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Ästhetisierung physiognomischer Ähnlichkeiten

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gedachter oder fiktiver Ausschnitt) in kein für diese Zeit bekanntes (Bild-)Handlungsschema einfügen ließe<br />

(Warburg 1930; Hinz 1974: 157). Privatheit wird Ausweis einer bürgerlichen Ikonographie, deren zentrales<br />

Kriterium dasjenige ist, was Waetzold 1908 für die kunstwissenschaftliche Forschung hypothetisch<br />

formulierte: "Die Ähnlichkeit, jedoch als außerästhetischer Wert, der nur für eine kleine Betrachtergruppe<br />

existiert. Ob deshalb der Ähnlichkeitsgehalt eines Porträts überhaupt bedeutungslos für den ästhetischen<br />

Genuß ist, wird der Gang der Untersuchung zu beantworten haben". (Waetzold 1908: 73). Beifügungen von<br />

Altersangaben und Entstehungsjahr in der Dürerzeit weisen einen verfestigten Platz dem Porträt innerhalb<br />

der Hierarchie der Bildgattungen bereits um 1500 aus. Zweifel an der Ausdrucksfähigkeit nur der<br />

physiognomischen Ähnlichkeit allein tauchen bei Dürer 1526 auf (Hinz 1975: 105): Damit bezweifelt er aber<br />

eher die Ohnmacht des Malers, als die Ohnmacht dieser neuen Identitätsvorstellung. Wenn nun noch in der<br />

Physiognomik des 16. Jh. Ähnlichkeit als eine durch Sympathie vermittelte Analogie begrifflich gefaßt wird,<br />

wie ist dann die Ähnlichkeit als bildwürdiges Thema im Rahmen des Bildnisses zu verstehen? Was heißt hier<br />

Abbildung der eigenen Physiognomie?<br />

Diese unterliegt, wie jede andere Abbildung als Zeichen interpretiert, den gleichen Bedingungen, wie wir<br />

diese für die Ornamentgraphik des gleichen Zeitraumes aufgewiesen haben (Gerlach 1977: 278). Nur daß<br />

das Repräsentanten nicht nur Ikon ist, kraft einer Eigenschaft, die es für sich genommen besitzt, nämlich zu<br />

figurieren. Dies kann aber nichts anderes heißen, als daß das Bildnis stilistische Merkmale aufweist, es ist<br />

aber zuerst ein Repräsentamen, "das seine Funktion erfüllt, die es nicht haben könnte, wenn sein Objekt<br />

nicht existierte". Das Objekt aber existiert als Porträtierter, Peirce hat diesen Fall als Index klassifiziert. In der<br />

"relativ echten Form des Index" (5.75) ist aber ein Ikon eingeschlossen. Der duale Charakter am<br />

graphischen Bildnis wird sogleich klar, wenn wir bestimmen können, was das erste Element ist, "kraft dessen<br />

der Index wirkt und das als Vertreter des partikulären Objekts dient, während das andere-das implizierte<br />

Ikon-das Repräsentanten selbst repräsentiert, welches eine Qualität des Objektes ... ist". (5.75). Jenes<br />

Wahmehmungsmodell nämlich, das wir beim Erkennen und Erinnern eines Gegenstandes konstruieren,<br />

weist diejenige Ähnlichkeit mit dem Ikon auf - und eben nicht mit dem Objekt - die die aktuelle Veränderung<br />

ist, die durch das Objekt bewirkt wird, wie es Peirce für das implizierte Ikon fordert. Wie aber wird das<br />

partikuläre Objekt vertreten, damit das Zeichen zur Klasse der "relativ echten Form des Index" gehören<br />

kann? Dies kann nur die je geordnete Konfiguration sein, die isomorphe Verteilung, aus der die Umrißlinie<br />

zusammengesetzt ist. Denn nur darin ist die Forderung erfüllt, daß, wenn ein Index durch das Objekt bewirkt<br />

wird, er notwendigerweise mit dem Objekt Qualitäten gemeinsam hat und nur unter Hinsicht auf diese sich<br />

auf das Objekt bezieht. Damit sind wir bei einer allgemeinen Bestimmung einer Abbildung oder graphischen<br />

Notation angelangt. Die Frage nach der Evidenz der "physiognomischen Ähnlichkeit" ist uns aber weder<br />

zweifelhaft noch plausibler geworden.<br />

Nun werden wir dem Urheber dieses Bildnisses keine Intentionen unterstellen wollen, die außerhalb des<br />

Denkens seiner Zeit lägen. Es gab für die Abbildung der Individualität mittels <strong>physiognomischer</strong> Ähnlichkeit<br />

keinen theoretischen Begriff, und es gab keinen praktischen Zweck, der eine der unseren vergleichbare<br />

Verwendungsweise für einen derartigen Bildtyp einschlösse.<br />

Vor aller begrifflichen Füllung ist die Herstellung dieser Bildnisse Produkt eines experimentierenden<br />

Handwerks, deren einzelne Vertreter sich in einer bestimmten historischen Situation in der

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