Ästhetisierung physiognomischer Ähnlichkeiten
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man jedoch zu entdecken versuchen muß, denn es ist das am meisten Verborgene; das was die<br />
Erkenntnisform determiniert (denn man erkennt nur, indem man den Wegen der Ähnlichkeit folgt) und was<br />
ihr den Reichtum ihres Inhalts garantiert (denn wenn man die Zeichen aufhebt und betrachtet, was sie<br />
bezeichnen, läßt man die Ähnlichkeit selbst in ihrem Licht an den Tag kommen und aufleuchten)". (Foucault<br />
1966:60.) Von Innerlichkeit keine Rede. Im Prinzip gilt hier der Syllogismus:<br />
Jedes Lebewesen erhält seine Gestalt von den Sternen und den Zeichen, die dominieren<br />
(Planetenkonstellationen).<br />
Der Mensch, der zu einem solchen Zeitpunkt geboren wird, erhält von daher seine Gestalt.<br />
Der Mensch, der auf diese Weise seine Gestalt erhalten hat, erhält konsequenterweise einen der<br />
Planetenkonstellation ähnlichen Charakter, die seine physiognomische Besonderheit ausweist. "I luochi del<br />
cielo, nei quali sono forme simili alle forme de gli huomini, & alle forme, che sono ne i segni, ò fuor de i<br />
segni, fanno i corpi ben fatti, e ben proportionati, ma le altre forme che sono di conditioni, diversivicano i<br />
corpi, & li fanno ineguali ..." (della Porta 1586:77).Bezeichnenderweise wird unter dem Stichwort<br />
"Physiognomie" keineswegs die Gestalt des Kopfes oder des Gesichts verstanden, sondern sowohl die<br />
Proportion des ganzen Körpers, als auch Wohl- und Mißgestalt einzelner Körperteile. In den Illustrationen<br />
wird eigentümlicherweise mehrheitlich nur ein Mensch-Tier Vergleich der Kopf- und Gesichtspartien<br />
vorgeführt! Bildliche Innovation erscheint hier begrifflich noch nicht eingeholt. Ähnlichkeit heißt noch immer<br />
Analogie, Zeichen für kosmische Sympathie, die zwischen "ähnlichen" Elementen vorherrscht und entdeckt<br />
werden kann. (Enciclopedia 1963 III: 114-118). Die Zeichen bleiben dem Bewußtsein äußerlich, es sind die<br />
von Gott den Dingen gegebenen Signaturen, die der Mensch entdecken kann, um Erkenntnisse über diese<br />
Welt zu gewinnen.<br />
Wenig wissen wir dagegen über die Ziele derjenigen Maler und Graphiker, die bereits über einhundert<br />
Jahre zuvor sich auf die äußerliche, jeglicher auf Taten verweisender Attribute abholden Ähnlichkeit<br />
<strong>physiognomischer</strong> Eigentümlichkeiten des "nach dem Leben gemalten" Individuums spezialisiert hatten.<br />
Absichtlich tritt Attribut und Symbol völlig zurück hinter die physiognomische "Zufälligkeit" des abgebildeten<br />
individuellen Antlitzes. Durch das Insistieren auf dem Recht des Einzelnen und Besonderen in der Reflexion<br />
auf die eigenen Züge, diese anschaulich werden zu lassen, werden physiognomische Qualitäten selbst<br />
attributives Mittel, dem Zweck zugeordnet Individualität ohne Beziehung zu szenischer Einbindung - die<br />
immer Garanten feudaler Legitimation und deren Derivate bezeichnen - aufzuweisen. (Hinz 1975: 104;<br />
Geisberg 1923). Dem Kundigen bleibt selbst noch die ausgeprägteste Physiognomie etwa in Veith Stoß'<br />
Altarbildern spätgotischer Typus, der seiner thematischen Einbindung im Ausschnitt entkleidet nicht an<br />
Individualität gewinnt, sondern durch Haltung und Wendung einer Ergänzung durch Andere fordert.<br />
In der graphischen Darstellung eines Ehepaares wird bis heute unangefochten ein Selbstbildnis eines<br />
Meisters mit seiner Frau vermutet, wie die beigegebene Unterschrift besagt: Individualbildnis, also Porträt im<br />
engeren, neuzeitlichen Sinn (um 1480 / 90) (Thieme / Becker 24 1930: 325 - 326). Die Einzelheiten dieser<br />
Bestimmung können hier nicht diskutiert werden. Wesentlich wird das Fehlen von Wappen, Hausmarken und<br />
dgl. vermerkt, die Reduktion auf das Gesicht (ohne Hände!) und die stille Repräsentation, die sich (als