Ästhetisierung physiognomischer Ähnlichkeiten
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erhaltenen Beispiel, Neapel Nat. Mus., um 300 v.Chr.: Bull 1977: 437). Hieran erscheint zweierlei von<br />
Bedeutung:<br />
1. Bildnisse stehen in einem aktuellen, bzw. jederzeit aktualisierbaren Handlungszusammenhang, der<br />
öffentlich motiviert ist und auf einen engen Kreis der herrschenden Oberschicht begrenzt blieb: ius imaginum<br />
des Geburtsadels, Ämternobilität, mindestens Aedilen, Frauen ausgeschlossen).<br />
2. Die physiognomische Ähnlichkeit, die sich auf die vordere Gesichtspartie bezieht, unterliegt einem<br />
Element von Zufälligkeit, denn auf dem Totenbett sieht der Leichnam nicht unbedingt so aus, wie man das<br />
Bildnis des Verstorbenen öffentlich vorstellen will.<br />
So sehen dann auch die Büsten, die eine Statue eines Römers als Bildnisse seiner Ahnen trägt,<br />
keineswegs nach Totenmasken aus. Jedenfalls haben wir einige Veränderungen ganz spezifischer Art ins<br />
Kalkül zu ziehen. Diese öffentliche Zurschaustellung änderte sich mit dem Erstarken des christlichen<br />
Einflusses auf die römische Kultur. Die Formen des Bildnisses werden noch in römischer Zeit radikal auf<br />
"expressive" Bildnistypen hin ausgeprägt. Schließlich haben die Bildnisse untereinander mehr an<br />
Gemeinsamkeiten, als das Völkergemisch in der Spätphase des römischen Imperiums je hat bei den<br />
lebenden Individuen aufweisen können. Bildnisse bekommen offensichtlich eine andere Funktion. So lautet<br />
der übereinstimmende Schluß und dies ändert sich für die nächsten Jahrhunderte in verschiedener<br />
Richtung, gleichwohl der Individualisierung <strong>physiognomischer</strong> Ähnlichkeit gänzlich konträr (Enciclopedia<br />
1963: 577 - 583; Keller 1970).<br />
In der Argumentation christlicher Autoren um das Verständnis der Ebenbildlichkeit des Menschen mit<br />
Gott (Gen. 1, 26) und die Funktion der Inkarnation Christi wird die Frage nach einer Legitimation von<br />
christlicher Kunst überhaupt aufgeworfen gegenüber dem alttestamentarischen Bildverbot (Ladner 1965).<br />
Auf der einen Seite wird die ausschließlich spirituelle Relation der Ebenbildlichkeit herausgestellt, wenn etwa<br />
Clemenz von Alexandria formuliert: Das Bild Gottes ist der göttliche Logos, aber das Abbild des Bildes ist<br />
die Seele des Menschen (Stromata 5,14), auf der anderen Seite besteht ein aufweisbarer Zusammenhang<br />
mittelalterlicher Bildnisse mit denen der Antike (Klauser 1958).<br />
Indes tritt mit dem 12. Jh. Individualisierung in der Ikonographie menschlicher Gestalt unterschiedlich<br />
hervor, ohne daß es einen nachweislichen Verwendungsrahmen des Bildnisses gäbe, dessen einziger oder<br />
hauptsächlicher Grund physiognomische Ähnlichkeit wäre (Brückner 1966; Kocks 1971; Heller 1976, anders<br />
z. B. Pope - Hennessy 1966 "The Cult of Personality", S. 4: Kommemorative Funktion.). Terminologie und<br />
Argumentation der Bilderstürmereien und des Bilderverbots geben deutliche Anhaltspunkte für diese<br />
Argumente (Warnke 1973).<br />
Im ersten illustrierten Druck der "Celeste Fisonomia" des Giovanni Battista della Porta (1541-1615), der<br />
1586 in Neapel erschien, wird mit jenem Begriff von "Ähnlichkeit' argumentiert, die durch Zeichen zwischen<br />
Makro- und Mikrokosmos vermittelt ist, <strong>Ähnlichkeiten</strong>, die allenthalben herrschen: Bezeichnende Form und<br />
bezeichnete Form sind <strong>Ähnlichkeiten</strong>, die nebeneinanderstehen. Wahrscheinlich ist darin die Ähnlichkeit im<br />
Denken des sechzehnten Jahrhunderts das, was es an Universellstem gibt; gleichzeitig das Sichtbarste, was