruktion von cµ<br />
Asymptotisch konsistente Formulierungen müssen auch im Grenzübergang<br />
extrem starker Distorsion noch sinnvolle Lösungen für IIb und IIIb liefern.<br />
Hauptachsentransformation<br />
Für die Analyse der Vorhersagekraft isotroper Wirbelzähigkeitsmodelle ist eine Betrachtung<br />
auf der Basis der Hauptachsen von sij hilfreich. Bekanntermaßen besitzt die<br />
Säkulargleichung eines positiv semi-definiten Tensors<br />
66
1/3<br />
1/12<br />
−II b<br />
0.30<br />
0.25<br />
0.20<br />
0.15<br />
0.10<br />
0.05<br />
0.00<br />
isotropic 2−component<br />
turbulence<br />
−1/108<br />
1−component turbulence<br />
plane strain (PS)<br />
9II b +27III b +1=0 2−component turbulence<br />
axissymmetric expansion (AE)<br />
axissymmetric contraction (AC)<br />
(II b /3) 3 +(III b /2) 2 =0<br />
isotropic 3−component turbulence<br />
0.00 0.02 0.04 0.06<br />
III b<br />
2/27<br />
3.2. REALISIERBARKEIT<br />
X 2<br />
X 1<br />
X 2 X 1<br />
X 3<br />
X 3 X 1<br />
Abbildung 3.1: Lösungspfade dreier verschiedener rotationsfreier Distorsionen bei isotroper<br />
Wirbelzähigkeitsmodellierung in der Invariantenkarte von Lumley (1978).<br />
(PS)<br />
(AC)<br />
(AE)<br />
det (sij − λkδij) = 0 (3.21)<br />
drei reelle Lösungen λk (k=1,2,3). Den drei Eigenwerten λk sind drei paarweise orthogonale<br />
Eigenvektoren zugeordnet. Wählt man die Eigenvektoren als Basisvektoren, so<br />
kann sij durch eine Hauptachsentransformation auf Diagonalgestalt gebracht werden<br />
ˆsij =<br />
⎛<br />
⎝<br />
λ1 0 0<br />
0 λ2 0<br />
0 0 λ3<br />
⎞<br />
X 2<br />
⎠ , (3.22)<br />
wobei wegen der Spurfreiheit des Deviators s zusätzlich λ1 + λ2 + λ3 = 0 gilt. Sortiert<br />
man die Eigenwerte nach der Größe ihres Betrags, z.B. |λ1| > |λ2|; |λ3|, so ergibt sich<br />
unter der Voraussetzung nicht–trivialer Situationen λ1 = 0:<br />
λ2 + λ3 = −λ1 → λ2 = −0.5(â + 1)λ1 und<br />
Damit läßt sich (3.22) wie folgt notieren (ˆs11 = λ1)<br />
λ3 = −0.5(â − 1)λ1 , −1 ≤ â ≤ 1 . (3.23)<br />
67
KAPITEL<br />
ˆsij =<br />
⎛<br />
⎝<br />
1 0 0<br />
0<br />
0 − 1+â<br />
2<br />
0 0 − 1−â<br />
2<br />
⎞<br />
⎠ ˆs11 . (3.24)<br />
Hierin kennzeichnet ˆs11 die dimensionslose Primärdistorsionsgeschwindigkeit im Hauptachsensystem<br />
und â einen Parameter zur Beschreibung der Abweichung vom zweidimensionalen<br />
Distorsionszustand. Die folgenden Untersuchungen konzentrieren sich auf<br />
die drei relevanten Grenzfälle des transformierten Scherratentensors (3.24) (vgl. Abbildung<br />
3.2):<br />
• zweidimensionale Distorsion: â 2 = 1 und ˆs11 > 0 ,<br />
• achsensymmetrische Kontraktion: â = 0 und ˆs11 > 0 ,<br />
• achsensymmetrische Expansion: â = 0 und ˆs11 < 0 .<br />
X 2<br />
X 1<br />
X 2 X 1<br />
Abbildung 3.2: Veranschaulichung der zweidimensionalen Distorsion (links) und achsensymmetrischen<br />
Kontraktion (rechts).<br />
Durch den linearen Zusammenhang zwischen sαβ und bαβ müssen die Eigenrichtungen<br />
der beiden Tensoren übereinstimmen. Die Gestalt des Spannungsanisotropietensors<br />
ändert sich daher beim Übergang in das Hauptachsensystem von sij in ähnlicher Weise<br />
wie die des dimensionslosen spurfreien Scherratentensors. Notiert man die Reynolds-<br />
Spannungen mit Hilfe des linearen Wirbelzähigkeitsprinzips (7.20) für das Hauptachsensystem,<br />
so ergeben sich lediglich für die Normalspannungskomponenten von Null<br />
verschiedene Werte. Hieraus folgt eine zentrale Eigenschaft linearer EVM:<br />
Die Schwartzsche Ungleichung (3.14) ist für lineare Wirbelzähigkeitsmodelle durch<br />
die Gewährleistung positiver Normalspannungsanteile (3.13) automatisch befriedigt.<br />
Die weitere Analyse konzentriert sich daher auf die Normalspannugsforderung (3.13).<br />
Für den Spannungsanisotropietensor erhält man nach Transformation in das Hauptachsensystem<br />
von (3.13) unmittelbar 2/3 ≥ bαα ≥ −1/3 , und daher<br />
1<br />
3 ≥ −IIb ≥ 0 bzw.<br />
68<br />
2<br />
27 ≥ IIIb ≥ − 1<br />
108<br />
X 3<br />
. (3.25)
3.2. REALISIERBARKEIT<br />
Um auch im Grenzübergang η1 → ∞ realisierbare Invariantenwerte gewährleisten zu<br />
können fordert man c 2 µ ∼ η −1<br />
1<br />
cµ =<br />
1<br />
√<br />
A0 + A1 η1<br />
mit A1(η1, η3) . (3.26)<br />
Der Koeffizient A0 verhindert singuläre cµ-Werte für scherfreie Turbulenz. die Zwangsbedingungen<br />
für A1 lassen sich aus der Untersuchung der Beziehung (3.26) für verschiedene<br />
rotationsfreie Distorsionszustände herleiten.<br />
Achsensymmetrische Turbulenz<br />
Ungeachtet seiner eingeschränkten praktischen Relevanz, ist der achsensymmetrische<br />
Turbulenzzustand aufgrund des damit verbundenen einfachen Stress–Strain Zusammenhangs<br />
von großem Interesse für die Modellbildung (Rotta 1972)<br />
bij = α (3 δi1δ1j − δij) , (3.27)<br />
sij = −0.5 s11 (3 δi1δ1j − δij) . (3.28)<br />
Der achsensymmetrische Anisotropietensor (3.27) verfügt über lediglich eine linear unabhängige<br />
Koordinate. Der lineare Wirbelzähigkeitsansatz ist deshalb darstellungstheoretisch<br />
vollständig und befriedigt wegen<br />
η1 = 1.5 ˜s 2 11, η3 = 0.75 ˜s 3 11 , (3.29)<br />
– ungeachtet der Wahl des Ansitropieparameters cµ – die den achsensymmetrischen<br />
Zustand kennzeichnende Identität<br />
2 3 IIIb IIb<br />
+ ≡ 0 . (3.30)<br />
2 3<br />
Eine eingehendere Diskussion der darstellungstheoretischen Aspekte erfolgt in <strong>Kapitel</strong><br />
3.3. Im weiteren beschränkt man sich daher auf die Realisierbarkeit der zweiten<br />
Invariante IIb im Grenzübergang unendlich großer Scheraten (rapid–distortion limit)<br />
η1 → ∞<br />
lim<br />
η1→∞ IIb = − 1<br />
2 A2 1<br />
. (3.31)<br />
Wie in Abbildung 3.1 dargestellt, besteht der primäre Unterschied zwischen den beiden<br />
möglichen achsenssymmetrischen Zuständen (achsensymmetrische Kontraktion (AC)<br />
und achsensymmetrische Expansion (AE)) im Vorzeichen der dritten Invariante IIIb<br />
und bzw. der analogen Scherrateninvariante η3 (vgl. Gleichung 3.20). Im Grenzübergang<br />
extremer Kontraktion (˜s11 > 0) strebt die Turbulenz einem Zweikomponentenzustand,<br />
z.B. u 2 2 = u 2 3 = k, zu.<br />
lim<br />
η1→∞ IIAC b = − 1<br />
12<br />
69<br />
oder (A 2 1) AC = 6 . (3.32)
KAPITEL<br />
Im Unterschied hierzu stellt sich bei extremer Expansion (˜s11 < 0) der Zustand der<br />
Einkomponententurbulenz, z.B. u 2 1 = 2k, ein<br />
Ebene Streckung<br />
lim<br />
η1→∞ IIAE b = − 1<br />
3<br />
oder (A 2 1) AE = 1.5 . (3.33)<br />
Turbulenz unter dem Einfluß rotationsfreier, ebener Streckung (PS) ist ein weiteres,<br />
klassisches Beispiel zur Kalibirierung von Turbulenzmodellen. Der lineare Wirbelzähigkeitsansatz<br />
ist in diesem Fall darstellungstheoretisch unvollständig, weswegen die modellierten<br />
Reynolds–Spannungen auf einer vertikalen Linie IIIb = 0 in der Invariantenkarte<br />
(Abbildung 3.1) verlaufen. Die modellierten Reynolds–Spannungen sollten jedoch<br />
niemals den physikalisch realisierbaren Schwellwert der Zweikomponenten–Turbulenz<br />
(2CT) überschreiten<br />
2CT : 9 II 2CT<br />
b<br />
+ 27 III 2CT<br />
b<br />
+ 1 = 0 ,<br />
η3=0<br />
lim<br />
η1→∞<br />
IIP S<br />
b<br />
Realisierbares isotropes Wirbelzähigkeitsmodell<br />
= − 1<br />
9<br />
oder (A 2 1) P S = 9<br />
2 . (3.34)<br />
Die oben diskutierten rotationsfreien Deformationszustände differieren in Bezug auf<br />
den Wert der Scherrateninvariante η3. Reynolds (1987) empfahl zur formalen Befriedigung<br />
der drei widersprüchlichen Restriktionen (3.32–3.34), den Koeffizienten A1 als<br />
Funktion des Quotienten η3/η1 zu parametrisieren<br />
A1 = Ã1 ψ mit ψ = cos<br />
<br />
1<br />
3 cos−1<br />
√ 6 η3<br />
η 1.5<br />
1<br />
<br />
, (3.35)<br />
woraus man vermöge ψ AC = 1 , ψ AE = 0.5 , und ψ P S = √ 3/2 schließlich eine<br />
realisierbare Darstellung des isotropen Wirbelzähigkeitsansatzes erhält<br />
Ã1 = √ 6 ,<br />
cµ =<br />
1<br />
A0 + ( √ 6ψ) √ η1<br />
Modellierung rotatonsbehafteter Zustände (ebene Scherung)<br />
. (3.36)<br />
Das wesentliche Defizit der oben gemachten Ausführungen ist die Vernachlässigung<br />
rotatorischer Beiträge. Eine einfache Erweiterung der realisierbaren isotropen Wirbelzähigkeitsformulierung<br />
(3.36) für rotationsbehaftete Zustände gelingt in Bezug auf<br />
das zentrale Beispiel der ebenen Scherung U = U(y) e x. Der entscheidende Unterschied<br />
70
3.2. REALISIERBARKEIT<br />
zwischen einer zweidimensionalen, rotationsbehafteten und einer dreidimensionalen, rotationsfreien<br />
Distorsion besteht im Wert der Wirbeltensorinvarianten η2 = w2 kk . Diese<br />
verschwindet im rotationsfreien Fall, im Fall der ebenen Scherung gilt η2 = −η1.<br />
Bei der Modellierung zweidimensionaler Scherströmungen ist die korrekte Darstellung<br />
der turbulenten Schubspannung von zentraler Bedeutung für die Simulationsgüte. Die<br />
Schubspannungen werden in einer ebenen Streckung, auch bei nichtlinearer Modellierung,<br />
einzig durch den linearen Term beschrieben, weshalb der isotrope Wirbelzähigkeitsansatz<br />
zur Modellierung der primären Effekte geeignet ist, sofern die Invariante η2<br />
bei der Formulierung des Anisotropieparameters cµ berücksichtigt wird. Die Übereinstimmung<br />
der Invariantenbeträge |η1| = |η2| motiviert den Ansatz<br />
Bradshaw–Hypothese<br />
cµ =<br />
A0 + A1<br />
1<br />
√<br />
η1 − A2η2<br />
. (3.37)<br />
Abid und Speziale (1993) wiesen auf die geringe Variation von b12 mit der Scherrate<br />
s12 = η1/2 hin. Die Relevanz dieser Aussage wird durch den Erfolg mehrerer<br />
Wirbelzähigkeitsturbulenzmodelle (Menter 1994; Johnson und King 1984; Spalart und<br />
Allmaras 1992) bestätigt, die sich explizit auf die sogenannte Bradshawhypothese beziehen<br />
(Bradshaw und Ferris 1972)<br />
|b12| = 0.15<br />
<br />
mit b12 = −cµ η1/2 =<br />
1<br />
(2A 2 0)/η1 + 3 √ 1 + A2<br />
Ein konstanter Rapid–Distortion Wert für b12 führt zu der benötigten Zwangsbedingung<br />
für A2<br />
η2=−η1<br />
lim<br />
η1→∞ |b12| = 0.15 oder A2 =<br />
Distorsionsfreie Strömung<br />
1<br />
− 1 = 3.94 . (3.38)<br />
(0.15 · 3) 2<br />
Eine weitere Schließungsbeziehung wird zur Wahl des Koeffzienten A0 benötigt. Dieser<br />
wird beispielsweise so gewählt, daß beim Grenzübergang zur scherfreien Strömung<br />
(η1 = η2 = 0) das Ergebnis des Rottaschen Transportgleichungsmodells (Rotta 1951a)<br />
reproduziert werden kann<br />
η2→0<br />
lim<br />
η1→0 cµ = 1<br />
6 . . . 8<br />
71<br />
≈ 1<br />
A0<br />
. (3.39)<br />
.
KAPITEL<br />
C μ<br />
0.18<br />
0.15<br />
0.12<br />
0.09<br />
0.06<br />
0.03<br />
0<br />
invariant based model<br />
1 10<br />
η 1 =−η 2<br />
Abbildung 3.3: Verlauf des Anisotropieparamters cµ nach Gleichung (3.40) bei homogener<br />
Scherung.<br />
Die spezifische Wahl des Rotta Modells (vgl. <strong>Kapitel</strong> 4) ist darauf zurückzuführen, daß<br />
dieses Druck–Scher–Korrelationsmodell für doe o.g. Situation kalibriert wurde. Daneben<br />
sollte für einfache Gleichgewichtszustände (η1 = −η2 = 5.445) der traditionelle<br />
Wert des Ansiotropieparameters cµ = 0.09 hinreichend genau wiedergegeben werden<br />
(vgl. Abbildung 3.3), und damit<br />
bij =<br />
1<br />
A0 + ( √ 6 ψ) √ η1 − 3.94 η2<br />
A0 = 6.25 [1 − tanh(0.764 √ η1)] , ψ = cos<br />
<br />
1<br />
3 cos−1<br />
3.2.2 Integrale Form der Schwartzschen Ungleichung<br />
sij , (3.40)<br />
√ 6 η3<br />
η 1.5<br />
1<br />
Die Schwartzsche Ungleichung (3.14) ist für positive Normalspannungskomponenten im<br />
Rahmen isotroper Wirbelzähigkeitsmodelle identisch erfüllt. Die schwächere integrale<br />
Darstellung der Schwartzschen Ungleichung<br />
(uiuj) (uiuj) ≤ u 2 i u2 j<br />
= 4k2<br />
<br />
.<br />
(3.41)<br />
läßt sich jedoch zur Formulierung einer unteren Schranke für die Zeit– bzw. Längenmaßvariable<br />
konventioneller isotroper Wirbelzähigkeitsmodelle auf der Basis von cµ =<br />
cµ = 0.09 verwenden. Ersetzt man den Reynolds–Spannungstensor auf der linken Leite<br />
der Gleichung (3.41) durch den linearen Wirbelzähigkeitsansatz (7.20), dann ergibt sich<br />
c 2 µη1 ≤ 2<br />
3<br />
und daher T −1<br />
t<br />
72<br />
≥<br />
3SijSij<br />
2<br />
cµ . (3.42)
Im einzelnen erhält man mit S ∗ = 2 SijSij<br />
ω ≥ 0.5 √ 3 S ∗ , bzw. ε ≥ 0.5 cµ k √ 3 S ∗<br />
woraus sich ferner eine sinnvolle Limitierung des Verhältnisses P/ε ergibt<br />
P<br />
ε = cµ(Tt S ∗ ) 2 < 4<br />
3 cµ<br />
73<br />
3.2. REALISIERBARKEIT<br />
, (3.43)<br />
≈ 15 . (3.44)
KAPITEL<br />
3.3 Darstellungstheorie<br />
Die Koeffizienten eines Turbulenzmodells sind dimensionslose Skalare und somit unabhängig<br />
von der Wahl des Koordinatensystems. Diese Anforderung wird nicht nur von<br />
Konstanten, sondern auch von allen aus den Tensorkoordinaten abgeleiteten Skalaren<br />
erfüllt. Die Darstellungs- oder Invariantentheorie versucht, die an der Parametrisierung<br />
der Koeffizienten beteiligten Skalare systematisch einzugrenzen.<br />
Einen ersten Eindruck von der Vielzahl möglicher Einflussparameter vermittelt der<br />
Versuch zur Bestimmung des Anisotropiekoeffizienten cµ. Hierzu betrachtet man die<br />
dimensionslose Darstellung der isotropen Wirbelzähigkeitsbeziehung (2.15)<br />
− cµsij = bij mit sij = Tt ˜ Sij , bzw. wij = Tt ˜ Wij = Tt(Wij − eijkΩk) , (3.45)<br />
in der eijk den Permutationstensor und Ωk eine evtl. Rotation des Bezugssystems gegen<br />
ein Inertialsystem kennzeichnet. Eine unmittelbare Bestimmung des Koeffizienten cµ<br />
aus der tensorwertigen Gleichung (3.45) gelingt nicht. Es lassen sich jedoch durch<br />
entsprechende Überschiebungen, z.B. −cµs 2 ii = bijsji (mit s 2 ij = sikskj), mögliche<br />
Abhängigkeiten erkennen. Da die Beziehung der isotropen Wirbelzähigkeit aus dem<br />
allgemeingültigeren anisotropen Wirbelzähigkeitsansatz (2.10) folgt, hängt cµ von allen<br />
Skalaren ab, welche sich aus den Tensoren sij, wij und bij bilden lassen. Hierzu zählen<br />
unter anderen<br />
cµ(s 2 ii, b 2 ii, w 2 ii, sijbij, s 2 ikbki, b 2 ikski, bijw 2 ji, sijw 2 ji, s 3 ii, b 3 ii, s 2 ikb 2 ki, s 2 ikw 2 ki, . . . ) . (3.46)<br />
Als weitere Einflussparameter kommen in voll–turbulenten Bereichen vor allem der<br />
Anisotropietensor der Dissipationsrate εij/ε − 2/3 δij oder ein zweites Zeitmaß in<br />
Betracht. Daneben treten in wandnahen low–Re Bereichen weitere skalare Parameter<br />
(z.B. Ret = k Tt/ν) in Erscheinung. Das Beispiel belegt die Komplexität einer allgemeingültigen<br />
Bestimmung von Koeffizienten als Funktion der linear unabhängigen<br />
Skalare.<br />
3.3.1 Funktions– und Integritätsbasen<br />
Grundsätzlich besteht anfangs das Problem der Formulierung einer Relevanzliste, in<br />
der man sich auf die zulässigen Einflussgrößen des physikalischen Modells verständigt,<br />
z.B.<br />
bij = bij (Aij, Bij, Cij, ai, bi, . . . )<br />
<br />
Relevanzliste<br />
. (3.47)<br />
Die Zusammensetzung der Relevanzliste basiert auf physikalischen Überlegungen. Mit<br />
Hilfe der Darstellungstheorie gelingt die Formulierung von sog. Generatoren, die den<br />
konkreten Aufbau der Polynomglieder einer Funktionsbasis zu (3.47) beschreiben, z.B.<br />
74
anT<br />
n<br />
(n)<br />
ij<br />
= a1sij + a2 (sikwkj − wikskj)<br />
bij = bij(sij, wij) = <br />
<br />
2. Generator<br />
+ a4 (w 2 ij − δij(w 2 kk)/3)<br />
<br />
4. Generator<br />
+a3 (s 2 ij − δij(s 2 kk)/3)<br />
<br />
3. Generator<br />
+a5 (s 2 ikwkj − wiks 2 kj)<br />
<br />
5. Generator<br />
3.3. DARSTELLUNGSTHEORIE<br />
+ . . . (3.48)<br />
Im Zentrum der Formulierung von Funktionsbasen steht der Satz von Spencer (1959).<br />
Dieser beschreibt die Funktionsbasis F = T (1) (2) (n)<br />
ij , T ij , . . . T ij nach Grad und Extension.<br />
Hierbei bezeichnet der Grad eines Matrixpolynoms die maximal mögliche Anzahl von<br />
Skalarmultiplikationen zur Bildung eines Generators, und die Extension (Vielfachheit)<br />
die höchste Anzahl der Beteiligungen eines Elements aus der Relevanzliste an einem<br />
Generator:<br />
Jedes Matrixprodukt aus R 3×3 Matrizen (Elementen der Relevanzliste)<br />
kann als Matrixpolynom mit der Extension ≤ R + 1 und dem Grad ≤ G<br />
ausgedrückt werden. Der Grad des Polynoms wird durch den Umfang der<br />
Relevanzliste bestimmt. Für R = 1 gilt G = 2 und für alle R ≥ 2 findet<br />
man G = max(5, R + 2) .<br />
Ein Beweis gelingt mit Hilfe des verallgemeinerten Caley–Hamilton Theorems (Anhang<br />
C). Für R = 1 folgt der Satz von Spencer unmittelbar aus der ursprünglichen Form<br />
des Caley–Hamilton Theorems<br />
A 3 ij = Akk A 2 ij − 0.5(AkkAll − A 2 kk)Aij + (det[Aij]) δij . (3.49)<br />
Neben der Bestimmung der Generatoren stellt sich die Frage nach der Spezifikation der<br />
Koeffizienten a1 . . . an. Leider vermag die Darstellungstheorie ohne zusätzliche Zwangsbedingungen<br />
keine präzisen Angaben über die Gestalt der Koeffizienten zu machen. Die<br />
Koeffizienten können Funktionen aller möglichen linear unabhängigen (irreduziblen)<br />
skalaren Kombinationen ηi von Tensorkoordinaten der Generatoren sein. Die Menge<br />
der Kombinationen N = η1, η2, . . . ηk nennt man Integritätsbasis, die einzelnen Elemente<br />
Invarianten.<br />
3.3.2 Anisotrope Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
Die im Rahmen der Ingenieurwissenschaften allgemeinste statistische Modellbildung<br />
basiert auf Transportgleichungen für Reynolds–Spannungen. Diese verknüpfen in ihrer<br />
einfachsten Form die Tensoren bij, sij, und wij (vgl. <strong>Kapitel</strong> 4). Für die Entwicklung<br />
verallgemeinerter Wirbelzähigkeitsmodelle ist bij = bij(sij, wij) folglich ein sehr wichtiges<br />
Beispiel. Hierfür findet man nach Spencer eine Funktionsbasis vom Grade fünf und<br />
75
KAPITEL<br />
der Vielfachheit drei, welche zunächst auf 62 zu berücksichtigende spurfreie Generatoren<br />
führt. Zu einer kompakteren Darstellung auf der Basis von 16 Generatoren gelangt<br />
man durch Reduktion der linearen Abhängigkeiten mit Hilfe des Caley–Hamilton Theorems.<br />
Abschließende Symmetriebedingungen schränken die Funktionsbasis formal auf<br />
10 Generatoren ein (Spencer 1971; Gatski und Speziale 1993; Lübcke und Rung 1999):<br />
T (1)<br />
ij = sij T (2)<br />
ij = sikwkj − wikskj<br />
T (3)<br />
ij = s2 ij − 1<br />
3 δij s 2 kk<br />
T (4)<br />
ij = w2 ij − 1<br />
3 δij w 2 kk<br />
T (5)<br />
ij = s2 ik wkj − wiks 2 kj T (6)<br />
ij = w2 ik skj + sikw 2 kj<br />
T (7)<br />
ij = w2 ik sklwlj − wiksklw 2 lj T (8)<br />
ij = s2 ik wklslj − sikwkls 2 lj<br />
T (9)<br />
ij = w2 ik s2 kj + s2 ik w2 kj<br />
− 2<br />
3 δij s 2 kl w2 lk<br />
T (10)<br />
ij<br />
− 2<br />
3 δij sklw 2 lk<br />
= w2 ik s2 kl wlj − wiks 2 kl w2 lj .<br />
(3.50)<br />
Die Integritätsbasis setzt sich in diesem Falle aus fünf irreduziblen Invarianten zusammen<br />
η1 = s 2 ii , η2 = w 2 ii , η3 = s 3 ii , η4 = sikw 2 ki , η5 = s 2 ikw 2 ki . (3.51)<br />
Aufgrund der Tatsache, daß bij als spurfreier symmetrischer Tensor nur fünf linear unabhängige<br />
Elemente (zwei Normalspannungs– und drei Schubspannungskomponenten)<br />
besitzt, gelingt eine weitere Reduktion der Funktionsbasis auf fünf Generatoren, z.B.<br />
die in Glg. (3.48) angegebene Form (Rivlin und Ericksen 1955; Zheng 1994; Lübcke<br />
und Rung 1999). Dabei ist zu beachten, daß die Zusammensetzung der minimalen<br />
Funktionsbasis nicht eindeutig ist und die jeweils gewählte Basis in bestimmten pathologischen<br />
Strömungssituationen linear abhängige Generatoren aufweisen kann (Jongen<br />
und Gatski 1998). Ein weiterer Nachteil der minimalen Basis ist, daß im Zuge der Reduktion<br />
überzähliger Generatoren eine aufwendig zu berechnende höhere irreduzible<br />
Invariante<br />
η6 = sijwjks 2 klw 2 li , mit ˜η1 = 0.5η1 , ˜η2 = 0.5η2 , ˜η3 = η3/3 und<br />
(η6) 2 = (˜η2) 3 [4(˜η1) 3 + (˜η3) 2 ] + 4˜η1(˜η2) 2 [˜η3η4 − 2˜η1η5] + ˜η1(η4) 2 [η5 − ˜η1˜η2]<br />
+5(η5) 2 ˜η1˜η2 − 3η4η5˜η2˜η3 − ˜η3(η4) 3 − (η5) 3<br />
(3.52)<br />
auftritt, die lediglich betragsmäßig durch die fünf in Gleichung (3.51) angeführten Invarianten<br />
substituiert werden kann (Lund und Novikov 1992). Dessen ungeachtet ist<br />
eine reduzierte Basis mit weniger als fünf Generatoren das adäquate Mittel ingenieurtechnischer<br />
Berechnungen.<br />
Daß es sich bei Ansätzen der Form (3.48) um anisotrope Wirbelzähigkeitsansätze handelt,<br />
erkennt man beispielsweise an der Identität<br />
bij = a1sij<br />
<br />
=<br />
isotroper Anteil<br />
<br />
+a2(sikwkj − wikskj) + a3(s 2 ij − δij(s 2 kk)/3)<br />
<br />
sikδjl − 1<br />
<br />
a1δikδjl + a2 (δilwkj − wikδjl) + a3<br />
3 δijskl<br />
<br />
anisotrope Wirbelzähigkeit 2 νijkl (kTt) − skl<br />
1<br />
76<br />
. (3.53)
Anwendungbereich und Gültigkeitsrestriktionen<br />
3.3. DARSTELLUNGSTHEORIE<br />
Bei der Anwendung und Beurteilung von Stress–Strain Beziehungen muß zwischen<br />
zwei grundsätzlich verschiedenen Approximationstechniken und den damit verbundenen<br />
Einschränkungen differenziert werden:<br />
• Durch die Festlegung der Relevanzliste trifft man eine einschränkende Auswahl<br />
der berücksichtigten physikalischen Effekte. Dies betrifft gleichermaßen die Integritäts–<br />
und die Funktionsbasis und daher sämtliche Koordinaten von bij.<br />
• Die Vernachlässigung hochgradig nichtlinearer Glieder einer Funktionsbasis beinhaltet<br />
zweifellos auch die Vernachlässigung physikalischer Phänomene, ist jedoch<br />
nicht unbedingt in der gleichen Weise restriktiv wie die Vernachlässigung bestimmter<br />
Einflussgrößen in der Relevanzliste. Da die Generatoren oftmals mit<br />
der Modellierung spezifischer Koordinaten von bij assoziiert werden können, betrifft<br />
die Änderung der Funktionsbasis nicht alle Koordinaten gleichermaßen.<br />
Der entscheidende Unterschied liegt im Umfang der berücksichtigten Integritätsbasis<br />
N . Häufig können einzelne physikalische Mechanismen an bestimmte Invarianten<br />
gekoppelt werden und erhalten damit Einzug in den Modellierungsprozess. Die wichtigsten<br />
Kopplungsaussagen lauten:<br />
– Nichtgleichgewichts–Effekte lassen sich durch das Deformationsmaß η1 = s 2 ii<br />
quantifizieren.<br />
– Abweichungen vom zweidimensionalen Deformationszustand werden durch die<br />
Invariante η3 = s 3 ii beschrieben.<br />
– Krümmungseffekte sind mit der zweiten Invarianten des Wirbeltensors<br />
η2 = w 2 ii verknüpft.<br />
– Eine zweiachsige Scherung läßt sich durch die Abweichung der Invarianten η5 vom<br />
zweidimensionalen Zustand η5 = 0.5η1η2 charakterisieren.<br />
– Zweiachsige Krümmung ist mit von Null verschiedenen Invarianten η4 verbunden.<br />
Die nichtlineare Stress–Strain Beziehung (3.48) läßt sich als Reihenentwicklung, deren<br />
Glieder mit steigender Nichtlinearität an Bedeutung verlieren, auffassen. Die Koeffizienten<br />
der dominanten Terme hängen jedoch in der Regel nicht ausschließlich von den<br />
Invariaten der schwach nichtlinearen Generatoren ab. Zur Verdeutlichung dienen die<br />
folgenden vier Beispiele.<br />
A) Zweidimensionale Betrachtung<br />
Beschränkt man seine Betrachtungen auf zweidimensionale Reynolds–gemittelte Geschwindigkeitsfelder,<br />
dann verschwinden zwei der drei Schubspannungskomponenten<br />
von bij, und es verbleiben lediglich drei linear unabhängige Elemente (vgl. Anhang C).<br />
77
KAPITEL<br />
Analog reduziert sich die Funktionsbasis (3.48) auf drei linear unabhängige Generatoren<br />
und die Integritätsbasis auf zwei irreduzible Invarianten (Gatski und Speziale<br />
1993)<br />
η3 = 0 , η4 = 0 , η6 = 0 , η5 = 0.5η1η2 , (3.54)<br />
<br />
bij = −cµ sij + β2(sikwkj − wikskj) − β3(s 2 ik − 1/3 δijs 2 kk) <br />
cµ, β2, β3 = f(η1, η2) .<br />
, (3.55)<br />
Eine Unterscheidung zwischen zwei– und dreidimensionalen Deformationszuständen ist<br />
durch die Vernachlässigung von η3 kaum mehr möglich. Die Invariante η3 kann aber<br />
z.B. zur Vermeidung der bekannten ’round–to–plane jet anomaly’ von Bedeutung sein.<br />
Eine bessere Vorhersagefähigkeit unterbestimmter Funktionsbasen ist bei formal nicht<br />
reduzierten Integritätsbasen zu erwarten. Dies gilt insbesondere für dreidimensionale<br />
Zustände (Jongen und Gatski 1998).<br />
B) Ein– und zweiachsige Scherung<br />
Für das wichtige Beispiel einer einachsigen ebenen Scherung (Couette Strömung) mit<br />
s12 = w12 = 0.5 S verdeutlicht die quadratische Stress–Strain Beziehung (3.56) unmittelbar<br />
die oben erwähnte Entkopplung von Generatoren und bij–Koordinaten<br />
<br />
<br />
b12 = −0.5 cµS , b11 = 0.5 cµS 2<br />
β2 + β3<br />
3<br />
, b22 = −0.5 cµS 2<br />
β2 − β3<br />
3<br />
. (3.56)<br />
Die Verwendung quadratischer Wirbelzähigkeitsmodelle vermag offenkundig die Anomalie<br />
scherverträglicher Normalspannungsisotropie zu vermeiden. Gleichzeitig wird<br />
deutlich, daß eine quadratische Modellierung gegenüber dem linearen Ansatz keine<br />
Vorteile in Bezug auf die Darstellung turbulenter Schubspannungen besitzt. Druckinduzierte<br />
Strömungsablösung wird daher vom linearen und quadratischen Ansatz gleichermaßen<br />
gut oder schlecht vorhergesagt. Die Berücksichtigung kubischer Terme wäre<br />
mit einer Korrektur der Schubspannungsverteilung im Falle gekrümmter zweiachsiger<br />
Scherströmungen verbunden, ohne nennenswerten Einfluss auf die Vorhersage der Normalspannungen<br />
zu nehmen (vgl. <strong>Kapitel</strong> 8.5). Die Stress–Strain Beziehung gliedert sich<br />
somit für Scherströmungen in einen normalspannungsbezogenen Anteil (gerade Potenzen)<br />
und einen schubspannungsbezogenen Anteil (ungerade Potenzen).<br />
C) Zweiachsige Scherung<br />
Zweiachsige Scherströmungen treten beispielweise in dreidimensionalen Grenzschichtströmungen<br />
auf. Die für diese Strömungen charakteristische Belegung der Scherraten–<br />
und Wirbeltensoren auf vier Nebendiagonalenelementen (mit α = β = γ)<br />
sij =sαβ(δiα δjβ + δiβ δjα) + sαγ(δiα δjγ + δiγ δjα) ,<br />
wij =wαβ(δiα δjβ − δiβ δjα) + wαγ(δiα δjγ − δiγ δjα) ,<br />
78<br />
(3.57)
führt unmittelbar auf<br />
η1 = 2 (s 2 αβ + s 2 αγ) , η2 = 2 (ω 2 αβ + ω 2 αγ) η3 = η4 = 0 ,<br />
η5 = 0.5 η1η2 − s 2 αγw 2 αβ + w 2 αγs 2 αβ − 2sαγsαβwαγwαβ<br />
3.3. DARSTELLUNGSTHEORIE<br />
≥ 0.25 η1η2 . (3.58)<br />
Die Abweichung der Invarianten η5 vom 2D Zustand (3.54) ist ein Maß für die lokale<br />
Krümmung. Für krümmungsarme Zustände gilt wαγ ≈ sαγ bzw. wαβ ≈ sαβ, und man<br />
erhält lokal zweidimensionale Strömungen mit η5 = 0.5 η1η2. Der zweiachsige Zustand<br />
liesse sich in diesem Falle durch Drehung des Koordinatensystems in einen einachsigen<br />
Zustand überführen.<br />
Ein weiteres, für die Modellierung wichtiges Beispiel bezieht sich auf die eingangs<br />
erwähnte Durchströmung eines um die Symmetrieachse rotierenden Rohres (vergleiche<br />
Abbildung 2.7). Der vollentwickelte Strömungszustand ist in Bezug auf die Umfangs–<br />
und Axialkoordinate (θ bzw. x) symmetrisch. Die in Anhang B notierte Darstellung<br />
der Geschwindigkeitsgradienten–Tensoren in physikalischen < dr, r dθ, dx > Zylinderkoordinaten<br />
reduzieren sich in diesem Falle auf<br />
sij = Tt<br />
2<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
0 r ∂(W/r)<br />
∂r<br />
∂U<br />
∂r<br />
r ∂(W/r)<br />
∂r 0 0<br />
∂U 0 0<br />
∂r<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ , wij = Tt<br />
2<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
0 − 1 ∂(rW )<br />
r ∂r<br />
− ∂U<br />
∂r<br />
1 ∂(rW )<br />
r ∂r 0 0<br />
∂U<br />
∂r 0 0<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ . (3.59)<br />
Experimentelle Untersuchungen und direkte numerische Simulationen (Kikuyama et al.<br />
1983; Reich und Beer 1989; Imao et al. 1996; Orlandi und Fatica 1997) belegen einen<br />
quadratischen Verlauf der Umfangsgeschwindigkeit W = WR(r/R) 2 , die nach Glei-<br />
chung (2.39) durch<br />
νr ∂<br />
<br />
<br />
W<br />
<br />
= 2 k brθ = 2 k aγ T<br />
∂r r<br />
γ<br />
(γ)<br />
<br />
rθ<br />
(3.60)<br />
bestimmt ist. Keiner der in Gleichung (3.50) angeführten quadratischen Generatoren<br />
T (2,3,4)<br />
ij leistet einen Beitrag zu brθ. Der lineare Generator kann durch die linke Seite<br />
absorbiert werden und vermag daher keine Starrkörperlösung zu unterdrücken<br />
(ν − 2a1 kTt) r ∂<br />
<br />
10<br />
W<br />
= 2 k aγ T<br />
∂r r<br />
(γ)<br />
<br />
rθ .<br />
Der erste weitere Generator mit von Null verschiedener rθ–Komponente ist T (5)<br />
ij . Daraus<br />
ergibt sich z.B. eine Beziehung zur Evaluierung der gewählten Koeffizienten a1 und a5<br />
<br />
= a5 k s 2 rx(srθ − wrθ) = 0.25 a5 kT 3<br />
2 t<br />
.<br />
(ν − 2a1 kTt) r ∂<br />
∂r<br />
W<br />
r<br />
γ=5<br />
W<br />
r<br />
+ ∂W<br />
∂r<br />
∂U<br />
∂r<br />
❀ a1<br />
≈ −<br />
a5<br />
3<br />
4 η1 .<br />
Eine etwas elaboriertere Strategie zur Formulierung eines kubischen Modells wird in<br />
<strong>Kapitel</strong> 8.5 dargestellt.<br />
79
KAPITEL<br />
D) Linearisierter Ansatz<br />
Für den Ansatz bij = bij(sij) liefert die Darstellungstheorie unter Verwendung der<br />
Kontraktionsbedingung bii = 0 unmittelbar<br />
<br />
bij = −cµ sij + β(s 2 ij − 1/3 δijs 2 kk) <br />
mit cµ, β = f(η1, η3) . (3.61)<br />
Aufgrund der mangelhaften Relevanzliste bleiben Krümmungsmechanismen, die formal<br />
von den Invarianten des Wirbeltensors getragen werden, hierin unberücksichtigt.<br />
Linearisierung<br />
Aus dem Blickwinkel der Darstellungstheorie sind die linearen Wirbelzähigkeitsansätze<br />
vierfach unterbestimmt. Sie können prinzipiell nur eine der im allgemeinen fünf Komponenten<br />
des Anisotropietensors zufriedenstellend modellieren. Im Zusammenhang mit<br />
ingenieurtechnischen Anwendungen ist die Modellierung der dominanten Reynoldsschen<br />
Schubspannung das primäre Ziel. Das lineare Wirbelzähigkeitsprinzip sollte hierzu<br />
nicht aus der Form bij(sij) entwickelt, sondern durch den führenden Term einer<br />
weitergehenden Modellbildung bij(sij, wij, εij, . . . ) approximiert werden. Die Qualität<br />
der Modellbildung läßt sich im Rahmen der o.g. Einschränkungen durch die möglichst<br />
umfangreiche Berücksichtigung aller Invarianten des linearen Koeffizienten gezielt verbessern.<br />
Ein populärer Sonderfall, welcher durch den linearen Ansatz exakt beschrieben wird,<br />
ist die achsensymmetrische Turbulenz. Diese ist nach dem isotropen Zustand der zweite<br />
strukturell einfache Grenzfall von Interesse. Die Voraussetzungen für achsensymmetrische<br />
Turbulenz sind weniger restriktiv als für isotrope Turbulenz. Aufgrund der<br />
strukturellen Übereinstimmung zwischen bij und sij wird der achsensymmetrische Turbulenzzustand<br />
durch das lineare Wirbelzähigkeitsgesetz exakt beschrieben. Sowohl der<br />
Anisotropietensor der Reynolds-Spannungen bij als auch der Scherraten–Tensor sij lassen<br />
sich durch denselben achsensymmetrischen Tensor zweiter Stufe beschreiben, welcher<br />
im Hauptachsensystem die folgende Darstellung besitzt (Rotta 1972)<br />
ˆsij = − (3δi1δ1j − δij) 1<br />
2 ˆs11 ,<br />
ˆ bij = (3δi1δ1j − δij) A . (3.62)<br />
Hierin kennzeichnet ˆs11 die dimensionslose Primärdistorsionsgeschwindigkeit in Richtung<br />
der Symmetrieachse. Aus Gleichung (3.62) läßt sich auch ohne explizite Kenntnis<br />
des Hauptachsensystems eine zunächst implizite Wirbelzähigkeitsbeziehung formulieren<br />
η1 = sijsjk δik = 3<br />
2 ˆs2 11<br />
II ∗ b = bijbjk δik = −2IIb = 6 A 2<br />
80<br />
❀<br />
❀<br />
<br />
δi1δ1j − 1<br />
3 δij<br />
<br />
= − √ 6<br />
√ η1<br />
ˆsij ,<br />
<br />
ˆbij = − (II ∗ b /η1) ˆsij . (3.63)
3.3. DARSTELLUNGSTHEORIE<br />
Tabelle 3.1: Evaluierung der achsensymmetrischen Modellbildung (3.64) in relevanten<br />
Scherströmungen: Vergleich berechneter spezifischer Produktionsraten und Schubspannungen<br />
mit direkten numerischen Simulationen von Kim et al. (1987) bzw. Rogers et<br />
al. (1986).<br />
DNS Glg. (3.64)<br />
II ∗ b P/ε −b12 cµ P/ε = cµS 2 −b12<br />
DNS (S=3.3) 0.303 1.00 0.143 0.130 1.41 0.215<br />
DNS (S=5.7) 0.351 1.85 0.158 0.087 2.83 0.248<br />
Der Vergleich mit herkömmlichen Wirbelzähigkeitsmodellen ergibt die u.a. Definiton<br />
des Anisotropieparameters<br />
<br />
II<br />
cµ =<br />
∗ b . (3.64)<br />
Die Besonderheiten achsensymmetrischer Turbulenz werden von der Darstellungstheorie<br />
korrekt wiedergegeben. Wegen wij = 0 verbleiben von den in Gleichung (3.50)<br />
als einziger linear unabhängiger Generator in<br />
angegebenen Tij wahlweise T (1)<br />
ij<br />
oder T (3)<br />
ij<br />
achsensymmetrischen Distorsionsfeldern. Die Beziehung (3.64) degeneriert in Kenntnis<br />
der darstellungstheoretischen Vollständigkeit eines linearen Ansatzes bij = −cµsij, zu<br />
einem trivialen Äquivalent der Kontraktionsbedingung b 2 kk = II∗ b .<br />
Im Unterschied zu herkömmlichen Vorschlägen weist die Beziehung (3.64) sowohl die<br />
geforderte Abhängigkeit der Wirbelzähigkeit vom Anisotropiezustand der Reynolds–<br />
Spannungen, als auch eine umgekehrte Proportionalität der Wirbelzähigkeit zum Distorsionsmaß<br />
auf (vgl. Glg. 2.15). Die Wirbelzähigkeit verschwindet im Falle isotroper<br />
Spannungszustände und die Normalspannungsanomalie tritt formal nicht in Erscheinung.<br />
Für die praktische Anwendung ist die Formulierung (3.64) aus mehreren Gründen<br />
unzweckmäßig:<br />
• Gleichung (3.64) ist implizit und daher nur wenig hilfreich.<br />
• Die Gültigkeit von (3.64) beschränkt sich auf achsensymmetrische Zustände.<br />
η1<br />
• Im wichtigen Fall der ebenen Scherströmungen findet man wegen cµS ≈ 0.3 eine<br />
etwa um den Faktor √ 2 zu hohe Wirbelzähigkeit (Tabelle 3.1). Abhilfe könnte<br />
eine semi-empirische Beziehung für den Transport des Anisotropieparameters II ∗ b<br />
schaffen, welche jedoch die Komplexität des Modells steigert.<br />
<strong>Kapitel</strong> 7.2 und 8.1 befassen sich eingehend mit der Vorhersage achsensymmetrischer<br />
Turbulenz durch explizite algebraische Spannungsmodelle.<br />
81
<strong>Kapitel</strong> 4 Reynolds–Spannungsmodelle<br />
Die vorangehenden Ausführungen belegen, daß die Darstellungtheorie ohne zusätzliche<br />
Informationen zu keiner expliziten Stress–Strain Beziehung führt. Die zur Schließung<br />
der unbekannten Koeffizienten von Gleichung (3.48) notwendigen Informationen<br />
können auf unterschiedlichen Wegen gewonnen werden, von denen einer die explizite<br />
algebraische Spannungsmodellierung nach Pope (1975) ist.<br />
Die Transportgleichungsmodelle der Reynolds–Spannungen, bzw. ihre algebraischen<br />
Derivativa (Rodi 1976) besitzen bekanntermaßen vielfältige Vorteile gegenüber herkömmlichen<br />
Wirbelzähigkeitsmodellen. Hierzu zählen insbesondere die exakte Darstellung der<br />
oftmals dominanten Produktionsterme von bij und die Fähigkeit zur Erfassung von Umverteilungsmechanismen.<br />
Der Nachteil der Reynolds–Spannungs–Transportgleichungsmodelle<br />
ist der damit verbundene hohe Rechen– und Kernspeicheraufwand und die<br />
notwendige umfangreiche Anpassung des Lösungsverfahrens (Obi, Perić und Scheuerer<br />
1991). Eine numerisch effizientere Modellierung auf der Basis nichtlinearer Erweiterungen<br />
des Wirbelzähigkeitsprinzips ist folglich erstrebenswert.<br />
4.1 Lineare Transportgleichungsmodelle<br />
Die Transportgleichung der Reynolds–Spannungen uiuj läßt sich unmittelbar aus<br />
den Navier–Stokes Gleichungen herleiten (vgl. <strong>Kapitel</strong> 1.3). Für ein inkompressibles<br />
Medium notiert man unter Vernachlässigung von Volumenkraftdichte–Fluktuationen<br />
gemäß (1.61)<br />
∂uiuj<br />
∂t + Cij + 2Ωm(emkjuiuk + emkiujuk) − Dij = Pij + φij − εij . (4.1)<br />
In Gleichung (4.1) kennzeichnen Cij = Uk ∂(uiuj)/∂xk die Konvektion und Pij die<br />
Produktion der kinematischen Reynolds–Spannungen, deren halbe Spur der Produktion<br />
von Turbulenzenergie entspricht (vgl. Gleichung 1.62)<br />
∂Uj<br />
Pij = −uiuk<br />
∂xk<br />
− ujuk<br />
∂Ui<br />
∂xk<br />
= − [uiuk (Sjk + Wjk) + ujuk (Sik + Wik)] .<br />
= −2k [(bikSkj + Sikbkj) − (bikWkj − Wikbkj) + ( 2<br />
3 Sij)]<br />
P = 0.5 Pkk = −2k (bklSkl + 1<br />
3 Skk) . (4.2)<br />
Der Beitrag des Permutationstensors emjk berücksichtigt die Corioliskräfte des mit<br />
der Winkelgeschwindigkeit Ωm stationär um das Inertialsystem rotierenden Bezugssystems.<br />
Diese Terme liegen, anders als die restlichen Terme, in geschlossener Form<br />
82
4.1. LINEARE TRANSPORTGLEICHUNGSMODELLE<br />
vor. Die zu modellierenden Terme umfassen neben dem Diffusionstensor Dij die Tensoren<br />
der Druck–Scher–Korrelation φij und der viskosen Dissipation ɛij, welche die<br />
Umverteilungs– und Vernichtungsmechanismen des Turbulenzfeldes beschreiben.<br />
4.1.1 Diffusion Dij<br />
Der quantitative Beitrag der Diffusion zur Transportgleichung (4.1) ist in der Regel<br />
von untergeordneter Bedeutung. Der Diffusionstensor Dij spielt darüber hinaus für<br />
die Inhalte dieser Lehrveranstaltung keine Rolle. Für seine Modellierung wird von den<br />
meisten Autoren die einfachste Form nach Daly und Harlow (1970) favorisiert<br />
D DH<br />
ij = ∂<br />
<br />
<br />
k ukul ∂uiuj<br />
νδkl + Cs<br />
, mit Cs = 0.22 . (4.3)<br />
∂xk<br />
ε ∂xl<br />
Den wichtigsten Beitrag zur Diffusion Dij liefert nach Gleichung (1.62) die turbulenten<br />
Diffusion ∂(uiujuk)/∂xk. Im Unterschied zur Tripelkorrelation uiujuk ist das Argument<br />
des Gradientenoperators DDH ij in der Formulierung (4.3) nicht unabhängig von der<br />
Indexstellung (i, j, k). Alternative Vorschläge, wie z.B. der von Hanjalić und Launder<br />
(1972) veröffentlichte Ansatz<br />
D HL<br />
ij = ∂<br />
<br />
˜Cs k<br />
uiul<br />
∂xk ε<br />
∂ujuk<br />
∂xl<br />
+ ujul<br />
∂uiuk<br />
∂xl<br />
<br />
<br />
∂uiuj ∂uiuj<br />
+ ukul + νδkl<br />
∂xl<br />
∂xl<br />
(4.4)<br />
( ˜ Cs = 0.11), weisen diesen formalen Nachteil nicht auf. Eine Unabhängigkeit von der<br />
Indexstellung führt jedoch zu wesentlich komplexeren Formulierungen.<br />
Im Unterschied zur Wirbelzähigkeitsmodellierung treten im Zusammenhang mit Reynoldsspannungsmodellen<br />
anisotrope effektive Zähigkeiten auf, deren Implementierung<br />
signifikante Modifikationen des numerischen Algorithmus erfordert. Für das oben notierte<br />
Diffusionsmodell nach Daly-Harlow findet man beispielsweise<br />
ν eff<br />
11 = ν + Cs<br />
k u 2<br />
ε<br />
, νeff<br />
22 = ν + Cs<br />
k v 2<br />
ε<br />
k uv<br />
, νeff 12 = ν + Cs<br />
ε<br />
Die i.Allg. geringe Bedeutung der turbulenten Diffusion steht im Widerspruch zur Komplexität<br />
ihrer numerischen Umsetzung und motiviert weitere, isotropisierende Vereinfachungen<br />
des Diffusionsmodells, welche bereits im Zusammenhang mit der Gradientendiffusion<br />
(2.16) erläutert wurden<br />
D iso<br />
ij = ∂<br />
<br />
δkl ν +<br />
∂xk<br />
Ĉs<br />
<br />
k ukul ∂uiuj<br />
=<br />
ε ∂xl<br />
∂<br />
<br />
k<br />
ν + cµ<br />
∂xk<br />
2 <br />
∂uiuj<br />
. (4.5)<br />
ε ∂xk<br />
83<br />
.
KAPITEL<br />
Tabelle 4.1: Koeffizienten exemplarisch gewählter linearer Transportgleichungs–Reynolds–<br />
Spannungsmodelle<br />
Kurzform Typ C1 C ∗ 1 C2 C3 C4<br />
Launder, Reece und Rodi (1975) LR QI 1.5 — 0.80 1.75 1.31<br />
Taulbee (1992) TB QI 1.8 — 0.80 2.00 1.11<br />
Speziale, Sarkar und Gatski (1991) SSG QI 1.7 0.9 0.36 1.25 0.40<br />
lin. Gatski und Speziale (1993) GS QI 3.4 — 0.36 1.25 0.40<br />
Fu, Rung, Lübcke und Thiele (1999) FRLT QI 2.5 — 0.39 1.25 0.45<br />
Gibson und Launder (1978) GL IP 1.8 — 0.80 1.20 1.20<br />
Gibson und Younis (1986) GY IP 3.0 — 0.40 0.60 0.60<br />
Rotta (1951) RO IP 5.0 — 0.00 0.00 0.00<br />
4.1.2 Dissipation εij und Druck–Scher–Korrelation φij<br />
In dieser Lehrveranstaltung werden nur einfache lineare Umverteilungs– oder Druck–<br />
Scher– (engl. pressure–strain) Korrelationsmodelle (PS Modelle) berücksichtigt, welche<br />
in inkompressiblen Medien alle der unten stehenden Beziehung (4.6) genügen (Reynolds<br />
1987)<br />
φij − εijD = φijw − 2(C1 + C ∗ 1P/ε) ε bij + C2kSij<br />
+C3k(bikSkj + bjkSki − 2<br />
3 δijblkSkl)<br />
+C4k(bik ˜ Wjk + bjk ˜ Wik),<br />
εij = 2<br />
3 δijε + εijD .<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
⎪⎭<br />
(4.6)<br />
Hierin kennzeichnet ˜ Wij = Wij − eijkΩk den objektiven Wirbeltensor. Der Dissipationsratentensor<br />
wird üblicherweise in einen isotropen Beitrag 2/3 δij ε und einen deviatorischen<br />
Beitrag εijD zerlegt. Letzterer wird im Rahmen linearer PS Modelle in der<br />
Regel dem Druck–Scher–Korrelationsmodell zugeordnet.<br />
Die Transportgleichung der isotropen Dissipationsrate ε kann weitestgehend vom Zwei—<br />
Parameter–Wirbelzähigkeitsmodell (2.18) übernommen werden, z.B. im high–Re Fall<br />
∂ε ∂ε<br />
+ Uk +<br />
∂t ∂xk<br />
∂<br />
<br />
<br />
k ukul ∂ε<br />
νδkl + Ce<br />
=<br />
∂xk<br />
ε ∂xl<br />
ε<br />
<br />
<br />
Cε1P + Cε2ε ,<br />
k<br />
mit z.B. Ce = 0.18 , Cε1 = 1.45 , und Cε2 = 1.90 . (4.7)<br />
Die populärsten Varianten linearer PS Modelle gehen auf Gibson und Launder (1978)<br />
und Launder, Reece und Rodi (1975), bzw. die linearisierte Form des Vorschlags von<br />
Speziale, Sarkar und Gatski (1991) zurück. Die dazugehörigen Koeffizienten sind, ergänzt<br />
84
4.2. ALGEBRAISCHE SPANNUNGSMODELLE<br />
durch weitere im EASM Kontext gebräuchliche lineare Vorschläge, in Tabelle 4.1 zusammengefasst.<br />
Man beachte, daß sich der Koeffizient C1 auf den nach Rotta benannten<br />
langsamen Beitrag, alle übrigen Koeffizienten aber auf den schnellen Beitrag zum<br />
Druck–Scher–Korrelationtionsmodell beziehen.<br />
Der Term φijw repräsentiert den sogenannten Wandreflektionsterm. Dieser korrigiert<br />
die Druck–Scher getriebene Umverteilung von Normalspannungen zu Ungunsten der<br />
wandnormalen Komponente. Der Wandreflektionsterm wird im Rahmen der expliziten<br />
algebraischen Spannungsmodelle in der Regel vernachlässigt. Die Grundlagen einfacher<br />
linearer Druck–Scher–Korrelationsmodelle werden im fünften <strong>Kapitel</strong> erläutert.<br />
4.2 Algebraische Spannungsmodelle<br />
Die algebraischen Spannungsmodelle basieren auf linearen Transportgleichungsmodellen<br />
(4.1), deren Differentialoperationen unter Annahme des strukturellen Gleichgewichts<br />
auf die entsprechenden Terme der isotropen Turbulenzenergie k reduziert worden<br />
sind (Rodi 1976). Ausgehend von den impliziten Reynolds–Spannungs–Transportgleichungsmodellen<br />
in einem zunächst beliebigen orthonormalen Koordinatensystem ˜e i<br />
D ũ ũ<br />
Dt<br />
=<br />
<br />
2k D ˜ bij<br />
Dt<br />
<br />
+ 2 ˜bij + 1<br />
3 δij<br />
<br />
Dk<br />
Dt<br />
<br />
˜e i˜e j + ũiũj<br />
D (˜e i˜e j)<br />
findet man in Bezug auf eine kartesische Basis ei die Koordinatenbeziehung<br />
∂uiuj<br />
∂t + Cij =<br />
<br />
D bij<br />
2k + 2 bij +<br />
Dt 1<br />
3 δij<br />
<br />
(P − ε + D) ,<br />
=<br />
<br />
D bij<br />
2k + 2 bij +<br />
Dt 1<br />
3 δij<br />
<br />
<br />
(P − ε) + 2D bij + 1<br />
3 δij<br />
<br />
,<br />
<br />
und damit<br />
Dt<br />
≈Dij<br />
∂uiuj<br />
∂t + Cij − Dij ≈<br />
<br />
D bij<br />
2k + bij +<br />
Dt<br />
<br />
Term 1<br />
1<br />
3 δij<br />
<br />
2 (P − ε)<br />
<br />
Term 2<br />
, (4.8)<br />
. (4.9)<br />
Zu den algebraischen Spannungsmodellen gelangt man über eine algebraische Abschätzung<br />
der Differentialoperatoren (Term 1). Algebraische Spannungsmodelle, und<br />
damit prinzipiell auch alle (nicht)linearen Wirbelzähigkeitsmodelle, basieren fast ausnahmslos<br />
auf der hypothetischen Annahme des strukturellen Turbulenzgleichgewichts<br />
für die kartesischen Koordinaten des Anisotropietensors<br />
D bij<br />
Dt<br />
= ∂bij<br />
∂t<br />
∂bij<br />
+ Uk<br />
∂xk<br />
85<br />
≈ 0 . (4.10)
KAPITEL<br />
Wie sich in einem späteren <strong>Kapitel</strong> zeigen wird, ist die Formulierung der Aussage (4.10)<br />
auf der Basis des Stromlinienkoordinatensystems e (s)<br />
i wesentlich realistischer. Die durch<br />
Einsetzen von (4.9) und (4.10) in die Transportgleichung der Reynolds–Spannungen<br />
(4.1) gewonnenen impliziten algebraischen Spannungsmodelle (ASM)<br />
uiuj<br />
k (P − ε) + 2Ωm(emkjuiuk + emkiujuk) = Pij + φij − εij (4.11)<br />
lassen sich für inkompressible Medien alle in der unten angeführten Form darstellen<br />
<br />
gbij = β1sij − β2 bikw∗ kj − w∗ ikbkj <br />
+ β3 bikskj + sikbkj − 2<br />
3δijblkskl <br />
,<br />
β1 = 0.5 (C2 − 4/3) , β2 = 0.5 (C4 − 2) , β3 = 0.5 (C3 − 2) ,<br />
w ∗ ij = Tt<br />
<br />
Wij − 4−C4<br />
2−C4 eijmΩm<br />
<br />
, g = [P/ε (1 + C ∗ 1) + C1 − 1] .<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
(4.12)<br />
Die hierin verwendeten Koeffizienten folgen den in Tabelle 4.2 angegebenen Werten.<br />
Tabelle 4.2: ASM Koeffizienten der in Tabelle 4.1 exemplarisch aufgelisteten linearen<br />
Transportgleichungs–Reynolds–Spannungsmodelle.<br />
Kurzform β1 β2 β3 (C1 − 1) C ∗ 1<br />
Launder, Reece und Rodi LRR -0.267 -0.345 -0.125 0.5 —<br />
Taulbee (Wallin et al., 2000) TB -0.267 -0.444 0.00 0.8 —<br />
Speziale, Sarkar und Gatski SSG -0.487 -0.80 -0.375 0.7 0.9<br />
lin. Gatski und Speziale GS -0.487 -0.80 -0.375 3.4 —<br />
Fu, Rung, Lübcke und Thiele FRLT -0.472 -0.775 -0.375 1.5 —<br />
Gibson und Launder GL -0.267 -0.40 -0.40 0.8 —<br />
Gibson und Younis GY -0.467 -0.70 -0.70 2. —<br />
Rotta RO -0.667 -1.00 -1.00 4. —<br />
Alternative Darstellung der turbulenten Diffusion<br />
Der klassischen Herleitung des algebraischen Spannungsmodells liegt die isotrope Zähig-<br />
keitsdarstellung für den Diffusionsterm D iso<br />
ij nach Glg. (4.5) unter der Voraussetzung<br />
einer homogenen Turbulenzstruktur ∂bij/∂xk = 0 zugrunde<br />
D ASM<br />
ij = ∂<br />
<br />
k<br />
ν + cµ<br />
∂xk<br />
2 <br />
∂uiuj<br />
≈<br />
ε ∂xk<br />
∂<br />
<br />
k<br />
ν + cµ<br />
∂xk<br />
2 <br />
2(bij + δij/3)<br />
ε<br />
∂k<br />
=<br />
<br />
+ . . . 0<br />
∂xk<br />
<br />
2 bij + δij<br />
<br />
D =<br />
3<br />
uiuj<br />
D . (4.13)<br />
k<br />
86<br />
⎪⎭
4.2. ALGEBRAISCHE SPANNUNGSMODELLE<br />
Die Beziehung (4.13) verwendet zwar eine isotrope Darstellung der effektiven Zähigkeit,<br />
enthält neben dem isotropen Anteil jedoch auch noch einen deviatorischen Beitrag. Für<br />
die Formulierung expliziter algebraischer Spannungsmodelle ist die Linearität des ASM<br />
(4.12) wichtig. In Hinblick auf EASM sind daher prinzipiell sämtliche Erweiterungen<br />
der klassischen Modellbildung (4.13) denkbar,<br />
D ASM<br />
ij<br />
2 δij<br />
= 2bij(D − γ) + D<br />
3<br />
, (4.14)<br />
welche die Linearitätsbedingung γ = γ(bij) befriedigen. Die damit vebundene Modifikation<br />
des ASM beschränkt sich auf die Darstellung des Koeffizienten g<br />
<br />
g = (C1 − 1) + P<br />
ε (C∗ 1 + 1) + γ D<br />
<br />
= (C1 − 1) +<br />
ε<br />
P<br />
ε (C∗ 1 + 1 − γ) + γ<br />
<br />
Dk<br />
+ ε<br />
ε Dt<br />
Nähert man den letzten Summanden aus Gleichung (4.15) durch seinen Gleichgewichtswert<br />
für homogene Scherturbulenz (D = 0), so ergibt sich die technisch wichtige Vari-<br />
ante<br />
<br />
g = (C1 − 1) + P<br />
ε (C∗ 1 + 1) + γ<br />
<br />
P P<br />
−<br />
ε ∞ ε<br />
Den isotropen Spezialfall der Erweiterung (4.14) erhält man für γ = −1.<br />
Abschliessende Bemerkungen<br />
(4.15)<br />
Ziel der expliziten algebraischen Spannungsmodelle ist die explizite Darstellung der<br />
Gleichung (4.12) mit Hilfe von Projektionstechniken. Für die Entwicklung der EASM<br />
ist ein besonderes Merkmal der Gleichung (4.12) von Bedeutung, welches sich aus dem<br />
Zusammenhang zwischen der Definition des Koeffizienten g und der Beziehung (4.2)<br />
ergibt:<br />
Das algebraische Spannungsmodell ist in der Notation (4.12) schwach nichtlinear.<br />
Die im sechsten <strong>Kapitel</strong> geschilderte Projektion des ASM (4.12) in eine Funktionsbasis<br />
F verlangt konsequenterweise eine analoge Projektion der spezifischen Produktionsrate<br />
P/ε in diese Basis.<br />
87
<strong>Kapitel</strong> 5 Lineare Druck–Scher–Korrelationsmodelle<br />
Die Druck–Scher–Korrelationen bilden seit langem den Kernpunkt der Forschungsaktivitäten<br />
zur Modellierung der Transportgleichungen von Reynolds–Spannungen. Sie<br />
sind daher auch ein wesentlicher Bestandteil anisotoper Wirbelzähigkeitsmodelle. Die<br />
grundsätzliche Strategie zur Modellierung der Druck–Scher–Korrelationen geht auf<br />
Chou (1945) zurück, der eine Technik zur Eliminierung des fluktuierenden Druckes<br />
in inkompressiblen Strömungsfeldern erarbeitete. Die Vorgehehensweise fußt auf der<br />
Greenschen Integration der Druckpoissongleichung (1.60)<br />
p<br />
ρ<br />
=<br />
<br />
1 ∂<br />
2<br />
4π<br />
δV<br />
Ûl<br />
<br />
∂ûk<br />
+ elmkΩm +<br />
∂ˆxk<br />
∂ˆxl<br />
∂2 (ûkûl)<br />
−<br />
∂ˆxk∂ˆxl<br />
∂2 +<br />
(ûkûl)<br />
∂ˆxk∂ˆxl<br />
1<br />
<br />
1 ∂ ˆp ∂ 1<br />
− ˆp dÔ ,<br />
4πρ r ∂ˆn ∂ˆn r<br />
O(δV )<br />
in der ˆx die Integrationsvariable und r = |r| = |ˆx−x| der Abstand vom Festpunkt x der<br />
Integration ist. Hiermit gelingt die Gliederung der Druck–Scher–Korrelation in einen<br />
langsamen rein turbulenten Anteil und einen schnellen Anteil zur Beschreibung der<br />
Interaktion zwischen den Gradienten der fluktuierenden und der mittleren Geschwindigkeit.<br />
Der fluktuierende Druck tritt in dieser Darstellung nur noch im Wandterm<br />
auf. Unter Beschränkung auf homogene höhere statistische Momente und f ′ = 0 notiert<br />
man<br />
φij = 1<br />
ρ p<br />
<br />
∂ui<br />
∂xj<br />
+ ∂uj<br />
<br />
∂xi<br />
+ 1<br />
4πρ<br />
<br />
O(δV )<br />
− 1<br />
ρ<br />
∂ ˆ f ′ m<br />
∂ˆxm<br />
d ˆ V<br />
r<br />
= 1<br />
<br />
4π<br />
δV<br />
<br />
∂ui<br />
∂xj<br />
+ ∂uj<br />
<br />
<br />
∂2ûkûl dVˆ ∂xi ∂ˆxk∂ˆxl r<br />
<br />
(5.1)<br />
+<br />
langsamer Anteil φij1<br />
1<br />
<br />
4π<br />
δV<br />
<br />
∂ui<br />
2 +<br />
∂xj<br />
∂uj<br />
<br />
∂ûk ∂<br />
∂xi ∂ˆxl<br />
Ûl<br />
<br />
d Vˆ<br />
+ elmkΩm<br />
∂ˆxk<br />
r<br />
<br />
schneller Anteil φij2<br />
∂ui<br />
∂xj<br />
+ ∂uj<br />
<br />
1<br />
∂xi r<br />
∂ ˆp ∂<br />
− ˆp<br />
∂ˆn ∂ˆn<br />
<br />
1<br />
d<br />
r<br />
Ô<br />
<br />
inhomogener Wandterm φijw<br />
Das folgende <strong>Kapitel</strong> erläutert die Grundlagen der linearen Druck–Scher–Korrelationsmodellierung<br />
zur Bestimmung der Koeffizienten C1 . . . C4 in Gleichung (4.6). Die lineare<br />
Druck–Scher–Korrelationsmodellierung basiert auf der Annahme einer lokal homogenen<br />
Turbulenz, welche das Gegenstück zur lokalen Isotropiehypothese aus <strong>Kapitel</strong> 1.4<br />
88<br />
.
darstellt. Die Modellierung der Druck–Scher–Korrelationsterme geht im wesentlichen<br />
auf Rotta (1951a) zurück. Die traditionelle Vorgehensweise unterscheidet auch in Bezug<br />
auf die Modellierung der in Gleichung (5.1) angegebenen Druck–Scher–Korrelation<br />
ebenfalls zwischen langsamen φij1 und schnellen Anteilen φij2<br />
φij − εijD = φijw + φij1<br />
<br />
langsam<br />
+ φij2<br />
<br />
schnell<br />
5.0.<br />
(5.2)<br />
Daneben treten im Zusammenhang mit Wandturbulenz Korrekturen der langsamen<br />
und schnellen Anteile auf, welche i.Allg. als Wandreflektionsterme φijw bezeichnet werden.<br />
Die Modellierung der Druck–Scher–Korrelationen geschieht traditionell für φij1<br />
und φij2 separat und folgt üblicherweise dem Ansatz<br />
Modell<br />
=⇒ φijw + φij1(bij, k, Tt) + Mijkl(bij, k, Tt) ∂Uk<br />
∂xl<br />
. (5.3)<br />
Die bekanntesten Druck–Scher–Korrelationmodelle sind die (quasi-)linearen Modelle<br />
von Gibson und Launder (1978), Launder et al. (1975) und Speziale et al. (1991). Daneben<br />
existieren eine Reihe von nichtlinearen Vorschläge für φij2, die z.B. von Shih<br />
und Lumley (1985), Fu et al. (1987), Johansson und Hallbäck (1994), Pfuderer et al.<br />
(1997) und Batten et al. (1999) entwickelt wurden. Die nichtlineare Modellierung von<br />
φij2 ist in Hinblick auf die Darstellung bestimmter Extremsituationen, z.B. die in Anhang<br />
A erläuterte Zwei–Komponenten–Turbulenz, von Vorteil. Nichtlineare Ansätze<br />
sind oftmals instabil, numerisch aufwendig und versagen bei der Berechnung einfacherer<br />
Strömungstypen. Ein allgemeiner Schwachpunkt der nichtlinearen Φij2 Modellierung<br />
ist die von Speziale (1995) bemängelte Inkonsistenz zwischen nichtlinearem strömungsphysikalischen<br />
Modell und linearem Ausgangsterm (zweite Zeile der Gleichung 5.1). Alternativ<br />
hierzu sind invariantenbasierte, nichtkonstante Koeffizienten denkbar (Jakirlić<br />
1997, vgl. <strong>Kapitel</strong> 9.1).<br />
Illuistratives Beispiel<br />
Die große Bedeutung der Druck–Scher–Korrelationsmodellierung beruht auf der besonderen<br />
Relevanz der Druck–Scher–Korrelationen für den Energiehaushalt. Dies sei<br />
anhand des folgenden, auf Rotta (1972) zurückgehenden Beispiels der homogenen<br />
Scherturbulenz (U = U(y) e x) illustriert. Hierfür lassen sich, wie bereits mehrfach<br />
erwähnt, konvektive und diffusive Beiträge in guter Näherung vernachlässigen und<br />
man findet das in Abbildung (5.1) dargestellte Gleichgewicht zwischen Produktion,<br />
Dissipation und Umverteilung (Druck–Scher–Korrelation). Hiernach wir die Turbulenzenergie<br />
über die u 2 –Bilanz eingespeist (−uv U,y). Die produzierte Energie entspricht<br />
etwa der Disspationsrate ε, welche zu gleichen Teilen über jede der drei Normalspannungskomponenten<br />
in Form von Wärme abgeführt wird. Da die v 2 – und w 2 –<br />
Bilanzen über keine eigenen Produktionsterme verfügen findet man aus Kontiniutätsgründen<br />
−p(u,x ) = p(v,y ) + p(w,z ) und p(v,y ) = p(w,z ) = ε/3. Die Schwankungen<br />
89
KAPITEL<br />
Produktion<br />
Umverteilung<br />
isotrope<br />
Dissipation<br />
ww Bilanz/2<br />
=P<br />
ε/3 ε/3<br />
( p w, z)<br />
ρ ( p u, ) ρ<br />
p v, x+u,<br />
x<br />
( p v, y ) ρ<br />
( y)<br />
ε/3<br />
Grundstroemung<br />
ε/3<br />
P<br />
uu Bilanz/2<br />
P= uv U, y<br />
ε<br />
Waerme<br />
vv Bilanz/2<br />
ε/3<br />
uv Bilanz<br />
Abbildung 5.1: Schematische Darstellung des Energieflusses in einer lokalisotropen homogenen<br />
Scherturbulenz nach Rotta (1972).<br />
in y– oder z–Richtung verdanken ihre Existenz somit einzig der Existenz der Druck–<br />
Scher–Korrelationen. Die w 2 –Komponente bleibt weitestgehend passiv und dissipiert<br />
die durch die Druck–Scher–Korrelation transferierte Energie. Die v 2 –Komponente trägt<br />
zur Produktion der Schubspannung uv bei (−v 2 U,y), welche ihrerseits den Energieeintrag<br />
aus der Grundströmung ermöglicht (−uv U,y).<br />
Das Beispiel ist für die Modellbildung in technischen Strömungen von großer Relevanz.<br />
Man erkennt, daß die Druck–Scher–Korrelationen bei isotroper Dissipation die<br />
einzige Senke der Schubspannungsbilanzen repräsentieren. Ferner findet man P12 ∼<br />
v 2 S12 ∼ γkS12. Eine Modellierung der für die Berechnung der Grundströmung sehr<br />
wichtigen turbulenten Schubspannung mit Hilfe der skalaren Parameter k und Tt, auf<br />
der Grundlage der unter 1.5.1 skizzierten WET–Hypothese, erscheint für dieses Beispiel<br />
gerechtfertigt.<br />
5.1 Modellbildung des langsamen Anteils Φij1<br />
Die Modellbildung des langsamen Anteils φij1 basiert auf Rotta (1951a) (1951b) und<br />
bezieht sich explizit auf das return–to–isotropy Konzept, das durch die Relaxation<br />
anisotroper Turbulenz getragen wird. Rotta (1972) weist darauf hin, daß ...<br />
in jedem sich selbst überlassenen Turbulenzfeld die isotrope Verteilung der<br />
Geschwindigkeitsschwankungen die wahrscheinlichste ist. Anisotropie der<br />
Turbulenz kann nur durch äußere Einflüsse erzeugt bzw. aufrechterhalten<br />
werden, z.B. durch eine inhomogene Grundströmung”.<br />
90<br />
vv<br />
U,<br />
y<br />
ρ
5.2. MODELLBILDUNG DES SCHNELLEN ANTEILS ΦIJ2<br />
Die Formulierung einer zum Grad der Anisotropie proportionalen Senke, welche auch<br />
bei homogener Grundströmung wirkt, ist daher ein naheliegender linearer Ansatz (??)<br />
zur Modellierung des langsamen Anteils Φij1<br />
φij1 = −2 C1 T −1<br />
t k bij = −2 C1ε bij .<br />
Typische Werte des Koeffiziente C1, welche durch Messungen von Uberoi (1956) bestätigt<br />
werden, kann man Tabelle 4.1 entnehmen. Weitere Hinweise zur Modellierung ergeben<br />
sich aus den unter 5.3.3 gemachten Bemerkungen, sowie der in <strong>Kapitel</strong> 8 erörterten<br />
Analyse des Druck–Scher–Korrelationsmodells.<br />
5.2 Modellbildung des schnellen Anteils Φij2<br />
Ausgangspunkt für die Modellierung des schnellen PS Modells Φij2 ist der Tensor der<br />
Zweipunkt–Korrelation Rij = ui(xk) uj(ˆxm) = ui ûj. Mit Hilfe der in Anhang G skizzierten<br />
Rechenregel (F.4) findet man<br />
∂<br />
∂rl<br />
∂Rij<br />
∂xk<br />
− ∂Rij<br />
∂rk<br />
<br />
= ∂<br />
<br />
∂ui<br />
ûj =<br />
∂rl ∂xk<br />
∂ui<br />
∂xk<br />
Die Modellbildung setzt, wie bereits erwähnt, geringe Abweichungen vom Zustand der<br />
lokal homogenen Turbulenz voraus, für den sich die zuletzt notierte Gleichung stark<br />
vereinfacht<br />
− ∂2 Rij<br />
∂rk∂rl<br />
= ∂ui<br />
∂xk<br />
∂ûj<br />
∂ˆxl<br />
∂ûj<br />
∂ˆxl<br />
.<br />
. (5.4)<br />
Die Beziehung (5.4) dient der Modellierung des schnellen Druck–Scher–Korrelationsanteils<br />
aus Gleichung (5.1)<br />
<br />
1<br />
2π<br />
δV<br />
∂ui<br />
∂xj<br />
+ ∂uj<br />
<br />
∂ûl<br />
∂xi ∂ˆxk<br />
∂ Ûk<br />
∂ˆxl<br />
d ˆ V<br />
r<br />
≈ − 1<br />
2π<br />
= Mijlk<br />
∂Uk<br />
∂xl<br />
∂Uk<br />
∂xl<br />
<br />
δV<br />
∂ 2 Ril<br />
∂rj∂rk<br />
+ ∂2 <br />
Rjl dVˆ ∂ri∂rk r<br />
= (aijkl + ajikl) ∂Uk<br />
∂xl<br />
(5.5)<br />
Der zu modellierende Tensor aijkl genügt aufgrund der Symmetrie der Reynolds–<br />
Spannungen und der Kommutativität der partiellen Ableitung einer Reihe von Symmetriebedingungen<br />
aijkl = aljki = alkji = aikjl . (5.6)<br />
Mit Hilfe des in Anhang F erläuterten Greenschen Satzes (E.4) läßt sich ferner zeigen,<br />
daß<br />
aijjl = 2 Ril ≈ 2 uiul . (5.7)<br />
91
KAPITEL<br />
Daneben ist bei der Modellierung von aijlk noch der inkompressible Kontinuitätszwang<br />
(S ′ ii = 0) zu beachten<br />
aiilk = 0 . (5.8)<br />
Die allgemeinste Form einer in den Reynoldsspannungen linearen Modellbildung lautet<br />
aijkl ∼ P 1<br />
ijkl , mit Rij = uiuj und<br />
P 1<br />
ijkl = k (A1δikδjl + A2δijδlk + A3δilδjk)<br />
+ A4Rikδjl + A5Rijδlk + A6Rilδjk<br />
+ A7Rjkδil + A8Rjlδik + A9Rklδij . (5.9)<br />
In Bezug auf die oben genannten Symmetriebedingungen empfiehlt sich ein Ansatz,<br />
welcher die Restriktionen (5.6) identisch befriedigt, beispielsweise<br />
aijkl = P 1<br />
ijkl + P 1<br />
ljki + P 1<br />
ikjl + P 1<br />
lkji<br />
= a1δjkRil<br />
+ a2 (δlkRij + δljRik + δikRjl + δijRlk)<br />
+ a3δilRkj + k [a4δliδkj + a5 (δlkδij + δljδik)] . (5.10)<br />
Die Anwendung der Kontinuitätsbeziehung (5.8) auf den Ansatz (5.10) ergibt<br />
0 = Rkl (a1 + 5a2 + a3) + k δkl (4 a5 + a4 + 2 a2) . (5.11)<br />
Die Kontraktionsbedingung (5.7) liefert zusätzlich<br />
0 = Ril (3 a1 + 4a2 − 2) + k δil (2 a5 + 3 a4 + 2 a3) . (5.12)<br />
I : a1 + 5 a2 + a3 = 0 , II : a4 + 2 a2 + 4 a5 = 0 ,<br />
III : 3 a1 + 4 a2 − 2 = 0 , IV : 3 a4 + 2 a3 + 2 a5 = 0 . (5.13)<br />
Sämtliche Koeffizienten des linearen Modells lassen sich somit als Funktion eines einzigen<br />
Parameters, z.B. a3, darstellen<br />
<br />
10 + 4 a3<br />
aijkl =<br />
11<br />
<br />
3 a3 + 2<br />
−<br />
11<br />
<br />
50a3 + 4<br />
− k<br />
55<br />
δjkRil + a3δilRkj<br />
δlkRij + δljRik + δikRjl + δijRlk<br />
δliδkj −<br />
92<br />
<br />
20a3 + 6<br />
55<br />
<br />
(δlkδij + δljδik)<br />
<br />
. (5.14)
5.2.1 Quasi–Isotropization Modelle<br />
5.2. MODELLBILDUNG DES SCHNELLEN ANTEILS ΦIJ2<br />
Das aus rein kinematischen Überlegungen abgeleitete Modell (5.14) wurde von Launder,<br />
Reece und Rodi (1975) veröffentlicht. Um zu der unter (4.6) angegebenen Notation zu<br />
gelangen, muss (5.14) nochmals umgeformt werden<br />
φij2 = (aijkl + ajikl) (Skl + Wkl) , (5.15)<br />
mit (aijkl + ajikl) Wkl =<br />
=<br />
2(a1 − a3) k (bikWjk + bjkWik)<br />
<br />
20 − 14a3<br />
k (bikWjk + bjkWik) ,<br />
11<br />
und (aijkl + ajikl) Skl =<br />
<br />
2(a4 + a5) + 4<br />
3 (a1<br />
+<br />
<br />
+ 2a2 + a3) k Sij<br />
<br />
[2(a1 + 2a2 + a3)] bikSkj + bjkSki − 2<br />
3 δij<br />
+<br />
<br />
bkmSkm<br />
<br />
4<br />
3 (5a2<br />
=<br />
<br />
+ a1 + a3) k bklSkl δij<br />
4<br />
5 k Sij + 18a3<br />
<br />
+ 12<br />
k bikSkj + bjkSki −<br />
11<br />
2<br />
3 δij<br />
<br />
bkmSkm<br />
Für die Koeffizienten der Notation (4.6) ergibt sich damit<br />
C2 = 4<br />
5 , C3 = 18a3 + 12<br />
11<br />
, C4 =<br />
20 − 14a3<br />
11<br />
Launder, Reece und Rodi (1975) stimmten ihr Modell auf die von Champagne, Harris<br />
und Corrsin (1970) durchgeführten experimentellen Untersuchungen einer quasi–<br />
homogenen Scherturbulenz ab, und wählten a3 = 0.4. Neuere Arbeiten, z.B. Taulbee<br />
(1992), gehen von leicht höheren Werten a3 ≈ 0.55 − 0.6 aus. Die in <strong>Kapitel</strong> 8.4 betrachtete<br />
rotierende homogene Scherung verlangt C4 = 0, bzw. a3 = 20/14. Dieser Wert<br />
erfüllt zwar die Konsistenz zur sog. Rapid–Distortion–Theorie (aijkl + ajikl)Wkl = 0,<br />
liefert jedoch in konventionellen Strömungen weniger gute Ergebnisse. Eine genauere<br />
Analyse der Koeffizienten des linearen Druck-Scher–Korrelationsmodells erfolgt in den<br />
<strong>Kapitel</strong>n 5.3 und 8.<br />
5.2.2 Isotropization–of–Production Modelle<br />
Bei der linearen Modellierung von φij2 wird im Allgemeinen zwischen zwei prinzipiell<br />
verschiedenen Ansätzen unterschieden. Neben den Quasi–Isotropen (QI) Modellen,<br />
beispielsweise dem unter 4.2.2 skizzierten Modell von Launder, Reece und Rodi (1975),<br />
existiert eine weitere populäre Klasse von Modellen, die sogennanten Isotropization–<br />
of–Production (IP) Modelle.<br />
93<br />
.<br />
.
KAPITEL<br />
Mit Hilfe algebraischer Umformungen erhält man den zur Beziehung (4.6) äquivalenten<br />
Ausdruck (5.16)<br />
φij − εijD = −2C1εbij + C2 − 2<br />
3C4 <br />
kSij + φijw<br />
⎫<br />
⎪⎬<br />
,<br />
⎪⎭<br />
(5.16)<br />
indem<br />
−0.25 (C3 + C4) (Pij − 2<br />
3 δijP )<br />
−0.25 (C3 − C4) (Gij − 2<br />
3 δijP )<br />
<br />
Pij = −2 k bik + 1<br />
3 δik<br />
<br />
∂Uj<br />
+ bjk +<br />
∂xk<br />
1<br />
3 δjk<br />
<br />
∂Ui<br />
,<br />
∂xk<br />
<br />
Gij = −2 k bik + 1<br />
3 δik<br />
<br />
∂Uk<br />
+ bjk +<br />
∂xj<br />
1<br />
3 δjk<br />
<br />
∂Uk<br />
,<br />
∂xi<br />
kennzeichnen. Die Koeffizienten des Isotropization–of–Production Ansatzes genügen<br />
der Restriktion<br />
C3 = C4 = 1.5 C2 , (5.17)<br />
weswegen sich die Formulierung des PS Modells im Unterschied zu den Quasi–Isotropization<br />
Ansätzen vereinfacht<br />
(φij − εijD )(IP ) = φijw − 2(C1 + C ∗ 1P/ε) ɛbij −<br />
<br />
C3 + C4<br />
Pij −<br />
4<br />
2<br />
<br />
P δij<br />
3<br />
. (5.18)<br />
Anhand von Tabelle 4.1 erkennt man, daß sich die Vorschläge von Gibson und Launder<br />
(1978), Gibson und Younis (1986) oder Rotta (1951a) in der IP–Form darstellen lassen.<br />
5.3 Kalibrierung linearer Druck–Scher–Korrelationsmodelle<br />
Die wichtigsten Validierungs– und Kalibirierungsbeispiele für Turbulenzmodelle sind<br />
die isotrope Turbulenz (bij = 0), die Scherturbulenz im lokalen Gleichgewicht (P = ε)<br />
bei eingefrorener Turbulenzstruktur und die homogene Scherturbulenz im strukturellen<br />
Gleichgewicht (Dε/Dt = ε/kDk/Dt). Die ersten beiden Strömungssituationen werden<br />
in diesem <strong>Kapitel</strong> diskutiert, die homogene Scherturbulenz wird im Rahmen von <strong>Kapitel</strong><br />
8 näher betrachtet.<br />
5.3.1 Isotrope Turbulenz in inhomog. Grundströmung (Crow–Constraint)<br />
Ein weitverbreitentes Kriterium zur Bestimmung der Koeffizienten des schnellen PS–<br />
Modells bezieht sich auf das von Crow (1968) experimentell untersuchte Verhalten einer<br />
ursprünglich isotropen Turbulenz in einer inhomogenen Grundströmung. Aufgrund der<br />
Isotropie des Turbulenzfeldes (bij = 0), läßt sich daraus eine Zwangsbeziehung für den<br />
94
5.3. KALIBRIERUNG LINEARER DRUCK–SCHER–KORRELATIONSMODELLE<br />
Koeffizienten C2 angeben, welche in der englischsprachigen Literatur auch als Crow–<br />
Constraint bekannt ist<br />
Crow (1968) : φij2 = 0.8 k Sij , ❀ C2 = 0.8 . (5.19)<br />
Da sich die Crow–Restriktion explizit auf den Zustand der isotropen Turbulenz bezieht,<br />
sollte sie im Zusammenhang mit der Modellierung technischer Strömungen nicht<br />
überbewertet werden. Im Falle des IP–Modells sind durch die Crow–Restriktion (5.19)<br />
auch die beiden anderen Koeffizienten von φij2 festgelegt<br />
IP − Modell : C2 = 0.8 ❀ C3 = C4 = 1.2 . (5.20)<br />
Die letzten beiden Gleichungen liegen offenkundig dem Modell von Gibson und Launder<br />
(1978) zugrunde.<br />
5.3.2 Scherturbulenz im lokalen Gleichgewicht<br />
Eine weitere Kalibrierungsmöglichkeit ergibt sich aus der Betrachtung einer einachsigen<br />
Scherung U = Ux(y) im lokalen Turbulenzgleichgewicht bei eingefrorener Turbulenz-<br />
struktur (4.9)<br />
P = ε ,<br />
D uiuj<br />
Dt − Dij =<br />
<br />
uiuj Dk<br />
− D<br />
k Dt<br />
. (5.21)<br />
Die o.a. Strömungssituation dient der näherungsweisen Analyse des logarithmischen<br />
Gleichgewichtsbereich einer einfachen turbulenten Wandgrenzschicht und ist daher besonders<br />
relevant. Die Vorraussetzungen (5.21) liefern die Gleichgewichtsbeziehung<br />
0 = Pij + φij − εij . (5.22)<br />
IP–Modelle<br />
Für Druck–Scher–Korrelationsmodelle vom IP–Typ (5.18) ergibt sich eine Verknüpfung<br />
zwischen den Koeffizienten ddes PS–Modells<br />
<br />
C3+C4 1 − 4<br />
bij =<br />
2 (C1 + C∗ Pij 2<br />
−<br />
1) ε 3 δij<br />
<br />
= γφ<br />
Pij<br />
2 P<br />
1<br />
−<br />
3 δij<br />
<br />
. (5.23)<br />
Mit Hilfe von experimentellen Untersuchungen findet man γφ ≈ 0.225 , und daher<br />
QI−Modell : C1 + C ∗ 1 ≈ 4 − (C3 + C4)<br />
0.9<br />
IP−Modell : C1 + C ∗ 1 ≈<br />
4 − 2 C4<br />
0.9<br />
. (5.24)<br />
Abbildung 5.2 gibt Aufschluß über die Konsistenz der Koeffizienten verschiedener PS–<br />
Modelle zu Gleichung (5.24). Die beiden freien Koeffizienten der betrachteten IP–<br />
Modelle, C1 und C4(= C3 = 1.5C2), folgen offenkundig alle der Zwangsbeziehung<br />
(5.24), deren Verlauf in der Grafik durch eine Orientierungsgerade wiedergeben ist.<br />
Es fällt auf, daß drei populäre QI–Varianten (LRR, TB, GS) offenkundig der IP–<br />
Gesetzmäßigkeit in (5.24) genügen.<br />
95
KAPITEL<br />
*<br />
C1 +C1 5.0<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
0.0 0.8 1.6<br />
C3 + C4 2.4 3.2<br />
Abbildung 5.2: Koeffizienten verschiedener Reynolds–Spannungsmodelle nach (5.24).<br />
QI–Modelle<br />
Die Eigenschaften der betrachteten Strömung gleichen dem logarithmischen Bereich<br />
einer einfachen, druckgradientenfreien, inkompressiblen Grenzschicht. Mit Hilfe von<br />
P/ε = −4 b12 s12 = 1 und g = C1 + C ∗ 1 läßt sich die ASM–Beziehung (4.12) explizit<br />
auflösen<br />
Rotta<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
SSG<br />
GS<br />
TB<br />
LRR<br />
GS IP<br />
TB IP<br />
LRR IP<br />
b11 = − β2 + β3/3<br />
2(C1 + C ∗ 1) , b22 = β2 − β3/3<br />
2(C1 + C ∗ 1) , b33 = −(b11 + b22) ,<br />
b 2 12 =<br />
1<br />
4(C1 + C∗ <br />
β<br />
1)<br />
2 3<br />
3(C1 + C∗ 1) −<br />
β2 2<br />
C1 + C ∗ 1<br />
− β1<br />
<br />
. (5.25)<br />
Für gegebene Koordinatenwerte des Anisotropietensors lassen sich aus den unter (5.25)<br />
angegebenen Beziehungen drei linear unabhängige Gleichungen zur Bestimmung der<br />
vier bzw. fünf unbekannten Koeffzienten des Druck–Scher–Korrelationsmodells ableiten.<br />
Zusammenfassung<br />
Tabelle 5.1 vergleicht die Ergebnisse der Gleichung (5.25) mit den Daten der direkten<br />
numerischen Simulation einer Kanalströmung von Kim, Moin und Moser (1987). Für<br />
die FRLT und SSG QI–Modelle wurden offenkundig die Daten der Kanalströmung zur<br />
Bestimmung der Koeffizienten berücksichtigt.<br />
Aufgrund der in (5.17) vorab getroffenen Koeffizientenreduktion vermögen IP–Modelle<br />
bereits einfache Strömungssituationen nicht mehr präzise darzustellen. Unter Couette–<br />
Strömungsbedingungen (unidirektionale Scherung) sind IP–Modelle a priori mit achsensymetrischen<br />
Normalspannungszuständen (b22 = b33) verbunden. Abhilfe verschafft<br />
nur das in <strong>Kapitel</strong> 5.4 beschriebene Wandreflektionsmodell.<br />
96
5.3. KALIBRIERUNG LINEARER DRUCK–SCHER–KORRELATIONSMODELLE<br />
Tabelle 5.1: Turbulenstruktur im Gleichgewichtsbereich einer zweidimensionalen<br />
turbulenten Scherströmung nach Gleichung (5.25).<br />
Typ γφ -b12 b11 b22 b33<br />
GL IP 0.222 0.17 0.15 -0.07 -0.07<br />
GY IP 0.233 0.17 0.16 0.08 -0.08<br />
RO IP 0.200 0.16 0.13 -0.07 -0.07<br />
LRR QI 0.157 0.18 0.13 -0.10 -0.03<br />
TB QI 0.123 0.15 0.12 -0.12 0.0<br />
GS QI 0.173 0.15 0.14 -0.10 -0.04<br />
SSG QI 0.226 0.16 0.17 -0.13 -0.05<br />
FRLT QI 0.230 0.16 0.18 -0.13 -0.05<br />
Kanal DNS (Kim et al. 1987) 0.15 0.18 -0.13 -0.05<br />
5.3.3 Realisierbarkeitsbedingung des Rotta–Koeffizienten<br />
Die oben betrachtete Scherung eignet sich ebenfalls zur Evaluierung einer physikalisch<br />
plausiblen Schranke für den Rotta–Koeffizienten des langsamem Druck–Scher–<br />
Korrelationsmodells φij1. Eine strenge Analyse der physikalisch realisierbaren Koeffizientenwerte<br />
von C1 wurde von Sarkar und Speziale (1990) veröffentlicht. An dieser Stelle<br />
soll lediglich die analoge Aussage am Beispiel der b11–Koordinate einer einachsigen<br />
Scherung entwickelt werden. Im Unterschied zu den oben angestellten Überlegungen<br />
sei die Turbulenzenergieproduktion jedoch wesentlich geringer als die Dissipationsrate<br />
1 >> P<br />
> 0 .<br />
ε<br />
Die Erfahrung lehrt, daß homogene Scherturbulenz mit anisotropen Normalspannungen,<br />
inbesondere b11 > 0 vebunden ist (vgl. Tabelle 5.1). Anhand der Bestimmungsgleichung<br />
der b11–Koordinate<br />
b11 = − <br />
β2 β3 + 2 6<br />
(5.26)<br />
C1−1<br />
P/ε + C∗ 1 + 1<br />
erkennt man zunächst, daß der Zähler der rechten Seite aufgrund von βi < 0 stets<br />
positiv ist. Für endlich große C ∗ 1 > 0 wird das Vorzeichen der Koordinatenwerte b11<br />
im Grenzfall lim P/ε → 0 vom Vorzeichen der Differenz C1 − 1 diktiert. Physikalisch<br />
plausible, positive Koordinatenwerte lassen sich unabhängig von P/ε folglich nur<br />
vermöge<br />
C1 ≥ 1 (5.27)<br />
realisieren. Ferner zeigt sich, daß im Falle von C1 = 1 der Wert von b11 unabhängig<br />
vom Wert der spezifischen Produktionsrate ist. Analoge Aussagen lassen sich für alle<br />
anderen Koordinaten des Anisotropietensors bij formulieren (vgl. <strong>Kapitel</strong> 8.1).<br />
97
KAPITEL<br />
5.4 Wandreflektionsmodelle<br />
Zur Erfassung der richtungsabhängigen Wanddämpfungsmechanismen dient bei einigen<br />
linearen Druck–Scher–Korrelationsmodellen eine Korrektur der durch das PS–Modell<br />
induzierten Isotropie durch den Wandreflektionsterm. Die Formulierung des Wandreflektionsterms<br />
basiert ebenfalls auf der Zerlegung in einen schnellen und einen langsamen<br />
Anteil. Im Zusammenhang mit der IP–Modellierung sind die Wandreflektionsterme<br />
– wie in <strong>Kapitel</strong> 5.3 diskutiert – besonders wichtig, da ansonsten fundamentale<br />
Scherströmungszustände nicht hinreichend genau abgebildet werden können (vgl. auch<br />
<strong>Kapitel</strong> 7.5). Die gängigen Wandreflektionsterme der IP–Modelle lauten<br />
φijw = φijw1 + φijw2<br />
φijw1 = 2C1wε<br />
φijw2 = C ∗ 2w<br />
<br />
<br />
bklnknlδij − 1.5bkinknj − 1.5bkjnkni<br />
φkl2nknlδij − 1.5φki2nknj − 1.5φkj2nkni<br />
fn = k3/2<br />
κc −3/4<br />
µ<br />
n ε<br />
<br />
<br />
fn<br />
fn<br />
mit κc −3/4<br />
µ ≈ 2.5 . (5.28)<br />
In (5.28) symbolisieren ni den Wandstellungsvektor und n den skalaren Wandnormalenabstand.<br />
Die Bestimmung des Wandnormalenabstandes ist weder eindeutig noch trivial,<br />
die Berechnung von Wandstellungsvektoren noch komplexer. Mit dem Wandreflektionsmodell<br />
sind somit weitreichende algorithmische Probleme vebunden. In kommerziellen<br />
Strömungssimulationsverfahren wird deshalb auf deren Implementierung verzichtet<br />
wird.<br />
Man beachte, daß die Entwicklung des Wandreflektionsterms eng an die Betrachtung einer<br />
einfachen zweidimensionalen Wandgrenzschicht im lokalen Gleichgewicht geknüpft<br />
ist. Insbesondere findet man für den wandnahen logarithmischen Bereich unter Verwendung<br />
von (5.22) die folgenden Zusammenhänge zwischen den Koeffizienten des IP<br />
Druck–Scher–Korrelationsmodells (mit C ∗ 2 = 0.5C3 = 0.5C4) und den sich ausbilden-<br />
den Reynoldsspannungen<br />
b11 = 1<br />
<br />
(2γφ + a) +<br />
3<br />
b (1 − γφ<br />
<br />
− 2a)<br />
1 + 2b<br />
b22 = − 1<br />
<br />
γφ + 2a + 2b<br />
3 1 + 2b<br />
b12 =<br />
<br />
2γφ + 3a (1 − γφ − 2a)<br />
−<br />
2 + 3b 3(2 + 4b)<br />
98
5.5. ELLIPTIC RELAXATION VERFAHREN VON DURBIN<br />
Tabelle 5.2: Koeffizienten häufig verwendeter IP Druck–Scher–Korrelationsmodelle.<br />
C1 C ∗ 2 = 0.5 C3 γφ C1w C2w<br />
Gibson und Launder (GL, 1978) 1.8 0.60 0.22 0.5 0.3<br />
Gibson und Younis (GY, 1986) 3.0 0.30 0.23 0.75 0.5<br />
mit : γφ = 1 − C∗ 2<br />
C1<br />
, a = C∗ 2C2W<br />
C1<br />
, b = C1W<br />
C1<br />
. (5.29)<br />
Tabelle 5.2 fasst die beiden populärsten Vorschläge zur Wahl der Koeffizienten des IP–<br />
Modells zusammen, Tabelle 5.3 dokumentiert die positiven Auswirkungen des Wandreflektionsmodelles<br />
am Beispiel zweier IP–Modelle. Eine alternative Formulierung für<br />
Tabelle 5.3: Turbulenstruktur im Gleichgewichtsbereich einer zweidimensionalen Scherung<br />
nach Gleichung (5.25).<br />
-b12 b11 b22 b33<br />
GL 0.17 0.15 -0.07 -0.07<br />
GL + φijw 0.13 0.22 -0.21 -0.01<br />
GY 0.17 0.16 0.08 -0.08<br />
GY + φijw 0.13 0.21 -0.18 -0.03<br />
Kanal DNS (Kim et al. 1987) 0.15 0.18 -0.13 -0.05<br />
φijw, welche eine verbesserte Vorhersage von Prallstrahleffekten ermöglichen, ist im<br />
Zusammenhang mit IP–Modellen von Craft und Launder (1992) publiziert worden. Im<br />
Falle des LRR Modells lautet der Wandreflektionsterm<br />
<br />
<br />
φijw = 0.625 ε bij fn + 0.0375 (Pij − Gij)<br />
(5.30)<br />
5.5 Elliptic Relaxation Verfahren von Durbin<br />
Durbin (1991) versucht die Druck–Scher–Korrelationterme des IP–Transportgleichungs–<br />
Reynolds–Spannungsmodells zur Bestimmung von geometrieunabhängigen low–Re Formulierungen<br />
für Zweiparametermodelle zu nutzen. Ausgangspunkt des von Durbin<br />
(1995) veröffentlichten Viergleichungs– k − ε − v 2 − f–Modells ist die Analyse der<br />
in <strong>Kapitel</strong> 2.1 skizzierten WET–Hypothese (2.3) für das Beispiel der Schubspannung<br />
in einer einachsigen Scherung<br />
uv ∼ Puv × k<br />
ε<br />
k ∂U k<br />
= −v2 ×<br />
ε ∂y ε ,<br />
<br />
k ∂U<br />
v2 ε ∂y<br />
uv = −c ′ µ<br />
99<br />
fn<br />
. (5.31)
KAPITEL<br />
Der wandinduzierte anisotrope Beitrag wird üblicherweise mit Hilfe einer i.Allg. geometrieabhängigen<br />
Wanddämpfungsfunktion fµ(n) modelliert<br />
c ′ k<br />
µ v2 ε = fµ<br />
k<br />
cµ<br />
2<br />
ε .<br />
Im Unterschied hierzu vesucht Durbin das Wirbelzähigkeitsprinzip in Anlehnung an<br />
= 2.45)<br />
die anisotrope Formulierung (k/v 2 = κ c −0.75<br />
µ<br />
νt = c ′ ν v 2 Tt mit c ′ ν = 0.22 (5.32)<br />
um eine Gleichung für die subdominate Normalspannungskomponente senkrecht zur<br />
Wand zu erweitern<br />
D k<br />
Dt<br />
D ε<br />
Dt<br />
D v 2<br />
Dt<br />
=<br />
<br />
∂<br />
P − ε + (ν + νt)<br />
∂xk<br />
∂k<br />
=<br />
<br />
,<br />
∂xk<br />
P ε<br />
Cε1 − Cε2 +<br />
Tt Tt<br />
∂<br />
ν +<br />
∂xk<br />
νt<br />
<br />
∂ε<br />
,<br />
1.3 ∂xk<br />
<br />
=<br />
v2 ∂<br />
k f − ε +<br />
k ∂xk<br />
(ν + νt) ∂v2<br />
<br />
∂xk<br />
. (5.33)<br />
Die Definition des turbulenten Zeitmaßes folgt der bereits unter (2.27) skizzierten Realisierbarkeitsbedingung.<br />
Die Koeffizienten der Transportgleichungen für k und ε entsprechen<br />
den üblichen Werten<br />
<br />
Cε1 = 1.44 1. + 0.045 k/v2 <br />
<br />
k ν<br />
, Cε2 = 1.9 , Tt = max , 6<br />
ε ε<br />
<br />
. (5.34)<br />
Der zur Wand ansteigende Wert des Koeffizienten Cε1 dient der Vermeidung der im<br />
Anhang D skizzierten Singularität. Der Koeffizienten Cε1 bestätigt im Gleichgewichtsbereich<br />
k/v 2 = 2.45 den von Wilcox im Zusammenhang mit dem k − ω Modell angegebenen<br />
Wert Cε1 = 1.55. Zur Schliessung der drei Modellgleichungen (5.33) benötigt<br />
man eine Vorschrift zur Berechnung des nichtlokalen Parameters f, der den Einfluss<br />
von Produktions– und Umverteilungsmechanismen wiedergibt.<br />
Die Idee zur Formulierung einer Berechnungsvorschrift für f fußt auf der Gleichgewichtsaussage<br />
(5.22). In Bezug auf die Wandnormalenkoordinate b22 findet man im<br />
100
Rahmen von IP–Modellen (5.18)<br />
P22 + φ22 − ε22 = −2 ε C1 b22 + 2 C∗ 2<br />
3<br />
= −2 ε C1 b22 + 2 C∗ 2<br />
3<br />
5.5. ELLIPTIC RELAXATION VERFAHREN VON DURBIN<br />
2<br />
P −<br />
3 ε<br />
<br />
P + 2 ε b22 − v2<br />
<br />
2k<br />
= −2 ε b22 (C1 − 1) + 2 C∗ 2 v2<br />
P − ε<br />
3 k<br />
<br />
∗ 2 C2 P b22<br />
≈ k − 2 (C1 − 1) −ε<br />
3 k Tt<br />
<br />
:=f<br />
v2<br />
k<br />
= k f − ε v2<br />
k<br />
Anstelle der ursprünglichen RSTM–Transportgleichung für die Koordinate v 2<br />
(5.35)<br />
Dv 2<br />
Dt = P22 + φ22 − ε22 + D22<br />
kann somit näherungsweise die unter 5.33 zuletzt angegebene Beziehung numerisch<br />
gelöst werden. Die Koeffizienten des von Durbin verwendeten Umverteilungsmodells<br />
lauten<br />
C1 = 1.4 , C ∗ 2 = 0.45 , ❀ γφ = 0.393 . (5.36)<br />
Man beachte, daß die Koeffizienten C1 und C ∗ 2 einfacher als in einem PS–Modell zu kalibrieren<br />
sind, da sie lediglich der genauen Vorhersage der wandnormalen Diagonalkomponente<br />
des Reynolds–Spannungstensors dienen. Insbesondere sollten die Koeffizienten<br />
den Gleichgewichtswert von v 2 auch ohne Wandreflektionsterme korrekt wiedergeben.<br />
Vermöge der in Gleichung (7.51) notierten Gleichgewichtsbeziehungen erkennt man,<br />
daß die o.g. Koeffizienten mit<br />
b22 = −γφ/3 = −0.131<br />
verbunden sind, was sehr gut mit dem in Tabelle 5.3 angegebenen Wert der DNS von<br />
Kim, Moin und Moser (1987) übereinstimmt. Um zu einer praxistauglichen Beziehung<br />
für beliebige Koordinaten zu gelangen, in der v 2 ≡ u 2 n, wird die Umverteilungsfunktion<br />
f über eine räumliche Relaxationbeziehung (Yukawagleichung)<br />
L 2 <br />
∗ 2 C2 P b22<br />
t ∆(f) = f − − 2 (C1 − 1) , (5.37)<br />
3 k<br />
mit<br />
berechnet.<br />
Lt = 0.25 max<br />
<br />
k 3/2<br />
ε<br />
101<br />
Tt<br />
<br />
3 1/4<br />
ν<br />
, 85<br />
ε<br />
(5.38)
<strong>Kapitel</strong> 6 Projektionstechniken<br />
Die minimale Funktionsbasis des Ansatzes bij = bij(sij, w ∗ ij) basiert, wie bereits in <strong>Kapitel</strong><br />
3 erwähnt, in dreidimensionalen Strömungen auf mindestens fünf linear unabhängigen<br />
Generatoren, im Falle zweidimensionaler Reynolds–gemittelter Strömungszustände<br />
genügen drei Generatoren. Der folgende Abschnitt befaßt sich in Anlehnung an Jongen<br />
und Gatski (1998) mit der Projektion des algebraischen Spannungsmodells (4.12) in<br />
eine beliebig gewählte Funktionsbasis.<br />
6.1 Illustratives Beispiel<br />
Ausgangspunkt für die Darstellung des Prinzips von Projektionstechniken sei die zunächst<br />
nicht näher spezifizierte unterbestimmte Zwei–Generator–Funktionsbasis<br />
bij = A T (1)<br />
ij<br />
+ B T (2)<br />
ij . (6.1)<br />
Das gewählte Beispiel soll belegen, daß bei der Projektion des ASM (4.12) in einfache,<br />
unterbestimmte Basen F die dazugehörige Integritätsbasis N nicht in gleicher<br />
Weise reduziert wird. Häufig treten darin sogar fast alle irreduziblen Invarianten einer<br />
vollständigen Funktionsbasis auf, was die oben gemachten Aussagen zum Qualitätsverlust<br />
im Zusammenhang mit stark vereinfachten Integritätsbasen unterstreicht.<br />
Da A und B Skalare sind, müssen die Generatoren sämtliche strukturellen Eigenschaften<br />
des Anisotropietensors der Reynolds–Spannungen wiedergeben:<br />
Alle Generatoren T (n)<br />
ij<br />
müssen spurfrei und symmetrisch sein.<br />
Man überzeugt sich leicht, daß die in (3.50) notierten Generatoren diese Restriktion<br />
befriedigen. Setzt man den Zwei–Generator–Ansatz (6.1) in die ASM–Beziehung (4.12)<br />
ein, dann ergibt sich die sogenannte Projektionsgleichung<br />
<br />
g A T (1)<br />
<br />
(2)<br />
ij + B T ij = β1sij −<br />
<br />
β2 A<br />
<br />
+ B<br />
+ β3<br />
<br />
T (1)<br />
ik w∗ kj − w ∗ ikT (1)<br />
kj<br />
<br />
T (2)<br />
ik w∗ kj − w ∗ ikT (2)<br />
<br />
kj<br />
<br />
A T (1)<br />
ik skj + sikT (1)<br />
<br />
kj + B T (2)<br />
ik skj + sikT (2)<br />
<br />
kj<br />
− 2<br />
3 β3<br />
<br />
δij A T (1)<br />
mkskm + B T (2)<br />
mkskm <br />
. (6.2)<br />
Die Schließungsbeziehungen für die unbekannten Koeffizienten A und B gewinnt man<br />
durch Skalarmultiplikation der Projektionsgleichung (6.2) mit den verwendeten Generatoren<br />
<br />
I : g A T (1)<br />
ij<br />
<br />
II : g A T (1)<br />
ij<br />
<br />
(2)<br />
+ B T ij T (1)<br />
(1)<br />
jp = β1sijT jp − β2 [. . . ] T (1)<br />
jp + β3 [. . . ] T (1)<br />
jp<br />
+ B T (2)<br />
ij<br />
<br />
T (2)<br />
(2)<br />
jp = β1sijT jp − β2 [. . . ] T (2)<br />
jp + β3 [. . . ] T (2)<br />
jp<br />
102<br />
− . . . ,<br />
− . . . , (6.3)
6.1. ILLUSTRATIVES BEISPIEL<br />
und anschliessender Kontraktion der freien Indizes (i = p). Beachtet man weiterhin, daß<br />
die Spur zyklisch vertauschbar ist (AijBjkCki = BijCjkAki = CijAjkBki) und darüber<br />
hinaus die Symmetrie– bzw. Antimetriezusammenhänge<br />
sijT (1) (2)<br />
jk T ki<br />
(2) (1)<br />
= sijT<br />
jk T<br />
ki , w ∗ ijT (1)<br />
jk<br />
T (2)<br />
ki = −w∗ ijT (2) (1)<br />
jk T ki , (6.4)<br />
dann ergeben sich im gewählten Beispiel die folgenden Schließungsbeziehungen zur<br />
Bestimmung der skalaren Unbekannten A und B<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
<br />
<br />
β1<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
gT (1)<br />
ij<br />
gT (2)<br />
ij<br />
sijT (1)<br />
ji<br />
sijT (2)<br />
ji<br />
T (1)<br />
ji<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ = (6.5)<br />
− 2β3sijT (1)<br />
jk<br />
T (1)<br />
ji + 2β2w ∗ ij<br />
(1)<br />
T ki<br />
(2) (1)<br />
T jk T ki<br />
<br />
gT (1)<br />
ij<br />
− 2β3sijT (2)<br />
jk<br />
(2)<br />
T ji + 2β2w∗ ij<br />
<br />
(1)<br />
T ki<br />
(1) (2)<br />
T jk T ki<br />
gT (2)<br />
ij<br />
T (2)<br />
ji<br />
− 2β3sijT (1)<br />
jk<br />
− 2β3sijT (2)<br />
jk<br />
<br />
(2)<br />
T ki<br />
(2)<br />
T ki<br />
⎞ ⎛ ⎞<br />
A<br />
⎟<br />
⎠ ⎝ ⎠ .<br />
B<br />
Die oben skizzierte Vorgehensweise läßt sich für Funktionsbasen mit beliebig vielen<br />
zusätzlichen Generatoren in derselben Weise durchführen. Die in (6.5) auftretenden<br />
Spuren von Skalarprodukten lassen sich für auf s und w ∗ basierende Relevanzlisten mit<br />
Hilfe des im Anhang C notierten generalisierten Caley–Hamilton Theorems auf die in<br />
(3.51) notierten irreduziblen Invarianten zurückführen.<br />
Projektion in die lineare Basis<br />
Für das einfachste Beispiel eines linearen Wirbelzähigkeitsmodells mit T (1)<br />
ij = sij und<br />
T (2)<br />
ij = 0 wird das Gleichungssystem (6.5) singulär. Betrachtet man jedoch nur die erste<br />
Zeile, dann ergibt sich unmittelbar<br />
A = −cµ =<br />
β1<br />
g − 2β3 (η3/η1)<br />
, (6.6)<br />
Die explizite Abhängigkeit vom Deformationsmaß (η1) verbirgt sich im Koeffizienten g.<br />
Dieser ist nach (4.2) und (4.12) seinerseits eine Funktion der spezifischen Produktion<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
P/ε = −2<br />
❀ g = C1 − 1 − 2<br />
. (6.7)<br />
bijsij + 1<br />
3 skk<br />
bijsij + 1<br />
3 skk<br />
Die Lösung der Projektionsgleichung ist aufgrund der schwachen Nichtlinearität<br />
des ASM nicht implizit, bzw. im Falle einer vorab getroffenen Approximation von<br />
g nicht selbstkonsistent.<br />
Eine grobe Verletzung der Selbstkonsistenz ist entgegen vieler anders argumentierender<br />
Veröffentlichungen, z.B. ?), mit fundamentalen Defiziten für die Güte eines EASM<br />
verbunden. Die Thematik wird im anschließenden <strong>Kapitel</strong> sechs genauer erörtert.<br />
103
KAPITEL<br />
Projektion in eine quadratische Zwei–Generator–Basis<br />
Für das Beispiel der exemplarisch gewählten quadratischen Funktionsbasis<br />
<br />
F =<br />
T (1)<br />
ij<br />
<br />
(2)<br />
, T ij = sij, (sikw ∗ kj − w ∗ ikskj) <br />
(6.8)<br />
vereinfachen sich die in Gleichung (6.5) auftretenden Spuren für inkompressible Strömungen<br />
durch Anwendung des in Anhang C skizzierten Caley–Hamilton Theorems. Hiermit<br />
erhält man schließlich anstelle von (6.5)<br />
β1<br />
<br />
η1 [gη1 − 2β3η3] [2β2 (3η5 − 0.5η1η2)]<br />
=<br />
0 [2β2 (0.5η1η2 − 3η5)] [g (η1η2 − 6η5) + β3 (η2η3 + η1η4)]<br />
Gleichung (6.9) läßt sich mit Hilfe der Cramerschen Regel direkt auflösen<br />
A =<br />
B =<br />
<br />
A<br />
B<br />
η1β1[g(η1η2 − 6η5) + β3(η2η3 + η1η4)]<br />
[β3(η2η3 + η1η4) + g(η1η2 − 6η5)][gη1 − 2β3η3] + 4β2 ,<br />
2[3η5 − 0.5η1η2] 2<br />
η1β1β2(6η5 − η1η2)<br />
[β3(η2η3 + η1η4) + g(η1η2 − 6η5)][gη1 − 2β3η3] + 4β 2 2[3η5 − 0.5η1η2] 2<br />
. (6.9)<br />
.(6.10)<br />
Man erkennt deutlich, daß im Zusammenhang mit der Projektion des ASM in eine<br />
einfache quadratische Basis mit Ausnahme von η6 bereits alle irreduziblen Invarianten<br />
auftreten.<br />
Vereinfacht man die Beziehung (6.10) für zweidimensionale und achsensymmetrische<br />
Scherströmungen, dann ergibt sich mit Hilfe der näherungsweise gültigen Beziehungen<br />
− η1 = η2 , η5 = 0.5 η1η2 , η3 = −1.5 S33 η1 , η4 = −0.5 S33 η2 ,<br />
die Lösung<br />
Aachs = −cµ =<br />
<br />
g − 2 β3<br />
β1<br />
<br />
η3<br />
η1<br />
<br />
− 2 β2 2 η2<br />
g−β3 2 η 3<br />
3 η 1<br />
−β2<br />
, Bachs = Aachs ⎣<br />
g − β3<br />
Im Falle zweidimensionaler mittlerer Strömungszustände folgt aus (3.54)<br />
A2D =<br />
β1<br />
g − 2β 2 2 η2/g , B2D =<br />
104<br />
β1β2<br />
−2g 2 + 4β 2 2η2<br />
= A2D<br />
⎡<br />
<br />
−β2<br />
g<br />
2 η3<br />
3 η1<br />
<br />
⎤<br />
⎦ (6.11) .<br />
. (6.12)
6.2 Gatski & Speziale Modell<br />
6.2. GATSKI & SPEZIALE MODELL<br />
Das von Gatski und Speziale (1993) vorgestellte Modell basiert auf der dreidimensionalen<br />
Generalisierung eines in zweidimensionalen, inkompressiblen Strömungszuständen<br />
exakten quadratischen Ansatzes<br />
bij = A T (1)<br />
ij<br />
+ B T (2)<br />
ij<br />
+ C T (3)<br />
ij , mit<br />
T (1)<br />
ij = sij , T (2)<br />
ij = sikw ∗ kj − w ∗ ikskj , T (3)<br />
ij = s2 ij − 1<br />
3 δij s 2 kk . (6.13)<br />
Die zusätzlichen Spuren der um die entsprechenden T (3)<br />
ij –Anteile erweiterten Gleichung<br />
(6.5) lassen sich wiederum mit Hilfe des Caley–Hamilton Theorems vereinfachen. Unter<br />
Verwendung der in Anhang C notierten algebraischen Umformungen ergibt sich die zu<br />
(6.5) analoge symbolische Beziehung<br />
β1<br />
⎛<br />
⎝<br />
in der die Systemmatrix M durch<br />
⎛<br />
⎝<br />
η1<br />
0<br />
η3<br />
⎞<br />
⎛<br />
⎠ = M · ⎝<br />
A<br />
B<br />
C<br />
⎞<br />
⎠ , (6.14)<br />
<br />
[gη1 − 2β3η3] [2β2 (3η5 − 0.5η1η2)]<br />
gη3 − 1<br />
3β3η 2 <br />
1<br />
[−2β2 (3η5 − 0.5η1η2)] [g (η1η2 − 6η5) + β3 (η2η3 + η1η4)] [−β2 (η1η4 <br />
+ η2η3)]<br />
gη3 − 1<br />
3β3η 2 <br />
g<br />
1<br />
[β2 (η1η4 + η2η3)]<br />
6η2 1 − 1<br />
3β3η1η3 <br />
definiert ist. Gleichung (6.14) läßt sich wieder mit Hilfe der Cramerschen Regel auflösen<br />
A = (β1η1) M22M33 + M 2 32<br />
− (β1η3) (M12M32 − M13M22) det M −1<br />
⎞<br />
⎠<br />
(6.15)<br />
, (6.16)<br />
B = [ (β1η1) (M12M33 − M32M13) + (β1η3) (M11M32 − M13M12)] det M −1 ,<br />
C = −(β1η1) (M12M32 + M22M13) + (β1η3) M11M22 + M 2 −1 12 det M .<br />
Im Falle einer lokal zweidimensionalen Reynolds–gemittelten Strömung findet man die<br />
entsprechend vereinfachte Beziehung (6.14)<br />
β1<br />
⎛<br />
⎝<br />
η1<br />
0<br />
0<br />
⎞<br />
⎛<br />
gη1 2β2η1η2 − 1<br />
3 β3η 2 1<br />
⎠ = ⎝ −2β2η1η2 −2gη1η2<br />
0<br />
0<br />
− 1<br />
3 β3η 2 1<br />
g<br />
6 η2 1<br />
⎞ ⎛<br />
⎠ ⎝<br />
A<br />
B<br />
C<br />
⎞<br />
⎠ , (6.17)<br />
deren Lösung die bereits von Gatski und Speziale (1993) angegebenen Koeffizienten<br />
des Drei–Generator–Ansatzes FGS liefert<br />
105
KAPITEL<br />
bij =<br />
A = −cµ =<br />
β1<br />
g − 2β2 2<br />
g η2 − 2β2 3<br />
3g η1<br />
β1<br />
g − 2β2 2<br />
g η2 − 2β2 3<br />
3g η1<br />
<br />
sij − β2<br />
g<br />
, B = A<br />
<br />
−β2<br />
g<br />
, C = A<br />
<br />
2β3<br />
g<br />
<br />
sikw ∗ kj − w ∗ <br />
2β3<br />
ikskj + s<br />
g<br />
2 ij − 1<br />
3 δij s 2 <br />
kk<br />
. (6.18)<br />
Ein wichtiger Unterschied zwischen dem oben skizzierten Lösungsweg auf der Basis<br />
von Projektionstechniken und der von Gatski und Speziale (GS) praktizierten Vorgehensweise<br />
ist der Lösungsaufwand. Die GS–Strategie basiert auf der zweidimensionalen<br />
Vereinfachung der exakten Lösung für einen Ansatz auf der Basis von zehn Generatoren.<br />
Die Herleitung der 10 × 10 Systemmatrix für diesen Ansatz ist äußerst aufwendig<br />
und verlangt profunde Kenntnisse in Tensoralgebra (Details findet man z.B. bei Lübcke<br />
und Rung 1999). Die Invertierung des algebraischen 10×10 Gleichungssystems ist ohne<br />
die Verwendung entsprechender Hilfsmittel, wie z.B. Mathematica (?) nicht mehr zu<br />
bewältigen. Demgegenüber ist der oben skizzierte Lösungsweg vergleichsweise einfach,<br />
da er das ASM direkt in die gewählte Basis projeziert. Es sei jedoch bemerkt, daß<br />
die Auswahl der Generatoren von FGS auf dem Resultat algebraischer Manipulationen<br />
einer vollständigen Basis mit Hilfe des 2D Caley–Hamilton Theorems basiert (vgl.<br />
Anhang C).<br />
Ein weiterer Unterschied ist die Tatsache, daß die Lösung (6.16) auf der Basis der<br />
vollständigen Integritätsbasis N eine bessere Näherung für dreidimensionale Zustände<br />
ist, als die ursprüngliche GS–Formulierung (6.18), bzw. eine gute Ausgangsbasis zur<br />
kompakten Erweiterung in Hinblick auf 3D Strömungszustände repräsentiert.<br />
6.3 Erweiterungen klassischer EASM<br />
Bei Betrachtung der ASM–Beziehung (4.12) erkennt man unmittelbar eine Möglichkeit<br />
zur Erweiterung klassischer, expliziter algebraischer Spannungsmodelle durch die Projektionstechnik.<br />
Diese läßt sich in analoger Weise auf die um einen beliebigen Tensor<br />
Tij erweiterte ASM–Beziehung anwenden<br />
<br />
gbij = Tij + β1sij − β2 bikw ∗ kj − w ∗ <br />
ikbkj + β3<br />
<br />
bikskj + sikbkj − 2<br />
3 δijblkskl<br />
<br />
(6.19)<br />
. (6.20)<br />
Der zusätliche Term Tij muß, wie alle anderen Tensoren der Beziehung (6.20), spurfrei<br />
und symmetrisch sein. Zur Gewährleistung eines linearen Gleichungssystems sollte Tij<br />
ferner unabhängig von bij sein.<br />
106
6.3. ERWEITERUNGEN KLASSISCHER EASM<br />
Im Rahmen der klassischen Darstellungstheorie müssten sämtliche T (1)<br />
ij . . . T (n)<br />
ij<br />
in die<br />
Relevanzliste aufgenommen werden. Nach dem Satz von Spencer (vgl. <strong>Kapitel</strong> 3.1)<br />
wäre dies mit zusätzlichen Generatoren in der Funktionsbasis verbunden, was den Rechenaufwand<br />
stark vergrößern würde. Im Sinne einer effizienten Näherung sind auch<br />
unveränderte Funktionsbasen denkbar, wodurch sich lediglich der Lösungsvektor des<br />
Gleichungssystems zur Bestimmung der EASM–Koeffizienten ändern würde, z.B. an-<br />
stelle von (6.14)<br />
β1<br />
⎛<br />
⎝<br />
η1<br />
0<br />
η3<br />
⎞<br />
⎠ +<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
T (1)<br />
ij<br />
T (1)<br />
ij<br />
T (1)<br />
ij<br />
T (1)<br />
ji<br />
T (2)<br />
ji<br />
T (3)<br />
ji<br />
⎞<br />
⎛<br />
⎟ ⎜<br />
⎠ + . . . + ⎝<br />
T (n)<br />
ij<br />
T (n)<br />
ij<br />
T (n)<br />
ij<br />
⎞<br />
(1) ⎛<br />
T ji<br />
(2) ⎟<br />
T ji ⎠ = M · ⎝<br />
(3)<br />
T<br />
Denkbare Anknüpfungspunkte einer Erweiterung klassischer EASM wären<br />
• Die Einarbeitung von Wandreflektionstermen<br />
Tij = φijw<br />
2 ε .<br />
ji<br />
A<br />
B<br />
C<br />
⎞<br />
⎠ . (6.21)<br />
• Die Berücksichtigung anisotroper Dissipationsratentensoren, wie z.B. von Jakirlić<br />
(1997), ?), ?) oder ?) vorgeschlagen<br />
Tij = 2<br />
3 δij − εij<br />
ε .<br />
Die Mehrzahl statistischer Turbulenzmodelle geht von der Gültigkeit der Kolmogorov–Hypothese<br />
(Rotta 1972) aus, welche die lokale Isotropie kleinskaliger Bewegungen<br />
bei hinreichend großen Reynoldszahlen annimmt. ?) konnten anhand<br />
der exakten Transportgleichung für εij in homogener, inkompressibler Turbulenz<br />
nachweisen, daß die isotrope Darstellung des Dissipationsratentensors nur im trivialen<br />
Fall verschwindender Deformationsgeschwindigkeiten korrekt ist.<br />
• Daneben ist auch die Einarbeitung von Transporttermen oder nichtlinearen Druck–<br />
Scher–Korrelationsmodellen denkbar, sofern man diese im iterativen Sinne von<br />
den aktuellen bij Werten entkoppelt. Im Falle expliziter numerischer Verfahren<br />
ist dies möglicherweise mit Zeitschrittrestriktionen verbunden.<br />
Tij = γ1 b 2 ij + γ2 b 3 ij + . . . oder Tij = −Tt<br />
107<br />
Dbij<br />
Dt<br />
.
<strong>Kapitel</strong> 7 Wandrandbedingung<br />
??<br />
Der Entwurfsprozeß strömungstechnisch hochbelasteter Bauteile, wie z.B. Diffusoren,<br />
Hochauftriebssysteme oder aber Schaufelprofile, stellt besonders hohe Anforderungen<br />
an die Genauigkeit des verwendeten Turbulenzmodells. Wandturbulenzmechanismen<br />
(low-Reynolds number Mechanismen) sind für die Berechung kritischer Strömungszustände<br />
häufig von zentraler Bedeutung. Turbulenzfelder erfahren im wandnahen Bereich<br />
starke, dämpfende Einflüsse von anisotropem Charakter, folglich sind die Randbedingungen<br />
der Modellgleichungen nahe fester Berandungen für die Güte des Modells<br />
wesentlich.<br />
Bei der Simulation turbulenter Strömungen unter Verwendung eines statistischen Turbulenzmodells,<br />
treten im Wandbereich sehr steile Gradienten auf. Mit den normalerweise<br />
eingesetzten, von zweiter Ordnung genauen, Simulationsverfahren können diese<br />
nur durch ein sehr feines Rechengitter numerisch aufgelöst werden. Der damit<br />
verbundene Rechenaufwand kann durch den Einsatz spezieller lokaler Ansatzfunktionen<br />
in der wandbenachbarten Schicht des Rechengitters vermieden werden. Üblicherweise<br />
basieren die Randbedingungen in industriellen Simulationsverfahren daher auf<br />
der sogenannten high-Reynolds number (high-Re) Hypothese. Diese ermöglicht eine<br />
Überbrückung der wandnahen, schwach-turbulenten (semi-viskosen) Strömungsbereiche<br />
durch die vollständige Parametrisierung aller Strömungsgrößen mit der Wandschubspannung.<br />
Die parametrischen Beziehungen zwischen einzelnen Strömungsgrößen und<br />
der Wandschubspannung werden vielfach auch als Wandfunktionen bezeichnet. Wandfunktionen<br />
sind zwar effizient, ihre extrem hypothetischen Grundlagen verlieren jedoch<br />
mit zunehmender Abweichung des Turbulenzenergiehaushalts vom lokalen Gleichgewichtszustand<br />
an Gültigkeit. Aussagen über strömungsmechanische und thermische<br />
Belastungen sind daher –vor allem im Hinblick auf deren kritische Grenzen– nur unter<br />
starken Einschränkungen zulässig. Low-Reynolds number (low-Re) Randbedingungen<br />
ermöglichen demgegenüber die Fortsetzung der numerischen Integration durch die<br />
semi-viskosen Grenzschichtbereiche bis zur Wand. Sie erfordern aufgrund der starken<br />
Variation der Turbulenzgrößen im wandnahen Bereich eine extreme Verdichtung des<br />
Rechengitters und versagen bei unzureichender Auflösung der semi-viskosen Bereiche.<br />
In zweidimensionalen Konfigurationen führt dies typischerweise zu 35 % höheren Knotenpunktanzahlen.<br />
Beide o.a. Randbedingungstechniken sind nicht universell einsetzbar, weil sie bestimmte<br />
Strömungsverhältnisse in den wandnahen Gitterschichten voraussetzen. Insbesondere<br />
müssen zur Gittergenerierung Kenntnisse über die Ausmaße der sich ausbildenden<br />
semi-viskosen Strömungsbereiche zur Verfügung stehen, worin der entscheidende Nachteil<br />
beider Methoden besteht. Die Ausdehnung der Wandturbulenz hängt nicht nur von<br />
dem zu simulierenden Strömungsfeld ab, sondern variiert erfahrungsgemäß auch stark<br />
entlang von Körperkonturen. Nahezu diskontinuierliche Variationen können z.B. durch<br />
Stoß/Grenzschicht Wechselwirkungen auftreten. Eine lokale Verletzung des Gültigkeitsbereichs<br />
der verwendeten Randbedingung kann mit erheblichen globalen Nachteilen<br />
108
7.1. GRUNDLAGEN<br />
für die Stabilität und Qualität der Simulation verbunden sein. Ferner ist mit starken<br />
Einschränkungen bei der Verwendung von Mehrgittertechniken, deren Gitter teilweise<br />
stark unterschiedliche Auflösungsvermögen besitzen, zu rechnen. Eine Adaption des<br />
Rechengitters an das Turbulenzfeld ist zwar oftmals hilfreich aber nicht heilsbringend.<br />
Das <strong>Kapitel</strong> befaßt sich mit der Herleitung und Implementierung konventioneller highund<br />
low-Re Randbedingungen am Beispiel eines Finite-Volumen Verfahrens mit zellzentrierter<br />
Variablenspeicherung. Die Dokumentation stützt sich primär auf ausgewählte<br />
Ein- und Zweiparametermodelle (Spalart–Allmaras, k−ɛ, k−ω), die Randbedingungen<br />
für einzelne Reynoldspannungskomponenten werden hieraus mit Hilfe einer Spannungstransformation<br />
abgeleitet.<br />
7.1 Grundlagen<br />
Bei einem Finite-Volumen Verfahren mit zellzentrierter Variablenanordnung existieren<br />
prinzipiell zwei verschiedene Möglichkeiten Wandrandbedingungen vorzugeben (Abbildung<br />
7.1):<br />
Typ A: Integration der Randkontrollvolumina<br />
Dem Finite-Volumen Verfahren müssen, wie in Abbildung (7.1 links) skizziert,<br />
zur Bestimmung der konvektiven und diffusiven Flüße an den Rändern sowohl<br />
die Variablenwerte (Konvektion), als auch deren Ableitungen (Diffusion)<br />
bekannt gemacht werden:<br />
Dirichlet − Rrandbedingung : Φ = ϕ auf Γ1 ,<br />
Neumann − Randbedingung : ∇ Φ = ∇ ϕ auf Γ2 . (7.1)<br />
Verfahren von höherer als zweiter Genauigkeitsordnung benötigen darüberhinaus<br />
weitere Informationen, z.B. höhere Randableitungen aus schiefsymmetrischen<br />
Differenzenformeln.<br />
Typ B: Vorgabe der Werte in den Randkontrollvolumina<br />
Hierbei werden nicht die Randwerte, sondern die Werte in den randbenachbarten<br />
Gitterzellen fixiert. Die Integration der Randkontrollvolumen ist überflüssig.<br />
Man benötigt keine Flüsse in Rändern und daher auch keine Variablenwerte<br />
oder Gradienten in B. Die numerische Integration muß hierzu manipuliert<br />
werden. Derartige Randbedingungen basieren häufig auf den Grenzwerten<br />
asymptotischer Entwicklungen.<br />
Die Herleitung konventioneller high- und low-Re Randbedingungen für die Impuls-,<br />
Druck- und Turbulenzgleichungen stützt sich auf das Beispiel einer einfachen, zweidimensionalen<br />
(2D) turbulenten Scherströmung<br />
109
KAPITEL<br />
Typ A: Integration des KV um P<br />
P<br />
B<br />
Fluss<br />
Typ B: Fixierung in P<br />
Abbildung 7.1: Prinzipielle Randbedingungstypen entlang fester Wände.<br />
U = U(y) e x oder U = U(η) e ξ . (7.2)<br />
Diese, stark idealisierte Strömungsform, findet man beispielsweise in 2D Wandgrenzschichten<br />
ohne Druckgradienten und ebenen, vollentwickelten Kanalströmungen. In Abwesenheit<br />
größerer äußerer Kräfte, z.B. starken Druckgradienten, stellen sich in Hauptströmungsrichtung<br />
quasi-ähnliche Profile ein, weswegen sich die Zahl der unabhängigen<br />
Veränderlichen auf Eins reduziert (Schlichting 1982). Die Strömungsform ist durch ein<br />
besonders einfaches Turbulenzfeld gekennzeichnet, in dem sich über weite Bereiche<br />
näherungsweise ein bestimmter Gleichgewichtszustand einstellt. Hierbei neutralisieren<br />
sich die beiden dominanten Terme des Turbulenzenergiehaushalts, Produktion P und<br />
Dissipation ε, lokal (vgl. Abbildung 7.3). Die Strömungsform ist, zumindest in Bezug<br />
auf den Wandbereich, weniger realitätsfern ist als dies zunächst erscheint. Die Attraktivität<br />
dieses Beispiels für die Formulierung turbulenter Randbedingungen beruht auf<br />
der damit verbundenen minimalen Variablenanzahl.<br />
Üblicherweise formuliert man die Randbedingung für die Impulsbilanzen in Form der<br />
Wandhaftbedingung. An ruhenden Wänden verschwinden bei statistischer Betrachtung<br />
der Feldgrößen nicht nur die mittleren Geschwindigkeiten Ui, sondern auch deren<br />
Schwankungskomponenten ui. Parallel zu den Schwankungskomponenten reduziert sich<br />
im wandnächsten Bereich der Einfluß der Reynolds-Spannungen uiuj auf die Impulsgleichungen<br />
und es verbleiben nur noch die viskosen Spannungen. Mit zunehmendem<br />
Abstand von der Wand wachsen die turbulenten Austauschmechanismen und übersteigen<br />
in ihrer Wirkung rasch die molekularen Effekte, ehe sie im Bereich der gleichförmigen<br />
Kernströmung wieder in den Hintergrund treten.<br />
Betrachtet man anhand von Abbildung (7.2) das mittlere Geschwindigkeitsprofil einer<br />
inkompressiblen, vollentwickelten Kanalströmung in einfach–logarithmischer Auftragung,<br />
dann erkennt man die klassische Aufteilung des Geschwindigkeitsprofils in eine<br />
viskose Unterschicht, einen Übergangsbereich, einen vollturbulenten logarithmischen<br />
Bereich und einen Nachlaufbereich. Die in der Grafik verwendeten dimensionslosen<br />
110<br />
P
U +<br />
20.0<br />
15.0<br />
10.0<br />
5.0<br />
0.0<br />
U + =Y +<br />
U + =[(ln Y + )/0.41] + 5.2<br />
DNS (Kim et. al)<br />
semi−viskoser Bereich<br />
viskose Unterschicht<br />
logarithmischer<br />
Bereich<br />
Uebergangsbereich<br />
0 1 10 100 1000<br />
Y +<br />
7.1. GRUNDLAGEN<br />
Nachlauf−<br />
bereich<br />
Abbildung 7.2: Mittleres Geschwindigkeitsprofil aus direkter numerischer Simulation (Kim<br />
et al. 1987) einer turbulenten Kanalströmung (Reτ =395).<br />
Größen folgen der üblichen Definition von charakteristischen Wandvariablen<br />
U + = U<br />
Uτ<br />
Y + =<br />
y Uτ<br />
ν<br />
mit Uτ = τw/ρ , (7.3)<br />
in der Uτ die Wandschubspannungsgeschwindigkeit kennzeichnet. Daneben werden im<br />
Verlauf der Diskussion folgende, dimensionslose Terme der statistischen Turbulenzmodellierung<br />
verwendet<br />
uiuj + = uiuj<br />
U 2 τ<br />
k + = uiui<br />
2 U 2 τ<br />
ε + =<br />
ε ν<br />
U 4 τ<br />
P + = −uv<br />
+<br />
+ ∂U<br />
. (7.4)<br />
∂Y +<br />
Hierin repräsentieren k = uiui/2 die Turbulenzenergie, P und ε deren Produktionsbzw.<br />
Dissipationsrate und uiuj die Komponenten des Reynoldsspannungstensors (Launder<br />
und Spalding 1972). Prinzipiell sind alle turbulenten Kanalströmungen mit Ausnahme<br />
des Übergangs zwischen logarithmischem und Nachlaufbereich gleich aufgebaut.<br />
Der Nachlaufbereich, der sich mit steigender Reynoldszahl zu höheren Y + verschiebt,<br />
kennnzeichnet den Übergang in die Kernströmung. Hier spielen Turbulenzeinfüsse nur<br />
noch eine untergeordnete Rolle, weswegen der Bereich für die Formulierung turbulenter<br />
Wandrandbedingungen bedeutungslos ist. Der Nachlaufbereich wird vielfach auch<br />
Aussenbereich genannt, alle darunter liegenden Schichten bilden den Innenbereich. Im<br />
weiteren Verlauf der Diskussion wird vielfach auf das Kanalströmungsbeispiel zurückgegriffen.<br />
Die Definition der dabei verwendeten Reynoldszahlen lautet<br />
Reτ = UτH<br />
2ν<br />
Reδ = UδH<br />
2ν<br />
mit H = Kanalhöhe und Uδ = U(H/2) .<br />
111
KAPITEL<br />
k +<br />
, u 2+ , v 2+ , w 2+ , 10|uv| + , 5 P/ε<br />
10.0<br />
8.0<br />
6.0<br />
4.0<br />
2.0<br />
0.0<br />
1 10 100<br />
Y +<br />
DNS k +<br />
DNS u 2+<br />
DNS v 2+<br />
DNS w 2+<br />
DNS 10 |uv| +<br />
DNS 5 P/ε<br />
Abbildung 7.3: Normierte Reynoldsspannungen aus direkter numerischer Simulation (Kim<br />
et al. 1987) einer turbulenten Kanalströmung (Reτ =395).<br />
Für die Formulierung von high-Re Wandrandbedingungen ist der weite logarithmische<br />
Bereich wesentlich. Die high-Re Hypothese basiert auf einer universellen Parametrisierung<br />
des gesamten wandnahen Strömungsfelds mit der Wandschubspannungsgeschwindigkeit<br />
Uτ. Diese Wandfunktionen sind in guter Näherung für den logarithmischen<br />
Bereich (12 ≤ Y + ≤ 300) einer gleichgewichtsnahen, turbulenten Wandgenzschicht<br />
gültig. Der low-Re Bereich (Y ≤ 12) wird bei der Verwendung von Wandfunktionen<br />
nicht durch die Simulation abgedeckt sondern parametrisch geschlossen.<br />
Er ist für die Formulierung der Randbedingungen belanglos, da der Simulation vollturbulente<br />
Randbedingungen aufgeprägt werden. Die high-Re Hypothese gilt unter<br />
keinen Umständen in wandnahen, semi-viskosen Zonen, weswegen das verwendete Rechengitter<br />
diesen Bereich nicht erfassen sollte. Idealerweise übersteigt die wandnormale<br />
Ausdehnung der Randgitterzelle die Dicke der viskosen Unterschicht um ein Vielfaches.<br />
Umgekehrt verhält es sich mit low-Re Randbedingungen, deren Anwendung die<br />
die rechnerische Auflösung des semi-viskosen Bereichs vorschreibt. Die meisten numerischen<br />
Verfahren sind in den räumlichen Koordinaten von zweiter Ordnung genau.<br />
Eine adäquate Auflösung der im low-Re Bereich stark variierenden Profile (vgl. Abbildungen<br />
7.2 und 7.3) durch die numerische Simulation verlangt daher eine extrem hohe<br />
Konzentration von Knotenpunkten. Der semi-viskosen Strömungsbereich sollte mit ca.<br />
5–10 Rechenknoten in Wandnormalenrichtung aufgelöst werden, und die wandnächsten<br />
Punkte in einem bestimmtem Abstand (Y + ≈ 1) zur Wand liegen. Für Reynoldszahlen<br />
im Bereich von 10 5 ≤ ReL ≤ 10 8 liegt dieser typischerweise bei 10 −1 − 10 1 L/ReL.<br />
Durch die low-Re Erweiterungen versteifen sich die Differentialgleichungen des Turbulenzmodells<br />
oftmals erheblich.<br />
In Bezug auf das Rechengitter besitzen beide Techniken analoge Nachteile. Die Gewähr-<br />
112
7.2. LOKAL-ORTHOGONALE KOORDINATEN<br />
leistung eines bestimmten Mindestabstands ist jedoch offenkundig leichter als die gleichmäßige<br />
Anreicherung von Punkten entlang fester Berandungen, weswegen die high-Re<br />
Randbedingung aus Sicht der Gittergenerierung weniger anspruchsvoll ist.<br />
Besonderes Augenmerk wird im weiteren Verlauf dieses Beitrags der Entwicklung einer<br />
einheitlichen Struktur für high-Re und low-Re Formulierungen gewidmet. Bei einem<br />
Wechsel der Randbedingungstechnik muß dadurch lediglich der spezifische Randwert,<br />
nicht aber der Typ der Randbedingung (z.B. Dirichlet), modifiziert werden. Diese Eigenschaft<br />
ist eine notwendige strukturelle Voraussetzung für die Entwicklung einer universellen,<br />
hybriden Randbedingung. Im nächsten Abschnitt werden hierfür die Grundlagen<br />
der schnittlastenbezogenen Randbedingungen im lokal-orthogonalen Wandkoordinatensystem<br />
erarbeitet.<br />
7.2 Lokal-orthogonale Koordinaten<br />
Bei einer Bilanzierung der Transportgleichungen in allgemein krummlinigen Koordinaten<br />
basiert die Formulierung der Wandrandbedingung geeigneterweise auf einem<br />
lokal-orthogonalen < t, n > Basissystem.<br />
Die kinematischen Beziehungen<br />
U<br />
vereinfachen sich wesentlich in diesem<br />
Koordinatensystem, in dem t durch<br />
n<br />
den Vektor der resultierenden Wandtangentialgeschwindigkeit<br />
U t = U −<br />
(n · U) n definiert ist, und n den<br />
Stellungsvektor des Wandelements re-<br />
Ut<br />
präsentiert (Abbildung 7.4). An der<br />
Wand verschwindet aufgrund der Haftbedingung<br />
der konvektive Fluß, und<br />
die Geschwindigkeit nimmt den Wert<br />
Abbildung 7.4: Lokal-orthogonale Zerlegung der der Wandgeschwindigkeit an. Darüber<br />
Geschwindigkeit<br />
hinaus verbleibt im < t, n > System,<br />
bei Vernachlässigung von Krümmungseffekten, auch oberhalb der Wand nur eine<br />
Tangentialgeschwindigkeitskomponente. Für schwach gekrümmte Strömungssituationen<br />
erhält man im Wandkoordinatensystem daher näherungsweise das oben skizzierte<br />
1D Szenario mit der resultierenden Tangentialgeschwindigkeitskomponente als Funktion<br />
des Wandnormalenabstands.<br />
Besonders einfach wird die Zerlegung für zweidimensionale oder umfangssymmetrische<br />
(verdrallte) Strömungsprobleme, welche im Folgenden näher betrachtet werden sollen.<br />
113
KAPITEL<br />
Die resultierende Tangentialkomponente<br />
der Geschwindigkeit läßt sich in diesem<br />
Fall, wie in Abbildung (7.5) veranschaulicht,<br />
nochmals in eine Azimutalkompnente<br />
(W ) und eine planare Komponente<br />
(Us) zerlegen. Details des zweidimensionalen<br />
Wandkoordinatensystems sind,<br />
auf der Grundlage einer zellzentrierten<br />
Variablenanordnung, in Abbildung (7.6)<br />
skizziert. Die kartesische Darstellung der<br />
Basisvektoren zweidimensionaler Konfigurationen<br />
lautet<br />
γ<br />
U<br />
Us<br />
n<br />
W<br />
δϕ =1<br />
Abbildung 7.5: Zweidimensionale Zerlegung<br />
n := (−β, α, 0) , t := cos γ t p + sin γ e z , t p := (α, β, 0) (7.5)<br />
mit α = ∆x<br />
∆s<br />
∆y<br />
, β =<br />
∆s , Us = αU + βV , γ = tan −1<br />
<br />
ζW<br />
Die in Gleichung (7.5) verwendeten Längen und Flächenelemente ergeben sich aus<br />
∆x = (x v B − x c B) · e x , ∆y = (x v B − x c B) · e y ,<br />
∆s = ∆x 2 + ∆y 2 , ∆A = 2R ζ ∆s . (7.6)<br />
Hierin repräsentieren Us und W die Planar- bzw. Azimutalkomponenten der Geschwindigkeit,<br />
R den Radius und ζ einen Parameter zur Kennzeichung achsensymetrischer<br />
(ζ = 1) Zustände. Die oberen Indizes v und c dienen als Zeiger zur Kennzeichung von<br />
Ecken bzw. Zentren der Kontrollräume des Rechengitters. Die Formulierung der im<br />
Wandpunkt B, bzw. der dazugehörigen Wandfläche ∆A, wirkenden Randbedingungen<br />
benötigt teilweise die Funktionswerte im Durchstoßpunkt P ′ des Lotes von xc B auf den<br />
Vektor (xc P − xcN ), und den dazugehörige Abstand ∆n des Durchstoßpunktes von der<br />
Wand (vgl. Abbildung 7.6)<br />
Φ(P ′ <br />
r · tp<br />
) = Φ(N)ψ + Φ(P ) (1 − ψ) mit ψ = , (7.7)<br />
s · tp ∆n = n · (x c P − x c B) − Ψ [n · (x c P − x c N)] . (7.8)<br />
Daneben werden im weiteren Verlauf Transformationsbeziehungen für die Koordinaten<br />
von Vektoren und Tensoren benötigt<br />
˜Φi = (˜e i · e k) Φk bzw. ˜ Φij = (˜e i · e k) (˜e j · e m) Φkm . (7.9)<br />
114<br />
R<br />
Us<br />
<br />
.
n tp<br />
Δ y<br />
Δ x<br />
Δs<br />
Y<br />
X<br />
7.2. LOKAL-ORTHOGONALE KOORDINATEN<br />
N<br />
ΔV<br />
P’<br />
¡ ¢¡¢<br />
Δn ¢¡¢ ¡<br />
P<br />
B<br />
ΔA=2R<br />
Δ s<br />
Abbildung 7.6: Lokal-orthogonales Wandkoordinatensystem in 2D Konfigurationen (zellzentrierte<br />
Variablenspeicherung).<br />
Beschränkt man sich auf zweidimensionale Probleme, so empfiehlt sich zur besseren<br />
Unterscheidung ebener und verdrallter Strömungen das < t, n > System durch ein<br />
< t p, n, e z > Dreibein zu ersetzen. Im einzelnen ergeben sich dadurch von (7.9) folgende<br />
Transformationsbeziehungen<br />
Vektorkomponenten Φn = αΦy − βΦx , Φs = αΦx + βΦy ,<br />
Φy = αΦn + βΦs , Φx = αΦs − βΦn . (7.10)<br />
Tensorkomponenten Φss = α 2 Φxx + β 2 Φyy + αβ(Φxy + Φyx) ,<br />
Φsn = α 2 Φxy − β 2 Φyx + αβ(Φyy − Φxx) ,<br />
Φsz = αΦxz + βΦyz ,<br />
Φns = α 2 Φyx − β 2 Φxy + αβ(Φyy − Φxx) ,<br />
Φnn = α 2 Φyy + β 2 Φxx − αβ(Φyx + Φxy) ,<br />
Φnz = αΦyz − βΦxz ,<br />
Φzs = αΦzx + βΦzy ,<br />
Φzn = αΦzy − βΦzx ,<br />
Φxx = α 2 Φss + β 2 Φnn − αβ(Φsn + Φns) ,<br />
Φxy = α 2 Φsn − β 2 Φns + αβ(Φss − Φnn) ,<br />
Φxz = αΦsz − βΦnz ,<br />
115<br />
s<br />
r<br />
Y<br />
X
KAPITEL<br />
Φyx = α 2 Φns − β 2 Φsn + αβ(Φss − Φnn) ,<br />
Φyy = α 2 Φnn + β 2 Φss + αβ(Φns + Φsn) ,<br />
Φyz = αΦnz + βΦsz ,<br />
Φzx = αΦzs − βΦzn ,<br />
Φzy = αΦzn + βΦzs . (7.11)<br />
7.3 Schnittlastbezogene Impuls- und Druckrandbedingungen<br />
Schneidet man das System entlang der Wand frei, dann erhält man die Wandrandbedingungen<br />
der Impulsgleichungen in Gestalt der freigelegten Schnittlasten. Die Schnittlasten<br />
wirken, wie in Abbildung (7.7a) dargestellt, in Form von Schub- (τ w) und Druckkräften<br />
(σ w), und entsprechen im wesentlichen dem diffusiven Impulsstrom in Normalenrichtung<br />
a)<br />
σw<br />
<br />
B<br />
∆V<br />
P’<br />
<br />
D(ρU)<br />
dV = fdV + dA ·<br />
Dt ∆V<br />
∆A<br />
τ − p δ <br />
<br />
Us<br />
τw<br />
U<br />
U<br />
ξ =klein<br />
V<br />
Un<br />
b)<br />
Diffusion<br />
φ =klein<br />
U<br />
. (7.12)<br />
n<br />
Ut τ w<br />
Abbildung 7.7: Bestimmung der Impulsrandbedingung aus Schnittlasten und Veranschaulichung<br />
der Voraussetzung von schwacher Krümmung.<br />
Die Berechnung der Schnittlasten setzt, in Anlehnung an das eingangs betrachtete<br />
Kanalströmungsbeispiel, in der Regel vernachlässigbare Längs- und Querkrümmungseffekte<br />
voraus (Grenzschichttheorie erster Ordnung (Schlichting 1982)). Längskrümmung<br />
–oder ebene Stromlinienkrümmung– tritt prinzipiell immer in Verbindung mit stark anwachsenden<br />
Relativgeschwindigkeitsbeträgen normal zur Wand auf. Diese können beispielsweise<br />
durch signifikante Drucknormalgradienten nicht hydrostatischen Ursprungs<br />
oder extrem schlecht aufgelöste Konturkrümmungen induziert werden (Abbildung 7.7a).<br />
Darüber hinaus seien (dreidimensionale) Querkrümmungseffekte, die eine Abweichung<br />
116
7.3. SCHNITTLASTBEZOGENE IMPULS- UND DRUCKRANDBEDINGUNGEN<br />
des Wandschubspannungswinkels von der Projektion der resultierenden Tangentialgeschwindigkeit<br />
oberhalb der Wand beschreiben, von untergeordneter Bedeutung (Abbildung<br />
7.7b). Letzteres ist bei hinreichend feiner Auflösung des Wandbereichs durch low-<br />
Re Randbedingungen akzeptabel, im Rahmen der Parametrisierung des semi-viskosen<br />
Bereichs durch die Wandfunktionen des high-Re Ansatzes sind Zweifel berechtigt.<br />
Kinematische Zwänge<br />
In Kombination mit der Haftbedingung erlauben die oben angeführten Voraussetzungen<br />
die Formulierung von Zwangsbedingungen für die Relativgeschwindigkeiten im<br />
wandorthogonalen System.<br />
Wandhaftung U (R)<br />
(B) = 0 ,<br />
❀ U (R) (R) (R) (R)<br />
s(B) = U n(B) = W (B) = ρ U (B) · dA = 0 . (7.13)<br />
Krümmungsfreiheit t · ∇ U (B) = 0 n · ∇ U (B) · n = 0 ,<br />
❀<br />
∂Un(B)<br />
∂n<br />
= ∂Us(B)<br />
∂t<br />
= ∂Un(B)<br />
∂t<br />
= ∂W(B)<br />
∂t<br />
= 0 . (7.14)<br />
Man beachte, daß die Stellung der lokal-orthogonalen Basis zwar veränderlich ist, die<br />
Änderungen im Rahmen der Voraussetzungen aber als lokal klein angesehen werden.<br />
Die in Gleichung (7.13) auftretenden Relativgeschwindigkeiten sind durch<br />
U (R)<br />
(B) = U (B) − U wand(B)<br />
(7.15)<br />
definiert. Das durch (7.13) und (7.14) beschriebene Geschwindigkeitsfeld entspricht<br />
dem der ebenen Couette-Strömung.<br />
7.3.1 Druck- und Druckkorrekturgleichung<br />
Die Druckrandbedingung gehört dem eingangs erwähnten Randbedingungstyp A an.<br />
Durch die Vorgabe von Dirichlet-Randbedingungen für die Geschwindigkeiten in Gleichung<br />
(7.13) ist der Druck in inkompressiblen Strömungen nicht mehr frei wählbar. An<br />
der Wand werden daher i.Allg. Neumann-Randbedingungen für die Verträglichkeitsbeziehung<br />
zur Bestimmung des Drucks vereinbart. Der Beitrag der Wandfläche zur<br />
Druckkorrekturbilanz des Knotens P lautet beispielsweise<br />
U (B) = U wand ❀ ∆A (ρ U ′ <br />
∆A<br />
)(B) = − ρ ∇p ′<br />
<br />
= 0 . (7.16)<br />
Die Voraussetzung vernachlässigbarer Krümmungseffekte verlangt in aerodynamischen<br />
Strömungen aus Konsistenzgründen ebenfalls Neumann-Randbedingungen für den Druck<br />
117<br />
Ap<br />
(B)
KAPITEL<br />
bzw. dessen Korrektur<br />
n · ∇p ′<br />
(BP )<br />
= ∂p′<br />
(BP )<br />
∂n<br />
n · ∇p (BP ) = ∂p (BP )<br />
∂n<br />
= 0 , (7.17)<br />
= 0 . (7.18)<br />
Alternativ zu Gleichung (7.18) wird für die Berechnung des Wanddrucks vielfach<br />
n · ∇p (BP ) = ∂p (BP )<br />
∂n = const → p(B)<br />
<br />
= p − ∂p<br />
<br />
∂n (P )<br />
= (p − n · ∇p) (P ) (7.19)<br />
angenommen. Die Aussage (7.19) ist vor allem in Hinblick auf hydrodynamische Probleme,<br />
in denen zusätzlich zu dynamischen auch statische Druckvariationen auftreten,<br />
von Vorteil. Hierdurch ist die Mindestanforderung zur Simulierung hydrodynamischer<br />
Probleme, die Konsistenz zum ruhenden System<br />
f = ∇p = const. ,<br />
gewährleistet. Für aerodynamische Probleme ist diese Vorgehensweise ebenfalls vertretbar,<br />
da nennenswerte wandnormale Druckgradienten erst bei drastischer Stromlinienkrümmung<br />
in Erscheinung treten. Der tatsächlich im Programm implementierte Druck<br />
hängt häufig von der Wahl des Turbulenzmodells ab, worauf im nächsten Abschnitt<br />
kurz eingegangen wird.<br />
Wirbelzähigkeitsmodellierung<br />
Der überwiegende Teil der numerischen Verfahren verwendet zur Turbulenzmodellierung<br />
das Wirbelzähigkeitsprinzip (Boussinesq 1877)<br />
ρuiuj = 2<br />
3 δijρk<br />
<br />
− 2µt Sij − 1<br />
3 Skkδij<br />
<br />
µt := Wirbelzähigkeit = ρcµkTt<br />
Tt = z.B. k<br />
ε<br />
oder<br />
1<br />
cµω ,<br />
(7.20)<br />
dessen isotroper Anteil innerhalb der Impulsbilanz üblicherweise in einen effektiven<br />
Durckterm absorbiert wird<br />
mit p EVM<br />
eff<br />
D(ρU)<br />
Dt<br />
= −∇pEVM<br />
eff<br />
+ ∇ ·<br />
<br />
τ + τ<br />
t<br />
+ f (7.21)<br />
= p + 2<br />
3 (ρk + µt ∇ · U) , τ t = µt (∇ U + U ∇) .<br />
118
7.3. SCHNITTLASTBEZOGENE IMPULS- UND DRUCKRANDBEDINGUNGEN<br />
Die Divergenz des Geschwindigkeitsfelds ist, wie die Dichtevariation, im wandnächsten<br />
Grenzschichtbereich auch bei kompressiblen Strömungen in guter Näherung vernachläßigbar<br />
(im Fall adiabater Wände sogar Null). Die Randbedingung für die den effektiven<br />
Druck bestimmende Gleichung sollte aber in Abstimmung mit dem wandnahen<br />
Verhalten der Turbulenzenergie k formuliert werden. Bei low-Re Randbedingungen ist<br />
∂k/∂n = 0, in Einklang mit Gleichung (7.18), eine asymptotisch korrekte Annahme.<br />
Dies wird durch die Ergebnisse der in Abbildung (7.8) dargestellten direkten numerischen<br />
Simulation einer turbulenten Kanalströmung (Kim et al. 1987) bestätigt. Die<br />
Gültigkeit der Annahme wird häufig auch bei der Überbrückung des semi-viskosen Bereichs<br />
mit Wandfunktionen unterstellt, da die dadurch unterdrückte Diffusion von k<br />
im logarithmischen Bereich vergleichsweise klein ist.<br />
Die Variation des turbulenten Anteils von peff ist darüber hinaus meist wesentlich<br />
kleiner als die des statischen Drucks. Der turbulente Beitrag bereitet folglich keine<br />
Probleme in Bezug auf die Bestimmung des Wanddrucks nach Gleichung (7.19)<br />
∂p EVM<br />
eff(BP )<br />
∂n<br />
= const . (7.22)<br />
Er kann jedoch möglicherweise Konvergenzprobleme erzeugen, vor allem wenn unplausible<br />
Werte auftreten. Abbildung (7.8) verdeutlicht, daß die Verhältnisse im Übergangsbereich<br />
(5 < Y + < 12) deutlich schwieriger werden, was die Zweckmäßigkeit von highoder<br />
low-Re Randbedingungen untermauert.<br />
2.00<br />
1.00<br />
0.00<br />
−1.00<br />
1 10 100<br />
Y +<br />
Dissipation/ε<br />
Produktion/ε<br />
Diffusion/ε<br />
(P+ε+D k )/ε<br />
Re t /200<br />
Abbildung 7.8: direkte numerische Simulation einer turbulenten Kanalströmung (Kim et<br />
al. 1987, Reτ = 395). Zerlegung der Turbulenzenergiebilanz in normierte Einzelterme.<br />
Reynoldspannungsmodellierung<br />
Im Zusammenhang mit Reynoldsspannungs–Turbulenzmodellen ermöglicht das apparent-pressure/viscosity<br />
Prinzip (Obi, Perić und Scheuerer 1991) eine zur Wirbelzähigkeitsmodellierung<br />
analoge Formulierung der Randbedingungen. Im Unterschied zum<br />
119
KAPITEL<br />
Wirbelzähigkeitsmodell setzt sich der effektive Druck hier aus statischem Druck und<br />
vollständigem Normalspannungsanteil zusammen<br />
p RSTM<br />
eff = p + ρ unun . (7.23)<br />
In Anlehnung an die vorstehenden Ausführungen haben sich Neumann–Randbedingungen<br />
für die Verträglichkeitsbeziehung des Drucks (7.17, 7.18) in inkompressiblen Strömun-<br />
gen bewährt. Die Berechnung des Wanddrucks erfolgt analog zu Gleichung (7.19)<br />
p RSTM<br />
<br />
eff(B) = p RSTM<br />
<br />
eff<br />
. (7.24)<br />
− ∂pRSTM eff<br />
∂n<br />
Letzteres begründet sich darauf, daß die Normalspannungskomponente unun in viskosen<br />
Bereichen von vierter Ordnung klein ist und in high-Re Zonen durch die Spannungstransformation<br />
an die Turbulenzenergie gekoppelt ist.<br />
7.3.2 Impulsgleichungen<br />
Die kartesischen Komponenten der Schnittkräfte müssen bei streng konservativer Formulierung<br />
der Impulsgleichungen als äussere Lasten bilanziert werden. Die in den Randflächen<br />
wirkenden Schub- und Druckkräfte lauten (vgl. Abbildung 7.7)<br />
σw = peff(B) ∆A n τ w = −π · n ∆A = − <br />
πsn tp + πnn n + ζ πzn ez ∆A .(7.25)<br />
Eine erste Abschätzung der Komponenten des Wandschubspannungstensors π folgt,<br />
auch im Falle der Reynoldsspannungsmodellierung, aus der formalen Anwendung der<br />
Wirbelzähigkeitshypothese<br />
(P )<br />
π = µw (∇ U + U ∇) (B) . (7.26)<br />
Für undurchlässige, unbewegte Wände ergibt sich wegen der Zwangsbeziehungen (7.14)<br />
im wandorthogonalen System<br />
<br />
<br />
∂Us<br />
∂W<br />
πsn = µw<br />
, πnn = 0 , πzn = µw<br />
. (7.27)<br />
∂n (B)<br />
∂n (B)<br />
Die kartesischen Schnittlastbeiträge (σw + τ w) · ei erhält man aus (7.10), woraus sich<br />
die folgenden Quellterme der Impulsgleichungen ergeben<br />
U(P) : −∆A V(P) : −∆A<br />
<br />
α πsn + β peff(B) ,<br />
<br />
β πsn − α peff(B) ,<br />
W(P) : −∆A [ζ πzn] . (7.28)<br />
Die Geschwindigkeiten folgen damit ebenfalls dem Randbedingungstyp A. Die konkrete<br />
Berechnung der Schubkraftbeiträge zu (7.28) orientiert sich am Typ der zu Grunde<br />
liegenden Wandrandbedingung.<br />
120
7.4 High-Re Randbedingungen<br />
7.4. HIGH-RE RANDBEDINGUNGEN<br />
Die high-Re Hypothese strebt, wie bereits erwähnt, eine Parametrisierung des Strömungsfeldes<br />
mit der Wandschubspannungsgeschwindigkeit an. Hierzu werden zunächst<br />
die Randbedingungen der Geschwindigkeit und daran anschließend die Randbedingungen<br />
verschiedener Turbulenzmodelle skizziert.<br />
7.4.1 Impulsgleichungen<br />
Im Anschluß an die Zwangsbedingungen (7.13, 7.14) ist lediglich der wandnahe Verlauf<br />
der Tangentialgeschwindigkeiten unbekannt. Dieser wird im Rahmen der high-Re<br />
Hypothese mit Hilfe von Wandfunktionen geschlossen. Die Wandfunktionen werden<br />
zumeist als universell angesehen, d.h. Krümmungseffekte werden nicht berücksichtigt.<br />
Sie können bei Bedarf nachträglich z.B. nach Van den Berg (1975) eingebracht werden,<br />
einen ausführlichen Vergleich unterschiedlicher Vorschläge für dreidimensionale Wandfunktionen<br />
führen Ölcmen und Simpson (1992) durch. Die vorausgesetzte Krümmungsfreiheit<br />
(→ Couette-Strömung) mündet letztlich in der Forderung nach Konstanz der<br />
effektiven Schubspannung zwischen B und P ′<br />
τw = τlam + τturb = const. für n < ∆n .<br />
Die Gültigkeit der Wandfunktionen erstreckt sich erfahrungsgemäß jedoch weit über<br />
den Gültigkeitsbereich konstanter Schubspannungen hinaus. Galbraith, Sjolander und<br />
Head (1977) weisen auf die Tauglichkeit von Wandfunktionen in Situationen, in denen<br />
sich die effektive Schubspannung und die Wandschubspannung um einen Faktor vier<br />
unterscheiden, hin. Der allgemein dreidimensionale Fall folgt üblicherweise der zunächst<br />
beschriebenen Vorgehensweise für die planare Strömung. In Bezug auf die Behandlung<br />
verdrallter Strömungen wird daran anschließend eine von Kind, Yowakim und Sjolander<br />
(1989) vorgeschlagene Wandfunktion skizziert.<br />
Planare Strömung<br />
Die resultierende (relative) planare Wandtangentialgeschwindigkeit U (R)<br />
s<br />
nimmt im<br />
Rahmen der high-Re Hypothese einen logarithmischen Verlauf in Wandnormalenrichtung<br />
an, den man als Wandfunktion der Geschwindgkeit bezeichnet<br />
∂U (R)<br />
s<br />
∂n<br />
folgt U (R)<br />
s<br />
= Uτ<br />
κn<br />
= Uτ<br />
κ<br />
mit Y + = Uτ Y<br />
n ,<br />
loge Y + + κB = Uτ<br />
κ<br />
loge(E Y + ) ,<br />
κ = 0.41 , B = 5.2 , E = e κB . (7.29)<br />
Die Implementierung der Wandrandbedingung für die Geschwindigkeiten bedarf nach<br />
Gleichung (7.28) der Bestimmung einer effektiven planaren Schubspannungskompo-<br />
121
KAPITEL<br />
nente πsn. Dies geschieht üblicherweise mit Hilfe der planaren Wandschubspannungsgeschwindigkeit<br />
Uτ<br />
πsn = ρU 2 τ = Uτ<br />
<br />
κ ρ U (R)<br />
s<br />
log e (E Y + )<br />
<br />
(P ′ )<br />
πsn = τw := |τ w| . (7.30)<br />
Die verbleibende Abhängigkeit von Uτ mit Hilfe der Parametrisierung des Turbulenzfelds<br />
aufgelöst.<br />
Die angenommene Konstanz der effektiven Schubspannungen zwischen turbulentem<br />
und semi-viskosem Bereich liefert für das ins Auge gefasste Strömungsbeispiel unmittelbar<br />
− (ρ unus)(P ′ ) = τw = ρ(P ′ )U 2 τ ❀ Uτ 2 = τw/ρ = |usun|(P ′ ) . (7.31)<br />
Der Wertebereich der Reynolds’schen Schubspannung unterliegt keiner einfachen Restriktion.<br />
Er ist i.Allg. proportional zur Distorsionsgeschwindigkeitskomponente Ssn<br />
(7.20) und kann dadurch im Bereich von Strömungsablösung, nach entsprechendem<br />
Nulldurchgang, sogar das Vorzeichen wechseln. Für die Modellbildung ist eine stets<br />
positive Größe aus dem Variablensatz von Vorteil. In einem zweiten Schritt wird hierzu<br />
ein Zusammenhang zwischen der Turbulenzenergie und der Reynolds’schen Schubspannung<br />
postuliert<br />
k(P ′ ) = |uv|(P ′ )<br />
√<br />
cµ<br />
❀ Uτ = c 0.25<br />
µ<br />
<br />
k(P ′ ) . (7.32)<br />
Die Proportionalitätskonstante cµ wird im Zusammenhang mit Wibelzähigkeitsmodellen<br />
üblicherweise als das Quadrat des Anisotropiefaktors angesehen<br />
c EVM<br />
µ<br />
= 0.09 ≈ (u1u2) 2 + (u2u3) 2 + (u1u3) 2<br />
k 2 . (7.33)<br />
Die Annahme, es handele sich bei dieser Relation um eine universelle Konstante, ist<br />
zweifelsfrei falsch (Rung 1998b), für die Formulierung von high-Re Randbedingungen<br />
aber zweckmäßig. Der Vergleich mit Abbildung (7.3) empfielt zur Gewährleistung einer<br />
ausreichenden Gültigkeit den wandnächsten Knoten im Bereich von Y + ≈ 60 zu wählen<br />
πsn =<br />
c 0.25<br />
µ<br />
κ √ k ρ U (R)<br />
s<br />
log e (E Y + )<br />
<br />
(P ′ )<br />
mit U (R)<br />
s(P ′ ) ≈ Us(P ′ ) − Us(B) . (7.34)<br />
Aufgeteilt nach expliziten und impliziten Beiträgen ergeben sich die kartesischen Last-<br />
122
terme aus (7.10, 7.28, 7.34) für das Randkontrollvolumen zu<br />
U(P) : −<br />
⎡ √<br />
0.25 κ c<br />
∆A ⎣α<br />
µ k ρ<br />
loge(E Y + <br />
)<br />
V(P) : − ∆A<br />
mit θHR =<br />
(P ′ )<br />
− ∆A α 2 θHR (1 − ψ) U(P )<br />
<br />
implizit<br />
Us(P ′ ) − Us(B)<br />
<br />
+ ∆A α θHR βV(B) − βV(P ′ <br />
) + αU(B) − αψU(N)<br />
<br />
explizit<br />
− ∆A β peff(B) ,<br />
<br />
explizit<br />
⎡ √<br />
0.25 ρ κ c<br />
⎣β<br />
µ k<br />
loge(E Y + <br />
)<br />
(P ′ )<br />
− ∆A β 2 θHR (1 − ψ) V(P )<br />
<br />
implizit<br />
Us(P ′ ) − Us(B)<br />
<br />
+ ∆A β θHR αU(B) − αU(P ′ <br />
) + βV(B) − βψV(N)<br />
<br />
explizit<br />
+ ∆A α peff(B) ,<br />
<br />
explizit<br />
√<br />
0.25 κ cµ k ρ<br />
loge(E Y + <br />
)<br />
(P ′ )<br />
Y +<br />
(P ′ ) =<br />
7.4. HIGH-RE RANDBEDINGUNGEN<br />
∆n c 0.25<br />
µ<br />
⎤<br />
<br />
+ β peff(B) ⎦ =<br />
⎤<br />
<br />
− α peff(B) ⎦ =<br />
µ<br />
√ <br />
k ρ<br />
c EVM<br />
µ = 0.09 , κ = 0.41 , E = 8.432 . (7.35)<br />
Verdrallte Strömung<br />
Im Zusammenhang mit verdrallten Strömungen schlagen Kind et al. (1989) vor, die<br />
Wandfunktionen nach planarem und azimutalem Anteil zu unterscheiden. Mit Hilfe<br />
der Definition individueller Wandschubspannungsgeschwindigkeiten<br />
U ∗ τ<br />
Y +<br />
U<br />
= U 2 τ<br />
Qτ , W ∗ τ = W 2 τ<br />
Qτ<br />
= U ∗ τ<br />
κn<br />
, Y +<br />
W = W ∗ τ<br />
κn ,<br />
mit Uτ = πsn/ρ , Wτ = πzn/ρ ,<br />
,<br />
(P ′ )<br />
Qτ = τw/ρ , τw = π 2 sn + π 2 zn , (7.36)<br />
123<br />
,
KAPITEL<br />
lassen sich wiederum logarithmische Wandfunktionen für die beiden Tangentialgeschwindigkeiten<br />
definieren<br />
n ∂<br />
<br />
∂n<br />
∂U (R)<br />
s<br />
∂n<br />
<br />
W (R)<br />
s<br />
n<br />
= U ∗ τ<br />
κn<br />
= W ∗ τ<br />
κn<br />
, ❀ U (R)<br />
s<br />
, ❀ W (R)<br />
s<br />
= U ∗ τ<br />
κ<br />
= Ψw W ∗ τ<br />
κ<br />
loge(E Y +<br />
U ) ,<br />
loge(E Y +<br />
W /Ψw) .(7.37)<br />
Zur Gewährleistung des logarithmischen Wandgesetzes (7.37) für die Azimutalkomponente<br />
wird die Funktion Ψw wie folgt erklärt (Abbildung 7.9)<br />
Aussenwand : Ψwa = 1 + n/rw Innenwand : Ψwi = 1 − n/rw . (7.38)<br />
Hieraus ergibt sich analog zu (7.30) unmittelbar die Definition der Wandschubspannungskomponenten<br />
πsn = (ρκQτ)<br />
∂U (R)<br />
s<br />
∂n<br />
∗2<br />
= ρUτ , πzn = (ρκQτ) n ∂<br />
<br />
W<br />
∂n<br />
(R)<br />
<br />
s<br />
= ρW<br />
n<br />
∗2<br />
τ . (7.39)<br />
Die Umsetzung der Randbedingungen geschieht analog zu den vorstehend diskutierten<br />
planaren Anwendungen. Wegen (7.37) erhält man von (7.39, 7.34)<br />
πsn = ρQτ<br />
πzn = ρQτ<br />
2 Uτ<br />
Qτ<br />
2 Wτ<br />
Qτ<br />
κ U (R)<br />
s<br />
+ =<br />
loge E Y U<br />
Ψw log e<br />
κ W (R)<br />
s<br />
<br />
ΨwE Y + =<br />
W<br />
Uτ<br />
Qτ<br />
√ <br />
2 0.25<br />
(R)<br />
κ cµ k ρ U s<br />
+<br />
loge E Y U<br />
Wτ<br />
Qτ<br />
2 κ c 0.25<br />
µ<br />
Ψw log e<br />
(P ′ )<br />
√ (R)<br />
k ρ W s<br />
<br />
ΨwE Y +<br />
<br />
<br />
W<br />
,<br />
(P ′ )<br />
.<br />
(7.40)<br />
Setzt man die zuletzt notierten Beziehungen in die Gleichungen (7.28) ein, dann notieren<br />
sich die Impulsrandbedingungen analog zu (7.35).<br />
Innenwand<br />
r<br />
n<br />
n<br />
r<br />
Aussenwand<br />
Abbildung 7.9: Illustration von Aussen- und Innenwand .<br />
124
7.4.2 Parameter der Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
7.4. HIGH-RE RANDBEDINGUNGEN<br />
Turbulenzenergie k<br />
Die Randbedingungen für die Turbulenzenergie entsprechen dem Randbedingungstyp<br />
A, d.h. die wandnächsten Werte folgen aus der Integration der Transportgleichung.<br />
Im Unterschied zu den Impuls und Druckbilanzen werden im wandnächsten Bereich<br />
zusätzlich die Quellterme manipuliert.<br />
Bei der Formulierung der Druckrandbedingungen in Abschnitt 2.2.1 wurde bereits von<br />
der Neumann-Randbedingung für die Turbulenzenergiegleichung Gebrauch gemacht<br />
<br />
∂k<br />
= 0 und k(B) = k(P ) . (7.41)<br />
∂n<br />
(BP ′ )<br />
Die Turbulenzenergie war darüber hinaus in Gleichung (7.32) an die Wandschubspannungsgeschwindigkeit<br />
gekoppelt worden. Diese Beziehung wird im Rahmen der Transportgleichung<br />
für k nur mittelbar, zur Manipulation der Produktion und Dissipationsterme,<br />
verwendet. Die Güte beider Annahmen läßt sich mit Hilfe der Abbildungen (7.3)<br />
und (7.8) beurteilen.<br />
Für die zur Formulierung der Randbedingung betrachtete Couette-Strömung lautet die<br />
Definition der Turbulenzenergieproduktion<br />
P = − (utun) ∂Ut<br />
∂n<br />
❀ (ρ P )(P ) = τw<br />
= τw<br />
ρ<br />
Qτ<br />
κn ,<br />
√ <br />
0.25 k cµ κ∆n<br />
(P )<br />
, (7.42)<br />
wobei τw aus (7.31) bzw. (7.36) folgt. Ergänzend zur Neumann-Randbedingung (7.41)<br />
und der Manipulation des Produktionsterms (7.42) wird in der wandnächsten Gitterzelle<br />
der Vernichtungsterm (zumeist ε oder ω) in der unten dargestellten Weise fixiert.<br />
Dissipationsrate ε<br />
Die Randbedingungen für die Dissipationsrate entspricht dem Randbedingungstyp B,<br />
d.h. die wandnächsten Werte sind durch physikalische Zwänge festgelegt.<br />
Das logarithmische Wandgesetzes basiert auf der Hypothese des lokalen Gleichgewichts<br />
von Produktion und Dissipation in der wandnächsten Gitterzelle (vgl. Abbildung 7.8).<br />
Die Anwendung der Couette-Strömungsbedingung (7.14) und (7.41) auf die Transportgleichung<br />
der Turbulenzenergie bestätigt die Gleichgewichtshypothese<br />
0 = P − ε<br />
unmittelbar, da sämtliche Transportterme verschwinden. Die Konsistenz zu den Modellgleichungen<br />
ist natürlich kein Beweis für die Existenz des lokalen Gleichgewichts,<br />
aber notwendige Voraussetzung für die Tauglichkeit der Randbedingung.<br />
125
KAPITEL<br />
Ersetzt man in (7.42) den Betrag der Wandschubspannung τw durch die Beziehungen<br />
(7.32) bzw. (7.36), dann ergibt sich eine Dirichlet-Randbedingung für den wandnächsten<br />
Feldknoten<br />
τw = ρQ 2 τ = ρ √ cµk ❀ ε(P ) (= P(P )) =<br />
<br />
0.75 cµ k3/2 <br />
κ∆n<br />
(P )<br />
. (7.43)<br />
In Zusammenhang mit (7.43) ist der Wandwert von ε für das Ergebnis der Simulation<br />
ohne Bedeutung, was explizt sichergestellt werden muß. Aus kosmentischen Gründen<br />
ergänzt man in der Regel<br />
ε(B) = ε(P ) . (7.44)<br />
Setzt man die wandnahen Werte der Dissipationsrate (7.43) und Turbulenzenergie<br />
(7.32) in die Definition der Wirbelzähigkeit (7.20) des k − ɛ Modells ein, so findet<br />
sich<br />
<br />
ρ cµ k<br />
µw = µt =<br />
2 <br />
= κ∆n ρ Qτ . (7.45)<br />
ε<br />
Letzteres ist ein Indiz für die Zerlegbarkeit der turbulenten Zähigkeit in ein charakteristisches<br />
Längenmaß Lt und ein charakteristisches Geschwindigkeitsmaß Vt im Rahmen<br />
des logarithmischen Wandgesetzes<br />
(P )<br />
µt = ρ Lt Vt = ρ κn Qτ , mit Lt = κn und Vt = Qτ . (7.46)<br />
Spezifische Dissipationsrate ω nach Wilcox<br />
Der Transfer zwischen der Dissipationsrate ε und der spezifischen Dissipatonsrate ω<br />
nach Wilcox (1988) resultiert aus den unterschiedlichen Definitionen der turbulenten<br />
Zähigkeit für das k − ε bzw. das k − ω Modell<br />
µt = ρ k<br />
ω = ρ cµ k2 ε<br />
<br />
ε<br />
❀ ω(P ) =<br />
cµ k<br />
<br />
(P )<br />
1/2 k<br />
=<br />
κ ∆n<br />
c 0.25<br />
µ<br />
(P )<br />
. (7.47)<br />
Da sich die Beziehung (7.47) wiederum auf den wandnächsten Punkt bezieht, ist auch<br />
der Wandwert von ω ohne Bedeutung und darf im Lösungsalgorithmus keine Berücksichtigung<br />
finden. Der Vollständigkeit halber ergänzt man analog zu (7.44)<br />
ω(B) = ω(P ) . (7.48)<br />
Die Randbedingungen für die spezifische Dissipationsrate entspricht dem Randbedingungstyp<br />
B.<br />
126
Spalart-Allmaras Modell<br />
7.4. HIGH-RE RANDBEDINGUNGEN<br />
Das Turbulenzmodell von Spalart und Allmaras (1992) ist im Ursprung ein low-Re<br />
Modell. Auf seine Erweiterung für high-Re Bereiche wird erst im Abschnitt ????????<br />
eingegangen.<br />
7.4.3 Reynoldspannungen<br />
Die wandnahen Werte der Reynoldsspannungen lassen sich im Wandkoordinatensystem<br />
nach Lien und Leschziner (1994) aus einer für 2D Couetteströmungen bzw. Gleichgewichtsgrenzschichten<br />
vereinfachten Form der Transportgleichungen des Reynoldspannungsmodells,<br />
in denen Transportterme vernachlässigbar sind, ableiten<br />
Pij + Φij − 2<br />
3 ε δij = 0<br />
∂Uj<br />
mit ε = P , P = 0.5Pkk , Pij = uiuk<br />
∂xk<br />
∂Ui<br />
+ ujuk<br />
∂xk<br />
. (7.49)<br />
Φij bezeichnet den Tensor der Druck-Scherkorrelationen, welcher die Umverteilung von<br />
Turbulenzenergie zwischen einzelnen Spannungsanteilen beschreibt. Für lineare Druck-<br />
Scherkorrelationsmodelle Φij läßt sich die Gleichung (7.49), beginnend mit unun, für<br />
sämtliche Reynoldspannungskomponenten des wandorthogonalen Systems sukzessive<br />
lösen. Für das Beispiel des IP-Modells von Gibson und Launder (1978)<br />
Φij = Φ 1 ij + Φ 2 ij + Φ 1W<br />
ij + Φ 2W<br />
ij<br />
Φ 1 <br />
uiuj<br />
ij = −C1ε<br />
k<br />
Φ 2 ij = −C2<br />
<br />
2<br />
−<br />
3 δij<br />
<br />
Pij − 2<br />
<br />
P δij<br />
3<br />
Φ 1W ε<br />
ij = C1W<br />
k (ukumnknmδij − 1.5(uiumnjnm + ukujnkni)) fwall<br />
Φ 2W 22<br />
ij = C2W Φkmnknmδij − 1.5(Φ 22<br />
imnjnm + Φ 22<br />
kjnkni) fwall<br />
mit : C1 = 1.8 , C2 = 0.6 , C1W = 0.5 , C2W = 0.3 (7.50)<br />
127
KAPITEL<br />
ergibt sich, unter Verwendung der kinematischen Vereinfachungen (7.14) und fwall ≈ 1,<br />
eine Randbedingung vom Typ B<br />
unun<br />
k<br />
<br />
(P )<br />
<br />
usus<br />
k (P )<br />
<br />
uzuz<br />
k (P )<br />
<br />
|usun|<br />
k<br />
(P )<br />
mit : φ =<br />
= 2<br />
3<br />
<br />
1 − φ − 2a<br />
1 + 2b<br />
= 2<br />
<br />
(1 + 2φ + a) +<br />
3<br />
= 2<br />
<br />
(1 − φ + a) +<br />
3<br />
= −<br />
<br />
C1<br />
2φ + 3a<br />
2 + 3b<br />
<br />
b (1 − φ − 2a)<br />
1 + 2b<br />
<br />
b (1 − φ − 2a)<br />
1 + 2b<br />
<br />
2 (1 − φ − 2a)<br />
3(1 + 2b)<br />
1 − C2<br />
, a = C2C2W<br />
, b = C1W<br />
. (7.51)<br />
Die oben entwickelte Randbedingung (7.51) für die Komponenten des Reynoldspannungstensors<br />
birgt naturgemäß sämtliche Vor- und Nachteile des zu Grunde liegenden<br />
Druck-Scherkorrelationsmodells in sich. Ein oft zitierter Kritikpunkt ist die symmetrische<br />
Wandlung wandnormaler Energiebeiträge unun in Tangentialanteile uzuz und<br />
usus. Dies steht im Widerspruch zu experimentellen Befunden, welche eine bevorzugte<br />
Speisung der Hauptströmungskomponente usus wiedergeben. Von den in (7.51) auftretenden<br />
freien Parametern ist i.Allg. nur der Parameter φ ≈ 0.23 bei linearen Modellen<br />
näherungsweise konstant. Die unten notierten Zahlenwerte werden trotzdem auch im<br />
Zusammenhang mit komplexeren Druck-Scherkorrelationsmodellen, z.B. Speziale, Sarkar<br />
und Gatski (1991) oder Fu, Launder und Tselepidakis (1987), verwendet<br />
unun<br />
k<br />
<br />
(P )<br />
<br />
uzuz<br />
k (P )<br />
= 0.25<br />
= 0.65<br />
C1<br />
<br />
usus<br />
= 1.10<br />
k (P )<br />
<br />
|usun|<br />
k<br />
(P )<br />
C1<br />
= 0.256 , (7.52)<br />
im Falle von Konvergenzproblemen empfiehlt sich eine Konsistenzprüfung. Das Vorzeichen<br />
der Schubspannungskomponente usun richtet sich, in Anlehnung an das Wirbelzähigkeitsprinzip<br />
(7.20), nach dem Vorzeichen des Tangentialgeschwindigkeitsgradienten<br />
usun · ∂Us<br />
∂n = usun · Us(P ) − Us(B)<br />
∆n<br />
128<br />
≤ 0 (7.53)
7.5. LOW-RE RANDBEDINGUNGEN<br />
Auffällig ist der im Vergleich zum EVM (7.32) und (7.33) niedrigere Anisotropieparameter<br />
c RSTM<br />
µ = (0.256) 2 = 0.0655 . (7.54)<br />
Dieser offenbart deutlich die Kalibirierung der RSTM für freie Scherschichten (z.B.<br />
ebene Freistrahlen), in denen man typischerweise 25-30% niedrigere Werte des Anisotropieparameters<br />
findet. Vielfach werden bei der Verwendung des Reynoldspannungsmodells<br />
daher auch die oben auftretenden Potenzen von cµ entsprechend (7.54) angepaßt.<br />
Die kartesischen Komponenten des Reynoldsspannungtensors erhält man nach<br />
Transformation mittels (7.11).<br />
U +<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
10 0<br />
Re δ =48460<br />
10 1<br />
10 2<br />
Y +<br />
SSG−RSTM<br />
GL −RSTM<br />
FLT−RSTM<br />
10 3<br />
k +<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
k−ε Modell<br />
k−ω Modell<br />
0<br />
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />
Y/δ<br />
uv +<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
DNS Kim et. al (Re δ =7700)<br />
0.0<br />
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />
Abbildung 7.10: Simulation einer voll-entwickelten turbulenten Kanalströmung mit high-<br />
Re Randbedingungen. Vergleich zwischen unterschiedlichen Wirbelzähigkeits- (k − ε, k − ω)<br />
und Reynolds-Spannungsmodellen (GL: Gibson und Launder (1978), SSG: Speziale et al.<br />
(1991), FLT: Fu et al. (1987)).<br />
7.5 Low-Re Randbedingungen<br />
Die Definition des low-Re Bereichs schwacher Turbulenzintensität wird häufig an einen<br />
Schwellwert für die Turbulenz-Reynoldszahl Ret gekoppelt (vgl. Abbildung 7.8)<br />
Ret := k2<br />
<br />
=<br />
ν ε<br />
k<br />
<br />
=<br />
cµ ν ω<br />
k+2<br />
≤ 100 . (7.55)<br />
ε +<br />
Low-Re Techniken erlauben die Vorgabe von ’natürlichen’, viskosen Randbedingungen<br />
für die Transportgleichungen. Die Formulierung natürlicher Randbedingungen ist vielfach<br />
einfacher als die Formulierung von wandfunktionsgestützten Randbedingungen.<br />
Aus strukturellen Gründen empfiehlt sich jedoch die oben entwickelte Formulierungstechnik<br />
prinzipiell beizubehalten und lediglich spezifische Werte zu modifizieren. Die<br />
Aussagen beschränken sich im Folgenden auf inkompressible, ebene oder allgemein<br />
dreidimensionale Konfigurationen. Analoge Beziehungen ergeben sich für verdrallte<br />
Strömungsfälle.<br />
129<br />
Y/δ
KAPITEL<br />
7.5.1 Impulsgleichungen<br />
Die mittlere Tangentialgeschwindigkeit verläuft in der viskosen Unterschicht linear zum<br />
Wandabstand<br />
U + s = Y +<br />
❀ Us = U 2 τ n<br />
. (7.56)<br />
ν<br />
Der einzige Unterschied zur wandfunktionsbasierten Formulierung der Randbedingungen<br />
liegt in der Berechnung der Wandschubspannung. Diese ergibt sich im low-Re Fall<br />
aus dem Newton’schen Schubspannungsansatz<br />
πsn = τw := |τ w| = ρU 2 τ = µ ∂Us<br />
∂n = µ Us(P ′ ) − Us(B)<br />
.<br />
∆n<br />
(7.57)<br />
Die kartesischen Lasten für die Randkontrollvolumina erhält man durch Kombination<br />
von (7.10, 7.28, 7.57). Aufgeteilt nach expliziten und impliziten Beiträgen notiert man,<br />
analog zur Gleichung (7.35)<br />
U(P) : −<br />
<br />
∆A α µ <br />
Us(P<br />
∆n<br />
′ <br />
) − Us(B) + β peff(B) =<br />
V(P) : − ∆A<br />
mit θLR = µ<br />
∆n<br />
− ∆A α 2 θLR (1 − ψ) U(P )<br />
<br />
implizit<br />
<br />
+ ∆A α θLR βV(B) − βV(P ′ <br />
) + αU(B) − αψU(N)<br />
<br />
explizit<br />
− ∆A β peff(B) ,<br />
<br />
explizit<br />
<br />
β µ <br />
Us(P<br />
∆n<br />
′ <br />
) − Us(B) − α peff(B)<br />
− ∆A β 2 θLR (1 − ψ) V(P )<br />
<br />
implizit<br />
<br />
+ ∆A β θLR αU(B) − αU(P ′ <br />
) + βV(B) − βψV(N)<br />
<br />
explizit<br />
+ ∆A α peff(B) ,<br />
<br />
explizit<br />
Y +<br />
(P ′ ) =<br />
∆n c 0.25<br />
µ<br />
µ<br />
√ <br />
k ρ<br />
(P ′ )<br />
=<br />
≤ 5 ,<br />
c EVM<br />
µ = 0.09 , κ = 0.41 , E = 8.432 . (7.58)<br />
130
7.5.2 Parameter der Wirbelzähigkeitsmodelle<br />
7.5. LOW-RE RANDBEDINGUNGEN<br />
Für low-Re Formulierungen spielt das asymptotische Verhalten der Turbulenzvariablen<br />
für n → 0 eine entscheidende Rolle. Den low-Re Randbedingungen der Turbulenzvariablen<br />
wird daher eine kurze Erläuterung ihres asymptotischen Verhaltens vorangestellt.<br />
Asymptotisches wandnahes Verhalten<br />
Aus der Wandhaftbedingung (7.13) und (7.14) schließt man für die Schwankungsgeschwindigkeiten<br />
einer im Mittel zweidimensionalen Grundströmung<br />
<br />
∂us <br />
=<br />
∂t<br />
∂uz<br />
<br />
<br />
= 0 , (7.59)<br />
∂z<br />
n=0<br />
und weiter aus der Kontinuitätsbeziehung für inkompressible Medien<br />
∇ · u = 0 ❀<br />
<br />
∂un <br />
<br />
∂n<br />
= 0 . (7.60)<br />
Die Entwicklung der wandnahen Fluktuationen in Potenzen des Wandabstands lautet<br />
somit<br />
n=0<br />
n=0<br />
us = a1n + a2n 2 + a3n 3 + ...<br />
un = b2n 2 + b3n 3 + ...<br />
uz = c1n + c2n 2 + c3n 3 + ... , (7.61)<br />
weswegen sich die Reynoldsspannungen wie folgt darstellen lassen<br />
u 2 s = a 2 1n 2 + 2a1a2n 3 + (a 2 2 + 2a1a2)n 4 + ...<br />
u 2 n = b 2 2n 4 + ...<br />
u 2 z = c 2 1n 2 + 2c1c2n 3 + (c 2 2 + 2c1c2)n 4 + ...<br />
−usun = a1b2n 3 + (a2b2 + a1b3)n 4 + ... . (7.62)<br />
Für die Turbulenzenergie egibt sich in wandnähe ein quadratischer Anstieg<br />
k = 1<br />
2 (a2 1 + c 2 1)n 2 + 1<br />
2 (a1a2 + c1c2)n 3 + ... . (7.63)<br />
Die Koeffizienten der führenden Reihenglieder lassen sich z.B. durch Vergleich mit<br />
den bereits mehrfach zitierten Daten der direkten numerischen Simulation einer vollentwickelten<br />
Kanalströmung (Kim et al. 1987) ermitteln (Abbildung 7.11). Die auf<br />
diesem Wege gewonnenen Koeffizienten sind in Tabelle 7.1 zusammengetragen. Man<br />
beachte, daß sich die Summe der führenden Normalspannungskoeffizienten in sehr guter<br />
Übereinstimmung mit dem führenden Koeffizient der Turbulenzenergie befindet,<br />
der Vergleich zwischen a 2 1 b 2 2 und dem führenden Schubspannungskoeffizienten a1b2<br />
demgegenüber deutliche Inkonsistenzen aufweist.<br />
131
KAPITEL<br />
Tabelle 7.1: Koeffizienten der asymptotischen Entwicklung (7.62) durch<br />
Auswertung der DNS Ergebnisse für die Kanalströmung nach Abbildung<br />
(7.11).<br />
a 2 1 b 2 2 c 2 1 a1b2 0.5(a 2 1 + c 2 1)<br />
1.5 · 10 −1 9.5 · 10 −5 4.9 · 10 −2 9.0 · 10 −4 1.0 · 10 −1<br />
ε +<br />
10 2 |uv| +<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
ε + =0.199<br />
|uv| +<br />
=9*10 −4<br />
Y +3<br />
Y +<br />
10 0<br />
10 0<br />
k +<br />
u 2+<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
k + =0.1 Y +2<br />
u 2+<br />
=0.15 Y +2<br />
Y +<br />
10 0<br />
10 0<br />
w 2+<br />
10 3 v 2+<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
w 2+ =0.049 Y +2<br />
v 2+<br />
=9.5*10 −5<br />
Y +4<br />
Abbildung 7.11: Asymptotisches Verhalten normierter statistischer Turbulenzvariablen<br />
aus direkter numerischer Simulation (Kim et al. 1987) einer turbulenten Kanalströmung<br />
(Reτ =395).<br />
Zwei der drei Hauptdiagonalenelemente des Dissipationstensors εij besitzen einen endlichen<br />
Wandwert, wohingegen die Nebendiagonalenelemente einen in n linearen Wert<br />
besitzen (vgl. Abbildung 7.11)<br />
<br />
∂ui ∂uj<br />
εij := = 2ν<br />
∂xk ∂xk<br />
❀ εss = 2ν a 2 1 , εnn = 0 , εzz = 2ν c 2 1 , aber z.B. εsn = 4ν a1b2n .<br />
Y +<br />
10 0<br />
10 0<br />
(7.64)<br />
Abbildung (7.11) verdeutlicht, daß eine Abschätzung der Turbulenzterme durch die<br />
führenden Glieder der Reihenentwicklung im Bereich von Y + ≤ 2 − 3 zulässig ist.<br />
132
7.5. LOW-RE RANDBEDINGUNGEN<br />
k − ε Modell<br />
Die einfachste Randbedingung für die Turbulenzenergiegleichung ist sicherlich die Dirichlet-Bedingung<br />
k(B) = 0 , (7.65)<br />
die unmittelbar aus der Wandhaftbedingung folgt. Zur Gewährleistung der strukturellen<br />
Konsistenz von high-Re und low-Re Randbedingungen wird die asymptotisch<br />
richtige Neumann-Beziehung (7.41) empfohlen<br />
<br />
∂k<br />
= 0 , (7.66)<br />
∂n<br />
(BP ′ )<br />
die formal k(B) = k(P ) impliziert. Der Unterschied zwischen (7.65) und (7.66) beschränkt<br />
sich mangels konvektiver Wandflüsse auf die Berücksichtigung der molekularen<br />
Diffusion. Der Wandwert k(B) ist daher in Verbindung mit (7.66) ohne Bedeutung<br />
und kann zu Null gesetzt werden. Die Variante (7.66) besitzt, wie Abbildung (7.12)<br />
zeigt, aufgrund ihrer höheren Toleranz für unzureichend aufgelöste low-Re Bereiche<br />
Vorteile gegenüber der Dirichlet-Randbedingung (7.65).<br />
U +<br />
20.0<br />
10.0<br />
0.0<br />
k−ω Dirichlet−Randbedingung<br />
k−ω Neumann−Randbedingung<br />
k−ε Dirichlet−Randbedingung<br />
k−ε Neumann−Randbedingung<br />
Re δ =177750<br />
Re τ = 6400<br />
0 1 10 100 1000<br />
Y +<br />
Abbildung 7.12: Einfluß der Wandrandbedingung für die Turbulenzenergie auf die<br />
mittleren Geschwindigkeitsprofile einer vollentwickelten Kanalströmung bei unzureichender<br />
Auflösung des low-Re Bereichs.<br />
Für die isotrope Dissipationsrate ε ergibt sich aus der asymptotischen Entwicklung<br />
(7.64) ein von Null verschiedener Wandwert<br />
εw = 1<br />
2 (εss<br />
<br />
∂<br />
+ εnn + εzz)w = 2ν<br />
√ 2 2<br />
kw ∂ kw<br />
= ν<br />
∂n<br />
∂n2 <br />
. (7.67)<br />
133
KAPITEL<br />
Anstelle der Beziehung (7.67) wird zumeist die asymptotisch korrekte Randbedingung<br />
für den ersten Feldpunkt der Dissipationsrate favorisiert<br />
<br />
ε(P ) = 2ν k<br />
∆n2 <br />
. (7.68)<br />
Gleichung (7.68) vermeidet numerisch ungünstige Gradientenoperationen, und ist gegenüber<br />
alternativen Vorschlägen in (7.67) wegen der strukturellen Analogie zur high-<br />
Re Randbedingung (7.43) von Vorteil. Der Wandwert der Dissipationsrate ist für die<br />
numerische Integration bedeutungslos (was zu gewährleisten ist!), und kann in Einklang<br />
mit der asymptotischen Entwicklung dem benachbarten Feldwert gleichgesetzt<br />
werden.<br />
In Anlehnung an die unter 2.3.2 gemachten Bemerkungen soll auch für das k − ε Modell<br />
die Konsistenz der Modellgleichungen zu den Randbedingungen überprüft werden.<br />
Mit Hilfe der asymptotischen Entwicklung (7.62) sowie der Geschwindigkeitsbeziehung<br />
(7.56) lassen sich die einzelnen Terme in dem betrachteten Couette-Strömungsbeispiel<br />
nach ihrer Größenordnung in der viskosen Unterschicht abschätzen<br />
D k<br />
Dt<br />
= P − ε − Diffk<br />
mit<br />
(P )<br />
D k<br />
Dt<br />
= 0 . (7.69)<br />
Die Beiträge der Turbulenzenergieproduktion P = usun ∂Us/∂n sind nach (7.62) von<br />
dritter Ordnung, diejenigen aus turbulenter Diffusion Diffk = (cµ k 2 /ε ∂k/∂n),n von<br />
vierter Ordnung klein. Im allgemeinen geht man daher vom Gleichgewicht zwischen<br />
molekular-diffusiven und dissipativen Termen der Turbulenzenenergiegleichung aus<br />
0 = ν ∂2k − ε . (7.70)<br />
∂n2 Dies steht in Einklang mit den oben genannten Randbedingungen und wird auch durch<br />
die in Abbildung (7.8) gezeigten Resultate belegt.<br />
Eine Abschätzung einzelner Terme der Basisgleichung der Dissipationsrate verdeutlicht<br />
die Problematik von einfachen k − ε Formulierungen im low-Re Bereich<br />
D ε<br />
Dt = 0 = Pε − Dissε + Diffε ,<br />
Pε ∼ ε<br />
k P ∼ n , Dissε ∼ ε2<br />
k ∼ n−2 , Diffε ≈ 0 . (7.71)<br />
Gleichung (7.71) läßt sich ohne low-Re Modifikation nicht lösen. Um das Gleichgewicht<br />
wieder herzustellen wird im semi-viskosen Bereich entweder ein zusätzlicher<br />
Produktions- bzw. Quellterm (z.B. Lien und Leschziner (1993)), oder aber eine Reduktion<br />
des Vernichtungsterms (ε → ε − εw) durch entsprechende low-Re Funktionen<br />
eingebracht (z.B. Jones und Launder (1972), Chien (1982), Jakirlić (1997)).<br />
134
U +<br />
k +<br />
25.0<br />
20.0<br />
15.0<br />
10.0<br />
5.0<br />
0.0<br />
5.0<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
10 0<br />
10 0<br />
DNS Kim et al. (1987)<br />
LEA k−ε<br />
LL k−ε<br />
10 1<br />
10 1<br />
numerical mesh<br />
Re δ =7700<br />
Re τ =395<br />
Y +<br />
10 2<br />
10 2<br />
|uv| +<br />
ε +<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
0.20<br />
0.15<br />
0.10<br />
0.05<br />
0.00<br />
10 0<br />
10 0<br />
7.5. LOW-RE RANDBEDINGUNGEN<br />
Abbildung 7.13: Simulation einer voll-entwickelten turbulenten Kanalströmung: Ergebnisse<br />
zweier linearer k − ε Modelle bei Verwendung der oben skizzierten low-Re Randbedingung<br />
(LL k − ε: Lien et al. 1993, LEA k − ε: siehe Anhang Glg. ??).<br />
k − ω Modell<br />
Die low-Re Randbedingung der Turbulenzenergiegleichung orientiert sich an den Gesetzmäßigkeiten<br />
des k − ε Modells. Dabei wird aus Konsistenzgründen und wegen der<br />
höheren Gittertoleranz wiederum eine Neumann-Randbedingung (7.66) bevorzugt. Der<br />
Wandwert der spezifischen Dissipationsrate<br />
ω = ε<br />
cµk<br />
wird aufgrund der Reziprozität zur Turbulenzenergie definitionsgemäß singulär. Eine<br />
Randbedingung für den ersten Feldpunkt ergibt sich aus der Analyse der Transportgleichungen<br />
des k − ω Modells in der viskosen Unterschicht. Ausgangspunkt der Überlegungen<br />
ist wiederum das für kleine Turbulenz-Reynoldszahlen gültige Gleichgewicht<br />
zwischen molekularer Diffusion und Dissipation<br />
0 = −β ∗ ωk + ∂<br />
<br />
ν<br />
∂n<br />
∂k<br />
<br />
, β<br />
∂n<br />
∗ = cµ = 0.09 , (7.72)<br />
0 = −βω 2 + ∂<br />
<br />
ν<br />
∂n<br />
∂ω<br />
<br />
∂n<br />
Hierfür lassen sich mit Hilfe der Ansatzfunktionen<br />
, β = 3<br />
40<br />
10 1<br />
10 1<br />
Y +<br />
10 2<br />
10 2<br />
. (7.73)<br />
ω = ζn p , k = ζ ∗ n q , (7.74)<br />
135
KAPITEL<br />
geschlossene analytische Lösungen angeben<br />
(7.72) : ζ = 6ν<br />
β<br />
(7.73) :<br />
und p = −2 ❀ ω(P ) = 6ν(P )<br />
, (7.75)<br />
β ∆n2 β<br />
β∗ (q2 <br />
− q) = 6 ❀ q = 0.5 1 + 1 + 24 β∗<br />
<br />
β<br />
≈ 3.23 .(7.76)<br />
Die Beziehung (7.75) dient als Randbedingung für die spezifische Dissipationsrate im<br />
wandnächsten Feldpunkt P . Der Wandwert ist ohne Bedeutung und kann nach seiner<br />
Entkopplung vom Gleichungssystem dem benachbarten Feldwert gleichgesetz werden.<br />
Alternativ hierzu schlägt Menter (1994) vor, den Wandwert im Gleichungssystem zu<br />
belassen, und diesen (anstelle des Feldwertes) auf den zehnfachen Wert (7.75) zu setzten.<br />
Wilcox (1988) gibt darüberhinaus eine Möglichkeit zur Behandlung rauher Oberflächen<br />
an. Für mäßige Oberflächenrauhigkeiten (kleine Rauhigkeitshöhen ∆r) läßt sich (7.75)<br />
wir folgt modifizieren<br />
ω(P ) = 6ν<br />
⎛<br />
min ⎝1,<br />
βn2 2500 β<br />
6<br />
⎞<br />
2<br />
˜∆r<br />
⎠ , mit ∆r<br />
˜ = min<br />
n<br />
<br />
∆r, 25ν<br />
<br />
Uτ<br />
. (7.77)<br />
Die Beziehung (7.77) verlangt die Kenntnis der Wandschubspannungsgeschwindigkeit,<br />
deren Berechnung entsprechende Anforderungen an das Auflösungsvermögen stellen.<br />
Gleichung (7.76) deutet auf ein asymptotisches Fehlverhalten der Turbulenzenergiegleichung<br />
mit abnehmendem Wandabstand hin (q = −2). Das Problem läßt sich, wie<br />
Abbildung (7.14) verdeutlicht, durch eine low-Re Modifikation des Verhältnisses β ∗ /β<br />
bereinigen (z.B. Wilcox (1994) oder Peng, Davidson und Holmberg (1997) )<br />
β<br />
lim<br />
Ret→0<br />
∗<br />
β<br />
= 1<br />
3<br />
❀ β ∗ LR → 1<br />
40<br />
= 5<br />
18 βHR . (7.78)<br />
Spalart-Allmaras Modell<br />
Für die turbulente Zähigkeit findet man aus (7.62) und (7.56) einen in wandnähe<br />
kubischen Werteabfall<br />
νt = |usun|<br />
−1 ∂Us<br />
∼ n<br />
∂n<br />
3<br />
❀ νt(B) = ∂ν t(BP )<br />
∂n<br />
= 0 , (7.79)<br />
deswegen ist sowohl die Dirichlet- als auch Nullgradientenbedingung asymptotisch korrekt.<br />
Die Herleitung der Transportgleichung nach Spalart und Allmaras (1992) für<br />
136
U +<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
10 0<br />
standard Wilcox (1988)<br />
Re τ =395<br />
Re δ =7700<br />
10 1<br />
Y +<br />
10 2<br />
k +<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
10 0<br />
modified Wilcox (1994)<br />
10 1<br />
Y +<br />
10 2<br />
7.5. LOW-RE RANDBEDINGUNGEN<br />
uv +<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
10 0<br />
DNS Kim et. al (1987)<br />
10 1<br />
Y +<br />
Abbildung 7.14: Simulation einer voll-entwickelten turbulenten Kanalströmung: Vergleich<br />
zwischen modifiziertem (Wilcox, 1994) und herkömmlichen k − ω (Wilcox, 1988) Modell.<br />
die turbulente Zähigkeit ˜νt lehnt sich eng an die Transportgleichungen des k − ε Modells<br />
an (Rung 1998a), und zeigt ein ähnliches Verhalten in Bezug auf die unzureichende<br />
numerische Auflösung semi-viskoser Bereiche. Die Verwendung einer Neumann-<br />
Randbedingungen erscheint daher geeigneter.<br />
7.5.3 Reynoldspannungen<br />
Die Formulierung der low-Re Wandrandbedingung einzelner Reynoldsspannungskomponenten<br />
erfolgt analog zum high-Re Fall (7.51). Die im wandnächsten Rechenknoten<br />
eingesetzten Werte gewinnt man aus der asymtotischen Entwicklung (7.62)<br />
<br />
<br />
<br />
u 2 s<br />
k<br />
u 2 n<br />
<br />
k<br />
<br />
u 2 z<br />
k<br />
|usun|<br />
k<br />
<br />
<br />
(P )<br />
(P )<br />
(P )<br />
(P )<br />
=<br />
=<br />
=<br />
= 2 a1b2<br />
2 a 2 1<br />
a 2 1 + c 2 1<br />
2 b 2 2<br />
a 2 1 + c 2 1<br />
2 c 2 1<br />
a 2 1 + c 2 1<br />
a 2 1 + c 2 1<br />
+ ... ≈ 1.5<br />
n 2 + ... ≈ 0<br />
+ ... ≈ 0.5<br />
10 2<br />
n + ... ≈ 0 (7.80)<br />
Einen ausführlichen Vergleich verschiedener low-Re RSTM, inklusiver einer weiterführenden<br />
Diskussion ihrer Randbedingungen und etwaiger Modifikationen der Dissipationsratengleichung,<br />
findet man bei Jakirlić (1997). Abbildung (7.15) und (7.16) geben<br />
einen Überblick über die Leistungsfähigkeit einiger Reynoldsspannungs-Transportgleichungsmodelle<br />
in Bezug auf Wandturbulenz. Dabei handelt es sich um den Vergleich<br />
zwischen drei nicht wandmodifizierten Modellen (GL: Gibson und Launder (1978); SSG<br />
137
KAPITEL<br />
U +<br />
|uv| +<br />
30.0<br />
20.0<br />
10.0<br />
0.0<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
10 0<br />
10 0<br />
FLT−RSTM<br />
HJ −RSTM<br />
mod. SSG<br />
10 1<br />
10 1<br />
Y +<br />
10 2<br />
10 2<br />
k +<br />
u 2+<br />
6.0<br />
5.0<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
8.0<br />
6.0<br />
4.0<br />
2.0<br />
0.0<br />
10 0<br />
10 0<br />
DNS (Kim, 1987)<br />
10 1<br />
10 1<br />
Y +<br />
10 2<br />
10 2<br />
ε +<br />
v 2+<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
1.5<br />
1.0<br />
0.5<br />
0.0<br />
10 0<br />
10 1<br />
10 2<br />
GL −RSTM<br />
SSG−RSTM<br />
1 10 100<br />
Y +<br />
Abbildung 7.15: Simulation einer voll-entwickelten turbulenten Kanalströmung bei Reτ =<br />
395: Ergebnisse der verschiedener low-Re Reynoldsspannungsmodelle.<br />
Speziale et al. (1991); FLT: Fu et al. (1987)) und zwei Modellen mit Wandmodifikation<br />
(HJ: Jakirlić (1997); modifiziertes SSG Modell). Man beachte, daß die meisten Druck-<br />
Scherkorrelationmodelle ohne explizite Wandmodifikation des Rotta-Terms Φ 1 ij die an<br />
der Wand vorherrschende Zwei-Komponenten-Turbulenz nicht wiedergeben. Deutlich<br />
erkennt man, daß die starke Spannungsanisotropie im low-Re und Übergangsbereich<br />
nur mit Hilfe einer besonderen Modifikation des Rotta-Terms, die letztlich die Gestalt<br />
einer bereichsweise anisotropen Behandlung der Dissipation annimmt, rechnerisch<br />
nachvollzogen werden kann (HJ-Modell & mod. SSG). Die Modelle ohne Wandmodifikation<br />
wurden in Kombination mit dem Wilcox (1988) k − ω Modell gelöst, was<br />
zumindest eine korrekte Vorhersage der turbulenten Schubspannungen gewährleistet.<br />
7.6 Universelle high-Re Randbedingung<br />
Grotjans und Menter (1998) schlagen vor, anstelle der konventionellen high-Re Randbedingung<br />
eine Randbedingung zu eingefrorenen Werten Y + zu verwenden. Hintergrund<br />
dieser Bemühungen ist die Stabilisierung von Mehrgitter-Beschleunigungstechniken in<br />
industriellen Anwendungen. Große Variationen von Y + können die Effizienz des Mehrgitterzyklus<br />
drastisch herabsetzen, vor allem wenn der Gültigkeitsbereich der high-Re<br />
Hypothese dabei verletzt wird. Die Autoren schlagen vor, den Rand der numerischen<br />
Integration strömungsmechanisch nicht durch die Wand zu definieren, sondern durch<br />
138
U +<br />
|uv| +<br />
30.0<br />
20.0<br />
10.0<br />
0.0<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
10 0<br />
10 0<br />
10 1<br />
10 1<br />
HJ −RSTM<br />
mod. SSG<br />
10 2<br />
10 2<br />
Y +<br />
10 3<br />
10 3<br />
k +<br />
u 2+<br />
6.0<br />
5.0<br />
4.0<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
8.0<br />
6.0<br />
4.0<br />
2.0<br />
0.0<br />
10 0<br />
10 0<br />
10 1<br />
10 1<br />
10 2<br />
10 2<br />
Y +<br />
7.6. UNIVERSELLE HIGH-RE RANDBEDINGUNG<br />
10 3<br />
10 3<br />
ε +<br />
v 2+<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
2.0<br />
1.5<br />
1.0<br />
0.5<br />
0.0<br />
10 0<br />
10 0<br />
Re τ =2200<br />
10 1<br />
10 1<br />
10 2<br />
GL −RSTM<br />
SSG−RSTM<br />
10 2<br />
Y +<br />
Abbildung 7.16: Simulation einer voll-entwickelten turbulenten Kanalströmung bei Reτ =<br />
2200: Ergebnisse der verschiedener low-Re Reynoldsspannungsmodelle (offene Kreise entsprechen<br />
skalierten DNS-Daten (Reτ = 395) und dienen nur zur Orientierung).<br />
den Rand des semi-viskosen Bereichs. Bei der Umsetzung wird davon Ausgegangen, daß<br />
das der Rand des, i.Allg. extrem dünnen semi-viskosen Bereichs, in guter Näherung der<br />
Körperkontur folgt.<br />
7.6.1 Zweiparameter-Turbulenzmodelle<br />
Anstelle der Fixierung des Wandknotens, wird im Folgenden eine dementsprechende<br />
Korrektur der high-Re Randbedingung dargestellt. Die Implementierung einer universell<br />
einsetzbaren high-Re Randbedingung verlangt im wesentlichen zwei Änderungen<br />
• Modifikation des dimensionslosen Wandabstands Y + aus (7.35)<br />
ˆY +<br />
(P ′ √ <br />
0.25 ∆n cµ k ρ<br />
) = 11.6 +<br />
µ<br />
. (7.81)<br />
• konsistente Korrektur des dimensionsbehafteten Wandabstands ∆n<br />
∆ˆn =<br />
c 0.25<br />
µ<br />
µ<br />
√<br />
k ρ<br />
139<br />
(P ′ )<br />
10 3<br />
10 3<br />
ˆY +<br />
(P ′ ) . (7.82)
KAPITEL<br />
Zusätzlich ist die wandtangentiale Relativgeschwindigkeit U (R)<br />
s(B) durch<br />
U (R) Uτ<br />
s(B) =<br />
κ log +<br />
e EY <br />
festgelegt, was jedoch nur kosmetische Auswirkungen hat.<br />
(7.83)<br />
Eine etwas andere Variante ergibt sich aus der unten stehenden Modifikation des dimensionslosen<br />
Wandabstands<br />
˜Y +<br />
(P ′ ⎡<br />
√ ⎤<br />
0.25 ∆n c<br />
) = max ⎣ µ k ρ<br />
, 11.6⎦<br />
. (7.84)<br />
µ<br />
Aus Konsistenzgründen bedarf es wiederum einer Korrektur des dimensionsbehafteten<br />
Wandnormalenabstands ∆n<br />
Ɩ =<br />
c 0.25<br />
µ<br />
µ<br />
√<br />
k ρ<br />
(P ′ )<br />
˜Y +<br />
(P ′ ) , (7.85)<br />
auf eine Korrektur des Wandgeschwindigkeitswerts kann verzichtet werden. Alle weiteren<br />
Randbedingungen entsprechen denen der konventionellen high-Re Randbedingung.<br />
Die hiermit erzielten Ergebnisse für eine voll-entwickelte turbulente Kanalströmung<br />
sind in Abbildung (7.17) für unterschiedliche Turbulenzmodelle dargestellt.<br />
U +<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
10 0<br />
Re δ =12000<br />
10 1<br />
10 2<br />
Y +<br />
SSG−RSTM<br />
GL −RSTM<br />
FLT−RSTM<br />
10 3<br />
k +<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
k−ε Modell<br />
k−ω Modell<br />
0<br />
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />
Y/δ<br />
uv +<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
DNS Kim et. al (Re δ =7700)<br />
0.0<br />
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0<br />
Abbildung 7.17: Simulation einer voll-entwickelten turbulenten Kanalströmung: Ergebnisse<br />
der universellen high-Re Randbedingung (Grotjans et al., 1998) auf einem low-Re Gitter (vgl.<br />
z.B. Abbildung 7.14) in Kombination mit unterschiedlichen Turbulenzmodellen.<br />
7.6.2 Spalart-Allmaras Modell<br />
Die Anwendung der unversellen high-Re Technik auf Einparametermodelle setzt deren<br />
Lokalität voraus; die Formulierung des Basismodells sollte den Wandnormalenabstand<br />
folglich nicht explizit verwenden. Das Eingleichungsmodell von Spalart-Allmaras<br />
(1992) verletzt diese Voraussetzung, da es den Wandnormalenabstand n nicht nur<br />
140<br />
Y/δ
7.6. UNIVERSELLE HIGH-RE RANDBEDINGUNG<br />
zur Bestimmung der low-Re Dämpfungsfunktionen, sondern auch zur Berechnung des<br />
Produktions- und Vernichtungsterms benutzt<br />
Prod˜νt = Cb1 ˜νt<br />
<br />
2WijWij<br />
˜νt<br />
+ fν2<br />
κn<br />
Diss˜νt = Cw1 fw(n)<br />
2 ˜νt<br />
n<br />
.(7.86)<br />
Die universelle high-Re Technik kann zwar formal, durch Kombination der oben beschriebenen<br />
Y + und ∆n Modifikationen zur Bestimmung der Impulsrandbedingungen<br />
zusammen mit der Dirichlet-Randbedingungen für die Transportvariable ˜νt<br />
<br />
˜νt = ν κ (P ) ˆ Y +<br />
<br />
(7.87)<br />
verwendet werden, bei starkem Unterschreiten des tatsächliche Y + Wertes durch ˆ Y +<br />
versagt diese Modellbildung jedoch (vgl. Abbildung 7.18) wegen der zunehmenden Inkonsistenz<br />
zwischen der Feldfunktion des Wandnormalenabstands und den korrigierten<br />
Werten ˆ ∆n. Die in (7.81) und (7.84) auftretenden Werte der Turbulenzenergie lassen<br />
sich konsistent zur im SA Modell verankerten Hypothese vom lokalen Gleichgewicht<br />
durch<br />
abschätzen.<br />
U +<br />
20.0<br />
10.0<br />
0.0<br />
k(P ) =<br />
<br />
2SijSij<br />
c EVM<br />
µ<br />
Hybrid Adaptiv Approach<br />
Universal High−Re Approach<br />
Re τ =760, Re δ =16075<br />
Y +<br />
P =5<br />
(P )<br />
νt<br />
<br />
(P )<br />
0 1 10 100 1000<br />
Y +<br />
(7.88)<br />
Abbildung 7.18: approximierte mittlere Geschwindigkeitsprofile: Vergleich zwischen universeller<br />
und hybrider Technik im Zusammenhang mit dem Eingleichungsmodell von Spalart<br />
et al. (1992).<br />
141
<strong>Kapitel</strong> 8 Eingleichungsmodelle<br />
Die Simulation industrieller Strömungsprobleme basiert aus Effizienz- und Stabilitätsgründen<br />
zumeist auf linearen niederparametrigen Wirbelzähigkeits–Turbulenzmodellen<br />
(EVM). Hierzu zählen beispielsweise das algebraische Baldwin–Lomax Modell (1978),<br />
das Spalart–Allmaras (1992) Einparametermodell und das k–ε Zweiparametermodell<br />
(Jones und Launder 1972). Für den Einsatz in extrem kostenintensiven Simulationsaufgaben,<br />
beispielsweise der Untersuchung instationärer Strömungsphänomene an hochbelasteten<br />
dreidimensionalen Konfigurationen, besteht gegenwärtig ein Trend zur Verwendung<br />
von Einparametermodellen. Ungeachtet ihrer simplen Formulierung und der<br />
numerischen Vorteile ist die Einparametermodellierung mit Defiziten in Bezug auf die<br />
physikalisch korrekte Darstellung von Nichtgleichgewichtszuständen behaftet. Die Formulierung<br />
von Eingleichungsmodellen basiert in der Regel auf der hypothetischen Annahme<br />
des lokalen Gleichgewichtszustands zwischen Produktion(P ) und Dissipation(ε)<br />
von Turbulenzenergie(k):<br />
P ≡ ε .<br />
Dabei handelt es sich nicht um eine partiell in den Modellierungsprozess eingebrachte<br />
Annahme zur Vereinfachung einzelner Terme, sondern vielmehr um einen inhärenten<br />
Bestandteil der Modellierungspraxis. Die Güte der numerischen Simulation auf der<br />
Basis von Eingleichungsmodellen ist folglich in besonderer Weise von der Gültigkeit<br />
dieser Voraussetzung abhängig. Exemplarisch für diesen Sachverhalt soll im Folgenden<br />
das Eingleichungsmodell von Spalart und Allmaras (1992) analysiert werden. Durch<br />
Herleitung des Modells aus hierarchisch übergordneten Zweiparametermodellen wird<br />
zunächst die besondere Problematik der Parameterreduktion in Hinblick auf die Erweiterung<br />
des Gültigkeitsbereichs mit rationalen Techniken herausgearbeitet.<br />
8.1 Spalart–Allmaras Modell<br />
Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchungen ist das Eingleichungsmodell von Spalart<br />
und Allmaras (1992). Die wesentlichen Bestandteile des Spalart–Allmaras (SA)<br />
Modells sind zum einen eine modifizierte Variante des Wirbelzähigkeitsprinzips für<br />
inkompressible Medien (Boussinesq 1877):<br />
uiuj = −νt Sij ,<br />
νt = fν1 ˜νt , (8.1)<br />
sowie zum anderen eine semi-empirische Transportgleichung zur Bestimmung der Wirbelzähigkeit<br />
˜νt:<br />
D˜νt<br />
Dt<br />
<br />
∂<br />
− ν +<br />
∂xk<br />
νt<br />
<br />
∂˜νt<br />
= P˜νt +<br />
P r˜νt ∂xk <br />
Produktion<br />
∂˜νt ∂˜νt Cb2<br />
∂xk ∂xk P r˜νt<br />
<br />
nicht konserv. Diffusion<br />
142<br />
− fw<br />
Cb1<br />
˜ν 2 t<br />
κ2 1 + Cb2<br />
+<br />
P r˜νt l2 n<br />
Vernichtung<br />
.(8.2)
KAPITEL<br />
Die Darstellung des Produktionsterms in (8.2) ist im Verlauf der weiteren Diskussion<br />
von Bedeutung. Die Originalformulierung des Terms lautet:<br />
P˜νt = Cb1˜νt ˜ <br />
S mit S ˜ = 2WijWij + ˜ f2Ψ , Ψ = ˜νt<br />
κ2 l2 . (8.3)<br />
n<br />
Die in den Beziehungen (8.1)–(8.3) verwendeten Dämpfungsfunktionen ergeben sich<br />
aus:<br />
fν1 =<br />
(ν + t ) 3<br />
C 3 ν1 + (ν + t ) 3 , fν2 = 1 −<br />
ν + t = ˜νt<br />
ν , g = r 5<br />
1 + Cw2 r − 1<br />
ν + t<br />
1 + fν1ν + t<br />
6 1 + Cw3 , fw = g<br />
g6 + C6 1/6 w3<br />
r = Ψ<br />
˜S<br />
. (8.4)<br />
In den Gleichungen (8.2)–(8.4) kennzeichnet κ die von-Kármán-Konstante, ln den<br />
Wandnormalenabstand und Sij bzw. Wij den symmetrischen und antimetrischen Anteil<br />
des Geschwindigkeitsgradiententensors:<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
= Sij + Wij , Sij = 1<br />
2<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
+ ∂Uj<br />
<br />
∂xi<br />
Die von Spalart & Allmaras verwendeten Koeffizienten lauten:<br />
Cb1 = 0.1355, Cb2 = 0.622, Cν1 = 7.1,<br />
, Wij = 1<br />
<br />
∂Ui<br />
−<br />
2 ∂xj<br />
∂Uj<br />
<br />
∂xi<br />
,<br />
. (8.5)<br />
Cw2 = 0.3, Cw3 = 2, κ = 0.41, P r˜νt = 2<br />
. (8.6)<br />
3<br />
Das Spalart–Allmaras Modell weist drei formale Besonderheiten auf:<br />
(a) Im Rahmen der verwendeten Konstitutivgleichung (8.1) entspricht die Turbulenzenergie<br />
nicht der Summe der Normalspannungen. Vielmehr liefert die Kontraktion<br />
von (8.1) im inkompressiblen Fall Null, bzw. im kompressiblen Fall (−νt∇ · U).<br />
(b) Die Definition von ˜ S läßt im wandnahen Bereich negative Produktionsterme zu,<br />
was im Rahmen von Wirbelzähigkeitsmodellen zumindest unüblich ist und destabilisierend<br />
auf das numerische Verfahren wirkt.<br />
(c) Ferner steht die Proportionalität des Produktionsterms zur zweiten Invarianten<br />
des Wirbeltensors im Widerspruch zum Boussinesq-Ansatz bzw. zum Drehimpulserhaltungssatz<br />
auf der Ebene des Zweiparametermodells (Rung 1998b). Diese<br />
Vorgehensweise wurde in jüngster Zeit von vielen Autoren zur verbesserten<br />
Modellierung von Prallstralleffekten im Rahmen der Zweiparametermodellierung<br />
eingeführt (Kato und Launder 1993; Jin und Braza 1994), da die klassische, scherbezogene<br />
Formulierung vielfach mit einer Überschätzung der Produktionsterme<br />
in rotationsarmen Zonen verbunden ist.<br />
143
KAPITEL<br />
8.1.1 Edwards Modifikation<br />
Edwards (1996) modifizierte das Spalart–Allmaras Modell in Hinblick auf eine Stabilisierung<br />
des Verhaltens im semi–viskosen Bereich (SAE Modell). Kernpunkt der<br />
Edwardsmodifikationen ist eine veränderte Dämpfungsfunktion zur Definition einer ef-<br />
fektiven Scherrate<br />
˜S = S ∗<br />
<br />
1<br />
ν + <br />
+ fν1 . (8.7)<br />
t<br />
Die Beziehung (8.7) gewährleistet, im Unterschied zur Originalformulierung, einen positiven<br />
Produktionsterm. Darüber hinaus greift Edwards das o.a. Merkmal (c) auf und<br />
verwendet die übliche Norm des divergenzfreien Distorsionsgeschwindigkeitentensors<br />
˜Sij zur Definition der Produktionsterme<br />
S ∗ <br />
= 2 ˜ Sij ˜ Sij , mit Sij<br />
˜ = Sij − 1<br />
3 δijSkk . (8.8)<br />
Abschließend erfolgt noch eine Modifikation des Arguments des Dämpfungsparameters<br />
g im Rahmen der Edwardsmodifikationen<br />
g = r <br />
5 Ψ<br />
1 + Cw2 r − 1 r = 1.313 tanh . (8.9)<br />
˜S<br />
Das SAE Modell zeichnet sich vor allem durch seine höhere numerische Stabilität aus.<br />
Die Qualität der Ergebnisse entspricht in der Regel derjenigen des Originalmodells.<br />
Das SAE Modell bildet daher die zweite Grundlage der vorliegenden Arbeit.<br />
8.2 Parameterreduktion<br />
Die Tubulenzmodellierung auf der Basis von Eingleichungsmodellen läßt sich sowohl<br />
auf empirischem als auch auf rationalem Wege beschreiten. Letzteres beinhaltet die systematische<br />
Reduktion eines hierarchisch übergeordneten Zweiparametermodells um<br />
einen Modellparameter. Zur Verdeutlichung dieser Methode konzentrieren sich die<br />
Ausführungen des folgenden Abschnitts auf die Herleitung des Produktionsterms des<br />
Spalart–Allmaras Modells aus einem Zweiparametermodell. Analoge Betrachtungen<br />
können für sämtliche anderen Bestandteile der Formulierung gemacht werden. Die Analyse<br />
des Produktionsterms ist jedoch besonders dienlich für die Erweiterung des Modells<br />
auf Nichtgleichgewichtszustände.<br />
Im Unterschied zu Baldwin und Barth (1991) haben Spalart und Allmaras die rationale<br />
Vorgehensweise bewußt nicht mit letzter Konsequenz verfolgt. Tatsächlich ist eine<br />
strenge Herleitung der Transportgleichung der Wirbelzähigkeit aus einem Zweiparametermodell<br />
nur für die differentiationsfreien Terme empfehlenswert. Der folgende Abschnitt<br />
zeigt, daß sich sämtliche Produktions- und Vernichtungsbeiträge des Zweigleichungsmodells<br />
im Rahmen der Parameterreduktion zu einem einzigen Term verjüngen<br />
lassen. Die Reduktion der scheinbar weniger bedeutenden Diffusionsterme des Zweigleichungsmodells<br />
führt auf ergänzende Diffusions- und Vernichtungsterme im Einparameterkontext.<br />
144
8.2.1 Transportgleichung der Wirbelzähigkeit<br />
KAPITEL<br />
Ausgangspunkt der Untersuchungen ist die Entwicklung einer Transportgleichung für<br />
νt aus der Definition der Wirbelzähigkeit für ein beliebiges Zweiparametermodell, hier<br />
exemplarisch das k-ε Modell (Jones und Launder 1972):<br />
<br />
νt := cµ<br />
k 2<br />
ε<br />
❀<br />
D νt<br />
Dt =<br />
D<br />
cµk 2<br />
Dt<br />
ε<br />
. (8.10)<br />
Mit Hilfe der Kettenregel ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der gesuchten Transportgleichung<br />
für νt und den Transportgleichungen des zu Grunde liegenden Zweipa-<br />
rametermodells:<br />
D νt<br />
Dt<br />
= cµ<br />
2k<br />
ε<br />
D k<br />
Dt −<br />
k<br />
ε<br />
<br />
2<br />
D ε<br />
. (8.11)<br />
Dt<br />
8.2.1.1 Produktionsterm (Bradshaw–Hypothese)<br />
Im weiteren Verlauf wird zunächst der Produktionsterm der Transportgleichung für νt<br />
analysiert. Dieser setzt sich aus der Summe der Produktions- und Vernichtungstermen<br />
des Hintergrundmodells zusammen:<br />
(8.11) ❀ Pνt = cµ<br />
2k<br />
ε<br />
<br />
(P − ε) −<br />
2 k<br />
(Cε1P − Cε2ε)<br />
ε<br />
<br />
ε<br />
<br />
k<br />
<br />
. (8.12)<br />
Im Rahmen des Eingleichungsmodells ist νt die einzige abhängige Veränderliche. Zur<br />
Schließung der Transportgleichung für νt, hier insbesondere der in (8.12) skizzierten<br />
Produktionsanteile, müssen die ursprünglichen Veränderlichen k und ε auf die neue<br />
Veränderliche νt abgebildet werden. Dies geschieht in zwei Schritten. Im ersten Schritt<br />
wird die Dissipationrate ε unter Verwendung der Definition der isotropen Wirbelzähigkeit<br />
als Funktion der Turbulenzenergie und der Wirbelzähigkeit dargestellt:<br />
k<br />
ε = cµ<br />
2<br />
. (8.13)<br />
νt<br />
Hieraus ergibt sich ein neues Zweiparametermodell auf der Basis der abhängigen Veränderlichen<br />
k und νt. Der Produktionsterm der νt Gleichung lautet darin:<br />
<br />
2 νt k<br />
Pνt = cµ<br />
P − cµ<br />
2 <br />
νt<br />
k<br />
− Cε1P − Cε2cµ<br />
2 <br />
. (8.14)<br />
k cµ<br />
νt<br />
Daran anschließend wird die zweite abhängige Veränderliche k auf die Wirbelzähigkeit<br />
νt abgebildet. Dies geschieht in Anlehnung an die Strömungsverhältnisse im logarithmischen<br />
Bereich einer zweidimensionalen Grenzschichtströmung, der sogennanten<br />
Bradshaw–Hypothese (Bradshaw und Ferris 1972):<br />
145<br />
k cµ<br />
νt
KAPITEL<br />
2D Log-Law: k = |u′ v ′ |<br />
√ cµ<br />
❀ k =<br />
= νt<br />
<br />
<br />
<br />
dU <br />
√cµ dy <br />
νtS ∗<br />
√ cµ<br />
νt<br />
= √cµ S ∗<br />
mit S ∗ = 2SijSij ,<br />
und ε = νtS ∗2 . (8.15)<br />
Setzt man die in (8.15) vereinbarte Parameterreduktion in die Beziehung (8.14) ein, so<br />
ergibt sich für die Produktion von νt = ˜νt:<br />
P˜νt = √ cµ (˜νtS ∗ ) [(2 − Cε1) − (2 − Cε2)]<br />
= √ cµ (˜νtS ∗ ) [Cε2 − Cε1] . (8.16)<br />
Mit Hilfe des Koeffizientensatzes Cε2 = 1.90, Cε1 = 1.45 und cµ = 0.09 verifiziert man<br />
die von Spalart und Allmaras (1992) angegebene Formulierung des Produktionsterms<br />
in Gestalt von:<br />
P˜νt = 0.135 (˜νtS ∗ ) . (8.17)<br />
Die Diffusions- und Vernichtungsterme der Transportgleichung für ˜νt lassen sich in<br />
analoger Weise nachrechnen.<br />
Auswirkungen der Bradshaw–Hypothese<br />
Die oben skizzierte Parameterreduktion mit Hilfe der Bradshaw–Hypothese ist mit<br />
einer strukturellen Veränderung des Produktionsterms verbunden. Üblicherweise führt<br />
die Herleitung von Transportgleichungen für skalare Turbulenzvariablen (k, ε, ω, etc.)<br />
im Zweiparameterkontext auf Produktionsterme der Form<br />
PΦ = ΦS ∗ (αΦS) mit S = TtS ∗ = k<br />
ε S∗ ,<br />
z.B. αk = 0.09 , αε = 0.13 , αω = 0.05 . (8.18)<br />
Dies gilt ursprünglich auch für den Produktionsterm (8.12) einer νt–Transportgleichung,<br />
für den man<br />
Pνt =<br />
k<br />
cµ<br />
ε P<br />
<br />
ε<br />
P Cε2<br />
<br />
− Cε1 + 2 1 − ε<br />
<br />
P<br />
mit P = νtS ∗2 ,<br />
= νtS ∗ <br />
ε<br />
S cµ<br />
P Cε2<br />
<br />
− Cε1 + 2 1 − ε<br />
<br />
P <br />
z.B. ε = P ,<br />
= νtS ∗<br />
αν t<br />
(0.0405 S) (8.19)<br />
146
KAPITEL<br />
findet. Orientiert man sich bei der Eliminierung des dimensionslosen Scherparameters<br />
S an einer turbulenten Wandgrenzschicht im lokalen Gleichgewichtszustand (S = 3.3),<br />
dann ergibt sich wieder die von Spalart und Allmaras angegebene Formulierung. Die<br />
im SA Modell verwendete Substitution Scµ = 0.3 hat turbulenzdämpfende Eigenschaften,<br />
da der übliche Anstieg der Produktion parallel zum dimensionslosen Scherratenparameter<br />
unterbunden wird. Die Strategie ist vorteilhaft für die Berechnung<br />
strömungsmechanisch hochbelasteter Bauteile, deren Vorhersage oftmals unter einer<br />
Überschätzung der Turbulenzintensität leidet. Bereits einfachste Invariantentheorien,<br />
z.B. Rung (1998b), belegen einen reziproken Zusammenhang zwischen cµ und S, weswegen<br />
die Substitution prinzipiell korrekt ist.<br />
Die Bradshaw–Hypothese wurde bereits von Johnson und King (1984) zur Entwicklung<br />
eines Halbgleichungsmodells erfolgreich eingesetzt, und gewinnt neuerdings auch im<br />
Zusammenhang mit Zweiparametermodellen an Bedeutung. Beispielsweise erhält man<br />
von<br />
<br />
|uv|<br />
νt = min<br />
= (8.15) cµ<br />
, cµ<br />
S∗ k2 <br />
k<br />
= cµ<br />
ε<br />
2<br />
k2 ε min<br />
<br />
1<br />
√cµ , 1<br />
S<br />
ε min<br />
= k2<br />
<br />
|uv|<br />
, 1<br />
cµ k S<br />
ε min<br />
<br />
0.3<br />
S<br />
,<br />
<br />
, 0.09<br />
<br />
c ∗ µ<br />
, (8.20)<br />
die populäre Shear–Stress–Transport (SST) Modifikation von Menter (1994). Bemerkenswerterweise<br />
beinhaltet die SST–Modifikation, analog zu der in (8.19) skizzierten<br />
Vorgehensweise, eine Linearisierung der Turbulenzenergieproduktion<br />
Pk = P = kS ∗ (c ∗ µS) → 0.3 kS ∗ .<br />
❀ P<br />
ε<br />
= 0.3 S (8.21)<br />
Die Bradshaw–Hypothese ermöglicht vor allem die verbesserte Vorhersage von druckinduzierter<br />
Strömungsablösung, welche für die industrielle Aerodynamik von maßgeblicher<br />
Bedeutung ist. Die Einarbeitung der Bradshaw–Hypothese in die Modellbildung<br />
erklärt den Erfolg der Einparametermodelle bei der Berechnung von Strömungen unter<br />
dem Einfluß positiver Druckgradienten. Die positive, schubspannungslimitierende Eigenschaft<br />
kann man exemplarisch daran erkennen, daß das Spalart–Allmaras Modell,<br />
im Unterschied zu konventionellen Zweiparametermodellen, die integrale Schwartzsche<br />
Ungleichung<br />
(3.41) erfüllt.<br />
ui 2 uj 2 ≥ (uiuj)(uiuj) ❀<br />
147<br />
4<br />
3 ≥<br />
νtS ∗<br />
k<br />
2<br />
(8.22)
KAPITEL<br />
8.2.1.2 Diffusions- und Vernichtungsterme<br />
Die Anwendung der Reduktionsvorschriften (8.11) und (8.15) auf die Diffusionterme<br />
des k − ε Modells liefert nach kurzer Zwischenrechnung das Ergebnis<br />
cµ<br />
<br />
2 k<br />
ε Diffk −<br />
2 k<br />
Diffε<br />
ε<br />
<br />
=<br />
<br />
2P rε − P rk ∂<br />
<br />
νt<br />
<br />
∂νt<br />
<br />
P rk P rε ∂xk ∂xk<br />
<br />
P rε − P<br />
<br />
rk νt<br />
+ 6<br />
P rk P rε S∗ ∗ ∂S ∂νt<br />
∂xk ∂xk<br />
2 P rε − P rk νt +2<br />
P rk P rε S∗ 2 ∗ ∂ S<br />
∂x2 k<br />
− 2<br />
<br />
νt<br />
P rε S∗ 2 ∂S ∗ ∂S<br />
∂xk<br />
∗ <br />
. (8.23)<br />
∂xk<br />
Wertet man die Gleichung (8.23) für lokales turbulentes Gleichgewicht aus,<br />
S ∗ = uτ<br />
κln<br />
❀<br />
νt = uτκln ❀<br />
∂S ∗<br />
∂xk<br />
∂νt<br />
∂xk<br />
= − 1<br />
ln<br />
S ∗ ,<br />
∂ 2 S ∗<br />
∂x 2 k<br />
= 2<br />
l2 S<br />
n<br />
∗ ,<br />
= νt<br />
, (8.24)<br />
ln<br />
so ergibt sich:<br />
<br />
cµ 2 k<br />
ε Diffk<br />
<br />
2 <br />
k<br />
2P rε − P rk<br />
− Diffε =<br />
:<br />
ε<br />
P rkP rε<br />
∂<br />
<br />
∂νt<br />
νt<br />
∂xk ∂xk<br />
<br />
−<br />
<br />
konservative Diffusion<br />
2<br />
2 νt<br />
,<br />
P rk ln<br />
<br />
Vernichtung<br />
P r˜νt = P rε P rk<br />
2P rε − P rk<br />
= 0.81 . (8.25)<br />
Wie der Vergleich der einzelnen Terme zeigt, weicht das Ergebnis der Reduktion von der<br />
Transportgleichung (8.2) ab. Im Unterschied zur Beziehung (8.25) verwenden Spalart<br />
und Allmaras eine nicht-konservative Darstellung der Diffusion von ˜νt<br />
Diff ˜νt = 1<br />
P r˜νt<br />
∂<br />
∂xk<br />
<br />
νt<br />
<br />
<br />
∂˜νt ∂˜νt ∂˜νt<br />
+ Cb2 . (8.26)<br />
∂xk ∂xk ∂xk<br />
Die nicht-konservative Darstellung hat, bei geeigneter Wahl der Koeffizienten, eine Reihe<br />
numerischer Vorteile, beispielsweise die Unempfindlichkeit gegen Freistromwerte von<br />
˜νt (Spalart und Allmaras 1992). Dies erkennt man deutlich anhand der Grenzschicht-<br />
formulierung der Transportgleichung für ˜νt<br />
U ∂˜νt<br />
∂x +<br />
<br />
V − Cb2<br />
P r˜νt<br />
∂˜νt<br />
∂y<br />
∂˜νt<br />
∂y = Cb1˜νt ˜ S + ∂<br />
∂y<br />
<br />
ν + νt<br />
P r˜νt<br />
<br />
∂˜νt<br />
∂y<br />
˜ν<br />
− fwCw<br />
2 t<br />
. (8.27)<br />
y2 Der zusätzliche Diffusionsterm läßt sich für Cb2 > 0 als negativer Entrainmentbeitrag<br />
interpretieren, der eine Kontamination des Grenzschichtrandes durch möglicherweise<br />
148
KAPITEL<br />
falsch vorgegebenen Freistromwerte verhindern soll. Die Autoren favorisieren daher eine<br />
Stärkung der Diffusionsbeiträge vermöge:<br />
P r˜νt = 2/3 (→ P rε = 2) , Cb2 = 0.622 . (8.28)<br />
Die Koeffizienten können im Anschluß daran natürlich nicht mehr durch die Parameterreduktion<br />
(8.25) aufeinander abgestimmt werden. Für gegebene Koeffizienten (8.28)<br />
des Diffusionsmodells orientiert sich die Bestimmung eines verträglichen Koeffizienten<br />
für den Vernichtungsterms in (8.2) wiederum an dem durch (8.24) beschriebenen<br />
lokalen Gleichgewichtszustand:<br />
D˜νt<br />
Dt<br />
= 0<br />
(8.24) ❀ Cb1 ˜ S˜νt + ∂<br />
∂xk<br />
νt<br />
P r˜νt<br />
<br />
∂˜νt<br />
∂xk<br />
+ ∂˜νt ∂˜νt<br />
∂xk ∂xk<br />
Cb2<br />
P r˜νt<br />
− β ˜ν2 t<br />
l 2 n<br />
= 0 (8.29) .<br />
Hiervon gewinnt man zur Schließung des Koeffizienten β die Verträglichkeitsbedingung:<br />
<br />
Cb1<br />
❀ β =<br />
κ2 <br />
1 + Cb2<br />
+ .<br />
P r˜νt<br />
(8.30)<br />
Die Reduktion des Entrainments hat Konsequenzen für den Verlauf der Strömungsprofile<br />
am Aussenrand der Scherschicht. Der randnahe Anstieg der Strömungsprofile für<br />
die mittlere Geschwindigkeit und Wirbelzähigkeit lautet (Cazalbou et al. 1994)<br />
U ∼ (Yδ − Y ) 1.43 , ˜νt = νt ∼ (Yδ − Y ) . (8.31)<br />
Diese können vom SA Modell nur partiell wiedergegeben werden. Eine Ähnlichkeitstransformation<br />
des parabolisierten Differentialgleichungssystems zur Beschreibung von<br />
Scherströmungen (Rung 1998b) liefert für den Aussenrand der Scherschicht bei SA Modellierung<br />
˜νt ∼ (Yδ − Y ) , U ∼ (Yδ − Y ) a−1<br />
149<br />
mit a − 1 =<br />
1 + Cb2<br />
P r˜νt<br />
≈ 2.43 . (8.32)
<strong>Kapitel</strong> 9 Schließung der Produktionsrate<br />
Die im vorangehenden Abschnitt skizzierten Projektionen des ASM in eine quadratische<br />
Funktionsbasis F sind aufgrund der Abhängigkeit der EASM–Koeffizienten (A, B, C)<br />
von P/ε zunächst implizit. Ein explizites algebraisches Spannungsmodell ergibt sich<br />
nach Schließung der spezifischen Produktionsrate in g, die im Folgenden als (P/ε)g<br />
bezeichnet wird. Hierzu sind in der Literatur verschiedene Techniken unterschiedlichen<br />
Ursprungs bekannt.<br />
Die selbstkonsistente Formulierung basiert auf der Projektion der spezifischen Produktionsrate<br />
P/ε = −2(bklskl + smm/3) in die gewählte Funktionsbasis. Diese Technik<br />
führt auf hochgradig nichtlineare Bestimmungsgleichungen für (P/ε)g und verlangt eine<br />
physikalisch sinnvolle Selektion der mathematisch mehrdeutigen Lösung. Daneben<br />
ist die quasi–selbstkonsistente Projektion in eine niederwertigere Funktionsbasis, die<br />
gleichgewichtsorientierte Fixierung von (P/ε)g, oder auch eine iterative Vorgehensweise<br />
denkbar. Ausschlaggebend für die Bewertung der verschiedenen Vorschläge ist das<br />
asymptotisch korrekte Verhalten des Modells für große Deformationsgeschwindigkeiten,<br />
bzw. eventuelle Singularitäten des Anisotropiekoeffizienten.<br />
Die unten skizzierten Überlegungen beziehen sich auf die von Gatski und Speziale<br />
(1993) vorgeschlagene inkompressible, zweidimensionale Repräsentation (6.19) der<br />
Drei–Generator–Basis (6.13). Es sei darauf hingewiesen, daß eine Singularität des Anisotropiekoeffizienten<br />
cµ mit dem Verschwinden der Koeffizientendeterminante von M<br />
verbunden ist.<br />
9.1 Iterative Technik<br />
Taulbee (1992) schlug vor, die in (4.12) auftretende Abhängigkeit des Koeffizienten g<br />
von der spezifischen Produktionsrate nicht aufzulösen, sondern das ASM im Rahmen<br />
eines iterativen Ansatzes durch das Ergebnis der letzten Iteration, bzw. des zurückliegenden<br />
Zeitschritts zu linearisieren<br />
<br />
P<br />
= −2 bijsij ❀ g = C1 − 1 − 2(C<br />
ε<br />
∗ 1 + 1) bijsij .<br />
g<br />
Diese Vorgehensweise wird, neben einer Reihe anderer Autoren, vor allem von ?) aufgrund<br />
der unten beschriebenen Mehrdeutigkeit der selbstkonsistenten Lösung kritisiert.<br />
Im Zentrum der Diskussion steht die Frage, ob die physikalisch unsinnigen Lösungsanteile<br />
der (kubischen) Bestimmungsgleichung für P/ε im Rahmen der iterativen Technik<br />
ausgeschlossen werden können, oder ob singuläre Anisotropiekoeffizienten auftreten<br />
können<br />
cµ =<br />
1 − 2<br />
3 η1<br />
β3<br />
g<br />
−β1/g<br />
2<br />
− 2η2<br />
2 β2<br />
g<br />
> 0 . (9.1)<br />
Im Folgenden wird versucht, die Wahrscheinlichkeit eventueller Singularitäten eines<br />
iterativen Ansatzes zu evaluieren. Die Analyse bezieht sich auf die Vorhersage von<br />
150
9.1. ITERATIVE TECHNIK<br />
high–Re Bereichen mit vernachlässigbaren Diffusionsprozessen auf der Grundlage einer<br />
k − ε Formulierung (2.17) bzw. (2.18)<br />
Dk<br />
Dt<br />
= P − ε , und<br />
Dε<br />
Dt = (P Cε1 − εCε2) ε<br />
k .<br />
Die Transportgleichung des turbulenten Zeitmaßes Tt lautet damit<br />
D(k/ε)<br />
Dt<br />
= DTt<br />
Dt<br />
= P<br />
ε (1 − Cε1) − (1 − Cεε2) .<br />
Beschränkt man die Betrachtungen auf lokal zweidimensionale, inkompressible Strömungen<br />
mit P/ε = 2cµη1, dann ergibt sich mit ˜ C1 = (Cε1 − 1) und ˜ C2 = (Cε2 − 1)<br />
DTt<br />
Dt = −2cµη1 ˜ C1 + ˜ C2<br />
=<br />
=<br />
2 (β1/g) ˜ S2 2<br />
kkTt ˜ C1<br />
1 − 2<br />
3 ˜ S2 2 2 β3<br />
kkTt − 2 g<br />
˜ W 2 2<br />
kkTt ˜C2 − T 2<br />
<br />
˜S t<br />
2 <br />
kk 2 ˜ <br />
−β1<br />
C1 + g<br />
˜ C2 2<br />
3<br />
<br />
1 − ˜S 2 2 2 β3<br />
kk + 2 3 g<br />
˜ W 2 kk<br />
2 +<br />
β2<br />
g<br />
˜ C2<br />
<br />
2<br />
β3 + 2 g<br />
˜ W 2 kk<br />
<br />
2<br />
β2 T g<br />
2<br />
t<br />
<br />
2<br />
β2 ˜C2<br />
g<br />
In Lagrangescher Betrachtungsweise besitzt die Gleichung (9.3) die Struktur<br />
∂Tt<br />
∂t = ˜ C2 − B∗ T 2<br />
t<br />
1 − A∗ T 2<br />
t<br />
(9.2)<br />
mit B ∗ = ˜ C2A ∗ − 2 ˜ β1<br />
C1<br />
g ˜ S 2 kk . (9.3)<br />
Von besonderem Interesse ist der Nenner (1 − A ∗ T 2<br />
t ), der dem Nenner des Anisotropieparameters<br />
cµ entspricht. Im Weiteren wird versucht, einen Nachweis dafür zu<br />
erbringen, daß eine Nullstelle des Nenners sehr unwahrscheinlich ist. Hierzu werden, für<br />
anfänglich vorausgesetzte g > 0, mehrere Fallunterscheidungen von B ∗ durchgeführt.<br />
A) negative Parameterwerte B ∗<br />
Im Falle B ∗ ≤ 0 folgt, für von Null verschiedene Initiallösungen von g, wegen ˜ C1, ˜ C2 > 0<br />
und β1 < 0 (vgl. Tabelle 4.2)<br />
˜C2A ∗ ≤ 2 ˜ β1<br />
C1<br />
g ˜ S 2 kk ❀ A ∗ ≤ 0 und 1 − A∗T 2<br />
t > 0 . (9.4)<br />
B) positive Parameterwerte B ∗<br />
Setzt man voraus, daß das turbulente Zeitmaß Tt eine kontinuierliche Funktion ist,<br />
dann läßt sich (9.3) wie folgt integrieren<br />
<br />
˜C2 +<br />
<br />
<br />
√ B∗Tt ˜C2 − √ B∗ <br />
<br />
<br />
<br />
Tt = eγ <br />
, mit γ = t − A∗<br />
B∗ Tt<br />
<br />
2 ˜C2B<br />
+ Const.<br />
∗<br />
1 − A∗<br />
B∗ ˜ . (9.5)<br />
C2<br />
151
KAPITEL<br />
Der Exponent γ ist wegen A ∗ /B ∗ − 1 = 2 ˜ C1β1S 2 kk /( ˜ C2B ∗ g) < 0 zumindest für hinreichend<br />
große Zeiten t positiv. Zur Auflösung der Beträge unterscheidet man zwei<br />
Fälle<br />
B1) √<br />
C2<br />
˜ − Tt B∗ > 0<br />
<br />
√<br />
<br />
√<br />
˜C2 + Tt B∗ γ<br />
= e ( ˜C2 − Tt B∗ )<br />
❀ Tt =<br />
<br />
˜C2<br />
B ∗<br />
e γ − 1<br />
e γ + 1<br />
. (9.6)<br />
Im Fall B1) beobachtet man somit stetig steigende Werte des turbulenten Zeitmaßes<br />
Tt, welche im Grenzübergang gegen folgendes Maximum streben<br />
∂Tt<br />
> 0 und lim<br />
∂t t→∞ Tt<br />
<br />
˜C2<br />
= . (9.7)<br />
B∗ Mit Hilfe von (9.3) folgt schließlich<br />
∂Tt<br />
∂t = ˜ C2 − B∗ T 2<br />
t<br />
1 − A∗ T 2<br />
t<br />
= positive Größe<br />
1 − A ∗ T 2<br />
t<br />
> 0 ❀ 1 − A ∗ T 2<br />
t > 0 . (9.8)<br />
B2) √<br />
C2<br />
˜ − Tt B∗ < 0<br />
Analog erhält man für √<br />
C2<br />
˜ − Tt B∗ < 0 die Lösung<br />
<br />
Tt =<br />
˜C2<br />
B∗ eγ + 1<br />
eγ ,<br />
− 1<br />
(9.9)<br />
und beobachtet stetig fallende Werte des turbulenten Zeitmaßes Tt. Diese streben<br />
im Grenzübergang gegen das unten angeführte Minimum<br />
∂Tt<br />
< 0 und lim<br />
∂t t→∞ Tt<br />
<br />
˜C2<br />
= . (9.10)<br />
B∗ Mit Hilfe von (9.3) folgt wiederum<br />
∂Tt<br />
∂t = ˜ C2 − B∗ T 2<br />
t<br />
1 − A∗ T 2<br />
t<br />
= negative Größe<br />
1 − A ∗ T 2<br />
t<br />
< 0 ❀ 1 − A ∗ T 2<br />
t > 0 . (9.11)<br />
Die Möglichkeit, negative Werte des Anisotropiekoeffizenten zu erhalten, wird daher<br />
vom Autor der vorliegenden Arbeit als äußerst gering angesehen. Es sei daran erinnert,<br />
daß die oben gemachten Aussagen aus den Annahmen einer lokal zweidimensionalen<br />
Reynolds–gemittelten Strömung mit vernachlässigbarer Diffusion und korrekter Initialösung<br />
für hinreichend große Beobachtungszeiten abgeleitet wurden, und ein allgemeingültigerer<br />
Beweis leider nicht gelingt.<br />
152
9.2 Regularisierte Technik<br />
9.2. REGULARISIERTE TECHNIK<br />
Gatski und Speziale (1993) schlagen in der ursprünglichen Variante ihres EASM eine<br />
Fixierung des Wertes der spezifischen Produktionsrate (P/ε) g vor. Der dabei festgelegte<br />
Wert lehnt sich an das strukturelle Gleichgewicht an (vgl. <strong>Kapitel</strong> 7.1)<br />
<br />
P P<br />
= = const =<br />
ε g ε equil.<br />
<br />
1 − Cε2<br />
≈ 2 , (9.12)<br />
1 − Cε1<br />
welches der Herleitung des ASM zu Grunde liegt. Diese Vorgehensweise ist mit erheblichen<br />
Nachteilen verbunden und wurde von den Autoren in späteren Arbeiten mehrfach<br />
korrigiert (?; ?). Tabelle 9.1 vergleicht die daraus resultierenden Werte des Gleichgewichtsparameters<br />
g für unterschiedliche RSTM.<br />
Die Problematik konstanter (P/ε)g Werte läßt sich unmittelbar aus der Betrachtung<br />
des Anisotropiekoeffizienten für (P/ε)g ≈ 2 erkennen<br />
<br />
1 − Cε2<br />
g =<br />
(C<br />
1 − Cε1<br />
∗ 1 + 1) + (C1 − 1) ❀ ĉµ =<br />
1 − 2<br />
3 η1<br />
β3<br />
g<br />
−β1/g<br />
2<br />
− 2η2<br />
2 . (9.13)<br />
β2<br />
g<br />
Deutlich erkennt man, daß im Falle einer rotationsfreien Distorsion (η2 = 0) mit steigendem<br />
η1 eine Singularität von cµ droht. Hiervon ausgenommen ist das von Taulbee<br />
vorgeschlagene modifizerte LRR–Modell – welches auch von Wallin und Johansson<br />
(2000) propagiert wird –, für das wegen β3 ≡ 0 keine Singularität auftreten kann.<br />
Mit dem Nulldurchgang des Nenners von (9.13) ist ein im RANS–Kontext physikalisch<br />
unsinniger Wert des isotropen Wirbelzähigkeitsanteils verbunden. Offenkundig strebt<br />
das EASM in diesem Falle rasch gegen asymptotisch falsche Werte. Gatski und Speziale<br />
(1993) schlugen daher eine Regularisierung des Anisotropieparameters (bzw. des<br />
Koeffizienten A) auf der Grundlage einer Padé–Approximation erster Ordnung vor<br />
2 β3<br />
η1 ≈<br />
g<br />
2 β3<br />
η1 g<br />
<br />
β3<br />
g<br />
2<br />
η1 + 1<br />
❀ ˜cµ =<br />
1 + 1<br />
3 η1<br />
<br />
2<br />
β3<br />
−β1<br />
η1 + 1<br />
g<br />
g<br />
2 β3 − 2<br />
g<br />
2 β3<br />
η1 + 1<br />
g<br />
<br />
η2<br />
.<br />
2<br />
β2<br />
g<br />
(9.14)<br />
Tabelle 9.1: Werte des fixierten Gleichgewichtsparameters g für verschiedene lineare<br />
Transportgleichungs–Reynolds–Spannungsmodelle.<br />
LLR TB SSG/GS FRLT GL GY RO<br />
g 2.5 2.8 4.3 3.5 2.8 3.9 6.0<br />
(β3/g) 2<br />
2.5 10 −3 0.0 7.6 10 −3 11.4 10 −3 20.4 10 −3 32.2 10 −3 27.8 10 −3<br />
153
KAPITEL<br />
Die Güte der Padé–Aproximation ist an die Gültigkeit von<br />
2 β3<br />
η1 ≤ 10<br />
g<br />
−1<br />
❀ 2η1 = S 2 ≤ 2 · 10 −1<br />
<br />
g<br />
β3<br />
2<br />
≈ 10 1<br />
(9.15)<br />
gebunden. Das GS–EASM entspricht somit für nichtgleichgewichtige Zustände nicht<br />
mehr der ursprünglichen Formulierung. Angesichts der Tatsache, daß eine Singularität<br />
der Ausgangsgleichung (9.13) erst bei η1 = 1.5 (β3/g) 2 auftritt, weicht die Padé–<br />
Aproximation unnötigerweise bereits für völlig unkritische Distorsionzustände von der<br />
Ausgangsformulierung ab. Unglücklicherweise hängt die Güte der Padé–Approximation<br />
von der Wahl der Koeffizienten C1, C ∗ 1 und C3 ab. Die Werte des hierfür relevanten<br />
Parameters (β3/g) 2 sind in der zweiten Zeile von Tabelle 9.1 angeführt. Mit steigendem<br />
(β3/g) 2 sinkt die Güte der Approximation. Die Auswirkungen der Padé–<br />
Approximation hängen, wie im <strong>Kapitel</strong> 7.1 demonstriert, zudem stark vom gewählten<br />
Rotta–Koeffizienten ab.<br />
Einfache, gleichgewichtsnahe Zustände können bereits mit herkömmlichen Zwei–Parameter–Modellen<br />
recht gut vorhergesagt werden. Die Motivation zur Entwicklung einer<br />
höherwertigen Modellierung ist eng mit dem Bestreben verbunden, Nichtgleichgewichtssituationen<br />
besser darstellen zu können. Die aus der Regularisierung resultierenden<br />
erheblichen Genauigkeitsverluste bei der Vorhersage von Nichtgleichgewichtszuständen<br />
sind von einer Reihe von Autoren (z.B. Rumsey et al. 1999) festgestellt<br />
worden. Vor diesem Hintergrund sollte die vorgeschlagene Regularisierung mit großer<br />
Skepsis betrachtet werden. Ferner drohen bei der Behandlung stark nichtgleichgewichtiger<br />
Strömungen negative Normalspannungskomponenten, welche in Einzelfällen (?)<br />
zu einer Verfahrensdivergenz führen können.<br />
Der Anisotropieparameter sollte mit steigenden η1 sinken. Ein kontrollierter Abfall von<br />
cµ zu endlich kleinen positiven Grenzwerten kann nach Gleichung (9.1) jedoch nur für<br />
g ∼ √ η1 ❀ cµ ∼ η −1/2<br />
1<br />
(9.16)<br />
realisiert werden. Die Beziehung (9.16) gewährleistet zudem die Konsistenz zur RDT<br />
und zum Realizability–Prinzip (siehe <strong>Kapitel</strong> 7). Demgegenüber besitzen sowohl die<br />
auf der Basis einer einfachen Padé–Approximation (9.14) regularisierte Variante, als<br />
auch die nicht regularisierte Variante des Anisotropieparameters ein falsches, teilweise<br />
sogar uneinheitliches, asymptotisches Verhalten<br />
ĉµ(η1 = 0) ∼ η −1<br />
2 , ˜cµ(η2 = 0) ∼ η 0 1 bzw. ˜cµ(η1 ≈ −η2) ∼ η −1<br />
1 . (9.17)<br />
Verbesserte, asymptotisch korrekte Regularisierungsvorschläge, auf die hier nicht näher<br />
eingegangen werden soll, findet man beispielsweise bei ?) oder ?). Eine Regularisierung<br />
erscheint im Vergleich zu den unten skizzierten selbstkonsistenten bzw. quasi–<br />
selbstkonsistenten Techniken nicht ratsam.<br />
154
9.3 Selbstkonsistente Technik<br />
9.3. SELBSTKONSISTENTE TECHNIK<br />
Die selbstkonsistente Formulierung erhält man durch die Projektion der exakten Produktionsbeziehung<br />
(4.2) in die gewählte Funktionsbasis. Beschränkt man sich dabei<br />
der Einfachheit halber erneut auf inkompressible Strömungen, dann ergibt sich<br />
P<br />
ε<br />
<br />
g<br />
=<br />
P<br />
ε<br />
<br />
= −2bijsij = −2A T (1)<br />
ij sij − 2B T (2)<br />
ij sij − 2C T (3)<br />
ij sij . . . , (9.18)<br />
ohne daß Ad–hoc–Annahmen für die spezifische Produktionsrate gemacht werden müssen.<br />
Projektion in die lineare Basis<br />
Im Falle eines linearen Ansatzes (6.6) enthält die selbstkonsistente Bestimmungsgleichung<br />
der spezifischen Produktionsrate<br />
<br />
P<br />
−2β1η1<br />
=<br />
ε C1 − 1 + P/ε − 2β3 (η3/η1)<br />
g<br />
formal zwei Lösungen, von denen hier nur die positive Wurzel sinnvoll ist<br />
<br />
P<br />
ε g<br />
= − 1<br />
2<br />
<br />
C1 − 1 − β3<br />
η3<br />
η1<br />
<br />
+<br />
<br />
1<br />
4<br />
<br />
C1 − 1 − β3<br />
2 η3<br />
η1<br />
− 2β1η1<br />
0.5<br />
. (9.19)<br />
Der Ansatz (9.19) ist wegen g ∼ √ η1 mit einem asymptotisch korrekten Verhalten des<br />
Anisotropieparameters verbunden. Die Güte des o.a. Lösung prüft man geeigneterweise<br />
am Beispiel konventioneller, zweidimensionaler, homogener Scherströmungen, deren<br />
Richtwerte in Tabelle 9.2 zusammengefasst sind. Ein Vergleich mit Tabelle 4.2 ergibt,<br />
daß keines der aufgelisteten RSTM im Zusammenhang mit (9.19) befriedigende Lösungen<br />
erzielt. Die Gründe hierfür liegen in der unterbestimmten Funktionsbasis, weswegen<br />
eine Manipulation der Koeffizienten (z.B. C1=3.0 und C2=0.8) angebracht ist. Darüber<br />
hinaus fehlt der linearen Projektion die Sensitivität für Krümmungsmechanismen, da<br />
die Invarianten des Wirbeltensors nicht in Erscheinung treten.<br />
Tabelle 9.2: Richtwerte der spezifischen<br />
Produktionsrate in einer ebenen (homogenen)<br />
Scherung.<br />
S η1 η2 η3 P/ε<br />
6.0 18 -18 0 ≈ 2<br />
3.3 5.445 -5.445 0 ≈ 1<br />
155
KAPITEL<br />
Projektion in die zweidimensionale Basis<br />
Aus dem Aufbau der Systemmatrixen (6.15) und (6.17) bzw. ihrer Determinanten<br />
erkennt man, daß höherwertige nichtlineare Funktionsbasen auch mit komplexeren,<br />
hochgradig nichtlinearen Polynomen zur Bestimmung selbstkonsistenter g–Werte verbunden<br />
sind. Für eine Funktionsbasis N–ten Grades ergibt sich ein Polynom (N+1)–<br />
ten Grades zur Bestimmung von g. Die Selektionsproblematik der zumeist mehrdeutigen<br />
Lösung motiviert eine Beschränkung der Betrachtungen auf zweidimensionale<br />
Reynolds–gemittelte Strömungszustände, bei denen zur Bestimmung von (P/ε) ein<br />
kubisches Polynom gelöst wird. Die unten skizzierte Vorgehensweise wurde zuerst von<br />
?) bzw. Wallin und Johansson (2000) vorgeschlagen.<br />
Für die quadratische Drei–Generator–Funktionsbasis (6.13) ergibt sich in lokal zweidimensionalen<br />
Zuständen die unten stehende kubische Gleichung<br />
(C ∗ <br />
P<br />
1 + 1) = (C<br />
ε<br />
∗ 1 + 1) P<br />
ε = −2(C∗ 1 + 1)A η1 = g − (C1 − 1) , (9.20)<br />
❀ g − (C1 − 1)<br />
<br />
g 3 − K1g 2 −<br />
<br />
η1<br />
K1<br />
g<br />
=<br />
−2 η1 β ∗ 1g<br />
g 2 − 2<br />
3 η1β3 2 − 2η2β2 2<br />
mit β ∗ 1 = β1(C ∗ 1 + 1) ,<br />
<br />
2<br />
3 β3 2 − 2β ∗ <br />
1 + 2η2β2 2<br />
<br />
2<br />
g + K1<br />
3 η1β3 2 + 2η2β2 2<br />
<br />
= 0 .<br />
Mit Hilfe der Substitution G = g − K1/3 ergibt sich eine einfachere Beziehung, in der<br />
der quadratische Term nicht mehr auftritt<br />
G 3 + p G + q = 0 ,<br />
mit p = − 1<br />
Mit P1 = − q<br />
2<br />
⎧<br />
1<br />
⎨<br />
g =<br />
⎩ 1<br />
q =<br />
3<br />
K1<br />
3<br />
K 2 1 + 2β3 2 − 6β ∗ 1<br />
<br />
4β 2 2η2 − 2<br />
<br />
η1 + 6β 2 <br />
2η2 ,<br />
2 <br />
K1<br />
+<br />
3<br />
2β ∗ 1 + 4 2<br />
β3<br />
3<br />
<br />
η1<br />
<br />
. (9.21)<br />
Die Wurzeln der Beziehung (9.21) werden durch die Cardanische Lösungsformel (?)<br />
beschrieben.<br />
<br />
q<br />
2 <br />
p<br />
3 und P2 = + folgt (9.22)<br />
2 3<br />
3K1 + 3 P1 + √ P2 + sign(P1 − √ P2) 3 | P1 − √ P2 | wenn P2 > 0<br />
3K1 + 2 6 P 2 <br />
1<br />
1 − P2 cos 3 cos−1<br />
<br />
P1<br />
wenn P2 < 0<br />
√ P 2 1 −P2<br />
Die Lösung für P2 < 0 setzt sich eigentlich aus drei reellen Wurzeln zusammen, von<br />
denen eine keine stetige Fortsetzung für P2 > 0 besitzt und eine weitere durch die Koeffizienten<br />
des Druck–Scher–Korrelationsmodells entfällt. Im Falle einer Modifikation der<br />
156
c μ<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
9.3. SELBSTKONSISTENTE TECHNIK<br />
SSG<br />
LRR<br />
RO<br />
FRLT<br />
GY<br />
GL<br />
TB<br />
FRLT (quasi)<br />
0.1 1.0 10.0<br />
S=Ω<br />
Abbildung 9.1: Verhalten des Anisotropieparameters für geringe Deformationsgeschwindigkeiten<br />
bei selbstkonsistenter Technik ( FRLT(quasi) quasi-selbstkonsistente Lösung nach<br />
(9.24)).<br />
Funktions– bzw. Integritätsbasis in (9.20) sollte die vollständige Lösung (?; Lübcke und<br />
Rung 1999) konsultiert werden. Man erkennt leicht, daß mit g ∼ 6√ P2 asymptotisch korrekte<br />
Eigenschaften verbunden sind. Lübcke und Rung (1999) zeigen, daß im Rahmen<br />
der selbstkonsistenten Technik keine negativen Anisotropiewerte auftreten können. Der<br />
Nachteil der so ermittelten Beziehung für (P/ε)g ist ihre Komplexität und die mangelnde<br />
Sensitivität gegenüber 3D Strömungszuständen durch die Reduktion von N , hier<br />
insbesondere das Fehlen von η3. Ein weiteres Problem der selbstkonsistenten Technik<br />
ist der Wert des Anisotropiekoeffizienten cµ im Grenzübergang P/ε → 0 (vgl. Abbildung<br />
9.1 und Tabelle 9.3). Das selbstkonsistente EASM neigt in deformationsfreien<br />
Zonen teilweise zu sehr hohen Werten des Anisotropieparameters, was zu Problemen bei<br />
der Darstellung der Grenzbereiche zwischen turbulentem und nichtturbulentem Fluid<br />
führt. Leider sind keine strengen mathematisch/physikalischen Zwangsbedingungen zur<br />
Formulierung dieses Grenzwertes bekannt. Die empfohlenen Erfahrungswerte liegen im<br />
Bereich von 0.1–0.2, wobei der Grenzwert des Rotta–Modells (RO) aufgrund des exklusiven<br />
Bezugs der Modellbildung auf langsame Umverteilungsprozesse am plausibelsten<br />
erscheint.<br />
Tabelle 9.3: Grenzwerte des Anisotropieparameters cµ für P/ε → 0 im Rahmen der selbstkonsistenten<br />
Technik.<br />
LRR TB SSG GS FRLT GL GY RO<br />
limP/ε→0 cµ = −β1/(C1 − 1) 0.53 0.33 0.70 0.143 0.31 0.33 0.23 0.167<br />
157
KAPITEL<br />
12<br />
8<br />
4<br />
Ω<br />
present Ω present Ω 2D−analytical Ω 2D−analytical<br />
approximation approximation of g evolution of g of gevolution<br />
of g<br />
12<br />
2 4 6 28 4 6 8<br />
g<br />
8<br />
4<br />
10<br />
12<br />
g<br />
S<br />
10<br />
2 4 6 8 10<br />
4 8 124<br />
8 12 4 8 124<br />
8 12<br />
g<br />
12<br />
S<br />
12<br />
g<br />
S<br />
2 4 6 8 10<br />
Abbildung 9.2: Verlauf des Gleichgewichtsparameters g; links: Approximation mit Hilfe<br />
der quasi–selbstkonsistenten 2D Formulierung (9.24); rechts: Verlauf der selbstkonsistenten<br />
2D Lösung nach (9.22).<br />
9.4 Quasi–Selbstkonsistente Technik<br />
Die oben skizzierte selbstkonsistente Technik ist trotz ihrer Beschränkung auf einfache,<br />
zweidimensionale Strömungszustände mit relativ komplexen Lösungen verbunden.<br />
Dies motiviert die Bestimmung der spezifischen Produktionsrate (P/ε)g durch einen<br />
weniger aufwendigen linearen Ansatz. Ein solches Vorgehen entspricht im Grunde der<br />
Projektion der spezifischen Produktionsrate in eine reduzierte, niederwertigere Funktionsbasis.<br />
Neben der oben skizzierten Lösung (9.19) ist die Berechnung von (P/ε)g<br />
durch folgenden etablierten Alternativansatz (?; Rung 1998b) denkbar<br />
mit c ∗ µ =<br />
A0 + A1<br />
<br />
P<br />
= 2 c<br />
ε g<br />
∗ µη1 , (9.23)<br />
<br />
1<br />
η3<br />
√ und A1 = A1<br />
A2η1 − A3η2<br />
(η1) 1.5<br />
<br />
.<br />
Man beachte, daß die Formulierung (9.23) über den Schiefen–Parameter A1 dreidimensionale<br />
Einflüsse zu berücksichtigen vermag, worauf in <strong>Kapitel</strong> 8.1 näher eingegangen<br />
wird. Die Approximation der spezifischen Produktionsrate führt zu asymptotisch korrekten<br />
Eigenschaften gemäß (9.16) und berücksichtigt darüber hinaus Krümmungseffekte.<br />
Quasi–selbstkonsistente 2D Formulierung<br />
Der Ansatz (9.23) eignet sich in vielerlei Hinsicht zur Vereinfachung der selbstkonsistenten<br />
Technik. Neben der partiellen Linearisierung einer hochgradig nichtlinearen,<br />
158<br />
12<br />
S
9.4. QUASI–SELBSTKONSISTENTE TECHNIK<br />
3D Formulierung läßt er sich zur Entwicklung einer simplen quasi–selbstkonsistenten<br />
Formulierung nutzen, deren Entwicklung im Weiteren erläutert werden soll.<br />
<br />
2η1<br />
˜g = fC1 C1 − 1 + √ , mit A1(2D) = 1.83 . (9.24)<br />
4. + A1 0.4η1 − 1.6η2<br />
FRLT<br />
Die hier vorgeschlagene Formulierung (9.24) ist auf die Koeffizienten des FRLT–Modells<br />
(vgl. Tabelle 4.2) abgestimmt. Abbildung 9.2 veranschaulicht den Verlauf des quasi–<br />
selbstkonsistenten Gleichgewichtsparameters in der S − Ω Ebene (mit S = √ 2η1 und<br />
Ω = √ −2η2) für zweidimensionale Strömungszustände. Bei der Wahl der freien Parameter<br />
von (9.23) wurden die unten angeführten Restriktionen beachtet.<br />
I Beschränkung von cµ im Grenzübergang η1 = η2 → 0<br />
Wallin und Johansson (2000) bzw. Taulbee (1992) berichten über Probleme der selbstkonsistenten<br />
Formulierung in deformationsfreien Strömungsgebieten. Das selbstkonsistente<br />
EASM neigt in deformationsfreien Zonen zu sehr hohen Werten des Anisotropieparameters<br />
(vgl. Tabelle 9.3), was Schwierigkeiten bei der Modellierung des<br />
Übergangs zwischen turbulenter Grenzschicht und schwach turbulenter Kernströmung<br />
bereitet. Viele Autoren modifizierten daher die Prandtlzahlen des Zwei–Parameter–<br />
Hintergrundmodells. Um eine Trennung zwischen Hintergrundmodell und Stress–Strain<br />
Beziehung zu erhalten, wird in dieser Arbeit eine empirische Funktion fC1 eingeführt,<br />
die den Wert des Parameters g in deformationsfreien Bereichen stützt<br />
fC1 = 1 + 0.95<br />
<br />
1−tanh<br />
<br />
2<br />
S<br />
2.15<br />
❀ lim<br />
η1=η2→0 cµ = 0.161 . (9.25)<br />
Die Wirkungsweise der Funktion fC1 geht deutlich aus Abbildung 9.2 hervor. Mit abnehmenden<br />
Scherraten S tritt eine verstärkte Abweichung der quasi–selbskonsistenten<br />
Formulierung von der selbstkonsistenten Lösung auf. Für das Beispiel einer ebenen<br />
Scherströmung schmiegt sich die hier vorgeschlagene Lösung im Grenzübergang zu<br />
kleinen Deformationsgeschwindigkeiten an die Lösung des Rotta–Modells an, welches<br />
allein die langsamen Umverteilungsbeiträge berücksichtigt (Abbildung 9.1).<br />
II Konsistenz zum SSG Druck–Scher–Korrelationsmodell<br />
Das SSG Druck–Scher–Korrelationsmodell von Speziale et al. (1991) besitzt in vollturbulenten<br />
Bereichen (fC1 = 1) neben dem klassischen linearen Rotta–Beitrag zum<br />
Gleichgewichtsparameter g einen weiteren Anteil, der von P/ε abhängt<br />
<br />
P<br />
gSSG := 0.7 + 1.9<br />
ε<br />
<br />
P<br />
❀<br />
ε<br />
g<br />
g<br />
= ˜g , (9.26)<br />
1.05 η1<br />
= 0.421 +<br />
4. + 1.83 √ . (9.27)<br />
0.4η1 − 1.6η2<br />
159
KAPITEL<br />
Von der Güte der Approximation (9.24) überzeugt man sich beispielsweise anhand der<br />
in Tabelle 10.2 wiedergegebenen Ergebnisse für homogene Scherturbulenz.<br />
III Konsistenz zur Schwartzschen Ungleichung<br />
Die Schwartzsche Ungleichung für zwei verschiedene Geschwindigkeitsfluktuationen<br />
(uαuβ) 2 ≤ u 2 α u 2 β<br />
, (9.28)<br />
ist ein Bestandteil des in <strong>Kapitel</strong> 7.3 ausführlicher behandelten Realizability–Prinzips.<br />
Die Herleitung einer integralen Form der Schwartzschen Ungleichung basiert auf der<br />
doppelten Überschiebung des Reynolds–Spannungstensors mit sich selbst<br />
uiuj uiuj ≤ u 2 i u2 j = (2k)2 . (9.29)<br />
Gleichung<br />
√<br />
(9.29) dient im Rahmen dieser Arbeit zur Bestimmung der Kombination<br />
A2 in (9.23).<br />
A1<br />
Mit Hilfe des quadratischen Drei–Generator–Ansatzes FGS und der zweidimensionalen<br />
Koeffizienten (6.18) ergibt sich von (9.29)<br />
c 2 µ<br />
<br />
❀ c 2 µ<br />
T (1) (1)<br />
ij T ji +<br />
<br />
η1 +<br />
2 β2<br />
˜g<br />
−2 β2<br />
˜g<br />
T (2) (2)<br />
ij T ji + 4<br />
(1) (2)<br />
T ij T ji<br />
+ 4β3<br />
˜g<br />
2 β3<br />
˜g<br />
(1) (3)<br />
T ij T ji<br />
T (3) (3)<br />
ij T ji<br />
− 4β2β3<br />
˜g<br />
(2)<br />
T 2 ij<br />
<br />
(3)<br />
T<br />
ji<br />
≤ 2<br />
3 ,<br />
2 2 β2<br />
β3 1<br />
(η1η2 − 6η5) + 4<br />
˜g<br />
˜g 6 η2 1 + 4 β3<br />
˜g η3<br />
<br />
≤ 2<br />
3<br />
. (9.30)<br />
Unterwirft man die hierin auftretenden Invarianten den bereits mehrfach zitierten 2D<br />
Restriktionen (3.54), dann ergibt sich<br />
⎡<br />
⎣<br />
β1/˜g<br />
1 − 2 β2 2<br />
˜g 2 η2 − 2 β<br />
3<br />
2 3<br />
˜g 2 η1<br />
⎤<br />
⎦<br />
2 <br />
η1<br />
<br />
1 − 2 β2 2<br />
˜g 2 η2 + 2<br />
3<br />
β2 <br />
3<br />
η1 ≤<br />
˜g 2 2<br />
3<br />
. (9.31)<br />
Von besonderem Interesse ist das Verhalten des Parameters ˜g für große Werte der<br />
Wirbel– und Scherraten–Invarianten η1 bzw. η2, bei denen eine Verletzung der Ungleichung<br />
(9.31) zu befürchten ist. Eine Beschränkung der linken Seite kann in diesem Falle<br />
nur für<br />
˜g 2 ∼ α1 η1 − α2η2<br />
160<br />
(9.32)
9.4. QUASI–SELBSTKONSISTENTE TECHNIK<br />
gewährleistet werden, was vom gewählten Ansatz (9.23) befriedigt wird. Die restriktivste<br />
Situation tritt in Verbindung mit lim η1 → ∞ und η2 → 0 auf<br />
<br />
1<br />
<br />
α1<br />
β1<br />
β<br />
3<br />
2 3<br />
α1<br />
1 − 2<br />
2 <br />
1 + 2<br />
3<br />
β 2 3<br />
α1<br />
<br />
α1 + 2<br />
= β2 1 3β2 3<br />
<br />
α1 − 2<br />
3β2 2 3<br />
α 2 1 + 3<br />
2 β2 1α1 + 2<br />
3 β2 <br />
2<br />
3<br />
3 β2 3 − 3<br />
2 β2 <br />
1 − 2<br />
für die man folgende Einschränkung der Parameterwerte α1 findet<br />
2<br />
3 β2 3 + 3<br />
4 β2 1 − γ > α1<br />
<br />
2<br />
mit γ =<br />
oder<br />
3 β2 3 + 3<br />
4 β2 2 1<br />
2<br />
3 β2 3 + 3<br />
+ 2<br />
3 β2 3<br />
Im Falle des hier propagierten FRLT–Modells ergibt sich<br />
<br />
≤ 2<br />
3 ,<br />
4 β2 1 + γ < α1<br />
<br />
3<br />
2 β2 1 − 2<br />
3 β2 <br />
3 .<br />
≥ 0 , (9.33)<br />
(9.34)<br />
α1 > 0.5613 bzw. α1 < −0.0401 , (9.35)<br />
wobei generell nur positive Werte sinnvoll sind. Der Vergleich mit (9.24) zeigt, daß der<br />
implementierte Wert für α1 ungefähr dem Grenzwert der Schwartzschen Ungleichung<br />
entspricht<br />
α1 = A1(2D)<br />
√<br />
A2<br />
= 0.5787 > 0.5613 .<br />
2<br />
Für die ebene Scherturbulenz mit η1 = −η2 erkennt man sofort, daß die Schwartzsche<br />
Ungleichung immer erfüllt ist, weswegen diesbezüglich für cµ die Konsistenz zur<br />
Bradshaw–Hypothese im Grenzübergang lim η1 → ∞ verlangt wird.<br />
Die Gewährleistung positiver Anisotropieparameter ist mit der Forderung nach einem<br />
positiven Nenner verbunden<br />
−β1/˜g<br />
1 − 2 β2 2<br />
˜g 2 η2 − 2 β<br />
3<br />
2 3<br />
˜g 2 η1<br />
> 0 ❀ β 2 3 < 1.5 α1 . (9.36)<br />
Man erkennt deutlich, daß die Konsistenz zur Schwartzschen Ungleichung für das FRLT<br />
Modell auch positive Anisotropieparameter gewährleistet.<br />
IV Asymptotische Konsistenz zur Bradshaw–Hypothese in ebenen Scherströmungen<br />
Betrachtet man im Weiteren den wichtigen Fall einer ebenen Scherung, dann ergibt<br />
der Ansatz (9.23) für große Werte des Scherparameters S<br />
η1 = −η2 = 0.5S 2<br />
❀ lim ˜g<br />
S→∞ 2 <br />
=<br />
161<br />
A1<br />
2 2<br />
2 S<br />
√ . (9.37)<br />
A2 + A3 2
KAPITEL<br />
Setzt man hier die plausible Nebenbedingung<br />
ein, dann ergibt sich für den Anisotropiekoeffizienten<br />
cµ =<br />
−β1/˜g<br />
1 + 0.5 2β2 2 − 2<br />
3β2 <br />
2<br />
3 A1 A2 + A3 = 2 (9.38)<br />
=<br />
−β1A1<br />
S 1 + 0.5 2β2 2 − 2<br />
3β2 . (9.39)<br />
2<br />
3 A1 Fordert man weiterhin für große Scherparameterwerte die Konsistenz zur sogenannten<br />
Bradshaw-Hypothese (Bradshaw und Ferris 1972), bzw. der daraus folgenden Linearisierung<br />
der Produktion P von Turbulenzenergie (Rung 1998a)<br />
P<br />
ε = cµS 2 = 0.3 S ❀ cµ = 0.3/S , (9.40)<br />
dann ergibt sich aus den Gleichungen (9.39) und (9.40) eine quadratische Beziehung<br />
zur Bestimmung von A1<br />
<br />
0.5 2β 2 2 − 2<br />
<br />
A<br />
3<br />
2 1 + 3.3β1A1 + 1 = 0 . (9.41)<br />
Für das FRLT–Modell gewinnt man aus einer der beiden Wurzeln von (9.41) unmittelbar<br />
den Wert des Koeffizienten A1(2D)<br />
A1(2D) = 1.82 .<br />
Nachdem man zunächst den Koeffizienten A1(2D) mit Hilfe von (9.41) bestimmt, erfolgt<br />
die Berechnung von A2 und A3 durch (9.34) bzw. (9.38). Die Verträglichkeit zum<br />
SSG–Modell bzw. zu den in Tabelle 9.2 notierten Richtwerten bestimmt die abschließende<br />
Wahl von A0. Zur Überprüfung der Koeffizienten wird das EASM im nächsten<br />
<strong>Kapitel</strong> neben der eingehenden Analyse fundamentaler Strömungszustände auch einer<br />
Realisierbarkeits–Untersuchung unterzogen.<br />
Quasi–selbstkonsistente 3D Formulierung<br />
Eine weitere Möglichkeit zum Einsatz einer Näherung ˜g findet sich bei der 3D Erweiterung<br />
der selbstkonsistenten Formulierung von (P/ε)g. Durch den partiellen Einsatz<br />
von ˜g läßt sich der kubische Grad der Bestimmungsgleichung für g auch bei hochgradig<br />
nichtlinearen Modellen erhalten.<br />
Erweitert man z.B. den quadratischen GS–Ansatz durch eine ergänzende Gruppe T λ<br />
ij<br />
(vgl. <strong>Kapitel</strong> 8.5)<br />
⎛<br />
bij =<br />
⎝<br />
<br />
β1<br />
g − 2β2 2<br />
g η2 − 2β2 3<br />
3g η1<br />
sij − β2<br />
g<br />
⎞<br />
⎠<br />
sikw ∗ kj − w ∗ ikskj<br />
+ 2β3<br />
g<br />
<br />
s 2 ij − 1<br />
3 δij s 2 <br />
kk<br />
162<br />
+ bλ(ηi, βi)<br />
g2 T (λ)<br />
<br />
ij<br />
,
9.4. QUASI–SELBSTKONSISTENTE TECHNIK<br />
dann läßt sich der kubische Grad des Polynoms durch die Linearisierung<br />
erhalten:<br />
<br />
P<br />
=<br />
ε g<br />
P<br />
ε = ˜g3D − (C1 − 1)<br />
<br />
und damit<br />
˜g 3 3D − K1˜g 2 3D −<br />
<br />
η1<br />
+ K1<br />
2<br />
2<br />
K1<br />
3 β3 2 − 2β ∗ 1<br />
bλ(ηi, βi)<br />
g 2<br />
→ bλ(ηi, βi)<br />
g˜g<br />
= −2A (C ∗ <br />
η3 bλ/˜g<br />
1 + 1) η1 + 2β3 +<br />
g g<br />
<br />
+ 2η2β2 2<br />
<br />
˜g3D<br />
3 η1β3 2 + 2η2β2 2 + 4 β∗ 1β3<br />
K1<br />
η3 + 2 β∗ 1bλ/˜g<br />
K1<br />
<br />
T (λ)<br />
ij sij<br />
<br />
T (λ)<br />
ij sij<br />
= 0 . (9.42)<br />
Die Lösung von (9.42) gelingt wiederum mit Hilfe der Cardanischen Lösungsformel. Im<br />
Unterschied zu (9.22) kann P1 prinzipiell auch negative Werte annehmen, weswegen<br />
man eine dritte reelle Wurzel findet<br />
˜g3D =<br />
⎧<br />
1<br />
3<br />
⎪⎨<br />
⎪⎩<br />
K1 + 3 P1 + √ P2 + sign(P1 − √ P2) 3 | P1 − √ P2 | wenn P2 > 0<br />
1<br />
3K1 + 2 6 P 2 <br />
1<br />
1 − P2 cos 3 cos−1<br />
<br />
P1 √ wenn P2 < 0 und P1 > 0<br />
P 2<br />
1 −P2<br />
1<br />
3K1 + 2 6 P 2 <br />
1<br />
1 − P2 cos 3 cos−1<br />
<br />
P1 + 2π<br />
<br />
wenn P2 < 0 und P1 < 0<br />
3<br />
163<br />
√ P 2 1 −P2<br />
,<br />
(9.43)
<strong>Kapitel</strong> 10 Analyse<br />
Dieses <strong>Kapitel</strong> befaßt sich mit der formalen Untersuchung des quadratischen Drei–<br />
Generator–Ansatzes (6.13) von Gatski und Speziale. Das Hauptaugenmerk der Untersuchungen<br />
gilt der Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Techniken zur Darstellung von<br />
(P/ε)g, insbesondere der hier entwickelten quasi–selbstkonsistenten (QS) Approximation,<br />
in fundamentalen inkompressiblen Strömungszuständen. Einen weiteren Schwerpunkt<br />
des <strong>Kapitel</strong>s bildet die Validierung der Koeffizienten des vorgeschlagenen FRLT–<br />
EASM in Konkurrenz zu herkömmlichen (linearen) Druck–Scher–Korrelationsmodellen.<br />
Die Untersuchungen widmen sich zunächst der Vorhersage von elementaren homogenen<br />
Turbulenzfeldern bei moderater und starker Distorsion. Anhand des illustrativen<br />
Beispiels der achsensymmetrischen Distorsion wird die dem EASM zugrunde liegende<br />
Funktionsbasis kritisch beleuchtet. Daran anschliessend wird die Realisierbarkeit der<br />
Modellbildung für fundamentale Strömungszustände demonstriert. Abschließend werden<br />
die Koeffizienten des Druck–Scher–Korrelationsmodells in Hinblick auf die Darstellbarkeit<br />
von Stromlinienkrümmung und sekundären Strömungsmerkmalen analysiert.<br />
10.1 Homogene Scherturbulenz<br />
Die Analyse der berechneten Gleichgewichtswerte des Reynolds–Spannungstensors für<br />
homogene Scherturbulenz zählt zu den wichtigsten Eckpfeilern einer Beurteilung von<br />
Turbulenzmodellen. Die einzige von Null verschiedene Komponente des Geschwindigkeitsgradienten–Tensors<br />
∂U/∂y = S ∗ sei hierbei positiv, und ebenso wie alle statistischen<br />
Turbulenzgrößen räumlich konstant.<br />
Gleichgewichtszustand<br />
Für homogene Scherturbulenz lauten die modellierten Transportgleichungen der Turbulenzenergie<br />
(2.17) und Disspationsrate (2.18)<br />
∂k<br />
∂t<br />
= P − ε ,<br />
∂ε<br />
∂t<br />
= ε<br />
k<br />
<br />
<br />
Cε1 P − Cε2 ε<br />
mit P = cµ S 2 ε , (10.1)<br />
deren Langzeitverhalten (Index ∞) durch folgende Gleichgewichtsbeziehung charakterisiert<br />
ist<br />
<br />
∂ε<br />
=<br />
∂t ∞<br />
ε<br />
<br />
∂k<br />
. (10.2)<br />
k ∂t ∞<br />
Aus Gleichung (10.2) ergibt sich unmittelbar der bereits in <strong>Kapitel</strong> 6.2 verwendete<br />
Gleichgewichtswert für die spezifische Produktionsrate<br />
<br />
P<br />
=<br />
ε ∞<br />
Cε2 − 1<br />
Cε1 − 1 := C5 , (10.3)<br />
164
10.1. HOMOGENE SCHERTURBULENZ<br />
Tabelle 10.1: Berechnete Gleichgewichtswerte des Scherparameters für die ebene homogene<br />
Scherung (k − ε Modell). Vergleich der Ergebnisse mit quasi-selbstkonsistenter Approximation<br />
von ˜g nach (9.24) mit der regularisierten Technik cµ(g) nach (9.13) bzw. (9.14) und der<br />
selbstkonsistenten Technik (SK) nach Gleichung (9.22). Die Ergebnisse des linearen Standardmodells<br />
nach Jones et al. (1972) sind durch den Terminus lin. gekennzeichnet.<br />
k − ε LRR TB GS FRLT GL GY RO lin. Exp.<br />
cε1 1.44 1.44 1.44 1.44 1.44 1.40 1.44 1.44<br />
cε2 1.90 1.90 1.83 1.83 1.92 1.80 1.92 1.92<br />
C5 2.05 2.05 1.89 1.89 2.09 2.00 2.09 2.09<br />
S∞(˜g) 5.51 6.93 5.98 6.01 5.75 5.12 5.39 4.82 6.08<br />
S∞(g) (Reg. nach (9.14)) 5.45 6.84 6.02 6.36 5.79 5.36 5.62 — —<br />
S∞(g) (SK nach (9.22)) 5.45 6.84 5.99 6.25 5.65 5.13 5.39 — —<br />
und damit von (10.1) ein exponentielles Wachstum für die Turbulenzenergie<br />
<br />
τ<br />
k∞(τ) = k0 exp<br />
S<br />
<br />
Cε2 − Cε1<br />
,<br />
Cε1 − 1<br />
mit τ = t S ∗ = t <br />
2 η1 . (10.4)<br />
Experimentelle Untersuchungen von Tavoularis und Corrsin (1981) ordnen dem Gleich-<br />
= 6.08 zu, direkte nume-<br />
gewichtszustand einen Scheratenparameterwert S∞ = √ 2η1∞<br />
rische Simulationen von ?) ermitteln demgegenüber leicht geringere Werte (S∞ = 5.7).<br />
Die von den unterschiedlichen EASM berechneten Gleichgewichtswerte S∞ sind in Tabelle<br />
10.1 zusammengefasst. Da sich alle Techniken zur Darstellung von (P/ε)g auf<br />
den Gleichgewichtszustand beziehen, variieren die Ergebnisse einzelner Druck–Scher–<br />
Korrelationsmodelle diesbezüglich nur geringfügig. Die größten Abweichungen treten<br />
im Zusammenhang mit den GY–, RO– und FRLT–EASM auf. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
daß sich die Wahl des Rotta–Koeffizienten des FRLT–Modells nach Geichung<br />
(9.27) eng an die Darstellung von (P/ε)g anlehnt. Auffällig ist die mit fallendem β3 einsetzende<br />
Abweichung zwischen selbstkonsistentem und regularisiertem Ergebnis, welche<br />
durch den bereits in Gleichung (9.14) erörterten Einfluß des Koeffizienten β3 auf die<br />
Güte der Padé–Approximation erklärt werden kann.<br />
Anisotropietensor der Reynolds–Spannungen im Gleichgewichtszustand<br />
Tabelle 10.2 vergleicht die von verschiedenen EASM berechneten Reynolds–Spannungen<br />
mit Experimenten und direkten numerischen Simulationen für drei verschiedene Scherraten.<br />
Die beiden höheren Scherraten beziehen sich auf die ebene homogene Scherung,<br />
der niedrigere Wert S = 3.3 entspricht dem logarithmischen Bereich einer Kanalströmung.<br />
Hierbei ist zu beachten, daß bei einer Kanalströmung genau genommen<br />
natürlich keine homogene Scherung vorliegt, ein Vergleich aber durchaus zweckmäßig<br />
ist. Da es sich bei den betrachteten Beispielen um Gleichgewichtszustände handelt, in<br />
denen Transportterme von untergeordnetem Einfluß sind, dürften sich die Ergebnisse<br />
165<br />
Tt
KAPITEL<br />
der Transportgleichungsmodelle kaum von den hier gezeigten EASM–Ergebnissen unterscheiden.<br />
Die berechneten Werte basieren auf der quasi–selbstkonsistenten Bestimmung<br />
des Gleichgewichtsparameters ˜g nach Gleichung (9.24). Zur Verdeutlichung der<br />
Bedeutung einer selbstkonsistenten bzw. quasi–selbstkonsistenten Vorgehensweise sind<br />
die Ergebnisse des regularisierten GS–Modells im Zusammenhang mit dem konstanten<br />
Gleichgewichtswert g nach Gleichung (9.13) unter der Kurzform GSreg ergänzend<br />
aufgeführt.<br />
Abid und Speziale (1993) weisen darauf hin, daß sowohl für die Kanalströmung als<br />
auch für die homogene Scherströmung ähnliche Anisotropiewerte berechnet werden<br />
sollten. Diese Aussage läßt sich durch den Vergleich der DNS einer Kanalströmung<br />
(Kim et al., 1987) mit den Messungen von Laufer (1951) nicht bestätigt. Trotzdem<br />
ist ein solches Vorhersageverhalten positiv zu bewerten. Dies gilt insbesondere für die<br />
elementar wichtige Schubspannungskomponente b12.<br />
Der Vergleich der GSreg– und SSG–Variante in Tabelle 10.2 deutet an, daß nahezu konstante<br />
Schubspannungskomponenten mit einem regularisierten EASM nicht zu verwirklichen<br />
sind. Eine Erklärung hierzu ergibt sich aus der Analyse des Rotta–Koeffizienten<br />
C1. Die Unabhängigkeit der Schubspannungskomponente von der Scherrate ist nur bei<br />
hinreichend kleinen Rotta–Koeffizienten zu gewährleisten, was z.B. deutlich aus der<br />
vergleichenden Betrachtung der GL– und GY–Ergebnisse hervorgeht. Je geringer der<br />
im Modell verankerte Rotta–Koeffizient ist, desto einflußreicher ist der Unterschied zwischen<br />
variablem oder konstantem (P/ε)g auf den Gleichgewichtskoeffizienten g. Eine<br />
gleichmäßig gute Vorhersage der homogenen Scherturbulenz und der Kanalturbulenz<br />
ist daher mit regularisierten Modellen nicht möglich.<br />
Der Einfluß des Rotta–Koeffizienten C1 auf den Grad der Anisotropie einer homogenen<br />
Scherströmung ist verblüffend. Mit Hilfe des EASM läßt leicht sich leicht zeigen,<br />
daß die Koordinaten des Anisotropietensors für eine Scherströmung (η1 = 2(s12) 2 ) im<br />
Falle von C1 = 1 zu Konstanten degenerieren<br />
<br />
η1<br />
b11 = −cµ β2 +<br />
g<br />
β3<br />
<br />
3<br />
<br />
η1<br />
, b22 = cµ β2 −<br />
g<br />
β3<br />
<br />
3<br />
, |b12| = cµ<br />
η1<br />
2<br />
. (10.5)<br />
Die exakte Gleichung (9.20) zur Bestimmung des Gleichgewichtsparameters g lautet in<br />
Scherströmungen<br />
g = (C ∗ 1 + 1) P<br />
ε = 2 (C∗ 1 + 1) cµη1 =<br />
❀ g = √ 2 β3 η1 2<br />
g + 2η1<br />
g<br />
3 − β2 2 − β ∗ 1<br />
−2β ∗ 1η1<br />
<br />
<br />
:=γ<br />
166<br />
<br />
β 2 2 − β2 3<br />
3<br />
.<br />
,
10.1. HOMOGENE SCHERTURBULENZ<br />
Setzt man dieses Ergebnis in die Definition des Anisotropieparameters cµ ein<br />
cµ =<br />
√ η1<br />
−β1<br />
<br />
γ + 2<br />
<br />
β γ<br />
2 2 − β2 ,<br />
3<br />
3<br />
dann ergeben sich gemäß (10.5) unmittelbar von der Scherrate unabhängige bij-Werte.<br />
Aus der nachfolgenden kurzen Beurteilung unterschiedlicher Vorgehensweisen zur Modellierung<br />
der Druck–Scher–Korrelationen ergeben sich weitere konzeptionelle Defizite.<br />
IP–Modelle<br />
Sämtliche IP–Modelle offenbaren Schwierigkeiten bei der Berechnung der scheinbar<br />
einfachen homogenen Scherturbulenz. Die Schubspannungskomponente wird von allen<br />
Formulierungen deutlich überschätzt, die Spannungsanisotropie jedoch unterschätzt,<br />
woraus sich ein struktureller Widerspruch ableiten läßt. Insbesondere die fehlerhafte<br />
Berechnung von b12 ist zu bemängeln. Wegen C3 = C4 = 1.5 C2 sind IP–Modelle in<br />
ebenen Scherströmungen unweigerlich mit der Anomalie b22 = b33 verbunden. Daraus<br />
resultieren signifikante Defizite bei der Vorhersage von Wandturbulenz oder turbulenten<br />
Sekundärströmungen in scherdominierten Strömungszuständen (vgl. <strong>Kapitel</strong> 7.5). Die<br />
im IP–Modell verankerte Kopplung zwischen den Koeffizienten des schnellen Druck–<br />
Scher–Korrelationsmodells erscheint daher fragwürdig. Das GL–Modell ist den GY–<br />
und RO–Vorschlägen in ebenen Scherströmungen tendenziell überlegen.<br />
QI–Modelle<br />
Das LRR–Modell führt aufgrund der mangelhaften Abstimmung der Koeffizienten zu<br />
ähnlich unbefriedigenden Ergebnissen wie die IP–Modelle. Die Schubspannungskomponente<br />
wird deutlich überschätzt, was für die Berechnung von Scherströmungen fatale<br />
Auswirkungen haben kann. Die Normalspannungsanisotropie wird weit unterschätzt.<br />
Die von Taulbee vorgeschlagene Modifikation des LRR–Modells, die auch von Wallin<br />
und Johansson (2000) zur Formulierung eines EASM benutzt wird, erweist sich der<br />
ursprünglichen LRR–Formulierung in Bezug auf die Schubspannung überlegen. Die<br />
Normalspannungen werden demgegenüber noch schlechter als vom LRR–Modell vorhergesagt.<br />
Das TB–Modell unterscheidet sich für ebene Scherströmungen daher faktisch<br />
nicht von guten linearen Wirbelzähigkeitsmodellen. Die Wahl von C3 = 2 führt darüber<br />
hinaus in diesen Strömungen unsinnigerweise immmer auf b33 = 0, weswegen sich der<br />
physikalisch wichtige Umverteilungsmechanismus auf zwei Komponenten beschränkt.<br />
Die Vernachlässigung der dritten Komponente ist von Nachteil für die Darstellung von<br />
Anisotropiezuständen, beispielsweise in Zusammenhang mit der Integration des wandnahen<br />
low–Re Bereichs.<br />
Die FRLT– und SSG–Varianten sind für alle drei Scherraten mit bemerkenwert guten<br />
Resultaten verbunden. Die gute Übereinstimmung der Vorhersagen dieser beiden<br />
Modelle belegt die Qualität der quasi–selbstkonsistenten FRLT–Modellbildung.<br />
167
KAPITEL<br />
Tabelle 10.2: Berechnete Werte des Anisotropietensors für die ebene homogene Scherung.<br />
Aufgelistete P/ε = −2b12S. Mit Ausnahme von GSreg wurden alle Ergebnisse mit der quasiselbstkonsistenten<br />
Approximation des Gleichgewichtsparameters g nach (9.24) berechnet.<br />
k − ε S b11 b22 b12 P/ε cµ<br />
Launder, Reece und Rodi (LRR) 6.08 0.148 -0.116 -0.185 2.001 0.061<br />
5.7 0.149 -0.117 -0.186 1.886 0.065<br />
3.3 0.149 -0.117 -0.186 1.227 0.112<br />
Taulbee (TB) 6.08 0.123 -0.123 -0.147 1.788 0.049<br />
5.7 0.122 -0.122 -0.147 1.676 0.052<br />
3.3 0.112 -0.112 -0.145 0.957 0.088<br />
Speziale, Sarkar und Gatski (SSG) 6.08 0.217 -0.159 -0.156 1.897 0.052<br />
5.7 0.214 -0.155 -0.157 1.790 0.055<br />
3.3 0.179 -0.131 -0.158 1.043 0.096<br />
lin. reg. Gatski und Speziale (GSreg) 6.08 0.205 -0.149 -0.157 1.909 0.052<br />
5.7 0.193 -0.141 -0.157 1.790 0.055<br />
3.3 0.099 -0.072 -0.138 0.911 0.084<br />
Fu, Rung, Lübcke und Thiele (FRLT) 6.08 0.218 -0.157 -0.157 1.909 0.052<br />
5.7 0.215 -0.155 -0.157 1.790 0.055<br />
3.3 0.180 -0.130 -0.158 1.043 0.096<br />
Gibson und Launder (GL) 6.08 0.182 -0.091 -0.182 2.213 0.060<br />
5.7 0.181 -0.090 -0.182 2.075 0.064<br />
3.3 0.163 -0.081 -0.175 1.155 0.106<br />
Gibson und Younis (GY) 6.08 0.253 -0.126 -0.198 2.408 0.065<br />
5.7 0.247 -0.123 -0.197 2.246 0.069<br />
3.3 0.179 -0.089 -0.181 1.195 0.110<br />
Rotta (RO) 6.08 0.248 -0.124 -0.197 2.396 0.065<br />
5.7 0.238 -0.119 -0.196 2.234 0.069<br />
3.3 0.143 -0.072 -0.168 1.109 0.102<br />
lineares Standardmodell 6.08 0.0 0.0 -0.273 3.320 0.09<br />
(cµ =const) 5.7 0.0 0.0 -0.257 2.930 0.09<br />
3.3 0.0 0.0 -0.149 0.983 0.09<br />
Exp. Tavoularis und Corrsin (1981) 6.08 0.210 -0.151 -0.155 1.88 0.051<br />
DNS Rogers et al.(1986) 5.7 0.215 -0.153 -0.158 1.85 0.055<br />
Kanal DNS Kim et al. (1987) 3.3 0.179 -0.127 -0.143 0.996 0.087<br />
Kanal Exp. Laufer (1951) 3.1 0.220 -0.150 -0.160 0.992 0.103<br />
168
10.1. HOMOGENE SCHERTURBULENZ<br />
Instationäres Verhalten bei langsamer und schneller Variation der Scherrate<br />
Im Folgenden werden eine gleichgewichtsnahe und eine stark nichtgleichgewichtige homogene<br />
Scherung verglichen, welche sich durch die zeitliche Änderung der dimensionslosen<br />
Scherrate S = S ∗ k/ε unterscheiden (Abbildung 10.1). Aufgrund der geringfügigen<br />
Abweichung der Anfangsbedingung S0 vom Gleichgewichtszustand S∞ ist die gleichgewichtsnahe<br />
Scherung mit einer langsamen Änderung der Scherrate verbunden. Die<br />
Realisierung der nichtgleichgewichtigen Strömung geschieht durch entsprechend große<br />
Abweichungen der Anfangsbedingung vom Gleichgewichtszustand.<br />
S<br />
100<br />
10<br />
1<br />
0<br />
S *<br />
k 0 /ε 0 =2.36 (approximate equilibrium)<br />
S * k 0 /ε 0 =50. (non−equilibrium)<br />
t<br />
Abbildung 10.1: Zeitliche Entwicklung des Scherratenparameters S in einer homogenen<br />
Scherung bei zwei verschiedenen Anfangsbedingungen (S ∗ k0/ε0 = 2.36 bzw. S ∗ k0/ε0 = 50).<br />
Gleichgewichtsnaher Fall (schwache Distorsion)<br />
Abbildung 10.2 zeigt die zeitliche Entwicklung der Reynolds–Spannungen in einer homogenen<br />
Scherung zur Anfangsbedingung S0 = 2.36. Der Vergleich der Resultate unterschiedlicher<br />
EASM–Varianten mit der von ?) publizierten direkten numerischen Simulation<br />
untermauert die oben gezogenen Schlußfolgerungen. Keines der in Abbildung<br />
10.2 (unten) zusammengefassten IP–Modelle vermag zwischen den beiden sekundären<br />
Normalspannungskomponenten zu differenzieren. Das FRLT–Modell (Abbildung 10.2<br />
oben) besitzt trotz der eher moderaten Scherung deutliche Vorteile gegenüber den anderen<br />
Varianten bei der Vorhersage dieser Strömung.<br />
Auffällig sind die signifikanten Abweichungen aller EASM–Ergebnisse im frühen transienten<br />
Bereich (St ≤ 5). Diese resultieren aus der Vernachlässigung der substantiellen<br />
Änderung des Anisotropietensors im Rahmen des hypothetisch angenommenen strukturellen<br />
Gleichgewichts (Gleichung 4.10). Aufgrund der nicht verschwindenden Anfangsscherrate<br />
startet die RANS im Unterschied zur DNS aus anisotropen Zuständen. Sie<br />
durchläuft nur eine kurze transiente Phase, in der sich der Scherratenparameter S dem<br />
Gleichgewichtswert S∞ nähert, der Grad der Spannungsanisotropie folgt unmittelbar<br />
aus den aktuellen Parameterwerten von S. Untersuchungen zum transienten Verhalten<br />
sind demnach allenfalls für isotrope Turbulenzgrößen sinnvoll. Mit zunehmender Be-<br />
169
KAPITEL<br />
deutung der substantiellen Änderung des Anisotropietensors kommt es darüber hinaus<br />
zu Fehlern bei der Berechnung der Produktionsterme, worunter auch die Vorhersage<br />
isotroper Größen leidet. Dies betrifft weniger die Simulation von Scherturbulenz als die<br />
weiter unten diskutierte Vorhersage der rotationsfreien Distorsion, da die Normalspannungsanisotropie<br />
dort über entsprechende Gradienten die Entwicklung der spezifischen<br />
Produktionsrate (P/ε ∼ bijsij) nachhaltig beeinflußt.<br />
Ein praxisbezogenes Beispiel für die Bedeutung der Transportterme ist die Berechnung<br />
konfluenter Scherschichten, die beispielsweise im Zusammenhang mit der Simulation<br />
aerodynamischer Hochauftriebskonfigurationen (?) relevant sind. Hierbei kommt es in<br />
Ermangelung von Transporttermen zu deutlichen Qualitätseinbußen. ?) schlagen zur<br />
Berücksichtigung der lokalen Änderung das in <strong>Kapitel</strong> 8.1 skizzierte Relaxationsmodel<br />
vor, dessen Gültigkeitsbereich auf krümmungsarme, quasi–isotrope Zustände bechränkt<br />
ist. Alternativ hierzu können die vollständigen Transportterme (vgl. <strong>Kapitel</strong><br />
5.3) berücksichtigt werden, wovon in dieser Arbeit jedoch kein Gebrauch gemacht wird.<br />
Nichtgleichgewichtsfall (starke Distorsion)<br />
Die Simulation einer stark nichtgleichgewichtigen homogenen Scherung ist aufgrund<br />
der hohen Anfangsscherrate S0 = 50 von Interesse. Das Beispiel eignet sich primär<br />
zur Evaluierung der im Rahmen von <strong>Kapitel</strong> 6 angestellten Überlegungen zum sog.<br />
Rapid–Distortion–Limit (lim η1 → ∞) des Anisotropieparameters cµ und ermöglicht eine<br />
Überprüfung der quasi–selbstkonsistenten Approximation von (P/ε)g. Inkonsistenzen<br />
eines Turbulenzmodells im Rapid–Distortion–Limit sind häufig mit fehlerhaften<br />
Simulationsergebnissen in Nichtgleichgewichtsströmungen verknüpft und sollten daher<br />
vermieden werden. Da eine transiente Analyse allenfalls für die isotropen Turbulenzgrößen<br />
sinnvoll ist, beschränken sich die gezeigten Resultate an dieser Stelle auf die<br />
zeitliche Entwicklung der Turbulenzenergie.<br />
Abbildung 10.3 vergleicht die diesbezüglich vorhergesagten Werte mit den Ergebnissen<br />
der Rapid–Distortion–Theorie (RDT), welche der Arbeit von ?) entnommen wurden.<br />
Verglichen mit der zuvor untersuchten gleichgewichtsnahen Anwendung verschlechtert<br />
sich die Qualität der Ergebnisse deutlich unter dem Einfluß der phasenweise extrem<br />
hohen Scherrate. Das regularisierte Modell unterschätzt das Wachstum der Turbulenzenergie<br />
aufgrund des bereits in Gleichung (9.17) konstatierten niedrigen asymptotischen<br />
Grenzwertes des Anisotropieparameters. Das herkömmliche k − ε Modell überschätzt<br />
demgegenüber das Wachstum der Turbulenzenergie entsprechend der Überproportionalität<br />
des asymptotischen Grenzwertes. Im Gegensatz zur regularisierten Formulierung,<br />
bzw. dem linearen k − ε Modell, sind mit den asymptotisch korrekten (quasi–) selbstkonsistenten<br />
Modellen deutliche Verbesserungen zu erzielen.<br />
Die Ursache für die verminderte Simulationsgüte bei hohen Scherraten liegt partiell in<br />
der isotropen, gleichgewichtsorientierten Modellbildung des Dissipationsraten–Tensors.<br />
Für den isotropen Anteil des Spannungstensors k/k0 verbessern sich die Ergebnisse<br />
170
R ij /2k<br />
R ij /2k<br />
R ij /2k<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to homogeneous shear<br />
S *<br />
k0 /ε0 =2.36<br />
0.0 5.0 10.0 15.0 20.0<br />
St<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to homogeneous shear<br />
S *<br />
k0 /ε0 =2.36<br />
0.0 5.0 10.0 15.0 20.0<br />
St<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to homogeneous shear<br />
S *<br />
k0 /ε0 =2.36<br />
0.0 5.0 10.0 15.0 20.0<br />
St<br />
10.1. HOMOGENE SCHERTURBULENZ<br />
R 11 /2k<br />
R 22 /2k<br />
R 33 /2k<br />
R 12 /2k<br />
GS<br />
TB<br />
LRR<br />
R 12 /2k<br />
R 11 /2k<br />
R 22 /2k<br />
R 33 /2k<br />
GL<br />
GY<br />
RO<br />
R 12 /2k<br />
R 11 /2k<br />
R 22 /2k<br />
R 33 /2k<br />
Abbildung 10.2: Zeitliche Entwicklung der Reynolds–Spannungen in einer ebenen, homogenen<br />
Scherung (Anfangsbedingung S ∗ k0/ε0 = 2.36); Vergleich der quasi–selbstkonsistenten<br />
EASM–Ergebnisse mit der direkten numerischen Simulation von Rogers et al. (1986).<br />
171
KAPITEL<br />
k/k 0<br />
20.0<br />
15.0<br />
10.0<br />
5.0<br />
homogeneous shear flow in<br />
the rapid distortion limit<br />
S *<br />
k0 /ε0 =50.<br />
0.0<br />
0.0 2.0 4.0 6.0 8.0 10.0<br />
St<br />
FRLT<br />
FRLT + RNG ε<br />
reg. GS<br />
k−ε<br />
self−consist. GS<br />
self−consist. SSG<br />
RDT<br />
Abbildung 10.3: Zeitliche Entwicklung der Turbulenzenergie bei einer ebenen homogenen<br />
Scherung im Rapid–Distortion–Limit (Anfangsbedingung S ∗ k0/ε0 = 50); Vergleich unterschiedlicher<br />
EASM–Ergebnisse mit der Rapid–Distortion–Theorie (Rogers et al. 1991).<br />
trotz isotroper Modellbildung bereits deutlich bei der Verwendung einer nichtgleichgewichtsbasierten<br />
Formulierung der Dissipationsratengleichung. Abbildung 10.3 belegt<br />
dies anhand des Resultats einer modifizierten Dissipationsratengleichung (FRLT +<br />
RNG ε)<br />
Cε1 = 1.44 −<br />
S(1 − S/S∞)<br />
1 + 0.015 · S 3 , mit S∞ nach Tabelle 10.1 ,<br />
welche von Yakhot et al. (1992) entwickelt wurde und auf die Renormalisierungsgruppen–<br />
(RNG) Theorie zurück geht (?). Analoge Verbesserungen können von ähnlich konstruierten<br />
Cε1 erwartet werden.<br />
Die hiermit erzielbaren quantitativen Verbesserungen für die Turbulenzenergieentwicklung<br />
in einer homogenen, stark gescherten Turbulenz mögen derartige Ansätze legitimieren.<br />
Eine detaillierten Betrachtung der Resultate offenbart jedoch, daß Modifikationen<br />
aus dem Bereich isotroper Wirbelzähigkeitsmodelle das eigentliche Defizit<br />
teilweise maskieren, und der anisotropen Modellbildung nur in Strömungen, die<br />
von primären Strömungsmerkmalen dominiert werden, dienlich sind. Im Zuge stark<br />
erhöhter Scherraten kommt es zu einer deutlichen Umorientierung der Turbulenzstruktur<br />
zur Einkomponenten–Turbulenz, welche vom vorliegenden EASM ungeachtet der<br />
spezifischen Cε1–Formulierung nicht nachvollzogen werden kann. Die fehlerhafte Vorhersage<br />
der Turbulenzstruktur spielt mangels entsprechender Geschwindigkeitsgradienten<br />
für die Entwicklung der Turbulenzenergie in diesem Beispiel jedoch keine Rolle.<br />
Allgemeingültigere Verbesserungen sind nur von anisotropen Dissipationsraten (?; ?)<br />
oder aber direkten Korrekturen der Koeffizienten (vgl. <strong>Kapitel</strong> 8.1) zu erwarten.<br />
172
10.2. HOMOGENE TURBULENZ IN ROTATIONSFREIER DISTORSION<br />
10.2 Homogene Turbulenz in rotationsfreier Distorsion<br />
Der folgende Abschnitt analysiert die Vorhersagekraft unterschiedlicher EASM–Varianten<br />
für verschiedene homogene rotationsfreie (wij ≡ 0) Scherratenfelder. Hierbei wird<br />
wiederum von räumlich konstanten Geschwindigkeitsgradienten und homogenen Turbulenzfeldern<br />
ausgegangen. Für die Analyse ist eine Betrachtung auf der Basis der<br />
Hauptachsen von sij hilfreich. Bekanntermaßen besitzt die Säkulargleichung eines positiv<br />
semi-definiten Tensors<br />
det (sij − λkδij) = 0 (10.6)<br />
drei reelle Lösungen λk (k=1,2,3). Den drei Eigenwerten λk sind drei paarweise orthogonale<br />
Eigenvektoren zugeordnet. Wählt man die Eigenvektoren als Basisvektoren, so<br />
kann sij durch eine Hauptachsentransformation auf Diagonalgestalt gebracht werden<br />
ˆsij =<br />
⎛<br />
⎝<br />
λ1 0 0<br />
0 λ2 0<br />
0 0 λ3<br />
⎞<br />
⎠ , (10.7)<br />
wobei wegen der Spurfreiheit des Deviators s zusätzlich λ1 + λ2 + λ3 = 0 gilt. Sortiert<br />
man die Eigenwerte nach der Größe ihres Betrags, z.B. |λ1| > |λ2|; |λ3|, so ergibt sich<br />
unter der Voraussetzung nicht–trivialer Situationen λ1 = 0:<br />
λ2 + λ3 = −λ1 → λ2 = −0.5(â + 1)λ1 und<br />
Damit läßt sich (10.7) wie folgt notieren (ˆs11 = λ1)<br />
ˆsij =<br />
⎛<br />
⎝<br />
λ3 = −0.5(â − 1)λ1 , −1 ≤ â ≤ 1 . (10.8)<br />
1 0 0<br />
0<br />
0 − 1+â<br />
2<br />
0 0 − 1−â<br />
2<br />
⎞<br />
⎠ ˆs11 . (10.9)<br />
Hierin kennzeichnet ˆs11 die dimensionslose Primärdistorsionsgeschwindigkeit im Hauptachsensystem<br />
und â einen Parameter zur Beschreibung der Abweichung vom zweidimensionalen<br />
Distorsionszustand. Die folgenden Untersuchungen konzentrieren sich auf<br />
die drei relevanten Grenzfälle des transformierten Scherratentensors (10.9) (vgl. Abbildung<br />
10.4):<br />
• zweidimensionale Distorsion: â 2 = 1 und ˆs11 > 0 ,<br />
• achsensymmetrische Kontraktion: â = 0 und ˆs11 > 0 ,<br />
• achsensymmetrische Expansion: â = 0 und ˆs11 < 0 .<br />
173
KAPITEL<br />
Die achsensymmetrische Distorsion ist, wie bereits in <strong>Kapitel</strong> 3.2 diskutiert, mit achsensymmetrischer<br />
Turbulenz verbunden. Durch den exakten linearen Stress–Strain–<br />
Zusammenhang (3.63) ist die Evaluierung der hier untersuchten, formal aufwendigeren<br />
nichtlinearen expliziten Modellbildung von Interesse. Man beachte, daß die über den<br />
quadratischen Ansatz FGS hinausgehenden Generatoren T (4−10)<br />
ij wegen wij ≡ 0 verschwinden,<br />
und die Analyse sich somit ohne Einschränkung auf Allgemeingültigkeit<br />
auf FGS beschränkt.<br />
X 2<br />
X 1<br />
X 2 X 1<br />
Abbildung 10.4: Veranschaulichung der zweidimensionalen Distorsion (links) und achsensymmetrischen<br />
Kontraktion (rechts).<br />
Formale Betrachtung der achsensymmetrische Distorsion<br />
Die Betrachtung der rotationsfreien, achsensymmetrischen Distorsion liefert Einblicke<br />
in eventuell vorhandene konzeptionelle Defizite der Funktionsbasis (3.48) eines expliziten<br />
algebraischen Spannungsmodells<br />
bij = <br />
k<br />
X 3<br />
akT (k)<br />
ij , (10.10)<br />
ohne die Projektion in ein ASM durchführen zu müssen. Die darstellungstheoretische<br />
Tauglichkeit der gewählten Funktionsbasis ist an die lineare Unabhängigkeit ihrer Generatoren<br />
T (k)<br />
ij gebunden. Diese läßt sich, unabhängig von der ins Auge gefaßten Projektion,<br />
mit Hilfe einer doppelten Überschiebung verifizieren<br />
<br />
bijT (p)<br />
ji<br />
<br />
= ak<br />
<br />
T (k)<br />
<br />
(p)<br />
T<br />
<br />
ij ji<br />
<br />
Gram−Matrix Gkp<br />
. (10.11)<br />
Eine Invertierung des Gleichungssystems (10.11) gelingt nur für reguläre Gram–Matrizen.<br />
Linear abhängige Generatoren erzwingen demgegenüber einen Rangabfall der Gram–<br />
Matrix, der mit entsprechend vielen Nullstellen der Gram–Determinate einhergeht.<br />
Dreidimensionale Integritätsbasis<br />
Für das Beispiel des quadratischen Drei–Generator–Ansatzes FGS (6.13) lautet die<br />
174
Gram–Matrix und deren Determinante<br />
⎛<br />
⎞<br />
Gkp =<br />
⎜<br />
⎝<br />
η1 0 η3<br />
0 (η1η2 − 6η5) 0<br />
η3 0 η 2 1/6<br />
10.2. HOMOGENE TURBULENZ IN ROTATIONSFREIER DISTORSION<br />
⎟<br />
⎠ , det[Gkp] =<br />
Im Falle der achsensymmetrischen Kontraktion findet man<br />
T (1)<br />
ij = sij =<br />
⎛<br />
⎝<br />
1 0 0<br />
0 −1/2 0<br />
0 0 −1/2<br />
⎞<br />
⎠ ˆs11 , T (2)<br />
ij<br />
1<br />
(η1η2 − 6η5)( η3 1<br />
6 − η2 3)<br />
(3)<br />
≡ 0 , T ij =<br />
<br />
1<br />
2 ˆs11<br />
<br />
. (10.12)<br />
und für die Invarianten η2 = η4 = η5 = 0 , η1 = 1.5 ˆs 2 11 , η3 = 0.75 ˆs 3 11 . Hieraus ergibt<br />
sich eine doppelte Nullstelle der Gram–Determinate, weswegen das Gleichungssystem<br />
auch in der unten dargestellten vereinfachten Form stets singulär wird<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
a1<br />
a2<br />
a3<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠ =<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
η 2 1<br />
η 3 1 −6η2 3<br />
0<br />
6 η3<br />
6η 2 3 −η3 1<br />
0<br />
1<br />
η1η2−6η5<br />
0<br />
6 η3<br />
6η 2 3 −η3 1<br />
0<br />
6η1<br />
η 3 1 −6η2 3<br />
⎞<br />
⎛<br />
⎟<br />
⎠ ·<br />
⎜<br />
⎝<br />
bijsij<br />
0<br />
(0.5ˆs11) bijsij<br />
Die Übertragung dieser Aussage auf die EASM überprüft man wegen T (2)<br />
ij<br />
⎞<br />
sij ,<br />
⎟<br />
⎠ . (10.13)<br />
≡ 0 ge-<br />
eigneterweise anhand der Beziehung (6.5). Dabei begünstigt die spezielle Struktur der<br />
rechten Seite (bijT (1)<br />
ij , bijT (3)<br />
ij ) die Berechnung der EASM Koeffizienten, weil sich in diesem<br />
Falle auch die zweite Nullstelle der Determinante von M im Zuge der Invertierung<br />
kürzen läßt. Hiervon kann i.Allg. (Tij = 0) jedoch nicht ausgegangen werden.<br />
Zweidimensionale Integritätsbasis<br />
Die Problematik der Funktionsbasis FGS erkennt man deutlich aus der Untersuchung<br />
der zunächst regulären Gestalt von (10.13), welche man nach Vereinfachung der Integritätsbasis<br />
für zweidimensionale Zustände gemäß (3.54) erhält<br />
a1 = bijsij<br />
η1<br />
a2 = 0 , a3 = 6<br />
und damit von (10.10) : bij =<br />
η 2 1<br />
bijT (3)<br />
ij<br />
<br />
2<br />
η1<br />
= 3 ˆs11<br />
η1<br />
bkmskm<br />
<br />
a1 , (10.14)<br />
sij . (10.15)<br />
Die implizite Beziehung (10.15) birgt einen deutlichen Widerspruch (P/ε = 2P/ε) in<br />
sich, deren Ursachen in der Verwendung linear abhängiger Generatoren liegt. Das Gleichungssystem<br />
(10.13) entkoppelt in diesem Falle zu zwei Gleichungen bij = a1sij und<br />
175
KAPITEL<br />
1/3<br />
1/12<br />
−II b<br />
0.30<br />
0.25<br />
0.20<br />
0.15<br />
0.10<br />
0.05<br />
0.00<br />
Achsensymmetrische Turbulenz (S=0...100)<br />
1−Komponenten−Turbulenz<br />
Isotrope 2−Komponenten−<br />
Turbulenz<br />
−1/108<br />
regularisierte Trajektorie<br />
qs−FRLT Trajektorie<br />
Kontraktion<br />
Expansion<br />
Isotrope 3−Komponenten−Turbulenz (S=0)<br />
0.00 0.02 0.04 0.06<br />
III b<br />
Abbildung 10.5: Achsensymmetrische Turbulenz (S = 0 bis 100); Vergleich der Invariantenpfade<br />
für die quasi–selbstkonsistente und die regularisierte EASM–Technik (FRLT–Modell).<br />
bij = a3T (3)<br />
ij . Jede dieser Gleichungen erfüllt die Fundamentalgleichung achsensymmetrischer<br />
Turbulenz (3.63), eine Überlagerung beider Anteile ist nicht zulässig und führt<br />
zum Widerspruch.<br />
Explizites algebraisches Spannungsmodell<br />
Die im EASM verankerten Koeffizienten (A, B, C) sind, im Gegensatz zu den Koeffizienten<br />
(a1, a2, a3), keine Funktion des Spannungsanisotropietensors. Die oben angestellten<br />
Überlegungen lassen sich folglich nur bedingt auf die EASM übertragen. Gegenüber<br />
einer mehrgliedrigen impliziten Formulierung besitzt die explizite Formulierung des<br />
EASM den entscheidenden Vorteil der Konsistenz zur Fundamentalbeziehung (3.63)<br />
achsensymmetrischer Turbulenz<br />
<br />
bij = A + C ˆs11<br />
<br />
2<br />
<br />
−c µ(eff)<br />
sij ❀ II∗ b<br />
η1<br />
=<br />
2/27<br />
<br />
A + C ˆs11<br />
2 = c<br />
2<br />
2 µ(eff) , (10.16)<br />
weswegen die achsensymmetrische Turbulenz prinzipiell durch ein EASM darstellbar<br />
ist. Im Zusammenhang mit einer selbstkonsistenten (3D) Darstellung von P/ε für diese<br />
Funktionsbasis sind jedoch Zweifel angebracht. Einschränkend muß bemerkt werden,<br />
176
10.2. HOMOGENE TURBULENZ IN ROTATIONSFREIER DISTORSION<br />
daß sich bei steigender Distorsion in Zusammenhang mit der quasi–selbstkonsistenten<br />
Technik eine frühzeitige Stagnation der Invarianten einstellt.<br />
Abbildung 10.5 verdeutlicht, daß das QS–FRLT–Modell in der vorliegenden Form zwar<br />
die korrekten Lösungspfade<br />
IIb = −0.75 ˜s 2 11 c 2 µ(eff) , IIIb = 0.25 ˜s 3 11 c 3 µ(eff)<br />
❀<br />
2 IIIb<br />
+<br />
2<br />
3 IIb<br />
≡ 0 . (10.17)<br />
3<br />
beschreibt (vgl. Anhang A), ein großer Teil der physikalisch möglichen Zustände aber<br />
außerhalb des Arbeitsbereichs liegt. <strong>Kapitel</strong> 8.1 befaßt sich im Rahmen einer Koeffizientenoptimierung<br />
mit der Eliminierung dieses Defizites. Ferner entnimmt man der Grafik,<br />
daß die regularisierte Technik für große η1 zu nicht realisierbaren Lösungen führt, deren<br />
Trajektorien über die Eckpunkte des grauunterlegten Dreiecks hinauslaufen.<br />
Simulation schwacher rotationsfreier Distorsionen<br />
Der in den Abbildungen 10.6–10.8 illustrierte quantitative Vergleich stellt den Ergebnissen<br />
unterschiedlicher EASM die von ?) durchgeführten direkten numerischen Simulationen<br />
der oben diskutierten drei charakteristischen rotationsfreien Distorsionen<br />
gegenüber. Die direkten numerischen Simulationen wurden dabei erneut aus dem isotropen<br />
Turbulenzzustand gestartet.<br />
Abbildungen 10.6 und 10.7 geben Aufschluß über die Simulationgüte verschiedener<br />
selbstkonsistenter EASM bei schwacher achsensymmetrischer Kontraktion (S0 = 0.56)<br />
bzw. Expansion (S0 = 0.41). Durch die schwache Ausgangsbelastung weicht die anfängliche<br />
Turbulenzstruktur der RANS nur geringfügig vom isotropen Zustand ab. Obwohl<br />
sich die Ausgangsbelastungen der untersuchten Fälle nur wenig unterscheiden, erkennt<br />
man bereits eine Verschlechterung der vorhergesagten Turbulenzenergie für die höhere<br />
Belastung (achsensymmetrische Expansion). Insgesamt sind die Ergebnisse auf der<br />
Basis der FRLT und GS Koeffizienten den anderen Alternativen leicht überlegen. Die<br />
überraschend gute Vorhersage des RO–Modells ist auf die geringe Intensität der Distorsion<br />
zurückzuführen. Analoge Aussagen ergeben sich aus der Betrachtung der in<br />
Abbildung 10.8 gezeigten Ergebnisse für die ebene Streckung (S0 = 0.50). Man be-<br />
achte, daß die Wahl von C3 = 2 (TB–Modell) a priori mit der Neutralisierung des<br />
verbunden ist, welcher im Falle der ebenen Streckung einen von zwei<br />
linear unabhängigen Generatoren des Problems repräsentiert.<br />
Generators T (3)<br />
ij<br />
177
KAPITEL<br />
b ij<br />
b ij<br />
b ij<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to axisymmetric contraction<br />
S *<br />
k 0 /ε 0 =0.56<br />
1.0 2.0<br />
e<br />
3.0 4.0 5.0<br />
(St)<br />
−0.4<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to axisymmetric contraction<br />
S *<br />
k0 /ε0 =0.56<br />
1.0 2.0<br />
e<br />
3.0 4.0 5.0<br />
(St)<br />
−0.4<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to axisymmetric contraction<br />
S *<br />
k0 /ε0 =0.56<br />
1.0 2.0<br />
e<br />
3.0 4.0 5.0<br />
(St)<br />
−0.4<br />
Computed k/k 0<br />
Computed b 11<br />
Computed b 22 =b 33<br />
DNS k/k 0<br />
DNS b 11<br />
DNS b 22 =b 33<br />
GS<br />
TB<br />
LRR<br />
DNS k/k 0<br />
DNS b 11<br />
DNS b 22 =b 33<br />
GL<br />
GY<br />
RO<br />
DNS k/k 0<br />
DNS b 11<br />
DNS b 22 =b 33<br />
Abbildung 10.6: Achsensymmetrische Kontraktion (Anfangsbedingung S ∗ k0/ε0 = 0.56);<br />
Vergleich der vom quasi–selbstkonsistenten FRLT–EASM (oben) und den QI–EASM (mitte)<br />
bzw. IP–EASM (unten) vorhergesagten Ergbnisse mit der direkten numerischen Simulation<br />
von Lee et al. (1985).<br />
178
ij<br />
b ij<br />
b ij<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
10.2. HOMOGENE TURBULENZ IN ROTATIONSFREIER DISTORSION<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to axisymmetric expansion<br />
S *<br />
k0 /ε0 =0.41<br />
1.0 2.0<br />
e<br />
3.0 4.0 5.0<br />
(St)<br />
−0.4<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to axisymmetric expansion<br />
S *<br />
k0 /ε0 =0.41<br />
1.0 2.0<br />
e<br />
3.0 4.0 5.0<br />
(St)<br />
−0.4<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to axisymmetric expansion<br />
S *<br />
k0 /ε0 =0.41<br />
1.0 2.0<br />
e<br />
3.0 4.0 5.0<br />
(St)<br />
−0.4<br />
Computed k/k 0<br />
Computed b 11<br />
Computed b 22 =b 33<br />
DNS k/k 0<br />
DNS b 11<br />
DNS b 22 =b 33<br />
GS<br />
TB<br />
LRR<br />
DNS k/k 0<br />
DNS b 11<br />
DNS b 22 =b 33<br />
GL<br />
GY<br />
RO<br />
DNS k/k 0<br />
DNS b 11<br />
DNS b 22 =b 33<br />
Abbildung 10.7: Achsensymmetrische Expansion (Anfangsbedingung S ∗ k0/ε0 = 0.41);<br />
Vergleich der vom quasi–selbstkonsistenten FRLT–EASM (oben) und den QI–EASM (mitte)<br />
bzw. IP–EASM (unten) vorhergesagten Ergbnisse mit der direkten numerischen Simulation<br />
von Lee et al. (1985).<br />
179
KAPITEL<br />
b ij<br />
b ij<br />
b ij<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to plane strain<br />
S *<br />
k0 /ε0 =0.50<br />
1.0 2.0<br />
e<br />
3.0 4.0 5.0<br />
(St)<br />
−0.4<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
1.0 2.0<br />
e<br />
3.0 4.0 5.0<br />
(St)<br />
−0.4<br />
1.2<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to plane strain<br />
S * k 0 /ε 0 =0.50<br />
Initially isotropic turbulence<br />
subjected to plane strain<br />
S * k 0 /ε 0 =0.50<br />
1.0 2.0<br />
e<br />
3.0 4.0 5.0<br />
(St)<br />
−0.4<br />
Computed FRLT<br />
DNS k/k 0<br />
DNS b 11<br />
DNS b 22<br />
DNS b 33<br />
Abbildung 10.8: Ebene Streckung (Anfangsbedingung S ∗ k0/ε0 = 0.50); Vergleich der vom<br />
quasi–selbstkonsistenten FRLT–EASM (oben) und den QI–EASM (mitte) bzw. IP–EASM<br />
(unten) vorhergesagten Ergbnisse mit der direkten numerischen Simulation von Lee et al.<br />
(1985).<br />
180<br />
GS<br />
TB<br />
LRR<br />
k/k 0<br />
b 11<br />
b 22<br />
b 33<br />
GL<br />
GY<br />
RO<br />
k/k 0<br />
b 11<br />
b 22<br />
b 33
10.3 Realisierbarkeit<br />
10.3. REALISIERBARKEIT<br />
Die Reynolds–Spannungen entsprechen den zweiten statistischen Momenten von Geschwindigkeitsfluktuationen<br />
und genügen daher fundamentalen statistischen Zusammenhängen.<br />
Diese werden im Rahmen der numerischen Strömungsmechanik häufig<br />
unter dem Begriff Realisierbarkeit oder dem englischen Terminus Realizability–Prinzip<br />
zusammengefaßt (Schumann 1977; Lumley 1978). Neben der bereits in <strong>Kapitel</strong> 6.4<br />
skizzierten Schwartzschen Ungleichung zählt insbesondere die Gewährleistung positiver<br />
Varianzen zu den Inhalten des Realizability–Prinzips<br />
u 2 α ≥ 0 → keine negative Varianz, (10.18)<br />
u 2 α u 2 β − (uαuβ) 2 ≥ 0 → Ungleichung nach Schwartz. (10.19)<br />
Da es sich bei den Varianzen um Anteile kinetischer Turbulenzenergie handelt, ist<br />
die Realizability-Restriktion (10.18) auch physikalisch einsichtig: Energie ist nie negativ.<br />
Die Schwartzsche Ungleichung ergibt sich aus der Tatsache, daß die Reynolds-<br />
Spannungen durch einen symmetrischen, positiv semi-definiten Tensor repräsentiert<br />
werden bzw. Korrelationskoeffizienten größer Eins unzulässig sind. Eine strengere Form<br />
der Realisierbarkeit befaßt sich mit dem Verhalten der Reynolds–Spannungen bei Erreichen<br />
der Minima von (10.18) und (10.19). Das absolute Minimum ist in diesem Falle<br />
das einzige physikalisch realisierbare Szenario, weswegen die erste zeitliche Ableitung<br />
der beiden linken Seiten verschwinden, und die erste von Null verschiedene Zeitableitung<br />
positiv sein muß.<br />
X 2<br />
X 2<br />
(a)<br />
X 1<br />
X 1<br />
X 2<br />
X 2<br />
Ω3<br />
X 1<br />
X 2 X 1<br />
(b) (c)<br />
Abbildung 10.9: Illustration der Anwendungsbeispiele der Realisierbarkeitsuntersuchung;<br />
(a) ebene Scherströmung, (b) rotierende bzw. gekrümmte Scherströmung, (c) rotationsfreie<br />
Distorsion (Beschleunigung).<br />
Für die im Folgenden durchgeführte Realizability–Untersuchung spielt die strenge Form<br />
der Realisierbarkeit keine Rolle. Da die Gewährleistung der Schwartzschen Ungleichung<br />
bereits in <strong>Kapitel</strong> 6.4 ausführlich erörtert wurde, beschränken sich die anschließenden<br />
Untersuchungen auf die Normalspannungs–Realizability u 2 α ≥ 0.<br />
181<br />
X 1<br />
X 2<br />
X 1<br />
X 3
KAPITEL<br />
Häufig bezieht man sich bei der Realizability–Untersuchung auf ein ausgezeichnetes Koordinatensystem,<br />
um darin eine allgemeingültige Aussage zu entwickeln. Ein Beispiel<br />
hierfür ist die von Rung (1998a) durchgeführte Untersuchung linearer Wirbelzähigkeitsbeziehungen<br />
auf der Basis der Hauptachsen des Scherraten–Tensors, die auch in<br />
zahlreichen Arbeiten von Shih verwendet wurden (Shih et al. 1993; ?; ?). Vor dem Hintergrund<br />
einer beliebig komplexen Funktionsbasis wird die Definition eines ausgezeichneten<br />
Koordinatensystems zusehends schwieriger. Deswegen soll hier, in Anlehnung an<br />
die von ?) skizzierte Vorgehensweise, nur die Realisierbarkeit der in Abbildung 10.9<br />
skizzierten Strömungszustände exemplarisch behandelt werden. Bei den betrachteten<br />
Strömungen handelt es sich um Grundbausteine der klassischen Modellbildung, deren<br />
Realisierbarkeit zu den Mindestanforderung an die Turbulenzmodellierung gehören<br />
sollte. Die untersuchten Strömungen behandeln zweidimensionale und achsensymmetrische<br />
Probleme, weshalb sich die Analyse auf den quadratischen Drei–Generator–Ansatz<br />
(6.13) mit den in (6.18) notierten Koeffizienten stützt. ?) zeigten, daß die regularisierte<br />
Technik unweigerlich mit einer Verletzung des Realizability–Prinzips einhergeht,<br />
weshalb hier vorwiegend die quasi–selbstkonsistente Technik untersucht wird. Um den<br />
Einfluß einer höherwertigen (P/ε)g Approximation zu unterstreichen, werden die Ergebnisse<br />
der regularisierten und selbstkonsistenten Technik der Vollständigkeit halber<br />
hinzugefügt.<br />
Realisierbarkeit ebener Scherströmungen<br />
Die ebene, wandgebundene oder freie Scherschicht nach Abbildung 10.9(a) gehört sicherlich<br />
zu den wichtigsten Strömungsbeispielen. Anhand von Abbildung 2.1 erkennt<br />
man, daß der überwiegende Teil der Turbulenzenergie einer Grenzschicht U1(x2) in der<br />
Hauptströmungskomponente u 2 1 zu finden ist, wohingegen der am meisten gedämpfte<br />
Energieanteil aus kinematischen Gründen die wandnormale Komponente u 2 2 ist. Das<br />
Realizability–Prinzip verlangt, daß keine Komponente der Normalspannungen negativ<br />
werden darf. Mit Hilfe von (2.5), (6.13) und (6.18) findet man für die kritische<br />
Normalspannung u 2 2 und die Querströmungskomponente u 2 3 in dieser Strömung<br />
u2 2 = 2<br />
3 k − 2 cµ<br />
<br />
k − β2<br />
˜g η1 + β3<br />
3˜g η1<br />
<br />
, bzw. u2 3 = 2<br />
3 k − 2 cµ<br />
<br />
k − β3<br />
3˜g η1<br />
<br />
(10.20)<br />
und damit<br />
❀ lim<br />
η1→∞<br />
lim<br />
η1→∞<br />
<br />
u 2 2<br />
<br />
2k<br />
<br />
u 2 3<br />
2k<br />
= 1<br />
3 +<br />
= 1<br />
3 +<br />
182<br />
cµ η1<br />
˜g<br />
<br />
<br />
cµ η1 2β3<br />
˜g 3<br />
β2 − β3<br />
3<br />
<br />
≥ 0 , (10.21)<br />
≥ 0 .
10.3. REALISIERBARKEIT<br />
Tabelle 10.3: Grenzwerte der Normalspannungskomponenten in ebenen Scherströmungen<br />
bei hohen Scherraten; alle Ergebnisse basieren, mit Ausnahme von<br />
LRRreg, auf der Basis der quasi–selbstkonsistenten Technik (9.24).<br />
limη1→∞<br />
<br />
u2 1<br />
2k<br />
shear<br />
u2 2<br />
2k<br />
shear<br />
LLR<br />
0.459<br />
0.235<br />
TB<br />
0.453<br />
0.214<br />
GS<br />
0.585<br />
0.150<br />
FRLT<br />
0.583<br />
0.153<br />
GL<br />
0.510<br />
0.245<br />
GY<br />
0.682<br />
0.159<br />
RO<br />
0.794<br />
0.103<br />
LRRreg.<br />
0.766<br />
-0.006<br />
0.306 0.333 0.265 0.264 0.245 0.159 0.103 0.240<br />
u 2 3<br />
2k<br />
shear<br />
Durch die Abschätzung<br />
lim<br />
η1→∞<br />
<br />
cµ η1<br />
=<br />
˜g<br />
−β1<br />
2<br />
(1.83) 2 <br />
+ 2 β2 2 − β2 <br />
3<br />
3<br />
ergeben sich die in Tabelle 10.3 notierten Grenzwerte der Normalspannungs–Komponenten<br />
in Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Druck–Scher–Korrelationsmodell. Abbildung<br />
10.10 veranschaulicht den monotonen Abfall der kritischen Normalspannungskomponente<br />
u 2 2/(2k) mit η1 für die Mehrzahl der quasi–selbstkonsistenten EASM Varianten.<br />
Der in Abbildung 10.11 unten deutlich sichtbare Nulldurchgang der kritischen<br />
Normalspannung des regularisierten LRR–EASM verdeutlicht die Problematik einer<br />
niederwertigen Approximation von (P/ε)g. Eine Verletzung des Realizability–Prinzips<br />
tritt jedoch nur in Zusammenhang mit dem regularisierten LRR–Modell auf. Auffällig<br />
2 u2 /2k<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
quasi self−consistent model<br />
1 10 100 1000<br />
η 1<br />
GS<br />
RO<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
TB<br />
LRR<br />
Abbildung 10.10: Entwicklung der dimensionslosen Normalspannung u2 2 /(2k) bei ebener<br />
Scherung und quasi–selbstkonsistenter Technik.<br />
ist ferner die bereits in <strong>Kapitel</strong> 7.1 angesprochene schwache Normalspannungsanisotropie<br />
der TB und LRR Varianten, sowie die mangelhafte Unterscheidung von Quer– und Nor-<br />
183
KAPITEL<br />
malkomponenten durch IP–Modellen. Daneben stellt man fest, daß die Normalspannung<br />
bei quasi–selbstkonsistenter Modellbildung vorzeitig stagniert, wohingegen die<br />
Resultate der selbstkonsistenten Modellierung über einen weiteren Invariantenbereich<br />
variieren.<br />
2 u /2k 2<br />
2 u2 /2k<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
−0.1<br />
self−consistent model<br />
1 10 100 1000<br />
η 1<br />
regularized model<br />
1 10 100 1000<br />
η 1<br />
GS<br />
RO<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
TB<br />
LRR<br />
GS<br />
RO<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
TB<br />
LRR<br />
Abbildung 10.11: Entwicklung der dimensionslosen Normalspannung u2 2 /(2k) bei ebener<br />
Scherung; Resultate der selbstkonsistenten Technik (oben) bzw. regularisierten Technik (unten).<br />
Realisierbarkeit gekrümmter und rotierender Scherströmungen<br />
Die zweidimensional gekrümmte oder rotierende Scherströmung nach Abbildung 10.9(b)<br />
ist das nächste Anwendungsbeispiel der Realisierbarkeitsuntersuchung. Da es sich hierbei<br />
um Krümmungseffekte innerhalb der Hauptströmungsebene handelt, folgt die Belegung<br />
der Scherraten– und Wirbeltensoren dem in (2.5) notierten Beispiel der ebenen<br />
Scherströmung. Im Unterschied zur krümmungsfreien Situation lautet die Definition<br />
der von Null verschiedenen Komponenten einer gekrümmten Scherströmung<br />
S12 = 1<br />
2<br />
∂U1<br />
∂x2<br />
− U1<br />
x2<br />
<br />
und<br />
184<br />
˜ W12 = 1<br />
2<br />
∂U1<br />
∂x2<br />
+ U1<br />
x2<br />
<br />
, (10.22)
2<br />
u2 /2k<br />
0.40<br />
0.30<br />
0.20<br />
0.10<br />
quasi self−consistent FRLT−EASM<br />
η 1<br />
attenuation of the<br />
wall−normal component<br />
due to curved shear<br />
1 10 100 1000<br />
−η 2 /η 1<br />
10.3. REALISIERBARKEIT<br />
Abbildung 10.12: Abhängigkeit der kritischen Normalspannungsverläufe u2 2 /(2k) von der<br />
Scherrate in gekrümmten Scherströmungen (quasi–selbstkonsistentes FRLT–EASM).<br />
bzw. im Falle der rotierenden Scherströmung (vgl. <strong>Kapitel</strong> 7.4)<br />
S12 = 1<br />
2<br />
∂U1<br />
∂x2<br />
und<br />
˜ W12 = 1<br />
2<br />
∂U1 4 − C4<br />
−<br />
∂x2 2 − C4<br />
Ω3 . (10.23)<br />
Im Rahmen der Realizability–Untersuchung ist die Stabilisierung der Strömung von<br />
besonderem Interesse. Aus diesem Grunde konzentrieren sich die Ausführungen auf<br />
die am stärksten gedämpfte Normalspannungskomponente u 2 2 entlang der konvexen<br />
Berandung einer gekrümmten Scherschicht, bzw. der Saugseite einer rotierenden Ka-<br />
nalströmung<br />
u2 2 = 2<br />
<br />
η1<br />
k + 2 k cµ β2γ −<br />
3 ˜g<br />
β3<br />
<br />
3<br />
, mit γ = w∗ 12<br />
s12<br />
. (10.24)<br />
Da alle Koeffizienten βi negativ sind, und der Term (cµη1/˜g) den oben angestellten<br />
Überlegungen folgend stets positiv ist, sind negative Werte der kritischen Normalspannung<br />
nur für positive γ zu erwarten. Abbildung 10.12 skizziert die Kurvenschar der<br />
kritischen Normalspannung (10.24) am Beispiel des quasi–selbstkonsistenten FRLT–<br />
Modells, analoge Verläufe erhält man für die anderen quasi–selbstkonsistenten EASM–<br />
Varianten. Die Grafik belegt, daß die niedrigsten Werte von u 2 2/(2k) für hohe Invariantenwerte<br />
η1 zu erwarten sind. Untersucht man die Beziehung (10.24) für den Grenzwert<br />
lim η1 → ∞, dann ergibt sich aus<br />
lim ˜g =<br />
η1→∞<br />
√ η1<br />
1.83 0.1 + 0.4γ 2<br />
die Zwangsbedingung<br />
γ 2 <br />
− 1.5 β1<br />
<br />
β1β3<br />
γ +<br />
β2 2 β2 −<br />
2<br />
β2 3<br />
3 β2 2<br />
<br />
η1<br />
bzw. lim<br />
η1→∞ ˜g 2<br />
<br />
= (1.83) 2 0.1 + 0.4γ 2<br />
+ 1<br />
2 β 2 2<br />
2 ˜g<br />
≥ 0 . (10.25)<br />
Schätzt man hierin den Term (˜g 2 /η1) im Sinne der Ungleichung durch den kleinsten<br />
185<br />
η1
KAPITEL<br />
2 u2 /2k<br />
u 2 2 /2k<br />
2 u2 /2k<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
−0.1<br />
−0.2<br />
quasi self−consistent model<br />
1 10 100 1000<br />
−η 2 /η 1<br />
self−consistent model<br />
1 10 100 1000<br />
−η 2 /η 1<br />
regularized model<br />
1 10 100 1000<br />
−η 2 /η 1<br />
GS<br />
RO<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
TB<br />
LRR<br />
GS<br />
RO<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
TB<br />
LRR<br />
GS<br />
RO<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
TB<br />
LRR<br />
Abbildung 10.13: Verhalten der kritischen Normalspannung u2 2 /(2k) in gekrümmten Scherströmungen<br />
im Grenzübergang lim η1 → ∞; oben: quasi-selbstkonsistente Technik, mitte:<br />
selbstkonsistente Technik, unten: regularisierte Technik.<br />
186
10.3. REALISIERBARKEIT<br />
möglichen Wert (0.1 · 1.83 2 ) ab, so finden sich mit Ausnahme des RO–Variante keine<br />
reellen Nullstellen zur Beziehung (10.25), weswegen auch keine negativen Normalspannungen<br />
auftreten können. Abbildung 10.13 (oben) bestätigt dies anhand der grafischen<br />
Verläufe der kritischen Normalspannung als Funktion von −η2/η1. Die selbstkonsistente<br />
Technik besitzt für das RO–EASM ein Minimum im Bereich verschwindender u 2 2,<br />
die regularisierte Technik verletzt das Realizability–Prinzip für die GS–, FRLT– und<br />
LRR– Varianten (Abbildung 10.13 unten).<br />
Tabelle 10.4: Grenzwerte der Normalspannungskomponenten in 2D und achsensymmetrischen<br />
(AK) rotationsfreien Beschleunigungen bei hoher Primärdistorsion;<br />
alle Ergebnisse basieren, mit Ausnahme von LRRreg, auf der quasi–<br />
selbstkonsistenten Technik (9.24).<br />
limη1→∞<br />
<br />
u2 1<br />
2k<br />
2D<br />
u2 2<br />
2k<br />
2D<br />
LLR<br />
0.228<br />
0.447<br />
TB<br />
0.224<br />
0.443<br />
GS<br />
0.149<br />
0.560<br />
FRLT<br />
0.154<br />
0.553<br />
GL<br />
0.233<br />
0.459<br />
GY<br />
0.160<br />
0.589<br />
RO<br />
0.078<br />
0.780<br />
LRRreg.<br />
∞/2<br />
∞/2<br />
0.325 0.333 0.291 0.293 0.308 0.251 0.142 −∞<br />
<br />
u2 3<br />
2k<br />
<br />
u2 1<br />
2k<br />
<br />
u2 2<br />
2k<br />
<br />
<br />
2D<br />
AK<br />
AK<br />
0.214 0.208 0.138 0.144 0.228 0.168 0.120 ∞<br />
0.393 0.396 0.431 0.429 0.386 0.416 0.440 −∞/2<br />
Realisierbarkeit rotationsfreier Beschleunigungen<br />
Starke Strömungsbeschleunigung stabilisiert die Strömung und schwächt das Turbulenzfeld.<br />
Betrachtet man das durch (10.9) definierte rotationsfreie Distorsionsfeld, dann<br />
ergeben sich für positiv angenommene Primärdistorsionen unmittelbar die beiden in<br />
Abbildung 10.9(c) skizzierten Beschleunigungsgrenzfälle<br />
ebene (2D) Streckung : s22 = −s11 , (10.26)<br />
achsensymmetrische Kontraktion : s22 = s33 = −0.5s11 .<br />
Die durch die Beschleunigung der Strömung am stärksten gedämpfte Normalspannungskomponente<br />
u 2 1 weist in Richtung der Primärdistorsion, die am stärksten angefachte<br />
Komponente in x2–Richtung. Mit Hilfe von η1 = 2 s 2 11 und η2 = 0 gelangt man<br />
für den Fall der ebenen Streckung<br />
187
KAPITEL<br />
u 2 1<br />
2k<br />
u 2 2<br />
2k<br />
<br />
1 √ 1<br />
= − cµ η1 √2 +<br />
3<br />
<br />
1 √ −1<br />
= − cµ η1 √2 +<br />
3<br />
√ η1β3<br />
3˜g<br />
√ η1β3<br />
bzw. mit η1 = 1.5 s 2 11 für den Fall der achsensymmetrischen Kontraktion<br />
2<br />
u1 /2k<br />
2<br />
u1 /2k<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
−0.4<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
−0.2<br />
−0.4<br />
u 2 1<br />
2k<br />
u 2 2<br />
2k<br />
3˜g<br />
<br />
, (10.27)<br />
√<br />
1 √ 2<br />
= − cµ η1 √3 +<br />
3 2√ <br />
η1β3<br />
, (10.28)<br />
3˜g<br />
<br />
1 √ −1<br />
= − cµ η1 √6 −<br />
3<br />
regularized model<br />
plane acceleration<br />
√ η1β3<br />
3˜g<br />
1 10 100 1000<br />
η 1<br />
regularized model<br />
axissymmetric contraction<br />
1 10 100 1000<br />
η 1<br />
<br />
<br />
.<br />
,<br />
GS<br />
RO<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
TB<br />
LRR<br />
Abbildung 10.14: Verlauf der dimensionslosen Normalspannung u2 1 /(2k) bei rotationsfreier<br />
Distorsion; oben: ebene Streckung, unten: achsensymmetrische Kontraktion (regularisierte<br />
Technik).<br />
188
Hieraus ergeben sich vermöge<br />
lim<br />
η1→∞ (cµ<br />
√<br />
η1) =<br />
−β1<br />
2<br />
1.83 √ 0.4 − 1.83 √ 0.4 β 3<br />
2 3<br />
, bzw. lim<br />
η1→∞<br />
√ η1<br />
10.3. REALISIERBARKEIT<br />
˜g<br />
<br />
= 1.83 √ 0.4<br />
2<br />
die in Tabelle 10.4 notierten Grenzwerte für starke Strömungsbeschleunigung. Abbildung<br />
10.14 belegt, daß die regularisierte Technik die Realisierbarkeitsbedingung im Zusammenhang<br />
mit allen EASM–Varianten verletzt. Anhand von Abbildung 10.14 und<br />
2<br />
u1 /2k<br />
2<br />
u1 /2k<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
plane acceleration<br />
quasi self−consistent model<br />
1 10 100 1000<br />
η 1<br />
axissymmetric contraction<br />
quasi self−consistent model<br />
1 10 100 1000<br />
η 1<br />
GS<br />
RO<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
TB<br />
LRR<br />
Abbildung 10.15: Verlauf der dimensionslosen Normalspannung u2 1 /(2k) bei rotationsfreier<br />
Distorsion; oben: ebene Streckung, unten: achsensymmetrische Kontraktion (quasi–<br />
selbstkonsistente Technik).<br />
der in Tabelle 10.4 exemplarisch angeführten Werte des regularisierten LRR–EASM<br />
erkennt man ferner, daß die Regularisierung für das ebene Problem irrtümlicherweise<br />
einer nicht vorhandenen Symmetrie zustrebt, und die u 2 1/(2k) Komponente für hohe<br />
Scherraten nicht die kleinste Normalspannung ist. Die Grenzwerte lim η1 → ∞<br />
kennzeichnen nicht immer das absolute Minimum von u 2 1/(2k). Im Zusammanhang<br />
mit der quasi–selbstkonsistenten Technik ergibt sich das absolute Minimum für die<br />
ebene Streckung aus den Nullstellen des unten notierten nichtlinearen Polynoms (mit<br />
189
KAPITEL<br />
γ = 0.25 · 1.83 · √ 0.4)<br />
<br />
0 = 1 + γ 2β3<br />
<br />
3<br />
<br />
η1<br />
8 + √ 2γ √ −<br />
η1<br />
4β2 √ <br />
3<br />
η1<br />
4 + γ √2<br />
3<br />
√<br />
η1<br />
+ √2 + 2β3<br />
√ <br />
η1<br />
4 + γ √2<br />
3<br />
<br />
4β2 √<br />
3<br />
η1<br />
γ +<br />
3 4 √ 2 + γ √ <br />
γ<br />
η1<br />
√ η1<br />
4 √ 2 + γ √ <br />
− 2 .<br />
η1<br />
Anstelle einer analytischen Lösung werden hier nur die grafischen Ergebnisse in den<br />
Abbildungen 10.14–10.16 aufgetragen. In Übereinstimmung mit ?) verdeutlichen die<br />
Darstellungen, daß die rotationsfreie Beschleunigung die restriktivste der hier untersuchten<br />
Anwendungen kennzeichnet. Sowohl die regularisierte als auch die selbstkon-<br />
2<br />
u1 /2k<br />
2<br />
u1 /2k<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
−0.1<br />
−0.2<br />
−0.3<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
−0.1<br />
−0.2<br />
−0.3<br />
plane acceleration<br />
self−consistent model<br />
1 10 100 1000<br />
η 1<br />
axissymmetric contraction<br />
self−consistent model<br />
1 10 100 1000<br />
η 1<br />
GS<br />
RO<br />
GY<br />
GL<br />
FRLT<br />
TB<br />
LRR<br />
Abbildung 10.16: Verlauf der dimensionslosen Normalspannung u2 1 /(2k) bei rotationsfreier<br />
Distorsion; oben: ebene Streckung, unten: achsensymmetrische Kontraktion (selbstkonsistente<br />
Technik).<br />
sistente Technik (Abbildung 10.16) sind über weite Bereiche mit physikalisch nicht<br />
realisierbaren Lösungen verbunden. Die Verletzung des Realizability-Prinzips kann –<br />
in Abhängigkeit von der gewählten EASM–Variante – bereits bei moderaten Distorsionszuständen<br />
(η1 ≈ 12) auftreten. Man beachte, daß lineare RSTM die Realisierbarkeitsbedingungen<br />
ebenfalls verletzen.<br />
190
10.4 Rotierende homogene Scherströmung<br />
10.4. ROTIERENDE HOMOGENE SCHERSTRÖMUNG<br />
Die Schwächen einfacherer Turbulenzmodelle offenbaren sich bereits bei kleineren Abweichungen<br />
vom ebenen Strömungszustand. Der Einfluß von Krümmungsmechanismen<br />
auf das Turbulenzfeld geht am deutlichsten aus der Analyse der Produktions–<br />
und Konvektionsterme der Reynolds–Spannungen im Stromlinienkoordinatensystem<br />
hervor. Anhang A gibt einen Überblick über die krümmungsinduzierten Veränderungen<br />
einzelner Beiträge der Transportgleichungen am Beispiel des in Abbildung 10.17<br />
illustrierten Starrkörperwirbels. Hierzu zählen, neben der Manipulation der Produktionsterme,<br />
die mit zunehmender Krümmung verstärkt auftretenden Coriolisbeschleunigungen<br />
aus der Rotation der Basisvektoren des Stromlinienkoordinatensystems (vgl.<br />
<strong>Kapitel</strong> 8.6). Diese sind ihrem Charakter nach deviatorisch und dienen ausschließlich<br />
der Spannungsumverteilung. Da sie keinen Beitrag zum Transport isotroper Größen<br />
leisten, ist ihre Behandlung im Rahmen expliziter algebraischer Spannungsmodelle auf<br />
der Basis von (4.10) schwierig.<br />
Zur Validierung des Turbulenzmodells in Bezug auf die Vorhersage von Krümmungseffekten<br />
bedient man sich deswegen der in Abbildung 10.17 dargestellten Analogie zwischen<br />
Starrkörperwirbeln und rotierenden homogenen Scherströmungen. Die Transformation<br />
des Starrkörperwirbels in ein rotierendes Koordinatensystem ermöglicht die gezielte<br />
Analyse des Druck–Scher–Korrelationsmodells in krümmungsbehafteten Strömungen.<br />
Die Coriolisterme werden durch die mathematisch exakten Transformationsbeziehungen<br />
zwischen dem konventionellen und dem effektiven Wirbel–Tensor in (4.12)<br />
wiedergegeben. Man beachte, daß der effektive Wirbeltensor<br />
W ∗ 4 − C4<br />
ij = Wij − eijk Ωk ❀ wij → w<br />
2 − C4<br />
∗ ij = Tt W ∗<br />
ij . (10.29)<br />
nicht mehr objektiv ist (vgl. <strong>Kapitel</strong> 8.6). Der folgende Abschnitt befaßt sich mit dem<br />
Verhalten der EASM bei der Simulation einer stationär rotierenden homogenen Scherströmung.<br />
Die Untersuchungen konzentrieren sich auf die Verträglichkeit der unterschiedlichen<br />
Druck–Scher–Korrelationsmodelle zu den Ergebnissen der Stabilitätanalyse<br />
dieser Strömung.<br />
y<br />
S*=0<br />
x<br />
z<br />
y<br />
ω 3<br />
S*=dU/dy<br />
Abbildung 10.17: Starrkörperwirbel (links) und rotierende homogene Scherströmung<br />
(rechts).<br />
191<br />
x
KAPITEL<br />
Stabilitätsuntersuchung<br />
Der Gleichgewichtszustand einer homogenen Scherströmung ist nach Gleichung (10.4)<br />
durch das exponentielle Anwachsen der Turbulenzenergie k∞ gekennzeichnet<br />
∂k∞<br />
∂τ =<br />
<br />
Cε2 − Cε1<br />
Cε1 − 1<br />
S −1<br />
<br />
∞<br />
k , mit τ = t S ∗ = t<br />
Tt<br />
2 η1 .<br />
Die einzige Möglichkeit, die Strömungssituation zu stabilisieren, ist mit den Nullstellen<br />
des inversen Scherratenparameters S −1<br />
∞ = (S ∗ k/ε) −1<br />
∞ verbunden. Eine Stabilisierung<br />
gelingt offenkundig nur im trivialen Fall der verschwindenden Scherrate bzw. Turbulenzenergie.<br />
Betrachtet man die Strömung nicht im Inertialsystem, sondern in einem<br />
mit Ω3 stationär rotierenden Bezugssystem, dann läßt sich aus der Untersuchung der<br />
Nullstellen von S −1<br />
∞ ein Verzweigungsproblem ableiten. Ausgangspunkt der Analyse ist<br />
die Definition der spezifischen Produktionsrate nach Gleichung (10.3)<br />
<br />
P<br />
lim =<br />
τ→∞ ε ∞<br />
Cε2 − 1<br />
Cε1 − 1 := C5 , mit<br />
P<br />
ε<br />
= −uv S∗<br />
ε = cµ S 2 . (10.30)<br />
Mit Hilfe der in Gleichung (10.23) notierten Belegung der Wirbel– und Scherratentensoren<br />
ergibt sich<br />
η1 = 0.5S 2 <br />
<br />
4 − C4 2Ω3<br />
, η2 = −η1 1 −<br />
2 − C4 S∗ <br />
<br />
:=γ<br />
cµ =<br />
−β1/g<br />
1 + S2 (β2/g) 2 (1 − γ) 2 − 1/3 (β3/g)<br />
2 , (10.31)<br />
und damit von (10.30) für den reziproken Gleichgewichtswert des Scherratenparameters<br />
S −1<br />
∞<br />
=<br />
−C5 β1<br />
g<br />
−0.5 2 β2 1 − C5<br />
{1 − γ}<br />
−g β1<br />
2 − 1<br />
3<br />
2<br />
,<br />
β2 3<br />
β2 0.5 2<br />
. (10.32)<br />
Der erste Faktor von (10.32) ist stets positiv und kommt für eine Stabilisierung nicht in<br />
Frage. Der zweite Faktor besitzt jedoch zwei reelle Nullstellen, die bei Durchlaufen der<br />
in Tabelle 10.5 angegebenen charakteristischen Rotationsraten (Ω3/S ∗ )1,2 auftreten.<br />
Zwischen diesen beiden Rotationsraten ist S −1<br />
∞ > 0, und die Turbulenz wird angefacht.<br />
Außerhalb des durch die Nullstellen festgelegten Intervalls<br />
192
10.4. ROTIERENDE HOMOGENE SCHERSTRÖMUNG<br />
Tabelle 10.5: Charakteristische Rotationsraten der Stabilitätsanalyse rotierender homogener<br />
Scherschichten aus Gleichung (10.33) bzw. (10.34).<br />
charakteristische LRR TB GS FRLT GL GY RO lineare<br />
Rotationsraten Theorie<br />
(Ω3/S ∗ ) 1 -0.09 -0.06 -0.08 -0.05 -0.09 -0.10 -0.13 ≈ 0.00<br />
(Ω3/S ∗ ) 2 0.34 0.36 0.52 0.49 0.37 0.51 0.63 ≈ 0.50<br />
(Ω3/S ∗ ) max 0.13 0.15 0.22 0.22 0.14 0.21 0.25 ≈ 0.25<br />
(Ω3/S ∗ )1,2 = 0.5<br />
<br />
Ω3<br />
S∗ <br />
<<br />
1<br />
<br />
Ω3<br />
S∗ <br />
<<br />
<br />
C4 − 2<br />
C4 − 4<br />
⎡<br />
⎣1 + <br />
1<br />
−<br />
3<br />
<br />
Ω3<br />
S∗ <br />
2<br />
2 β3<br />
β2<br />
, mit<br />
−<br />
g β1<br />
β2 2 C5<br />
0.5 ⎤<br />
⎦ (10.33)<br />
stabilisiert der Einfluß der Systemrotation die Strömung. Die charakteristischen Rotationsraten<br />
sind die Verzweigungspunkte des in Abbildung 10.18 dargestellten Bifurkationsdiagramms.<br />
Die stärkste Anfachungsrate innerhalb der Ellipse ist an die dritte<br />
charakteristische Rotationsrate (Ω3/S ∗ )max der Tabelle 10.5 geknüpft. Diese bestimmt<br />
sich aus<br />
∂(S −1<br />
∞ )<br />
∂(Ω3/S ∗ ) = 0 ❀ (Ω3/S ∗ )max = 0.5 C4 − 2<br />
C4 − 4<br />
. (10.34)<br />
Die Ergebnisse der linearen Stabilitätstheorie und der Rapid–Distortion–Theorie (?;<br />
Reynolds 1987) sagen eine maximale Anfachungsrate für die charakteristische Rotationsrate<br />
(Ω3/S ∗ )max = 0.25 voraus, was nach Gleichung (10.34) mit C4 = 0 verknüpft<br />
ist. Das Modell wäre in diesem Falle mit einer Richardsonzahlähnlichkeit verbunden.<br />
Die Richardsonzahl ist durch<br />
Ri = 2Ω3<br />
S ∗<br />
<br />
1 − 2Ω3<br />
S∗ <br />
(10.35)<br />
definiert und dient zur Beschreibung von Rotationseinflüssen. Bei einer Richardsonzahlähnlichkeit<br />
vermag das Modell gemäß (10.35) nicht mehr zwischen den beiden Zuständen<br />
(Ω3/S ∗ ) = 0 und (Ω3/S ∗ ) = 0.5 zu unterscheiden. Dies steht im Widerspruch<br />
zu den Ergebnissen der Grobstruktursimulationen von ?), und theoretischen Untersuchungen<br />
von Speziale und Mac Giolla Mhuiris (1989a,b), welche für (Ω3/S ∗ ) = 0.5<br />
193
KAPITEL<br />
deutlich stabilere Strömungsverhältnisse als für (Ω3/S ∗ ) = 0 prognostizieren. Im Allgemeinen<br />
wird der Koeffizient C4 daher so gewählt, daß sich eine leichte Verlagerung<br />
der maximalen Anfachung zu kleineren Werten ergibt<br />
(Ω3/S ∗ )max ≈ 0.21 ❀ C4 ≈ 0.5 . (10.36)<br />
Die lineare Stabilitätsanalyse (?; Speziale 1995) bestätigt instabile Strömungsverhältnisse<br />
im Bereich positiver Richardsonzahlen. Erfahrungsgemäß erweitert sich der instabile<br />
Bereich im Rahmen einer nichtlinearen Betrachtung.<br />
(ε/kS*) oo<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
0.0<br />
Unrealizable Regime<br />
−0.1<br />
−0.1 0.0 0.1 0.2<br />
Ω3 /S*<br />
0.3 0.4 0.5<br />
FRLT<br />
SSG<br />
GL<br />
LRR<br />
GY<br />
TB<br />
RO<br />
Abbildung 10.18: Bifurkationsdiagramm der rotierenden homogenen Scherströmung nach<br />
Gleichung (10.32).<br />
Anhand der in Tabelle 10.5 verzeichneten Ergebnisse der GL, TB und LRR Druck–<br />
Scher–Korrelationsmodelle erkennt man deutlich die Nachteile einer exzessiven Abweichung<br />
von der Richardsonzahlähnlichkeit. Infolge zu großer Koeffizientenwerte C4<br />
sagen diese drei Modelle eine verfrüht einsetzende Restabilisierung der Strömung voraus.<br />
Daraus resultieren unbefriedigende Simulationsergebnisse bei der Berechnung von<br />
drallbehafteten Strömungen, die unter dem exklusiven Einfluß der Wirbelstärke stehen<br />
(weak swirl). Das Rotta–Modell überschätzt demgegenüber den instabilen Bereich,<br />
die GY–, FRLT– und GS–Modelle stimmen wiederum gut mit den Ergebnissen der<br />
linearen Stabilitätstheorie überein.<br />
Simulationsergebnisse<br />
Die Resultate der Stabilitätsuntersuchung erlauben die Interpretation der Simulationsergebnisse<br />
für eine rotierende homogene Scherströmung. Abbildung 10.19 zeigt die<br />
194
k/k 0<br />
k/k 0<br />
4.0<br />
2.0<br />
0.0<br />
0 2 4 6 8 10<br />
4.0<br />
2.0<br />
0.0<br />
(a)<br />
(c)<br />
FRLT<br />
GS<br />
GL<br />
RO<br />
0 2 4 6 8 10<br />
S* t<br />
10.4. ROTIERENDE HOMOGENE SCHERSTRÖMUNG<br />
4.0<br />
2.0<br />
0.0<br />
0 2 4 6 8 10<br />
4.0<br />
2.0<br />
0.0<br />
(b)<br />
(d)<br />
LRR<br />
GY<br />
TB<br />
LES<br />
0 2 4 6 8 10<br />
S* t<br />
Abbildung 10.19: Berechnete zeitliche Entwicklung der normierten Turbulenzenergie in<br />
einer rotierenden homogenen Scherung; Vergleich der EASM–Resultate mit Ergebnissen der<br />
Grobstruktursimulation (LES) von Bardina et al. (1983) zur Anfangsbedingung ε0/(S ∗ k0) =<br />
0.296 für vier verschiedene Rotationsraten: (a) Ω3/S ∗ = −0.5; (b) Ω3/S ∗ = 0.; (c) Ω3/S ∗ =<br />
0.25; (d) Ω3/S ∗ = 0.5.<br />
Entwicklung der Turbulenzenergie im Vergleich zu der von ?) durchgeführten Grobstruktursimulation<br />
für vier verschiedene Rotationsraten Ω3/S ∗ = −0.5, 0., 0.25, 0.5.<br />
Die zeitliche Integration der Transportgleichungen (10.1) wurde ausgehend von der<br />
Anfangsbedingung ε0/(S ∗ k0) = 0.296 mit Hilfe eines Runge–Kutta Verfahrens durchgeführt.<br />
Die FRLT–, GS– und GY–Modelle sind den anderen EASM Varianten deutlich überlegen.<br />
Mit Ausnahme des Anfangsstadiums führen diese drei Formulierungen zu befriedigenden<br />
Simulationsergebnissen. Die defizitäre Wiedergabe der frühen transienten Phase<br />
lässt sich auf die fehlerhafte Annahme des strukturellen Gleichgewichts in instationären<br />
Strömungen zurückführen (vgl. <strong>Kapitel</strong> 7.1 und 8.1). In Anlehnung an die Ergebnisse<br />
der Stabilitätsuntersuchung zeigen die GL–, TB– und LRR– Varianten bereits bei<br />
Ω3/S ∗ = 0.25 (Abbildung 10.19c) Restabilisierungstendenzen. Für die im Rahmen der<br />
Grobstruktursimulation und der linearen Stabilitätstheorie schwach instabilen Rotationsrate<br />
Ω3/S ∗ = 0.5 hat sich die Strömung im Zusammenhang mit den GL–, TB–<br />
und LRR–EASM bereits erkennbar stabilisiert (Abbildung 10.19d). Das Rotta–Modell<br />
(RO) sagt demgegenüber ein deutlich verzögertes Einsetzen der Strömungsstabilisierung<br />
voraus.<br />
195
KAPITEL<br />
Ein weiteres populäres Validierungsbeispiel für die Vorhersage der krümmungsinduzierten<br />
Variation von Schubspannungen ist die von ?) vermessene Durchströmung eines in<br />
der Haupströmungsebene rotierenden Kanals. Abbildung 10.20 zeigt die berechneten<br />
Geschwindigkeitsprofile der zweidimensionalen, voll–entwickelten Strömung für eine<br />
Reynoldzahl von Re = UBH/ν = 11500 und eine Rosbyzahl von Ro = Ω3H/UB =<br />
0.21. Die in der Abbildung gezeigten Ergebnisse bestätigen erneut die Resultate der<br />
Stabilitätsuntersuchung. Auffällig sind die X verbleibenden Diskrepanzen zwischen den<br />
2<br />
Y<br />
Messwerten und den Simulationen auf der Druckseite (Y/H < 0.3), welche nur durch<br />
Y<br />
wesentlich geringere C4 korrigiert werden können (ohne Abbildung).<br />
X<br />
X<br />
U/U 0<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
LRR<br />
RO<br />
FRLT<br />
standard k−ε<br />
Measurements<br />
Re=11 500, Ro=0.21<br />
(Johnston et al., 1972)<br />
0.4<br />
0.0 0.2 0.4 0.6 0.8<br />
Y/H<br />
Y<br />
(a)<br />
X<br />
Y<br />
Ω3<br />
X<br />
Y X<br />
(b) (c)<br />
Abbildung 10.20: Voll–entwickelte rotierende Kanalströmung (Re=11 500, Ro=0.21, Johnston<br />
et al. 1972); Vergleich der berechneten Geschwindigkeitsprofile in Hauptströmungsrichtung<br />
für unterschiedliche quasi–selbstkonsistente EASM.<br />
Anmerkungen zum IP–Modell<br />
Die Untersuchungen rechtfertigen die von Gibson und Younis (1986) heuristisch entwickelte<br />
Modifikation des klassischen IP–Models (GL) für schwach verdrallte Strömungen.<br />
Jüngere Arbeiten, z.B. ?), favorisieren die sog. Isotropization–of–Production–and–<br />
Convection (IPC) Variante des GL–Modells. Hierin werden die konvektiven Terme<br />
in das schnelle Druck–Scher–Korrelationsmodell integriert. Die Motivation der IPC<br />
Formulierung ist die Verschmelzung der Konvektions– und Produktionsterme in stark<br />
gekrümmten Strömungen (vgl. Anhang B). ?) zeigt den engen mathematischen Zusammenhang<br />
zwischen den IPC–, RO– und GY–Modellen.<br />
In Bezug auf die korrekte Darstellung verdrallter Strömungen sei hier erwähnt, daß die<br />
klassische Unterscheidung zwischen starkem und schwachem Drall der Beurteilung von<br />
IP–Modellen nicht förderlich ist. Schwacher Drall ist, im Unterschied zu starkem Drall,<br />
üblicherweise nicht mit Rezirkulation aufgrund von vortex–breakdown verbunden. Typische,<br />
schwach verdrallte Strömungen stehen daher unter dem exklusiven Einfluß von<br />
196<br />
X 1<br />
X 3
10.5. TURBULENTE SEKUNDÄRSTRÖMUNG<br />
Wirbelstärke, welche in erster Linie mit dem Koeffizienten C4 zusammenwirkt. Mit<br />
dem Auftreten von Strömungsrezirkulation treten signifikante Scherraten auf, die modellseitig<br />
mit den Koeffizienten C2 und C3 interagieren. Im Zusammenhang mit der IP–<br />
Modellierung ist eine unabhängige Wahl beider Koeffizienten nicht möglich. Kalibriert<br />
man das schnelle Druck–Scher–Korrelationsmodell – wie beim GY–Modell geschehen<br />
– für den Einfluß der Rotation, dann treten Defizite bei der Wiedergabe komplexer<br />
scherdominierter Phänomene auf. Umgekehrt verhält es sich bei dem klassischen IP<br />
Model von Gibson und Launder (1978).<br />
10.5 Turbulente Sekundärströmung<br />
Die Simulation turbulenter Strömungen unter dem Einfluß von sekundären Strömungsmerkmalen<br />
ist, wie bereits in <strong>Kapitel</strong> 2.2 erläutert, mit linearen Wirbelzähigkeitsmodellen<br />
nicht realisierbar. Der folgende<br />
Abschnitt befaßt sich mit dem Einfluß<br />
der Koeffizienten des Reynolds–<br />
Spannungsmodells bei der Berechnung<br />
einer vollentwickelten turbulenten Strö-<br />
U1 mung durch ein gerades Rohr mit rechteckigem<br />
Querschnitt. Hierbei bildet sich<br />
X 3<br />
die in Abbildung 10.21 skizzierte Sekundärströmung<br />
in Gestalt von vier<br />
Paaren longitudinaler Eckenwirbel aus.<br />
X 1<br />
X 2<br />
Diese werden primär durch die Normalspannungsdifferenzen<br />
(u<br />
Abbildung 10.21: Turbulente Sekundärströmung.<br />
2 2 − u2 3) in der<br />
Querschnittsebene gespeist. Die in der<br />
Abbildung veranschaulichte turbulente<br />
Sekundärströmung oder Prandtlsche Sekundärströmung zweiter Art (Bradshaw 1987;<br />
?) wird durch die Transportgleichung der Wirbelstärkekomponente Ω1 beschrieben<br />
DΩ1<br />
Dt<br />
2 ∂U1 ∂<br />
= Ωj −<br />
∂xj<br />
<br />
u2u3 + ∂2<br />
<br />
u<br />
∂x3∂x2<br />
2 2 − u2 <br />
3 + ν∆ 2 Ω1 . (10.37)<br />
∂x 2 2<br />
− ∂2<br />
∂x 2 3<br />
Der erste Term der rechten Seite von Gleichung (10.37) beschreibt den reibungsfreien<br />
Wirbelstreckungsmechanismus, der zweite und dritte Term kennzeichnen die turbulente<br />
Erzeugung mittlerer Longitudinalwirbelstärke, und der letzte Term repräsentiert deren<br />
viskose Vernichtung. Mit Ausnahme des zweiten und dritten Terms können alle Summanden<br />
der rechten Seite im betrachteten Beispiel näherungsweise vernachlässigt werden.<br />
Die durch die Anisotropie der Normalspannungen getriebene Wirbelstärke kann<br />
von linearen Wirbelzähigkeitsmodellen nicht erfaßt werden, da diese der Scherturbulenz<br />
a priori isotrope Normalspannungen zuordnen (vgl. <strong>Kapitel</strong> 2).<br />
Die präzise Vorhersage des mit dem dritten Term verbundenen physikalischen Mechanismus<br />
ist nicht nur von akademischer Bedeutung. Die laterale Ausbreitungsrate<br />
eines dreidimensionalen Wandstrahls wird beispielsweise wesentlich von diesem Term<br />
197
KAPITEL<br />
kontrolliert (?). Die Untersuchung ist damit beispielsweise von erheblicher technischer<br />
Bedeutung für die Auslegung der Belüftungsaggregate von Kraftfahrzeugscheiben mit<br />
numerischen Verfahren.<br />
Analyse der vollentwickelten Rohrströmung<br />
Die turbulente Sekundärströmung krümmungsarmer, rechteckiger Rohre besitzt ihren<br />
Ursprung im Bereich der Ecken. Der Geschwindigkeitsgradienten–Tensor wird in diesem<br />
Falle von zwei Komponenten dominiert<br />
∂U1<br />
∂x2<br />
= A und<br />
∂U1<br />
∂x3<br />
= B , mit S ∗ = √ A 2 + B 2 .<br />
Die darauf aufbauende Vereinfachung beider Gradiententensoren ist besonders nützlich<br />
für die Untersuchung der primären Mechanismen dieser Strömung<br />
Sij = 1<br />
⎛<br />
⎝<br />
2<br />
0 A B<br />
A 0 0<br />
B 0 0<br />
⎞<br />
⎠ und Wij = 1<br />
2<br />
⎛<br />
⎝<br />
0 A B<br />
−A 0 0<br />
−B 0 0<br />
⎞<br />
⎠ . (10.38)<br />
Aus dem Aufbau der Wirbel– und Scherraten–Tensoren nach Gleichung (10.38) erkennt<br />
man, daß die Strömung nur moderate dreidimensionale Effekte besitzt; beide<br />
Tensoren sind im betrachteten Beispiel nur vom Rang zwei. Eine zweidimensionale<br />
Darstellung beider Gradiententensoren erhält man beispielsweise nach Transformation<br />
in ein Hauptachsensystem der Scherraten, z.B.<br />
ˆSkl = Sij (e i · q k ) (e j · q l ) , ˆ Wkl = Wij (e i · q k ) (e j · q l ) , mit (10.39)<br />
q 1 = (0, 1, −A/B) , q 2 = (S ∗ /A, 1, B/A) , q 3 = (S ∗ /A, −1, −B/A) .<br />
Die Untersuchung kann sich, in Anlehnung an die in Anhang C gemachten Bemerkungen,<br />
daher auf die im R 2 verbleibende quadratische Drei–Generator–Basis (6.13)<br />
stützen. Alle nichtlinearen Generatoren und Invarianten höheren Grades lassen sich<br />
im R 2 durch Kombinationen linearer und quadratischer Terme abbilden, weswegen<br />
die unten angegebenen Schlußfolgerungen auf beliebige NLEVM übertragbar sind. Da<br />
die Transportterme in einer vollentwickelten Strömung nur eine untergeordnete Rolle<br />
spielen, sollten die Resultate dieser Untersuchung auch für RSTM gelten.<br />
Die turbulente Sekundärströmung ist im Zusammenhang mit expliziten algebraischen<br />
Spannungsmodellen mit der Interaktion zwischen Sekundärgeschwindigkeiten und Primärgeschwindigkeitsgradienten<br />
verknüpft. Dies erkennt man unmittelbar anhand der<br />
198
10.5. TURBULENTE SEKUNDÄRSTRÖMUNG<br />
Impulsgleichung der sekundären Geschwindigkeitskomponente U2<br />
∂U2 ∂U2<br />
U2 + U3 = −<br />
∂x2 ∂x3<br />
∂<br />
<br />
P 2<br />
Tt<br />
+ k + 2νtβ3<br />
∂x2 ρ 3<br />
g S2 <br />
kk + 2 ∂<br />
<br />
νtS22 + 2<br />
∂x2<br />
∂<br />
<br />
νtS23<br />
∂x3<br />
+ ∂<br />
<br />
Tt<br />
4νt<br />
∂x2 g (β3S2kS2k<br />
<br />
− β2S2kWk2)<br />
+ ∂<br />
<br />
Tt<br />
2νt<br />
∂x3 g {2β3S2kS3k<br />
<br />
− β2(S2kWk3 + S3kWk2)} . (10.40)<br />
Die erste Zeile der Gleichung (10.40) enthält im Unterschied zu den beiden folgenden<br />
Zeilen keine der beiden primären Geschwindigkeitsgradienten. Für die korrekte Darstellung<br />
von Sekundärströmungen mit statistischen Turbulenzmodellen sind die letzten<br />
beiden Zeilen der Gleichung (10.40) von besonderer Bedeutung. Vernachlässigt man<br />
hierin die von höherer Ordnung kleinen Terme, dann ergibt sich<br />
<br />
∂ νtTt<br />
. . .<br />
∂x2 g (β3<br />
<br />
2<br />
∂U1<br />
− β2) +<br />
∂x2<br />
∂<br />
<br />
νtTt<br />
∂x3 g (β3 − β2) ∂U1<br />
<br />
∂U1<br />
. (10.41)<br />
∂x2 ∂x3<br />
a) Isotropization-of-Production<br />
b) Speziale, Sarkar and Gatski<br />
Abbildung 10.22: Vergleich der turbulenten Sekundärströmung im Querschnitt eines rechteckigen<br />
Rohres (Re = 4200); links: IP–EASM von Gibson und Launder (1978); rechts: SSG–<br />
EASM von Speziale et al. (1991) (die Darstellung des IP–Modells basiert auf zehnfach vergrößerten<br />
Vektoren).<br />
Der Vergleich von Gleichung (10.41) und Abbildung 10.22 offenbart die Relevanz der in<br />
Tabelle 10.6 angegebenen Koeffizientendifferenz (β3 − β2) für die Intensität und Orientierung<br />
(Drehsinn) der Sekundärströmung. Die Koeffizientendifferenz veschwindet bei<br />
allen IP–Modellen aufgrund der gleichgewichtigen Berücksichtigung von Scherraten–<br />
und Wirbelbeiträgen im Druck–Scher–Korrelationsmodell (4.6). IP–Modelle sind daher<br />
ohne zusätzliche (nicht–lokale) Wandreflektionsterme nicht in der Lage, die turbulente<br />
Sekundärströmung zu erfassen. Die in Abbildung (10.22) gezeigten SSG–Resultate<br />
199
KAPITEL<br />
Tabelle 10.6: Wert der zur Vorhersage turbulenter Sekundärströmungen<br />
relevanten Koeffizientendifferenz für verschiedene<br />
(lineare) Druck–Scher–Korrelationsmodelle.<br />
LLR TB GS/SSG FRLT GL GY RO<br />
β3 − β2 0.22 0.444 0.425 0.4 0 0 0<br />
belegen, daß eine positive Koeffizientendifferenz ein korrektes Vorzeichen der Longitudinalwirbelstärke<br />
gewährleistet, so daß den Ecken Fluid über die Diagonale zugeführt<br />
wird. Hieraus schließt man für Scherströmungen<br />
β3 < β2 oder C3 > C4 . (10.42)<br />
Abbildung (10.23) gibt einen Überblick über die mit FRLT–Modellen unterschiedli-<br />
2X 2 /D<br />
2X 2 /D<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
0.0 Exp. 0.5 Cheesewright 1.0 0.0 et 0.5al. 1990 1.0<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
linear k−ε Re=4200<br />
Exp. Cheesewright et al. 1990<br />
2X 3 /D=.1<br />
2X 3 /D=.16<br />
−0.01 0.00 0.01<br />
2X 3 /D=.3<br />
2X 3 /D=.3<br />
−0.01 0.00 0.01<br />
2X 3 /D=.5<br />
0.0 0.5 1.0<br />
U 1 /U b<br />
2X 3 /D=.5<br />
−0.01 0.00 0.01<br />
U 3 /U b<br />
quadratic k−ε Re=4200<br />
cubic k−ε<br />
2X 3 /D=.7<br />
0.0 0.5 1.0<br />
2X 3 /D=.7<br />
−0.01 0.00 0.01<br />
2X 3 /D=1.0<br />
0.0 0.5 1.0 1.5<br />
2X 3 /D=.8<br />
−0.01 0.00 0.01<br />
Abbildung 10.23: Vollentwickelte Durchströmung eines rechteckigen Rohres (Re =<br />
4200) bei linearer quadratischer und kubischer Modellierung (FRLT–EASM); oben:<br />
Primärströmungsprofile; unten: Sekundärströmungsprofile.<br />
chen Grades erzielbare Vorhersagequalität im Vergleich zu den von ?) durchgeführten<br />
200
10.5. TURBULENTE SEKUNDÄRSTRÖMUNG<br />
experimentellen Untersuchungen bei Re = 4200. Die in Abbildung (10.23) aufgetragenen<br />
Sekundärströmungsprofile entlang mehrerer Schnitte x3 = const. empfehlen, die<br />
Koeffizientendifferenz im Bereich von<br />
β3 − β2 ≈ 0.4 , bzw. C3 − C4 ≈ 0.8 .<br />
zu wählen. Die Ergebnisse des TB– und SSG–Modells unterscheiden sich wegen der<br />
prinzipiell ähnlichen Werte der Koeffizientendifferenz hiervon nur geringfügig. Deutlich<br />
erkennt man, daß sich im Zusammenhang mit einer linearen Modellierung keine Sekundärströmung<br />
ausbildet, für die Primärströmung aber zufriedenstellende Ergebnisse<br />
erzielt werden können. Die in der Abbildung ergänzend aufgetragenen Ergebnisse einer<br />
kubischen Modellbildung stimmen gut mit denen der quadratischen Modellierung<br />
überein, was den untergeordneten Einfluß dreidimensionaler Effekte und die Güte der<br />
oben durchgeführten Näherung belegt.<br />
Abschließend sei bemerkt, daß die oben entwickelte Zwangsbedingung (10.42) zum Verständnis<br />
vieler in jüngster Zeit publizierter Studien zur Berechnung von Rohrströmungen<br />
veränderlichen Querschnitts mit Hilfe von RSTM beiträgt (round–to–square duct,<br />
Davis und Gessner 1992). Ein gemeinsames Merkmal dieser von ?) (?), ?) sowie ?)<br />
durchgeführten Arbeiten ist die Verwendung von IP–Modellen. Die oben angestellten<br />
Überlegungen mögen eine Erkärung für die von allen Autoren beobachtete drastische<br />
Unterschätzung der durch die Querschnittstransition induzierten Sekundärströmung<br />
geben.<br />
Ein wichtiger Unterschied zwischen dem EASM und den in den zitierten Untersuchungen<br />
eingsetzten RSTM ist die Vernachlässigung von Wandreflektionstermen durch<br />
das EASM. Diese bewirken – per Definition – eine lokale Manipulation der Koeffizienten<br />
im Sinne der Zwangsbedingung (10.42). Das Wandreflektionsmodell wird aufgrund<br />
seiner geringen Universalität und der starken Abhängigkeit der Formulierung<br />
von nicht–lokalen, geometrischen Termen, wie z.B. Wandstellungsvektoren, aber oftmals<br />
als Schwachpunkt der Modellbildung angesehen. Eine weitreichende Unabhängigkeit<br />
der Modellbildung von spezifischen Details des Wandreflektionsmodell gilt i.Allg.<br />
als erstrebenswert. Den oben gemachten Ausführungen folgend, kann dieses Ziel mit<br />
IP–Modellen nicht realisiert werden.<br />
201
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210
Anhang A Invarianten des Anisotropietensors<br />
Der Anisotropietensor der Reynolds–Spannungen (2.9) besitzt als symmetrischer Tensor<br />
zweiter Stufe drei reelle Lösungen ξk (k=1,2,3) zur Säkulargleichung<br />
det (bij − ξkδij) = 0<br />
= ξ 3 k − Ibξ 2 k + IIbξk − IIIb = 0 . (A.1)<br />
Die in (A.1) verwendeten skalaren Ausdrücke Ib,IIb und IIIb sind die Invarianten des<br />
Tensors bij, deren Definition unmittelbar aus der Säkulargleichung folgt:<br />
Ib = bkk = tr{b} = 0 , (A.2)<br />
IIb = 1<br />
2 (bkkbmm − bkmbmk) = 1<br />
2<br />
tr 2 {b} − tr{b 2 } = − 1<br />
2 tr2 {b} ,<br />
IIIb = det (bij) = 1<br />
6 (bkkbmmbnn − 3bkkbmnbnm + 2bkmbmnbnk)<br />
= 1 3 2 3 1<br />
tr {b} − 3tr{b}tr{b } + 2tr{b } =<br />
6<br />
3 tr{b3 } .<br />
Die erste Invariante Ib verschwindet aufgrund der Spurfreiheit von bij. Den drei Eigenwerten<br />
ξk sind drei paarweise orthogonale Eigenvektoren zugeordnet. Wählt man die<br />
Eigenvektoren als Basisvektoren, dann kann bij durch eine Hauptachsentransformation<br />
auf Diagonalgestalt gebracht werden<br />
⎛<br />
bij = ⎝<br />
ξ1 0 0<br />
0 ξ2 0<br />
0 0 ξ3<br />
⎞<br />
⎠ . (A.3)<br />
Von Interesse ist die Darstellung der Invarianten im Hauptachsensystem von bij<br />
Ib = bkk = ξ1 + ξ2 + ξ3 = 0 , (A.4)<br />
2<br />
ξ1 + ξ<br />
2<br />
2 2 + ξ 2 3 , (A.5)<br />
3<br />
ξ1 + ξ 3 2 + ξ 3 3 . (A.6)<br />
IIb = − 1<br />
2 (bkmbmk) = − 1<br />
IIIb = 1<br />
3 (bkmbmnbnk) = 1<br />
3<br />
Wie man leicht überprüfen kann, gilt für die Diagonalelemente des Anisotropietensors:<br />
2<br />
3 ≥ bαα ≥ − 1<br />
3<br />
→ 2<br />
3 ≥ ξk ≥ − 1<br />
. (A.7)<br />
3<br />
Das Realizability-Prinzip legt die Grenzen möglicher Reynolds–Spannungszustände<br />
präzise fest. Diese Grenzen lassen sich auf der Basis signifikanter Extrema der beiden<br />
Hauptinvarianten IIb und IIIb im Hauptachsensystem diskutieren<br />
211
ANHANG A<br />
• Zwei—Komponenten–Turbulenz: ξ3 = −1/3 ,<br />
• achsensymmetrische Turbulenz: 1/6 ≥ ξ2 = ξ3 ≥ −1/3 .<br />
Für achsensymmetrische Turbulenz empfiehlt sich die Unterscheidung nach ξ2, ξ3 ≥ 0<br />
und ξ2, ξ3 ≤ 0. Die Bereichsgrenzen bilden in der Invariantenkarte (Abbildung A.1) die<br />
Kanten eines Dreiecks.<br />
1/3<br />
1/12<br />
−II b<br />
0.30<br />
0.25<br />
0.20<br />
0.15<br />
0.10<br />
0.05<br />
0.00<br />
−1/108<br />
Isotrope 2−Komponenten−<br />
Turbulenz (ξi,k =1/6)<br />
1−Komponenten−Turbulenz<br />
(ξi,k =−1/3)<br />
2−Komponenten−Turbulenz<br />
9IIb +27IIIb +1=0<br />
Σξ i =0<br />
2/3
INVARIANTEN DES ANISOTROPIETENSORS<br />
I: Im Falle der ebenen oder Zwei–Komponenten–Turbulenz uiu3 = 0 lautet die<br />
Säkulargleichung (A.1)<br />
<br />
− 1<br />
<br />
− ξk [(b11 − ξk) (b22 − ξk) − b12] = 0 ,<br />
3<br />
❀ z.B. : ξ3 = − 1<br />
3<br />
(A.4) → ξ1 = 1<br />
3 − ξ2 . (A.8)<br />
Die Hauptinvarianten bestimmen sich in diesem Falle zu<br />
<br />
1<br />
IIb = −<br />
9 + ξ2 2 − ξ2<br />
<br />
, IIIb =<br />
3<br />
ξ2<br />
<br />
ξ2 −<br />
3<br />
1<br />
<br />
3<br />
. (A.9)<br />
Die Linearkombination der Hauptinvarianten repräsentiert eine Geradengleichung<br />
IIb + 3IIIb = − 1<br />
9<br />
(A.10)<br />
in der IIIb/−IIb Ebene. Die Endpunkte dieser Geraden ergeben sich aus zwei<br />
spezifischen Zuständen zweifach entarteter Eigenwerte. Der erste Endpunkt repräsentiert<br />
den Zustand der Ein–Komponenten–Turbulenz<br />
1 − C Turbulenz : ξ2 = ξ3 = − 1<br />
3 , ❀ IIIb = 2<br />
27 , IIb = − 1<br />
, (A.11)<br />
3<br />
der zweite Eckpunkt den Zustand isotroper zweidimensionaler Turbulenz<br />
2 − C Isotropie : ξ2 = ξ3 = 1<br />
6 , ❀ IIIb = −1<br />
108 , IIb = − 1<br />
. (A.12)<br />
12<br />
II: Achsensymmetrische Turbulenz ist durch den allgemeinen Zustand zweifach<br />
entarteter Eigenwerte gekennzeichnet<br />
achsensym. Turbulenz : ξ2 = ξ3<br />
(A.4) → ξ1 = −2ξ2 . (A.13)<br />
Hieraus ergibt sich die Verknüpfung der beiden von Null verschiedenen Hauptinvarianten<br />
als kubische Beziehung<br />
IIb = −3ξ 2 2 , IIIb = −2ξ 3 2 →<br />
2 IIIb<br />
+<br />
2<br />
3 IIb<br />
= 0 . (A.14)<br />
3<br />
Isotrope dreidimensionale Turbulenz liegt im Falle dreifach entarteter Eigenwerte<br />
vor<br />
3 − C Isotropie : ξ1 = ξ2 = ξ3 = 0 ❀ IIIb = 0 , IIb = 0 . (A.15)<br />
213
Anhang B Koordinatentransformation<br />
Das Strömungsfeld einer verdrallten Scherströmung wird, aufgrund der hypothetisch<br />
vorausgesetzten Achsensymmetrie, in geeigneter Weise durch physikalische Zylinderkoordinaten<br />
beschrieben<br />
˜e i = [˜e r; ˜e θ; ˜e x] ,<br />
mit ˜e x = e x , ˜e r = cos θe y + sin θe z , ˜e θ = − sin θe y + cos θe z . (B.1)<br />
Die Problemstellung ist in Abbildung (B.1) skizziert. Die räumlichen Ableitungen er-<br />
y<br />
U(r)<br />
x<br />
Abbildung B.1: Verdrallte Strömung auf der Basis von Zylinderkoordinaten < r, θ, x >.<br />
geben sich aus<br />
∂<br />
∇ = ˜e i<br />
∂˜xi<br />
mit<br />
∂<br />
∂˜xi<br />
=<br />
z<br />
<br />
∂ ∂ ∂<br />
; ;<br />
∂r r∂θ ∂x<br />
y<br />
θ<br />
e<br />
θ<br />
W(r)<br />
e<br />
r<br />
. (B.2)<br />
Obwohl das Strömungsfeld in Umfangsrichtung homogen ist, kann die Ableitung nach θ<br />
wegen der Rotation der Basisvektoren ˜e i nicht vernachlässigt werden. Die Ableitungen<br />
der Basisvektoren notieren sich unter Verwendung physikalischer Christoffelsymbole<br />
˜Γ k ij zu<br />
∂˜e i<br />
∂˜xj<br />
= ˜ Γ k ij˜e k mit ˜ Γ 2 12 = − ˜ Γ 1 22 = 1<br />
r<br />
. (B.3)<br />
Mit Hilfe der in (B.3) definierten Koordinatenableitung erhält man die unten notierte<br />
Darstellung häufig verwendeter Differentialoperationen<br />
∇ ˜ <br />
∂<br />
φ =<br />
˜ φi<br />
+<br />
∂˜xj<br />
˜ φk ˜ Γ j<br />
<br />
ki ˜e i˜e j , ∇ ˜ <br />
∂<br />
φ =<br />
˜ φjk<br />
+<br />
∂˜xi<br />
˜ φmk ˜ Γ j<br />
mi + ˜ φjm ˜ Γ k <br />
mi ˜e i˜e j˜e k . (B.4)<br />
Vernachlässigt man im Weiteren die Ableitungen in Umfangsrichtung, dann ergeben<br />
sich die unten genannten transformierten Bilanzgleichungen.<br />
214
Kontinuitätsgleichung<br />
Impulsgleichungen<br />
x :<br />
θ :<br />
r :<br />
∂(rUU)<br />
∂x<br />
∂(rUV )<br />
∂x<br />
∂(rUW )<br />
∂x<br />
+ ∂(rV U)<br />
∂r<br />
+ ∂(rV V )<br />
∂r<br />
+ ∂(rV W )<br />
∂r<br />
∂(U)<br />
∂x<br />
+ ∂(rV )<br />
r ∂r<br />
= − 1<br />
<br />
∂(rP ) ∂<br />
+ νr<br />
ρ ∂x ∂x<br />
∂U<br />
= − 1 ∂(rP ) ∂<br />
+<br />
ρ ∂r ∂x<br />
Geschwindigkeitsgradienten–Tensoren<br />
KOORDINATENTRANSFORMATION<br />
= 0 . (B.5)<br />
<br />
νr ∂V<br />
∂x<br />
∂x − u2 <br />
r<br />
<br />
− uv r<br />
+ ∂<br />
<br />
νr<br />
∂r<br />
∂U<br />
∂r<br />
+ ∂<br />
∂r<br />
<br />
− uv r<br />
<br />
νr ∂V<br />
∂r − v2 r<br />
+ P<br />
ρ + W 2 − ν V<br />
r + w2 ,<br />
= + ∂<br />
<br />
νr<br />
∂x<br />
∂W<br />
<br />
− uw r +<br />
∂x ∂<br />
<br />
νr<br />
∂r<br />
∂W<br />
<br />
− vw r<br />
∂r<br />
−V W − vw − ν W<br />
. (B.6)<br />
r<br />
Die additive Zerlegung des Geschwindigkeitsgradienten–Tensors nach symmetrischem<br />
und antimetrischem Anteil lautet<br />
mit<br />
und<br />
∂Ui<br />
∂xj<br />
Sij = 1<br />
<br />
∂Ui<br />
2 ∂xj<br />
⎛<br />
=<br />
⎝<br />
+ Uk ˜ Γ i kj = Sij + Wij ,<br />
+ ∂Uj<br />
∂xi<br />
∂V<br />
∂r<br />
0.5r ∂(W/r)<br />
∂r<br />
0.5 ∂U<br />
∂r<br />
+ ∂V<br />
∂x<br />
Wij = 1<br />
<br />
∂Ui<br />
−<br />
2 ∂xj<br />
∂Uj<br />
∂xi<br />
⎛<br />
=<br />
⎝<br />
0.5<br />
r<br />
0.5 ∂U<br />
∂r<br />
+ Uk<br />
<br />
+ Uk<br />
0 − 0.5<br />
<br />
˜Γ i<br />
kj + ˜ Γ j<br />
<br />
ki<br />
<br />
0.5r ∂(W/r)<br />
∂r<br />
V<br />
r<br />
0.5 ∂W<br />
∂x<br />
,<br />
0.5 ∂U<br />
∂r<br />
<br />
˜Γ i<br />
kj − ˜ Γ j<br />
<br />
ki<br />
<br />
∂(rW )<br />
∂r<br />
0.5 ∂W<br />
∂x<br />
∂U<br />
∂x<br />
,<br />
0.5 ∂V<br />
∂x<br />
r<br />
∂(rW )<br />
0 0.5 ∂r ∂W<br />
∂x<br />
∂V<br />
∂W<br />
− −0.5 0<br />
∂x<br />
∂x<br />
215<br />
<br />
∂V + ∂x<br />
<br />
∂U − ∂r<br />
⎞<br />
⎠ , (B.7)<br />
⎞<br />
⎠ . (B.8)<br />
<br />
,
ANHANG B<br />
Transportgleichungen des linearen Reynolds–Spannungsmodells<br />
Mit Hilfe der Transformationsvorschriften (B.1–B.4) ergeben die einzelnen Terme des<br />
linearen Reynolds–Spannungsmodells in physikalischen Zylinderkkordinaten zu<br />
Konvektion : ˜ Cxx = U ∂u2<br />
∂x<br />
˜Crr = U ∂v2<br />
∂x<br />
˜Cθθ = U ∂w2<br />
∂x<br />
˜Cxr = U ∂uv<br />
∂x<br />
˜Crθ = U ∂vw<br />
∂x<br />
˜Cxθ = U ∂uw<br />
∂x<br />
+ V ∂u2<br />
∂r ,<br />
+ V ∂v2<br />
∂r<br />
+ V ∂w2<br />
∂r<br />
+ V ∂uv<br />
∂r<br />
+ V ∂vw<br />
∂r<br />
+ V ∂uw<br />
∂r<br />
<br />
Produktion : Pxx<br />
˜ 2 ∂U<br />
= −2 u<br />
∂x<br />
<br />
˜Prr = −2 uv ∂V<br />
∂x<br />
<br />
∂U<br />
+ uv<br />
∂r<br />
− 2vw W<br />
r ,<br />
+ 2vw W<br />
r ,<br />
− uw W<br />
r ,<br />
<br />
+ v2 − w2 <br />
W<br />
r ,<br />
+ uv W<br />
, (B.9)<br />
r<br />
,<br />
<br />
∂V<br />
+ v2 + 2vw<br />
∂r<br />
W<br />
r ,<br />
˜Pθθ =<br />
<br />
−2 uw ∂W<br />
˜Pxr =<br />
<br />
∂W V<br />
+ vw + w2 ,<br />
∂x ∂r r<br />
<br />
<br />
2 ∂V ∂U V<br />
− u + v2 − uv + uw<br />
∂x ∂r r<br />
W<br />
r ,<br />
˜Prθ =<br />
<br />
− uw ∂V<br />
<br />
∂W ∂W ∂U<br />
+ uv + v2 − vw<br />
∂x ∂x ∂r ∂x<br />
W<br />
+ w2 r ,<br />
˜Pxθ =<br />
<br />
− vw ∂U<br />
<br />
∂W ∂W ∂V<br />
+ uv + u2 − uw .<br />
∂r ∂r ∂x ∂r<br />
(B.10)<br />
Die Druck–Scher–Korrelationsterme und Dissipationsterme verändern sich im Rahmen<br />
der Transformation nicht unmittelbar weswegen sie hier nicht nochmals gesondert aufgeführt<br />
werden sollen. Die Diffusionsbeiträge spielen im Rahmen der (E)ASM eine<br />
untergeordnete Rolle (vgl. <strong>Kapitel</strong> 4).<br />
216
Anhang C Caley–Hamilton Theorem<br />
Die allgemein bekannte Form des Caley–Hamilton Theorems zur Reduktion höherer<br />
Vielfacher von Tensoren des R 3 lautet<br />
A 3 ij = (Akk) A 2 ij − 0.5(AkkAll − A 2 kk) Aij + (det[Aij]) δij . (C.1)<br />
Diese charakteristische Gleichung für Tensoren läßt sich unmittelbar aus der Definitionsgleichung<br />
des Kotensors ableiten (Schade 1996). Eine für drei unterschiedliche,<br />
nicht notwendigerweise reguläre Tensoren generalisierte Variante ergibt sich aus<br />
AilBlkCkj + AilClkBkj + BilClkAkj + BilAlkCkj + CilBlkAkj + CilAlkBkj =<br />
Aij(BlkCkl) + Bij(AlkCkl) + Cij(AlkBkl) + δij(AlmBmkCkl + ClmBmkAkl) +<br />
+δij(AllBkkCmm − AllBmkCkm − BllCmkAkm − CllAmkBkm) +<br />
(AikBkj + BikAkj)Cll + (AikCkj + CikAkj)Bll + (BikCkj + CikBkj)All −<br />
Aij(BllCkk) − Bij(AllCkk) − Cij(AllBkk) , (C.2)<br />
wobei die letzten drei Zeilen für spurfreie Tensoren (Aii = Bii = Cii = 0) verschwinden.<br />
Die Beziehungen (C.1–C.2) lassen sich unmittelbar aus den Rechenregeln für Determinanten<br />
ableiten (siehe unten). Für die in <strong>Kapitel</strong> 5 benutzten Umformungen sind vor<br />
allem folgende symbolische Zusammenhänge für zwei spurfreie Tensoren, von denen<br />
einer symmetrisch und einer antimetrisch sei, von Bedeutung<br />
A 3 = 0.5 tr{A 2 } A + 1<br />
3 tr{A3 } δ (C.3)<br />
A · B · A + A 2 · B + B · A 2 = 0.5 tr{A 2 } B + tr{A 2 · B} δ , (C.4)<br />
A · B 2 · A + A 2 · B 2 + B 2 · A 2 = tr{B 2 } A 2 + tr{A · B 2 } A + 0.5 tr{A 2 } B 2<br />
+ tr{A 2 · B 2 } − 0.5 tr{A 2 } tr{B 2 } δ , (C.5)<br />
A 2 · B · A 2 = −0.5 tr{A 2 } A · B · A − (A · B + B · A) det(A)<br />
+ tr{A 2 · B} A 2 . (C.6)<br />
Hierin ist die Spurbildung (Kontraktion der freien Indizes) durch geschweifte Klammern<br />
gekennzeichnet (z.B. tr{A 2 } = A 2 ii = AikAki).<br />
217
ANHANG C<br />
Caley–Hamilton Theorem im R 2<br />
Viele Strömungssituationen sind zumindest näherungsweise durch den analogen (einfachen)<br />
Rangabfall des Scherraten– und Wirbeltensors gekennzeichnet. In diesem Fall<br />
genügen beide Tensoren einer zweidimensionalen Form<br />
⎡<br />
C = ⎣<br />
⎤<br />
C11 C12 0<br />
C21 C22 0<br />
0 0 0<br />
⎦ , (C.7)<br />
welche teilweise einer vorhergehenden Hauptachsentransformation bedarf. Für 3 × 3<br />
Matrizen vom Rang Zwei kann eine restriktivere Form des Caley–Hamilton Theorems<br />
formuliert werden, mit Hilfe dessen sich Tensoren zweiten Grades auf lineare Terme<br />
zurückführen lassen. Die mit einem Rangabfall verbundene Verringerung des Grades<br />
erkennt man deutlich anhand von Gleichung (C.1); für verschwindende Determinanten<br />
(det Aij) läßt sich die klassische Caley–Hamilton Beziehung zu einer quadratischen<br />
Gleichung kürzen.<br />
Die allgemeine Herleitung der zweidimensionalen Caley–Hamilton Gleichung geschieht<br />
analog zur Entwicklung des oben skizzierten Theorems für quadratische Matrizen vom<br />
Rang Drei. Sie verknüpft aufgrund des geringeren Ranges jedoch nur noch zwei Matrizen<br />
Aij und Bij. Die Indizes der 2×2 Matrizen Aij und Bij können nur zwei veschiedene<br />
Werte (1, 2) annehmen, dies gilt auch für eine entsprechend definierte Einheitsmatrix<br />
δ (2) des R 2<br />
⎡<br />
δ<br />
⎢<br />
⎣<br />
(2)<br />
ip<br />
δ (2)<br />
jp<br />
δ (2)<br />
kp<br />
δ (2)<br />
iq<br />
δ (2)<br />
jq<br />
δ (2)<br />
kq<br />
δ (2)<br />
ir<br />
δ (2)<br />
jr<br />
δ (2)<br />
kr<br />
⎤<br />
⎥<br />
⎦ ❀ δ pqr<br />
<br />
<br />
δ<br />
(2) <br />
ijk = <br />
<br />
<br />
(2)<br />
ip<br />
δ (2)<br />
jp<br />
δ (2)<br />
kp<br />
δ (2)<br />
iq<br />
δ (2)<br />
jq<br />
δ (2)<br />
kq<br />
δ (2)<br />
ir<br />
δ (2)<br />
jr<br />
δ (2)<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
= 0 , (C.8)<br />
<br />
<br />
weswegen die Determinante δ pqr(2)<br />
ijk in (C.8) verschwindet. Multipliziert man hierin die<br />
erste Zeile mit Api und die zweite Zeile mit Bqj, dann ergibt sich<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
δ<br />
(2)<br />
App Apq Apr<br />
Bqp Bqq Bqr<br />
kp<br />
δ (2)<br />
kq<br />
δ (2)<br />
kr<br />
kr<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
= 0 . (C.9)<br />
<br />
Löst man die zuletzt notierte Determinante nach der dritten Zeile auf, dann ergibt sich<br />
die gesuchte Caley–Hamilton Beziehung des R 2<br />
AikBkj + BikAkj = AijBkk + BijAkk − δ (2)<br />
ij (AkkBll − AlkBkl) . (C.10)<br />
Hieraus läßt sich mit Hilfe von A = B das Pendant zur Gleichung (C.1) gewinnen<br />
A 2 ij = Aij (Akk) − 0.5 δ (2) <br />
ij AkkAll − A 2 <br />
kk . (C.11)<br />
218
CALEY–HAMILTON THEOREM<br />
Multipliziert man (C.10) mit B, dann ergibt sich mittels (C.11)<br />
<br />
<br />
Bik Akl Blj = 0.5<br />
<br />
<br />
+ Bij AlkBkl . (C.12)<br />
Aij − δ (2)<br />
ij All<br />
BkkBll − B 2 kk<br />
Für spurfreie Tensoren A und B, von denen einer symmetrisch und einer antimetrisch<br />
ist, findet man die besonders einfachen Zusammenhänge in symbolischer Schreibweise<br />
A · B = −B · A , (C.13)<br />
A 2 = 0.5 tr{A 2 } δ (2) , (C.14)<br />
B · A · B = −0.5 tr{B 2 } A . (C.15)<br />
Mit derselben Technik lassen sich analoge Beziehungen zur Reduktion der N–ten Potenzen<br />
von N Matrizen des R N aus<br />
entwickeln.<br />
δ ijk...N+1(N)<br />
pqr...N+1(N) = 0<br />
Reduktion der dreidimensionalen Funktionsbasis im R 2<br />
Mit Hilfe der oben zusammengetragenen zweidimensionalen Caley–Hamilton Formeln,<br />
hier insbesondere der Gleichung (C.14), lassen sich die zehn Generatoren der dreidimensionalen<br />
Funktionsbasis (3.50) auf die ersten drei Generatoren reduzieren<br />
T (1) = s , (C.16)<br />
T (2) = s · w − w · s ,<br />
T (3) = s 2 − 1<br />
3 tr{s2 } δ = 0.5 tr{s 2 } δ (2) − 1<br />
3 tr{s2 } δ = 0.5 η1<br />
T (4) = w 2 − 1<br />
3 tr{w2 } δ = 0.5 tr{w 2 } δ (2) − 1<br />
3 tr{w2 } δ = η2<br />
T (5) = w · s 2 − s 2 · w = 0.5 tr{s 2 } w − w = 0 ,<br />
T (6) = w 2 · s + s · ω 2 − 2<br />
3 tr{s · w2 }δ = η2 s = η2 T (1) ,<br />
T (7) = w 2 · s · w − w · s · w 2 = 0.5 η2 T (2) ,<br />
T (8) = s 2 · w · s − s · w · s 2 = −0.5 η1 T (2) ,<br />
T (9) = s 2 · w 2 + w 2 · s 2 − 2<br />
3 tr{s2 · w 2 } δ = 0.5 η1η2 δ (2) − 1<br />
T (10) = w · s 2 · w 2 − w 2 · s 2 · w = 0.25 η1η2<br />
219<br />
w − w = 0 .<br />
η1<br />
<br />
δ (2) − 2<br />
3 δ<br />
<br />
T (3) ,<br />
3 η1η2 δ = η2 T (3) ,<br />
,
ANHANG C<br />
In derselben Weise vereinfachen sich die Invarianten (3.51) im R 2 zu<br />
η0 = skk = 0 , (C.17)<br />
η1 = s 2 kk ,<br />
η2 = w 2 kk ,<br />
η3 = s 3 kk = 0.5 η1 skk = 0 ,<br />
η4 = sklw 2 lk = 0.5 η2 skk = 0 ,<br />
η5 = s 2 klw 2 lk = 0.5 η1 η2 .<br />
In zweidimensionalen Reynolds–gemittelten Strömungsfeldern verbleiben daher nur<br />
zwei Invarianten (η1, η2) und drei Generatoren. Als dritter Generator kann wahlweise<br />
die zweidimensionale Einheitsmatrix δ (2) oder s 2 verwendet werden, weswegen die<br />
Integritätsbasis ein Element weniger als die Funktionsbasis besitzt.<br />
Häufig verwendete algebraische Umformungen<br />
Beachtet man, daß die Spur einer Matrix zyklisch vertauschbar ist, d.h.<br />
{A · B · C} = {B · C · A} = {C · A · B} ,<br />
dann finden sich für die quadratische Drei–Generator–Basis FGS<br />
T (1) = s , T (2) = s · w ∗ − w ∗ · s , T (3) = s 2 − η1<br />
3 δ<br />
die folgenden häufig verwendeten algebraischen Umformungen<br />
{T (1) · T (1) } = η1 , {T (2) · T (2) } = η1η2 − 6η5 ,<br />
{T (1) · T (2) } = 0 , {T (2) · T (3) } = 0<br />
{T (1) · T (3) } = η3 , {T (3) · T (3) } = η 2 1/6 ,<br />
{s · T (1) · T (1) } = η3 , {w · T (1) · T (1) } = 0 ,<br />
{s · T (1) · T (2) } = 0 , {w · T (1) · T (2) } = 3η5 − 0.5η1η2 ,<br />
{s · T (1) · T (3) } = η 2 1/6 , {w · T (1) · T (3) } = 0 ,<br />
{s · T (2) · T (1) } = 0 , {w · T (2) · T (1) } = 0.5η1η2 − 3η5 ,<br />
{s · T (2) · T (2) } = −0.5(η2η3 + η1η4) , {w · T (2) · T (2) } = 0 ,<br />
{s · T (2) · T (3) } = 0 , {w · T (2) · T (3) } = −0.5(η2η3 + η1η4) ,<br />
{s · T (3) · T (1) } = η 2 1/6 , {w · T (3) · T (1) } = 0 ,<br />
{s · T (3) · T (2) } = 0 , {w · T (3) · T (2) } = 0.5(η2η3 + η1η4) ,<br />
{s · T (3) · T (3) } = η1η3/6 , {w · T (3) · T (3) } = 0 ,<br />
{T (2) · T (2) · T (2) } = 0 , {T (3) · T (3) · T (3) } = −η1/36 + η 2 3/3 ,<br />
{T (2) · T (3) · T (3) } = 0 , {T (3) · T (2) · T (2) } = −1.5η1η5 + 5<br />
12 η1η2 − 2<br />
3 η3η4 .<br />
220
CALEY–HAMILTON THEOREM<br />
Zur Herleitung der vereinfachten dreidimensionalen Formulierung aus <strong>Kapitel</strong> 8.5 wurden<br />
folgende algebraische Identitäten benutzt<br />
{T (1) · T (4) } = η4 , {T (4) · T (4) } = η 2 2/6 ,<br />
{T (2) · T (4) } = 0 , {T (5) · T (4) } = 0 ,<br />
{T (3) · T (5) } = η5 − η1η2/3 ,<br />
{T (1) · T (5) } = 0 , {T (4) · T (5) } = 0 ,<br />
{T (2) · T (5) } = η1η4 + η2η3 , {T (5) · T (5) } = η1(η5 − 0.5 η1η2) − 2η3η4 ,<br />
{T (3) · T (5) } = 0 ,<br />
{s · T (1) · T (4) } = η5 − η1η2/3 , {s · T (4) · T (4) } = −η2η4/6 ,<br />
{s · T (2) · T (4) } = 0 , {s · T (5) · T (4) } = −η6 ,<br />
{s · T (3) · T (4) } = η1η4/6 ,<br />
{w · T (1) · T (4) } = 0 , {w · T (4) · T (4) } = 0 ,<br />
{w · T (2) · T (4) } = 0 , {w · T (5) · T (4) } = 0 ,<br />
{w · T (3) · T (4) } = 0 ,<br />
{s · T (1) · T (5) } = 0 , {s · T (4) · T (5) } = −η6 ,<br />
{s · T (2) · T (5) } = η1<br />
2 (η5 − 0.5η1η2) − η3η4 , {s · T (5) · T (5) } = 5η1η2η3<br />
12<br />
{s · T (3) · T (5) } = 0 ,<br />
{w · T (1) · T (5) } = 1<br />
2 (η1η4 + η2η3) , {w · T (4) · T (5) } = 0 ,<br />
{w · T (2) · T (5) } = 3η6 , {w · T (5) · T (5) } = 0 ,<br />
{w · T (3) · T (5) } = − η1<br />
2 (η5 − 0.5η1η2) + η3η4 .<br />
221<br />
− η2 1 η4<br />
4 + η3η5 ,
Anhang D Hintergrundmodelle<br />
Der Anhang gibt einen Überblick über die in dieser Arbeit verwendeten Zwei–Parameter–Modelle.<br />
Die Auswahl der Modelle erfolgte exemplarisch unter Berücksichtigung<br />
der gegenwärtig gebräuchlichsten k − ε bzw. k − ω Formulierungen.<br />
Lien–Leschziner (LL) k − ε Modell (1993)<br />
Das von Lien und Leschziner (1993) entwickelte low-Re k −ɛ Modell empfiehlt sich aufgrund<br />
seiner hohen numerischen Stabilität und seiner günstigen wandnahen Längenmaßeigenschaften.<br />
Das Modell verfolgt eine ähnliche Philosophie wie die sogenannten<br />
Zweischichtenmodelle (Rodi 1991), ohne jedoch explizit zwischen zwei verschiedenen<br />
Bereichen mit unterschiedlichen Modellierungstechniken zu differenzieren. Die low–Re<br />
Funktionen sind so formuliert, daß beim Übergang in den wandnahen Bereich Konsistenz<br />
zu einem Eingleichungsmodell gewährleistet wird (hier z.B. nach Wolfshtein<br />
(1969)).<br />
∂ ρk<br />
∂t<br />
∂ ρε<br />
∂t<br />
+ ∇ · (ρ U k) − ∇ ·<br />
+ ∇ · (ρ U ε) − ∇ ·<br />
<br />
(µ + µt<br />
P rk<br />
<br />
) ∇k<br />
<br />
(µ + µt<br />
<br />
) ∇ε<br />
P rε<br />
= ρP − fk ρε , (D.1)<br />
= ρ ε<br />
k (f1Ce1P − f2Ce2ε) .<br />
Die hierin auftretenden Turbulenz–Reynoldszahlen und Dämpfungsfunktionen lauten<br />
f1 = 1 + P<br />
Pk∗ , f2 = 1 − 0.3 e −Re2 t , fµ =<br />
P ∗ =<br />
f2Ce2k 1.5<br />
Ce1Lε<br />
Ret = kTt<br />
ν , Rek =<br />
1 − e−αµRek<br />
1 − e −αεRek<br />
, fk =<br />
e −αdRe2 k Lε = κc −3/4<br />
µ n 1 − e −αεRek<br />
<br />
,<br />
√ k n<br />
ν<br />
, Tt = k<br />
ε<br />
γ + Ret/91<br />
1 + Ret/91 .<br />
, κ = 0.41 . (D.2)<br />
Die dazugehörigen Koeffizienten können Tabbelle D.1 entnommen werden. Aus Konsistenzgründen<br />
wurden in dieser Arbeit anstelle der Originalkoeffizienten teilweise leicht<br />
modifizierte Koeffizienten verwendetet.<br />
Tabelle D.1: Koeffizienten des low–Re LL k − ε Modells (Lien und Leschziner, 1993) .<br />
Model cµ Ce1 Ce2 γ αε αµ αd P rk P rε<br />
EASM 0.09 1.44 1.83 0.45 0.2041 0.017 0.0025 1.0 1.3<br />
Lien et al. (1993) 0.09 1.45 1.92 1.0 0.2630 0.016 0.0022 1.0 1.3<br />
222
Wilcox k − ω Modell (1994)<br />
HINTERGRUNDMODELLE<br />
Zur Verbesserung der Vorhersagefähigkeit im low-Re Bereich modifizierte Wilcox (1994)<br />
das k − ω Basismodell (Wilcox 1988) in Bezug auf das asymptotisch korrekte Wandverhalten<br />
(vgl. Anhang D)<br />
∂ ρk<br />
∂t<br />
∂ ρω<br />
∂t<br />
+ ∇ · (ρ U k) − ∇ ·<br />
+ ∇ · (ρ U ω) − ∇ ·<br />
<br />
(µ + µt<br />
<br />
) ∇k<br />
P rk<br />
<br />
(µ + µt<br />
<br />
) ∇ω<br />
P rω<br />
= ρPk − fkβ ∗ ρωk ,<br />
= ρ ω<br />
k (fωαPk − βωk) . (D.3)<br />
Die hierin auftretenden Turbulenz–Reynoldszahlen und Dämpfungsfunktionen lauten<br />
fk = β/(3β∗ ) + (Reω/Rk) γ<br />
1 + (Reω/Rk) γ , fω = βω0 + Reω/2.7<br />
fµ (1 + Reω/2.7)<br />
fµ =<br />
β/3 + Reω/6<br />
1 + Reω/6 , Reω = k<br />
ω ν .<br />
, (D.4)<br />
Die dazugehörigen Koeffizienten können Tabelle D.2 entnommen werden. Da der Anisotropieparameter<br />
cµ des isotropen Modell in die Definition der spezifischen Disspationsrate<br />
absorbiert wurde, ergibt sich für das turbulente Zeitmaß Tt die in (D.5) notierte<br />
Definition<br />
ω := ε<br />
cµk<br />
˜g − 2β2 2<br />
˜g η2 − 2β2 3<br />
3˜g η1<br />
❀ Tt = 1<br />
cµω<br />
. (D.5)<br />
Man beachte, daß das anisotrope Stress–Strain Gesetz mit cµ normiert werden muß.<br />
Für die low–Re Variante des Basismodell ergibt sich z.B.<br />
⎛<br />
⎞<br />
<br />
bij = −fµ ⎝<br />
(β1/cµ)<br />
⎠ sij − β2 <br />
sikw<br />
˜g<br />
∗ kj − w ∗ <br />
2β3<br />
ikskj + s<br />
˜g<br />
2 ij − η1<br />
3 δij<br />
.<br />
(D.6)<br />
Die Koeffizienten βi folgen den in Tabelle 4.2 bzw. Gleichung (??) angegebenen Beziehungen.<br />
Tabelle D.2: Koeffizienten des low-Re k − ω Modells (Wilcox, 1994).<br />
Modell β ∗ = cµ α β βω0 Rk γ P rk P rω<br />
EASM 0.09 5/9 3/40 0.1 10 2 2.0 2.0<br />
Wilcox (1994) 0.09 5/9 3/40 0.1 8 4 2.0 2.0<br />
223
Anhang E Greensche Integration<br />
Der Anhang beschreibt die Herleitung der Greenschen Funktion, welche zur Modellierung<br />
der Druck–Scher–Korrelation verwendet wird. Die Greensche Funktion ergibt sich<br />
aus dem Greenschen Satz, den man aus der Anwendung des Intergalssatzes von Gauß<br />
<br />
<br />
∇ · ψ dV = dA · ψ , (E.1)<br />
auf eine Funktion ψ = Φ∇B − B∇Φ<br />
❀<br />
<br />
O(V)<br />
V<br />
O(V)<br />
dA · (Φ∇B − B∇Φ) =<br />
=<br />
<br />
V<br />
<br />
V<br />
∇ · (Φ∇B − B∇Φ) dV<br />
(Φ∆B − B∆Φ) dV (E.2)<br />
erhält. Im speziellen Falle von B = r −1 ergibt sich unter Verwendung von Kugelkoordinaten<br />
für isotrope Funktionen Φ = Φ(r), mit ∆Φ = Φ,rr +2Φ,r /r und ∇Φ = Φ,r e r,<br />
−<br />
<br />
O(V)<br />
<br />
Φ Φ,r<br />
dA · er +<br />
r2 r<br />
= −<br />
= −<br />
<br />
V<br />
<br />
V<br />
<br />
1<br />
Φ,rr +2<br />
r<br />
Φ,r<br />
<br />
r<br />
∆Φ dV<br />
r<br />
dV<br />
. (E.3)<br />
Man beachte, daß B = r −1 die Laplacegleichung identisch erfüllt, weswegen der erste<br />
Term des Volumenintegrals verschwindet. Das Oberflächendifferential lautet<br />
dAr = r 2 sin(θ) dθdφ , dAθ = r 2 sin(θ) drdφ , dAφ = r 2 sin(θ) dθdr ,<br />
Das Volumenintergral ergibt sich aus dV = r2 sin(θ) dr dθ dφ . Da die Gewichtsfunktion<br />
B = r−1 für r = 0 singulär ist, wird dieser Punkt aus der Integration ausgeschlos-<br />
sen. Man integriert anstelle dessen über einen<br />
dA zweifach zusammenhängendes Gebiet, welches<br />
neben der äusseren Schale noch eine innere<br />
dA<br />
Schale mit dem Radius 1 >> a > 0 umfasst.<br />
a<br />
(Abbildung E.1).<br />
Für Funktionen, die für r → ∞ hinreichend<br />
r<br />
schnell gegen Null streben verschwindet die<br />
Integration über die äussere Kugeloberfläche.<br />
Zur Integration der inneren Fläche trägt im<br />
Abbildung E.1: Greensche Integration. Grenzübergang a → 0 lediglich der erste Sum-<br />
224
mand des Oberflächenintegrals bei<br />
Φ(r = 0) = − 1<br />
4π<br />
<br />
V<br />
∆Φ dV<br />
r<br />
GREENSCHE INTEGRATION<br />
. (E.4)<br />
Im Zusammenhang mit der Modellierung der Druck-Scher Korrelationen φij verwendet<br />
man die oben skizzierte Vorgehensweise zur Berechnung des fluktuierenden Drucks p<br />
aus der Druckpoissongleichung (1.60).<br />
Substituiert man für inkompressible Medien Φ = p/ρ in Gleichung (E.4) und vewendet<br />
weiterhin die Druckpoissongleichung (1.60)<br />
∆p<br />
ρ<br />
<br />
∂Ui ∂uk<br />
= −2 + eijkΩj<br />
∂xk ∂xi<br />
− ∂2 (uiuk)<br />
∂xk∂xi<br />
+ ∂2 (uiuk)<br />
∂xk∂xi<br />
zur Formulierung des Integranden in (E.4), so findet sich eine einfache Beziehung für<br />
den fluktuierenden Druck<br />
<br />
p 1 ∂<br />
= 2<br />
ρ 4π<br />
Ûi<br />
<br />
∂ûk ∂<br />
+ eijkΩj<br />
∂ˆxk<br />
∂ˆxi<br />
2 (ûiûk)<br />
+<br />
∂ˆxk∂ˆxi<br />
∂2 (ûiûk)<br />
−<br />
∂ˆxk∂ˆxi<br />
1 ∂<br />
ρ<br />
ˆ f ′ <br />
i d<br />
∂ˆxi<br />
ˆ V<br />
. (E.5)<br />
r<br />
Die Funktion<br />
V<br />
G(r = |ˆxi − xi|) = − 1<br />
4π<br />
1<br />
|ˆxi − xi|<br />
+ 1<br />
ρ<br />
nennt man auch Greensche Funktion. Man beachte, daß (E.5) and die Gültigkeit<br />
lim<br />
r→∞ p & p,r → 0<br />
gebunden ist, andernfalls tritt noch ein zweites Oberflächenentegral in Gleichung (E.5)<br />
auf.<br />
225<br />
∂f ′ i<br />
∂xi
Anhang F Zweipunktkorrelationen<br />
Der Anhang beschreibt elementare Rechenregeln für die Behandlung von Zweipunktkorrelationen,<br />
wie sie zur Modellierung der Druck–Scher–Korrelationenen verwendet<br />
werden. Mit Hilfe der Transformation<br />
ergibt sich<br />
Von (F.3) folgt<br />
∂<br />
∂rl<br />
∂(uiûj)<br />
∂rk<br />
∂Rij<br />
∂rk<br />
∂(uiûj)<br />
∂xk<br />
∂Rij<br />
∂xk<br />
∂Rij<br />
∂xk<br />
=<br />
=<br />
ˆxi = xi + ri und (F.1)<br />
ˆΦ = Φ(ˆxi) Φ = Φ(xi)<br />
<br />
∂ui<br />
ûj + ui<br />
∂rk<br />
<br />
∂ui ∂xm<br />
∂xm<br />
∂rk<br />
<br />
0<br />
<br />
∂ûj<br />
∂rk<br />
ûj + ui<br />
<br />
∂ûj ∂ˆxm<br />
,<br />
∂ˆxm ∂rk <br />
<br />
∂ûj<br />
= ui , (F.2)<br />
∂ˆxk<br />
=<br />
=<br />
=<br />
<br />
∂ui<br />
∂xk<br />
<br />
∂ui<br />
∂xk<br />
<br />
∂ui<br />
∂xk<br />
ûj + ui<br />
ûj + ui<br />
ûj + ∂Rij<br />
<br />
∂ûj<br />
∂xk<br />
<br />
∂ûj ∂ˆxm<br />
,<br />
∂ˆxm ∂xk <br />
∂rk<br />
δmk<br />
− ∂Rij<br />
<br />
=<br />
∂rk<br />
∂<br />
<br />
∂ui<br />
ûj =<br />
∂rl ∂xk<br />
∂ui<br />
∂xk<br />
226<br />
δmk<br />
. (F.3)<br />
∂ûj<br />
∂ˆxl<br />
. (F.4)