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Schwerpunkt-Thema:<br />

Gesamtsystem Rail<br />

Fahrzeug, Fahrweg und Interaktion<br />

magazine<br />

Nr. 14, II-2013<br />

Im Interview:<br />

Dr. Jochen Eickholt<br />

Im Interview:<br />

Prof. Klaus Rießberger<br />

Innovative Modellierungs-, Simulations- und Messverfahren<br />

Rad-Schiene Kraftschluss ■ Virtuelle Homologation<br />

Sicherheit ■ Schallabsorbierung und Schwingungsreduktion


Inhalt Nr.14, II-2013<br />

4-6 7 Interview<br />

Geballtes Know-how<br />

Starker Aufwärtstrend bei Rail-Anwendungen<br />

am VIRTUAL VEHICLE: Neben der Analyse des<br />

Rad-Schiene-Kontakts als Schnittstelle zwischen<br />

Fahrzeug und Fahrweg sind Verschleißminimierung,<br />

Lärmreduktion und Energieeffizienz<br />

die Herausforderungen der Zukunft.<br />

14 Gastbeitrag<br />

Innovative Schienentechnologien<br />

Die voestalpine Schienen GmbH ist federführend<br />

bei der Entwicklung von neuen Technologien<br />

für den Schienensektor. Dabei spielt das<br />

Verständnis für die grundlegenden Mechanismen<br />

im Rad-Schiene Kontakt eine zentrale<br />

Rolle.<br />

20 Interview<br />

Im Interview: Dr. Jochen Eickholt<br />

Die Entwicklung der Bahn der Zukunft wird in<br />

den nächsten Jahren primär kostengetrieben<br />

und weniger technologiegetrieben sein. Der<br />

Leiter der Division Rail Systems der Siemens<br />

AG berichtet über aktuelle Trends in der Schienenfahrzeugindustrie.<br />

2 magazine Nr. 14, II-2013<br />

Eisenbahnen auf der Überholspur<br />

Prof. Klaus Rießberger hat dem europäischen<br />

Eisenbahnwesen nachhaltig seinen Stempel<br />

aufgedrückt. Mit dem VVM sprach der emeritierte<br />

Universitätsprofessor über die künftigen<br />

technischen und organisatorischen Herausforderungen<br />

der Eisenbahnen in Europa.<br />

16<br />

Geräuschreduktion<br />

VIRTUAL VEHICLE beschäftigt sich seit Jahren<br />

mit dem Thema Geräuschentwicklung im Schienenverkehr.<br />

Ziel ist es, das Geräusch am Ort<br />

der Entstehung zu bekämpfen und damit andere<br />

Maßnahmen wie Lärmschutzwände überflüssig<br />

zu machen.<br />

23-29<br />

Sandung, Fahrkomfort und E/E<br />

Beiträge zu optimierten Sandungsanlagen, der<br />

verbesserten Prognosesicherheit bei der Komfortauslegung<br />

von Schienenfahrzeugen oder<br />

durchgängige Toolketten für E/E-Systeme im<br />

Eisenbahnbereich zeigen das weite Spektrum<br />

der Rail-Forschung am VIRTUAL VEHICLE.<br />

8-13<br />

Fahrzeug, Fahrweg & RCF<br />

Effiziente Methoden zur Bewertung des Zusammenspiels<br />

von Fahrzeug und Fahrweg, der<br />

Rad-Schiene-Kontakt und das Verschleiß- und<br />

Schädigungsverhalten stehen im Mittelpunkt<br />

dieses Themenblocks.<br />

18<br />

Virtuelle Fahrwerksentwicklung<br />

Numerische single- oder multidisziplinäre Optimierungsverfahren<br />

gewinnen in der Entwicklung<br />

hochkomplexer Produkte wie Schienenfahrzeuge<br />

an Bedeutung. Die Integration dieser<br />

Methoden in die Produktentwicklungsprozesse<br />

wird dabei besonders berücksichtigt.<br />

30 Gastbeitrag<br />

Institut für Eisenbahnwesen<br />

Impulse für ein betrieblich, technisch und wirtschaftlich<br />

erfolgreiches System Bahn: Das Institut<br />

für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft<br />

steht für eine umfassende Sicht auf das System<br />

Bahn und berücksichtigt neben wirtschaftlichen<br />

auch betriebliche und technische Aspekte.


Schiene mit System<br />

Der Bereich Rail ist seit der Gründung des VIRTUAL VEHICLE ein<br />

wesentlicher Grundpfeiler der Forschungsaktivitäten. Aus einer Vielzahl<br />

von übergreifenden Projekten bildete sich mit der ganzheitlichen<br />

Betrachtung des Systems Bahn eines der erfolgreichsten und zugleich<br />

integrativsten Forschungsfelder.<br />

Dr. Jost Bernasch, Geschäftsführer<br />

Dr. Michael Schmeja, Leitung Area Informations- und Prozessmanagement, Koordinator Rail<br />

Leichter, leiser, wirtschaftlicher<br />

Energieeffizienz sowie Herstellungs- und Instandhaltungskosten<br />

– das sind die elementaren<br />

Innovationstreiber im Bereich Rail. Die<br />

technische Raffinesse und Performance des<br />

Systems Bahn muss sich vor dem Hintergrund<br />

stark steigender Beanspruchung von Fahrzeug<br />

und Fahrweg bewähren: Die Überlastung bestimmter<br />

Gleisabschnitte steigt, die Zugfolgezeiten<br />

werden laufend kürzer und die Triebfahrzeuge<br />

verfügen über eine immer effizientere<br />

Kraftübertragung.<br />

Belastungen vorherzusagen und Programme<br />

zu entwickeln, mit deren Hilfe überprüft werden<br />

kann, wie Schäden entstehen, wie sie wachsen<br />

und welches Material verwendet werden muss,<br />

um Schäden hinauszuzögern, ist nur eine der<br />

aktuellen Forschungsaufgaben des VIRTUAL<br />

VEHICLE. Ziel ist es, für den künftigen Bahnausbau<br />

etwa Rad und Schiene besser aufeinander<br />

abzustimmen, Schädigung und Verschleiß<br />

zu minimieren und so den Wartungsaufwand<br />

und auch das Unfallrisiko zu senken.<br />

Das COMET K2 Forschungsprogramm am<br />

VIRTUAL VEHICLE führt die wichtigsten europäischen<br />

Partner der Eisenbahnindustrie zusammen.<br />

Netzbetreiber wie ÖBB, DB und SBB<br />

finden sich ebenso in den Forschungsprojekten<br />

wie Siemens oder voestalpine und andere<br />

Schienenfahrzeughersteller und Zulieferer.<br />

Impressum:<br />

Medieninhaber, Herausgeber, Verleger:<br />

Kompetenzzentrum Das Virtuelle Fahrzeug<br />

Forschungsgesellschaft mbH (ViF)<br />

A-8010 Graz, Inffeldgasse 21A<br />

Tel.: +43 (0)316-873-9001 Fax: ext 9002<br />

E-Mail: office@v2c2.at Web: www.v2c2.at<br />

Redaktion und Gestaltung:<br />

Wolfgang Wachmann, Lisa Pichler<br />

Fotos: ViF, Industriepartner, TU Graz<br />

FB: LG f. ZRS Graz, FN: 224755 Y<br />

UID: ATU54713500<br />

Das Gesamtsystem Rail<br />

Wie bei der Entwicklung im Automobilbereich<br />

kommt auch bei Rail-Anwendungen der Gesamtsystembetrachtung<br />

eine wichtige Rolle<br />

zu, um sie in Bezug auf Sicherheit sowie Wartungs-<br />

und Betriebskosten optimal auslegen<br />

zu können. Die unterschiedlichen Aspekte mit<br />

den aktuellen Forschungsthemen zu Fahrzeug,<br />

Fahrweg und der Fahrzeug-Fahrweg-Interaktion<br />

stellen wir Ihnen auf den folgenden Seiten<br />

vor.<br />

Neben einem Überblick über die komplexe<br />

Interaktion des Systems Bahn taucht diese<br />

Ausgabe des VVM auch in die Tiefe der Teilmaterie.<br />

Physikalische Effekte im Rad-Schiene<br />

Kraftschluss, innovative Modellierungs-, Simulations-<br />

und Messverfahren oder die Schritte zu<br />

einer virtuellen Homologation werden ab Seite<br />

4 beleuchtet. Jenseits theoretischer Betrachtung<br />

bietet die Forschungsarbeit aber auch<br />

handfeste Anwendungsorientierung: Versuche<br />

und aktuelle Erfahrungsberichte aus dem realen<br />

Bahnbetrieb liefern wir dazu ab Seite 12.<br />

Gemeinsam ans Ziel<br />

Wie stark bereichsübergreifend das Thema Rail<br />

am VIRTUAL VEHICLE erforscht wird, zeigen<br />

Beiträge der Areas „Information & Process Management“<br />

(Seite 18), Forschungen zur funktionalen<br />

Sicherheit in der Area „E/E & Software“<br />

(Seite 28), Schallabsorbierung und Schwingungsreduktion<br />

in der Area „NVH & Friction“<br />

(Seite 16) bis hin zur Optimierung von Sandungsanlagen<br />

in der Area „Thermodynamics“<br />

(Seite 23).<br />

Besonderer Dank gilt an dieser Stelle den Gastautoren<br />

unserer Partner aus Industrie und Forschung,<br />

die das Gesamtbild der „Schiene mit<br />

System“ vervollständigen:<br />

Prof. Klaus Rießberger, Emeritus der TU Graz<br />

und wesentlicher Initiator des Themas Rail am<br />

VIRTUAL VEHICLE, zeigt als einer der profundesten<br />

Kenner des europäischen Eisenbahnwesens<br />

die künftigen technischen und organisatorischen<br />

Herausforderungen der Eisenbahnen<br />

in Europa auf (Seite 7) und Dr. Jochen<br />

Eickholt / Siemens AG wirft für das VVM einen<br />

umfassenden Blick auf die Trends in der Schienenfahrzeugindustrie<br />

(Seite 20).<br />

Wir hoffen, Sie teilen unsere Faszination über<br />

die Weite dieses Forschungsfeldes und wünschen<br />

Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre<br />

dieses Magazins!<br />

Das Kompetenzzentrum VIRTUAL VEHICLE wird im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies<br />

durch das Österreichische Bundesministerium für Verkehr und Technologie (BMVIT), das Österreichische Bundesministerium<br />

für Wirtschaft, Familie und Jugend, (BMWFJ), die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG), das Land<br />

Steiermark sowie die Steirische Wirtschaftsförderung (SFG) gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

3


Geballtes Know-how für Schiene<br />

und Fahrzeug<br />

Starker Aufwärtstrend bei Rail-Anwendungen am VIRTUAL VEHICLE: Neben der Analyse und Beschreibung<br />

des Rad-Schiene-Kontakts als Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Fahrweg sind Verschleißminimierung,<br />

Lärmreduktion und Energieeffizienz die Herausforderungen der Zukunft. Neue Online-Messmethoden lassen<br />

den Instandhaltungsbedarf an Schiene und Fahrzeug rechtzeitig im Betrieb erkennen.<br />

Im Zentrum der Rail-Aktivitäten am VIRTUAL<br />

VEHICLE steht die ganzheitliche Betrachtung<br />

des Systems Bahn. Diese umfasst das Fahrzeug<br />

selbst, den Fahrweg und die Fahrzeug-<br />

Fahrweg-Interaktion. Allein dieser Umstand<br />

zeigt, dass Know-how aus allen relevanten<br />

Fachdisziplinen vonnöten ist, um die Berechnung<br />

und Simulation über alle technischen und<br />

prozessorientierten Bereiche hinweg adäquat<br />

abzudecken (siehe Abbildung 1). Die realitätsnahe,<br />

computerunterstützte Modellierung des<br />

Systems Bahn spielt bereits in einer frühen<br />

Phase der Produktentstehung eine entscheidende<br />

Rolle.<br />

Noch stärker als im Automotive-Bereich sind<br />

auch bei den Schienenfahrzeugen Energieeffizienz<br />

und Kosten die wahren Innovationstreiber.<br />

Die technischen Superlative in punkto Höchstgeschwindigkeit<br />

treten – wie etwa am Beispiel<br />

des ICE X – in den Hintergrund. Die Fahrzeuge<br />

müssen leichter, leiser und billiger werden, wo-<br />

Abbildung 1: System Eisenbahn – relevante Aspekte<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

4 magazine Nr. 14, II-2013<br />

bei gleichzeitig die Sicherheit und Performance<br />

zumindest beibehalten werden muss.<br />

Fahrzeug-Fahrweg-Interaktion<br />

Verständlich, dass daher ein großer Schwerpunkt<br />

der Forschungsarbeiten am VIRTUAL<br />

VEHICLE auf den Schnittpunkt zwischen<br />

Fahrzeug und Schiene gelegt wird. Die bisherigen<br />

Modelle der klassischen Kontaktmechanik<br />

stoßen an ihre Grenzen. Sie beschäftigen<br />

sich nicht ausreichend mit den tribologischen<br />

Effekten und genau da wurden am VIRTUAL<br />

VEHICLE in den letzten Jahren Schwerpunkte<br />

gesetzt. Einflüsse wie z.B. von Zwischenschichten,<br />

von Temperaturen oder Rauigkeiten<br />

im Rad-Schiene-Kontakt werden geeignet abgebildet<br />

(siehe z.B. Abbildung 2).<br />

Diese Aspekte gilt es, auf einer physikalischen<br />

Basis zu klären – wohl wissend, dass sich der<br />

Spagat zwischen kurzen Rechenzeiten und vernünftigen<br />

Modellen wie ein roter Faden durch<br />

das Thema Rollkontakt zieht.<br />

Ziel ist es, die Effekte nicht nur abzubilden sondern<br />

auch zu verstehen. Erst dann können in<br />

einem zweiten Schritt Maßnahmen abgeleitet<br />

werden, um das System insgesamt zu verbessern.<br />

Kostenfaktor Gleisgeometrie<br />

Ein Gleis ist im Grund nie ideal verlegt, es<br />

entstehen im Laufe der Zeit durch betriebliche<br />

und umweltrelevante Einflüsse geometrische<br />

Abweichungen von der Ausgangslage. Es zeigt<br />

sich, dass man alleine auf Basis der Schienengeometrie<br />

keine allgemeingültigen Aussagen<br />

über die Gleislagequalität treffen kann. Verschiedene<br />

Fahrzeuge reagieren auf dieselbe<br />

vorhandende Schienengeometrie unterschied-


lich. Die Rail-Experten am VIRTUAL VEHICLE<br />

versuchen, neue Lösungen zu entwickeln, die<br />

die Interaktion des Fahrwegs mit dem Fahrzeug<br />

berücksichtigen (siehe Abbildung 3). Schließlich<br />

muss methodisch bewertbar sein, ob ein<br />

Schienenfahrzeug mit der Gleisgeometrie auf<br />

der Strecke ein Problem hat und ob etwas getan<br />

werden muss, damit ein sicherer Verkehr<br />

gewährleistet ist. Dadurch ist es möglich, dass<br />

die vorhandenen Geldmittel beim Tausch von<br />

Schienensträngen noch effizienter eingesetzt<br />

werden können. Das Thema betrifft auch den<br />

Bereich der Fahrzeugzulassung. Denn auch<br />

in den diesbezüglichen Normen finden sich<br />

rein geometrische Kenngrößen, wie das Gleis<br />

aussehen muss. Gerade im Hinblick auf internationale<br />

Zulassungen gilt es ebenfalls, die<br />

unterschiedlichen Gleislagen hinsichtlich der<br />

Fahrzeug-Fahrweg-Interaktion zu bewerten.<br />

Virtuelle Zulassungen<br />

Der Trend geht eindeutig in Richtung virtuelle<br />

Zulassungen über Simulationen und weg von<br />

den Messfahrten. Die Kernfragen dabei: Ist der<br />

Entwicklungsprozess sicher und haben auch<br />

die Tools die entsprechende Qualität für die Zulassung?<br />

Es ist also nicht nur wichtig, dass der<br />

Ingenieur das Fahrzeug richtig modelliert, sondern<br />

dass man davon ausgehen kann, dass das<br />

Simulationsprogramm keine Fehler erzeugt.<br />

Verschleiß und Schädigung<br />

Auch beim Thema Verschleiß und Schädigung<br />

– Rissinitiierung und Risswachstum – liegt<br />

ein Hauptaugenmerk darauf, zu verstehen,<br />

welche Parameter im System Eisenbahn die<br />

wesentlichen Treiber dieser Phänomene sind.<br />

Aufgrund der komplexen Zusammenhänge der<br />

Fahrzeug-Fahrweg-Interaktion ist es nur möglich,<br />

die Phänomene und Ursachen zu erklären,<br />

indem die physikalischen Effekte ausreichend<br />

genau abgebildet werden. Die daraus entstehenden<br />

Modelle erlauben es in weiterer Folge,<br />

Optimierungen am System Bahn vorzunehmen.<br />

Intensiv setzt man sich in diesem Zusammenhang<br />

mit der Materialmodellierung auseinander<br />

– speziell was die Abbildung der hohen plastischen<br />

Verformung an der Oberfläche betrifft.<br />

Denn sie hat eine enorme Bedeutung, um das<br />

Thema Verschleiß und Schädigung zu erklären<br />

(siehe Abbildung 4). Das betrifft sowohl das<br />

Schienenfahrzeug selbst, als auch den Fahrweg,<br />

denn es gibt ähnliche Phänomene auf<br />

beiden Seiten.<br />

Funktionale Sicherheit im Fokus<br />

Im Eisenbahnbereich ist die „Funktionale<br />

Sicherheit“ allgegenwärtig. Darunter ist die<br />

Fähigkeit eines sicherheitsbezogenen elektrischen<br />

und elektronischen Systems zu verstehen,<br />

um beim Auftreten von systematischen<br />

und zufälligen Fehlern einen sicheren Zustand<br />

zu gewährleisten. Am VIRTUAL VEHICLE widmet<br />

man sich schon heute diesen Fragen mit<br />

einem Projekt, das neue Methoden, Prozesse<br />

und Tools für Systemmodellierung, Softwarearchitektur,<br />

Sicherheitsanalysen sowie Verifikations-<br />

und Validierungsmaßnahmen umfasst.<br />

Lärm: Beim Verursacher ansetzen<br />

Schienenfahrzeuge verursachen zwangsläufig<br />

Lärm, gegen den es nur zwei Gegenmaßnahmen<br />

gibt: Entweder die Schienenwege in<br />

verbautem Gebiet mit Lärmschutzwänden zu<br />

versehen oder direkt beim Verursacher anzusetzen.<br />

Zu letzterem Aspekt hat das VIRTUAL<br />

VEHICLE das Projekt Rad-Schiene-Schallabsorber<br />

durchgeführt.<br />

Hier werden sowohl auf dem Prüfstand als<br />

auch in der Simulation gemeinsam mit Siemens<br />

und der voestalpine Schiene Maßnahmen zur<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

Abbildung 2: Rauigkeiten<br />

im Rad-Schiene Kontakt<br />

– Einfluss auf „reale“<br />

metallische Kontaktfläche<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Schwingungsreduktion an Rad und Schiene<br />

untersucht.<br />

Selbstverständlich sind beim Lärm auch die<br />

aeroakustischen Aspekte zu erwähnen. Voraussetzung<br />

ist eine CFD-Analyse, die Aussagen<br />

über die Aerodynamik trifft. In einem<br />

nachgeschalteten Rechengang werden jene<br />

Verwirbelungen unter die Lupe genommen,<br />

die aeroakustische Auswirkungen haben. Ziel<br />

ist es, eine disziplinübergreifende Optimierung<br />

herbeizuführen.<br />

Partnerschaftliche Kooperation mit<br />

Industrie und Wissenschaft<br />

Leitlinie für alle Aktivitäten im Rail-Bereich des<br />

VIRTUAL VEHICLE ist das Bestreben, Partner<br />

wie Siemens, die ÖBB, die Schweizer Bahn,<br />

die Deutsche Bahn oder Schienenhersteller<br />

wie die voestalpine Schienen zu unterstützen.<br />

Die erzielten Ergebnisse aus der anwendungsorientierten<br />

Forschung werden geeignet dokumentiert,<br />

damit die Partner (Schienenfahrzeughersteller,<br />

Infrastrukturbetreiber, Zulieferer und<br />

Komponentenlieferanten) diese noch schneller<br />

in ihre Prozesse integrieren können. Damit<br />

kennt das VIRTUAL VEHICLE auch genau den<br />

Bedarf der Industrie - nicht zuletzt auch durch<br />

die Präsenz in vielen Gremien, wie etwa in der<br />

Österreichischen Verkehrswissenschaftlichen<br />

Gesellschaft (ÖVG), wo das VIRTUAL VEHICLE<br />

im Arbeitskreis Schienenfahrzeuge Mitglied ist<br />

und eine Arbeitsgruppe leitet. Das ist gelebte<br />

Synergie zwischen Industrie und Wissenschaft.<br />

Einer der wichtigsten wissenschaftlichen Partner<br />

ist die TU Graz. Mit den Instituten für Mechanik,<br />

Baumechanik, Leichtbau, Eisenbahnwesen<br />

und Verkehrswirtschaft gibt es eine rege<br />

Zusammenarbeit in Projekten, Dissertationen<br />

und Diplomarbeiten. Dass Graz ein idealer Boden<br />

ist, um Eisenbahnforschung zu betreiben,<br />

5


Abbildung 3: Entwicklung neuer<br />

Interaktions-Bewertungsmethoden unter<br />

Anwendung von MKS Simulationen<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

zeigt sich auch in der guten Zusammenarbeit<br />

des VIRTUAL VEHICLE mit Siemens, das sein<br />

Weltkompetenzzentrum für Fahrwerke ebenfalls<br />

in der steirischen Landeshauptstadt angesiedelt<br />

hat.<br />

Fachbereich mit großem<br />

Zukunftspotenzial<br />

Die Wichtigkeit des Themas Rail zeigt sich am<br />

VIRTUAL VEHICLE auch im Personalstand -<br />

gut 15 Prozent der beschäftigten Mitarbeiter<br />

befasst sich intensiv mit diesem Thema. In<br />

der ersten Förderperiode wurden elf K2-Rail-<br />

Projekte - quer über alle Forschungsareas - mit<br />

Abbildung 4: Metallographische Untersuchungen an einem Schienenquerschnitt<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

6 magazine Nr. 14, II-2013<br />

einem Volumen von 11 Millionen Euro definiert<br />

– Tendenz steigend. Darüber hinaus wurden<br />

Dienstleistungen im Umfang von mehreren<br />

hunderttausend Euro erfolgreich abgearbeitet.<br />

Zukunftsthema Diagnose-Monitoring<br />

Die Zukunft hat am VIRTUAL VEHICLE bereits<br />

begonnen: Schadensfrüherkennung ist die Herausforderung<br />

der kommenden Jahre. Hier geht<br />

es um die Entwicklung von neuen Methoden<br />

und Ansätzen wie man durch Onboard-Messungen<br />

den Instandhaltungsbedarf online auf<br />

Fahrzeug- und Fahrwegseite sichtbar machen<br />

kann. Damit kann bewertet werden, wie sich<br />

das Fahrzeug insgesamt und einzelne Komponenten<br />

(z.B. Dämpfer) aktuell verhalten oder<br />

wie Kräfte im Rad-Schiene-Kontakt wirken.<br />

Resümee<br />

Die Bahn der Zukunft wird leiser, wirtschaftlicher<br />

und zuverlässiger sein. Durch langjährigen,<br />

stabilen Kompetenzaufbau verfügt das<br />

VIRTUAL VEHICLE über ein umfassendes<br />

System-Know-how und die entsprechenden<br />

Entwicklungstools, um die Zukunft der Bahn<br />

erfolgreich mitzugestalten. ■<br />

Zu den Autoren<br />

Dr. Michael Schmeja leitet<br />

die Area Informations-<br />

und Prozessmanagement<br />

und koordiniert die<br />

Querschnittsfunktion Rail<br />

am VIRTUAL VEHICLE.<br />

Dr. Martin Rosenberger<br />

ist stellvertretender Bereichsleiter<br />

des Bereichs<br />

„Mechanics & Materials“<br />

am VIRTUAL VEHICLE.<br />

Dr. Klaus Six ist Key<br />

Researcher im Bereich<br />

<strong>Vehicle</strong> Dynamics – Rail<br />

Applications am VIRTUAL<br />

VEHICLE.


VVM: Sie waren 25 Jahre lang Universitätsprofessor<br />

für Eisenbahnwesen. Was hat sich in dieser<br />

Zeit im System Bahn verändert?<br />

Rießberger: 1984 war die Eisenbahn in der<br />

öffentlichen Wahrnehmung ein abgewirtschaftetes,<br />

vielleicht historisch interessantes, aber<br />

weitgehend unmodernes Transportmittel. Sie<br />

wurde europaweit lieblos verwaltet und es<br />

hat nur sehr wenige Leute gegeben, die sich<br />

um ihre Zukunft bemüht haben. Die „moderne<br />

Technologie“ hieß Automobil, gefördert von<br />

den im großen Stil errichteten Autobahnen und<br />

Straßen. Mittlerweile haben sich die Umfeldbedingungen<br />

verändert – das Auto stößt zunehmend<br />

an seine Grenzen, wie wir täglich an den<br />

Staus in den Ballungszentren sehen können.<br />

Die Transportzeiten per Automobil wurden unzuverlässig<br />

während die Bahn aufgrund ihrer<br />

peniblen Planung gleichzeitig das zuverlässigere<br />

Fortbewegungsmittel geworden ist. Die<br />

ÖBB hat sich zur pünktlichsten Bahn der EU<br />

entwickelt.<br />

Spätestens 1989 wurde man sich auch in Österreich<br />

der Potentiale des Bahnsystems bewusst.<br />

Der letzte Satz meiner Antrittsvorlesung 1984<br />

war: „Wir haben hier einen Rosenstock, den wir<br />

mit einiger Pflege zu einem blühenden Strauch<br />

entwickeln können“. Und heute stelle ich fest,<br />

dass dies auch über weite Strecken gelungen<br />

ist. Man hat der Bahn den Weg frei geräumt für<br />

ein eigenes Agieren in ihrem Umfeld. Manche<br />

Bahnen in Europa haben diesen Prozess noch<br />

nicht abgeschlossen, wenn ich z.B. an Italien,<br />

Frankreich oder einige Bahnen im Osten der<br />

EU denke. Aber die öffentliche Wahrnehmung<br />

hat sich zum Positiven gewandelt. Der Ausbau<br />

der Hauptstrecken hat in Österreich Vorrang.<br />

Seit 9. Dezember 2012 fährt die ÖBB von Wien<br />

nach Salzburg in 2 Stunden 22 Minuten. Auch in<br />

Richtung Süden sind mit dem Koralm- und dem<br />

Semmeringtunnel endlich die richtigen Zeichen<br />

gesetzt.<br />

VVM: Von einem „Vereinten Europa der Eisenbahnen“<br />

sind wir dennoch weit entfernt – wie<br />

die national verankerten Zulassungsbedingungen<br />

für Schienenfahrzeuge zeigen.<br />

Rießberger: Das sollte natürlich ein harmonisierter<br />

Prozess sein. Leider haben sich in Eu-<br />

ropa die „Bahnen der Ingenieure“ in „Bahnen<br />

der Juristen“ verwandelt, die eine Flut von Vorschriften,<br />

Normen und Festlegungen zu erfüllen<br />

haben. Dazu treten die Kaufleute mit penibler<br />

Kostenverfolgung. Gemessen wird nicht mehr<br />

der technische Erfolg an sich, sondern die Life-<br />

Cycle-Costs und andere unternehmerische<br />

Kennzahlen.<br />

VVM: Wie sieht Ihrer Meinung nach der Eisenbahn-Ingenieur<br />

der Zukunft aus?<br />

Rießberger: Im Eisenbahnwesen war es immer<br />

notwendig, bei technischen Entscheidungen die<br />

wirtschaftliche Auswirkung gleichberechtigt zu<br />

bedenken. Dafür muss der künftige Eisenbahn-<br />

Ingenieur entsprechend ausgebildet werden.<br />

Das traditionelle Schachterl-Denken muss<br />

überwunden werden. Maschinenbauer gegen<br />

Bauleute, Bauleute gegen Elektriker usw. Es<br />

wird nicht funktionieren, wenn jeder nur seinen<br />

Schrebergarten verwaltet. Ein Curriculum, das<br />

mehr auf eine Tätigkeit bei der Bahn – oder der<br />

affinen Industrie – abzielt, wäre wichtig - etwa<br />

eine allgemeine Bauingenieur-Ausbildung mit<br />

maschinentechnischen Elementen. Das System<br />

Eisenbahn erfordert auch ein Denken im System.<br />

Die Frage, ob es in der Bahn in Zukunft noch<br />

Ingenieure geben wird, ist berechtigt. Laut FAZ<br />

will die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren<br />

8000 Ingenieure einstellen. Das Interesse an<br />

diesen Tätigkeiten ist derzeit noch überschaubar.<br />

Was fehlendes Ingenieurs-Know-how bewirken<br />

kann, ist an den Bahnen Englands und<br />

der Niederlande zu besichtigen. In Österreich<br />

scheidet derzeit eine ganze Reihe verdienter<br />

Ingenieure aus. Leider wurde hinter diesen<br />

Führungskräften keine zweite Reihe aufgebaut.<br />

VVM: Sie sagen, die Schiene holt gegen die<br />

Straße auf. Wie wird es in 20 Jahren aussehen?<br />

Gibt es eine nennenswerte Verlagerung<br />

und wird sich diese vergrößern?<br />

Rießberger: Die Umgebungsbedingungen bleiben<br />

ja nicht gleich. 2030 wird es auf jeden Fall<br />

enger, weil die Bevölkerung in Europa und in<br />

der Welt weiterhin wächst. Wir werden dann<br />

nicht mehr die Straßen haben, um alle Autos<br />

gleichzeitig bewegen zu können. Es wird billiger<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

Interview<br />

Die Eisenbahnen sind auf der Überholspur<br />

Prof. Klaus Rießberger hat dem europäischen Eisenbahnwesen nachhaltig seinen Stempel aufgedrückt. Mit<br />

dem VIRTUAL VEHICLE MAGAZIN sprach der emeritierte Universitätsprofessor über die künftigen technischen<br />

und organisatorischen Herausforderungen der Eisenbahnen in Europa.<br />

und bequemer sein, das Auto stehen zu lassen<br />

und auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen.<br />

In Wien ist es ja bereits soweit.<br />

VVM: Was sehen sie als Herausforderung aus<br />

technischer Sicht für die europäischen Eisenbahnen?<br />

Rießberger: Lärm und Erschütterungen stehen<br />

an der Spitze der zu lösenden Fragen. Bei etwa<br />

400 Zugfahrten pro Tag - wie auf einigen österreichischen<br />

Strecken - verstehe ich den Unmut<br />

der Bürger. Für die Bahn selbst ist die größte<br />

Herausforderung eine verlässliche Betriebsabwicklung.<br />

Hier hat die ÖBB schon viel getan.<br />

VVM: Wie kann eine Institution wie das VIR-<br />

TUAL VEHICLE ihren Beitrag für das klaglose<br />

Funktionieren des Systems Bahn und die Reduktion<br />

der Lärmemissionen leisten?<br />

Rießberger: Durch Ideen zur laufenden Verbesserung<br />

der Bahn in allen Teilen, wobei das<br />

Denken die Kosten und die Einführung („Migration“)<br />

einschließen muss. Zur Sicherstellung<br />

der zuverlässigen Funktion des Systems „Bahn“<br />

sollte der Bereich „Rail Systems“ im VIRTUAL<br />

VEHICLE“ weiter ausgebaut werden.<br />

Weil die ÖBB den Weiterentwicklungen immer<br />

positiv gegenübergestanden sind, hat sich<br />

in Österreich eine nennenswerte Anzahl von<br />

Firmen entwickelt, die auf ihrem Gebiet Weltmarktführer<br />

sind. Diese offene Tür muss auch<br />

künftig von Forschungsunternehmen wie dem<br />

VIRTUAL VEHICLE genutzt werden. ■<br />

Forschungs-Partner<br />

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.<br />

Klaus Rießberger<br />

leitete von 1984 bis 2009<br />

das Institut für Eisenbahnwesen<br />

und Verkehrswirtschaft<br />

der TU Graz und ist<br />

unter anderem Präsident<br />

der Europäischen Eisenbahningenieurverbände<br />

(UEEIV).<br />

7


Fahrzeug und Fahrweg -<br />

eine gemeinsame Interaktion<br />

Ein transeuropäisches Eisenbahnsystem erfordert einen sicheren und durchgehenden Zugverkehr. Am VIRTUAL<br />

VEHICLE werden hierfür neue effiziente Methoden zur Bewertung des Zusammenspiels von Fahrzeug und<br />

Fahrweg entwickelt, welche eine gemeinsame Anwendung bei Fahrzeughersteller und Infrastrukturbetreiber<br />

ermöglichen.<br />

Das Zusammenwirken von Fahrzeug und<br />

Fahrweg spielt in vielen Bereichen des Eisenbahnbetriebs<br />

eine wichtige Rolle. Für Fahrzeughersteller<br />

sind in Bezug auf die Auslegung<br />

von Schienenfahrzeugen die Bereiche Fahrsicherheit,<br />

Fahrkomfort und Akustik von großer<br />

Bedeutung. Für die Infrastrukturbetreiber ist<br />

ein gutes Zusammenwirken wesentlich für eine<br />

möglichst kosteneffiziente Instandhaltung.<br />

Zur Berücksichtigung dieser gemeinsamen Interaktion<br />

von Fahrzeug und Fahrweg müssen<br />

sowohl den Fahrzeugherstellern als auch den<br />

Infrastrukturbetreibern sinnvolle und effiziente<br />

Methoden zur Bewertung des Zusammenspiels<br />

zur Verfügung gestellt werden. Die derzeit gültigen<br />

Europäischen Normen EN 14363 und EN<br />

13848 bieten hierfür jedoch beiden Partnern<br />

keine zufriedenstellenden Lösungen.<br />

Problematik der normativen<br />

Bewertungsmethoden<br />

Die Untersuchungen des Fahrzeug-Fahrweg-<br />

Systems zeigen, dass neben den Betriebsbe-<br />

Abbildung 1: Darstellung von Gleislageabweichungen im Wellenlängenbereich als Basis<br />

für eine Interaktionsanalyse<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

8 magazine Nr. 14, II-2013<br />

dingungen das dynamische System im Wesentlichen<br />

von den Gleislageabweichungen<br />

angeregt wird. Das Fahrzeug wird bei der Überfahrt<br />

in Schwingung versetzt, wodurch sich<br />

wiederum Beschleunigungen im Fahrzeug und<br />

auch rückwirkende Fahrzeugreaktionskräfte<br />

auf den Fahrweg ergeben.<br />

Die in den Europäischen Normen definierten<br />

Methoden zur Bewertung von Gleislageabweichungen<br />

berücksichtigen diese Interaktion jedoch<br />

nicht. Als Beurteilungsgrößen werden in<br />

den beiden genannten Normen nur die Kenngrößen<br />

‚Maximalwert‘ und ‚Standardabweichung‘<br />

der geometrischen Gleislageabweichungen<br />

herangezogen. Verschiedene Fahrzeugtypen<br />

in Kombination mit unterschiedlichen Betriebsbedingungen<br />

wie Fahrzeuggeschwindigkeit,<br />

Rad/Schiene-Profilpaarungen und Kontaktbedingungen<br />

reagieren dagegen unterschiedlich<br />

auf die gleichen geometrischen Gleislageabweichungen.<br />

Diese Variationen bleiben in den<br />

aktuellen normativen Gleislage-Bewertungsmethoden<br />

durch die reine Beurteilung von geometrischen<br />

Kenngrößen völlig unberücksichtigt.<br />

TGA-Methode berücksichtigt<br />

Interaktion<br />

Am VIRTUAL VEHICLE wurde im Rahmen<br />

eines Forschungsprojekts in Kooperation mit<br />

Siemens AG Österreich und der voestalpine<br />

Schienen GmbH die sogenannte Track Geometry<br />

Assessment (TGA) Methode entwickelt.<br />

Diese Methode berücksichtigt im Vergleich zu<br />

den normativen Bewertungsmethoden die Interaktion<br />

von Fahrzeug und Fahrweg durch eine<br />

Abschätzung der zu erwartenden Fahrzeugreaktionen.<br />

Hierfür werden nicht nur wie in der<br />

Europäischen Norm die Störungsamplituden<br />

der Gleislageabweichungen, sondern auch<br />

die in Abbildung 1 dargestellten Wellenlängenanteile<br />

der Abweichungen und folglich deren<br />

Auswirkungen auf das Fahrzeugverhalten bewertet.<br />

Theoretische Überlegungen und auch<br />

praktische Erfahrungen der Projektpartner zeigen,<br />

dass die Überfahrt eines Fahrzeugs über<br />

zwei, in Abb. 1 dargestellten geometrischen<br />

Gleislagefehler (Einzelfehler und Fehler mit<br />

charakteristischer Störung) trotz gleicher Störungsamplituden<br />

ein stark unterschiedliches<br />

dynamisches Fahrzeugverhalten verursachen<br />

kann.<br />

Zur Berücksichtigung dieses Effekts werden bei<br />

der TGA-Methode die Gleislageabweichungen<br />

in den Wellenlängenbereich transformiert und<br />

mit sogenannten repräsentativen empirischen<br />

Übertragungsfunktionen gewichtet. Durch die<br />

Verwendung solcher Übertragungsfunktionen<br />

kann das Verhalten von verschiedenen Fahrzeugen<br />

bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen<br />

optimal berücksichtigt werden. Nach<br />

der Gewichtung erfolgt wiederum eine Rücktransformation<br />

in den Wegbereich. Die damit im<br />

Wegbereich vorliegenden geschätzten dynamischen<br />

Verläufe der Fahrzeugreaktionen ermöglichen<br />

eine ausgezeichnete Bewertung des<br />

Zusammenspiels von Fahrzeug und Fahrweg.<br />

Ergebnisse der TGA-Methode<br />

Zur Analyse der Ergebnisse der TGA-Methode


wurden Mehrkörpersystem (MKS) Simulationen<br />

durchgeführt. Hierfür wurde ein Fahrzeugmodell<br />

mit sehr hoher Modelltiefe gewählt und mit<br />

realen Gleislagestörungen angeregt. Als Referenzgröße<br />

für die Interaktion wird in diesem<br />

Beispiel die laterale Fahrzeugreaktionskraft herangezogen.<br />

In Abbildung 2 ist der Zusammenhang<br />

von Abschnittsmaximalwerten zwischen<br />

MKS-Referenzsimulation und TGA-Schätzung<br />

(violett) und MKS-Referenzsimulation und Regressionsmodell<br />

mit normativen Bewertungsgrößen<br />

(orange) dargestellt. Die Qualität der<br />

Maximalwertschätzung wird in der Punktwolkendarstellung<br />

durch die Streuung der Punkte<br />

um die Proportionalitätsgerade (grüne Linie)<br />

ausgedrückt. In der Abbildung ist ersichtlich,<br />

dass die TGA-Methode auf Grund des berücksichtigten<br />

Fahrzeugverhaltens bei der Interaktionsbewertung<br />

eine deutlich geringere Streuung<br />

und somit bessere Ergebnisse gegenüber den<br />

Methoden der Europäischen Normen liefert.<br />

Daraus können schlussendlich sehr effiziente<br />

Maßnahmen für die Fahrzeugauslegung bzw.<br />

Fahrweginstandhaltung abgeleitet werden.<br />

Interaktionsrelevante<br />

Systemparameter<br />

In einem aktuellen Forschungsprojekt wird<br />

ein Verfahren für die Bewertung der Interaktion<br />

von Fahrzeug und Fahrweg entwickelt,<br />

welches neben den Betriebsbedingungen auch<br />

noch die nichtlinearen Effekte des Fahrzeug-<br />

Fahrweg-Systems (z.B. Bauteilkennlinien oder<br />

Rad-Schiene Kontakt) in ausreichendem Maße<br />

mit einbezieht. Hierfür ist es notwendig, die<br />

Interaktionsrelevanz von unterschiedlichen<br />

Betriebsbedingungen bzw. von nichtlinearen<br />

Effekten mit Methoden der Statistik - insbeson-<br />

Abbildung 2: Vergleich der TGA-Methode mit aktuellen Methoden aus den Europäischen Normen<br />

dere der Sensitivitätsanalyse - zu bestimmen.<br />

Basierend auf einer systematischen Versuchsplanung<br />

kann damit ein Verfahren entwickelt<br />

werden, welches die Systemparameter entsprechend<br />

ihrer Interaktionsrelevanz berücksichtigt.<br />

Zu beachten ist dabei jedoch, dass<br />

die dafür notwenigen Systeminformationen<br />

wie z.B. Reibungsverhältnisse im Rad-Schiene<br />

Kontakt nicht immer hinreichend bekannt sind.<br />

Die daraus resultierenden Auswirkungen werden<br />

daher hinsichtlich Robustheit des Verfahrens<br />

zurzeit untersucht.<br />

Zeitliche Interaktionsveränderung<br />

Aufgrund der begrenzten Mittel und des<br />

Abbildung 3: Betrachtung der gemeinsamen Interaktion und<br />

Ableitung von Maßnahmen zur Optimierung des Gesamtsystems<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

wachsenden Kostendrucks ist eine strikte<br />

Ausrichtung der Instandhaltung nach den Life-<br />

Cycle-Costs des Fahrwegs und einer grenzwertorientierten<br />

Instandhaltung erforderlich.<br />

Dies bedeutet, dass ein Verfahren zur Bewertung<br />

der Interaktion, wie in Abb. 3 dargestellt,<br />

auch eine Prognose der zeitlichen Entwicklung<br />

der zu erwartenden Interaktion bieten soll.<br />

Hierfür werden ebenfalls Prognosemodelle entwickelt,<br />

welche die interaktionsrelevanten Parameter<br />

in Hinblick auf die zeitliche Veränderung<br />

entsprechend berücksichtigen.<br />

Anwendung und Ausblick<br />

Die Entwicklung des Interaktions-Bewertungsverfahrens<br />

wird durch die intensive Mitarbeit<br />

der Industriepartner - auf Seiten der Fahrzeughersteller<br />

Siemens AG Österreich und<br />

auf Seiten der Bahnbetreiber Schweizerische<br />

Bundesbahnen SBB Infrastruktur, DB Netz AG<br />

und ÖBB Infrastruktur AG in Kombination mit<br />

dem wissenschaftlichen Partner der TU Graz /<br />

Institut für Mechanik - optimal ermöglicht. Diese<br />

gemeinsame Entwicklung bietet ein großes<br />

Potenzial für eine gemeinsam verwendbare und<br />

akzeptierte Methode für die Fahrzeughersteller<br />

und Infrastrukturbetreiber. ■<br />

Zum Autor<br />

Dr. Bernd Luber ist Lead<br />

Researcher im Bereich<br />

<strong>Vehicle</strong> Dynamics – Rail<br />

Applications am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

9


Die Tribologie bestimmt den Rad-<br />

Schiene Kontakt<br />

Der Rad-Schiene Kontakt beim System Eisenbahn bestimmt ganz wesentlich die Fahrzeugdynamik sowie das<br />

Verschleiß- und Schädigungsverhalten von Fahrzeug und Fahrweg. Kontaktmodelle, die auf der Berücksichtigung<br />

der komplexen tribologischen Effekte in der Rad-Schiene Schnittstelle basieren, sind von großer Bedeutung für<br />

die Verbesserung des Systems Bahn in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Kosten.<br />

Der Rad-Schiene Kontakt stellt die Schnittstelle<br />

zwischen Fahrzeug und Fahrweg dar. Diese<br />

Schnittstelle muss auf sehr kleinen Kontaktflächen<br />

– in der Größe eines Fingernagels – unter<br />

höchsten Belastungen die Funktionen Tragen,<br />

Führen sowie Antreiben und Bremsen realisieren.<br />

Modelle zur Beschreibung der wesentlichen,<br />

im Rad-Schiene Kontakt auftretenden<br />

Effekte sind von hoher Bedeutung, da mit deren<br />

Hilfe das System Eisenbahn unter Verwendung<br />

von Simulationstools optimiert und teure<br />

Versuche auf ein Minimum reduziert werden<br />

können. Typische Fragestellungen in diesem<br />

Zusammenhang sind z.B. jene der Fahrzeugdynamik<br />

sowie der Fahrzeug- und Fahrwegschädigung<br />

aufgrund von Verschleiß, Rollkontaktermüdung<br />

und Komponentenermüdung (siehe<br />

auch Beitrag „RCF & Verschleiß: Prognose<br />

gefragt!“, Seite 12). Um hier jedoch einen entscheidenden<br />

Schritt voran zu kommen, gilt es,<br />

die komplexen tribologischen Zusammenhänge<br />

im Rad-Schiene Kontakt durchgängig zu verstehen<br />

und in Modellen abzubilden. „Einfache“<br />

Standardmodelle reichen dabei häufig nicht<br />

mehr aus. Dies gilt auch in Verbindung mit den<br />

weiteren Forschungsschwerpunkten am VIR-<br />

TUAL VEHICLE im Rail-Bereich (siehe Beiträge<br />

„Fahrzeug und Fahrweg - eine gemeinsame<br />

Interaktion“, Seite 8 und „RCF & Verschleiß:<br />

Prognose gefragt!“, Seite 12).<br />

State-of-the-art Reibkraftmodelle<br />

Zur Beschreibung der im Rad-Schiene Kontakt<br />

entstehenden Reibkräfte gibt es eine Reihe von<br />

Modellen. Die meisten gehen von konstanter<br />

Coulombscher Reibung aus, woraus folgt,<br />

dass das Verhältnis von maximal übertragbarer<br />

Reibkraft zu Normalkraft entsprechend eines<br />

vorab zu definierenden Reibungskoeffizienten<br />

konstant ist. Unter dieser Annahme ergibt sich<br />

qualitativ der in Abbildung 1 rot dargestellte Zusammenhang<br />

zwischen dem Längsschlupf und<br />

dem Kraftschluss. Bei diesem Verlauf können<br />

je nach Antreiben oder Bremsen grundsätzlich<br />

zwei Bereiche unterschieden werden. Im<br />

Mikroschlupfgebiet – einem Bereich mit steil<br />

10 magazine Nr. 14, II-2013<br />

ansteigendem Kraftschluss bei kleinen Schlüpfen<br />

– gibt es in der Kontaktfläche gleichzeitig<br />

Haft- und Gleitgebiete. Im Makroschlupfgebiet<br />

– einem Bereich mit konstantem Kraftschluss<br />

bei hohen Schlüpfen – tritt Gleiten im gesamten<br />

Kontaktgebiet auf, dabei entspricht der Kraftschluss<br />

dem vorgegebenen Reibungskoeffizienten<br />

µ.<br />

Effekte aus Kraftschlussmessungen<br />

am Fahrzeug<br />

Die grüne Kurve in Abbildung 1 stellt qualitativ<br />

einen typischen, aus Messungen bekannten<br />

Kraftschlussverlauf dar. Dabei zeigen sich<br />

über den gesamten Schlupfbereich massive<br />

Abweichungen im Vergleich zu den erwähnten<br />

State-of-the-art Modellen, wie geringere Kraftschlussgradienten<br />

bei kleinen Schlüpfen sowie<br />

negative Kraftschlussgradienten bei höheren<br />

Schlupfwerten. Die maximal erreichbaren<br />

Kraftschlusswerte hängen darüber hinaus von<br />

der Fahrzeuggeschwindigkeit, der Normallast<br />

und den Rad-Schiene Rauigkeiten sowie von<br />

der Existenz flüssiger und fester Zwischenschichten<br />

wie z.B. Wasser, Schmutz und Abrieb<br />

aber auch bewusst eingebrachter Stoffe<br />

Abbildung 1: Rad-Schiene Kontakt – Kraftschlusscharakteristik<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

wie Sand, Schmiermittel oder Friction Modifier<br />

ab (Abbildung 2). Die erwähnten Phänomene<br />

lassen sich über Prüfstandsversuche nachweisen<br />

und treten auch im realen Fahrzeugbetrieb<br />

auf (siehe auch Abbildung 4, Abhängigkeit des<br />

Kraftschlussmaximums von der Fahrzeuggeschwindigkeit).<br />

Die angesprochenen Stateof-the-art<br />

Modelle können diese Effekte nicht<br />

beschreiben. Daher werden häufig empirische<br />

Beschreibungen, d.h. direkt aus Messungen<br />

und ohne Modellvorstellung, verwendet. Dieses<br />

Vorgehen birgt allerdings den Nachteil in sich,<br />

dass die Modellparameter für bestimmte Bedin-<br />

Abbildung 2: Abhängigkeit des maximalen Kraftschlusses von der<br />

Fahrzeuggeschwindigkeit, der Normallast und der Rauigkeit<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE


gungen eingestellt werden. Ändern sich diese<br />

Bedingungen, ist das Modell nur mehr bedingt<br />

gültig.<br />

Aus diesem Grund legt das VIRTUAL VEHI-<br />

CLE in Kooperation mit industriellen und wissenschaftlichen<br />

Partnern einen Forschungsschwerpunkt<br />

auf die Entwicklung eines<br />

Reibkraftmodells auf physikalischer Basis. Dieses<br />

Modell zur Beschreibung der wesentlichen<br />

tribologischen Effekte im Rad-Schiene Kontakt<br />

ermöglicht es, auch bei stark variierenden<br />

Randbedingungen aus Messungen bekannte<br />

Reibkrafteffekte abzubilden.<br />

Erweitertes Reibkraftmodell<br />

Abbildung 3 stellt die Struktur des neu entwickelten<br />

Modells dar. Dieses Modell berechnet<br />

in Abhängigkeit von Kontaktgeometrie, Normallast,<br />

Schlüpfen sowie der Existenz von Zwischenschichten<br />

die lokale Reibkraftverteilung<br />

im Kontakt und daraus die resultierenden Reibkräfte<br />

in Längs- und Querrichtung. Dazu wurde<br />

eine Reihe von physikalischen Submodulen implementiert<br />

und miteinander vernetzt. Aufgrund<br />

der auftretenden Gleiteffekte im Rad-Schiene<br />

Kontakt stellt sich im Kontakt eine Temperaturverteilung<br />

ein, die die übertragbaren Reibkräfte<br />

beeinflusst. Diese Temperaturverteilung<br />

wird im Kontakttemperaturmodell berechnet.<br />

Im Mikrokontakt-Modell wird in Abhängigkeit<br />

der Rad-Schiene-Rauigkeiten und der zuvor<br />

berechneten Temperatur die „reale“ metallische<br />

Kontaktfläche der Asperitenkontakte berechnet,<br />

die im Vergleich zur Annahme von glatten<br />

Oberflächen generell kleiner ist. Über diese<br />

„reale“ Kontaktfläche wird zusammen mit einem<br />

temperaturabhängigen Materialmodell lokal die<br />

maximal übertragbare Reibkraft bestimmt. Damit<br />

ist der Reibungskoeffizient keine vorzuge-<br />

Abbildung 4: Kraftschluss (Längsreibkraft/Normalkraft)<br />

– Versuche<br />

mit Lokomotive vs. Simulation bei<br />

verschiedenen Fahrzeuggeschwindigkeiten<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

bende Inputgröße mehr, sondern wird im Modell<br />

in Abhängigkeit der physikalischen Größen<br />

Temperatur und Rauigkeit berechnet. Der Einfluss<br />

von fluiden Zwischenschichten (z.B. nasse<br />

Schienen) wird über den sich aufbauenden<br />

Fluiddruck berücksichtigt. Das Scherverhalten<br />

der Asperitenkontakte und eventuell vorhandener<br />

fester Zwischenschichten (z.B. Sand)<br />

wird über das sogenannte 3rd Body Layer Modell<br />

berücksichtigt.<br />

Validierung<br />

Bei der Entwicklung des Modells wurde auf<br />

die Validierung großer Wert gelegt. Zunächst<br />

wurde das Modell durch diverse Prüfstandsversuche<br />

im Labor validiert und parametriert.<br />

Anschließend wurden Fahrzeugversuche mit<br />

einer Lokomotive durchgeführt. In Abbildung<br />

4 sind typische Versuchsergebnisse den Resultaten<br />

des neuen physikalischen Reibkraft-<br />

Abbildung 3: Erweitertes Reibkraftmodell, Struktur und Submodule<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

modells gegenübergestellt. Es zeigt sich eine<br />

sehr gute qualitative und quantitative Übereinstimmung.<br />

Auch die Geschwindigkeitsabhängigkeit<br />

wird sehr gut wiedergegeben, was mit<br />

Standardmodellen nicht erreicht werden kann.<br />

Anwendung<br />

Das neu entwickelte physikalische Reibkraftmodell<br />

ermöglicht im Vergleich zu Standardmodellen<br />

physikalisch noch fundiertere Prognosen<br />

hinsichtlich Fahrsicherheit, Fahrwegbeanspruchung<br />

und Komfort auf Basis von MKS Simulationen.<br />

Damit kann das Modell einen wichtigen<br />

Beitrag in Richtung virtueller Zulassung leisten.<br />

Aber auch bei der Prognose von Verschleiß und<br />

Rollkontaktermüdung wird über dieses Modell<br />

eine wesentliche Qualitätssteigerung erreicht.<br />

■<br />

Zum Autor<br />

Projektpartner<br />

• Technische Universität Graz<br />

• University of Sheffield<br />

• L.B. Foster Rail Technologies<br />

• ÖBB Infrastruktur AG<br />

• Siemens AG<br />

• voestalpine Schienen GmbH<br />

Dr. Klaus Six ist Key<br />

Researcher im Bereich<br />

<strong>Vehicle</strong> Dynamics – Rail<br />

Applications am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

11


RCF & Verschleiß: Prognose gefragt!<br />

Die Instandhaltung von Gleis und Schienenfahrzeugen spielt eine große Rolle, um Qualität und Verfügbarkeit des<br />

Schienenverkehrs zu gewährleisten. Für die Instandhaltungsplanung ist es notwendig, die Schäden, die durch<br />

RCF und Verschleiß entstehen, vorherzusagen. Das VIRTUAL VEHICLE entwickelt neue Berechnungsmodelle<br />

zur Prognose dieser Schäden, wobei durch Verknüpfung von globalem Fahrzeugverhalten mit lokaler<br />

Schädigung das Gesamtsystem Bahn berücksichtigt wird.<br />

Rollkontaktermüdung und Verschleiß<br />

Wenn das Rad die Schiene überrollt, treten<br />

hohe Kontaktkräfte auf. Diese Kontaktkräfte<br />

(rund 10 t) verteilen sich auf eine Kontaktfläche<br />

von der Größe einer 1-€-Münze, eine typische<br />

Fläche für den Rad-Schiene-Kontakt. Daraus<br />

ergeben sich hohe Kontaktspannungen,<br />

die oberflächennah hohe plastische Verformungen<br />

bewirken. Die große Anzahl an Überrollungen<br />

führt unter ungünstigen Bedingungen<br />

zur Bildung von Rissen. Eine bekannte Ausprägung<br />

dieser sogenannten Rollkontaktermüdung<br />

(engl. rolling contact fatigue, RCF) sind<br />

zum Beispiel Head-Checks (siehe Abb. 2).<br />

Begleitet wird der Rollkontakt immer von einem<br />

mehr oder weniger großen Verschleiß. Dieser<br />

trägt ähnlich einem Schleifprozess sukzessive<br />

die obersten Werkstoffschichten ab. Entsteht<br />

ein Riss durch RCF, wird dieser durch den<br />

Verschleiß verkürzt. Die beiden Schädigungsmechanismen<br />

hängen also zusammen. Ein gewisser<br />

Verschleiß ist durchaus vorteilhaft, weil<br />

die Risse dadurch verkürzt werden und so der<br />

RCF-Schädigung entgegenwirken.<br />

Grenzen der Instandhaltung<br />

Die beschriebenen Schädigungsmechanismen<br />

Verschleiß und RCF agieren in dem enorm<br />

komplexen System Bahn, in dem nahezu jedes<br />

Zusammentreffen von Rad und Schiene einzigartig<br />

ist. Hinzu kommt, dass sich während jeder<br />

Überrollung die Profile von Rad- und Schiene<br />

aufgrund des Verschleißes ändern. Dennoch<br />

sind die Schäden durch Verschleiß und RCF<br />

durch die etablierten Instandhaltungsmaßnahmen<br />

der Infrastrukturbetreiber unter Kontrolle.<br />

Steigende Beförderungszahlen und erhöhte<br />

Verfügbarkeit verlangen allerdings große<br />

Anstrengungen, um die Infrastrukturqualität<br />

auch in Zukunft aufrecht zu erhalten. Einerseits<br />

sollen die bereits hohen Kosten der Instandhaltung<br />

nicht weiter steigen, andererseits muss<br />

die Instandhaltungsplanung immer früher<br />

erfolgen – eineinhalb Jahre vor Instandhaltungsdurchführung<br />

sind heute bereits Realität.<br />

In diesen immer größeren Zeiträumen können<br />

auch größere Änderungen im System Bahn<br />

12 magazine Nr. 14, II-2013<br />

entstehen, wie beispielsweise die Veränderung<br />

des Fahrzeugmix. Die Prognose von Verschleiß<br />

und RCF auf Basis von Inspektionen wird damit<br />

schwieriger. Daher ist es sinnvoll, zusätzlich auf<br />

rechnergestützte Prognosemodelle zurückzugreifen,<br />

um Kosten und Qualität gleichermaßen<br />

zu gewährleisten. Die Planung von Instandhaltungsmaßnahmen<br />

kann so zielgerichtet und<br />

bedarfsgerecht erfolgen.<br />

Berechnung von Verschleiß und RCF<br />

Gemeinsam mit unseren Partnern wurde eine<br />

Simulationskette entwickelt, um eine gute Prognose<br />

von Verschleiß und RCF zu ermöglichen.<br />

Für die Beschreibung des Gesamtsystems<br />

werden unterschiedliche, großteils eigens<br />

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Berechnungsablaufes<br />

für Verschleiß und Schädigung<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

entwickelte Berechnungsmodelle kombiniert,<br />

siehe Abb. 1. Mit Hilfe einer Mehrkörpersystem<br />

(MKS) Simulation wird das globale dynamische<br />

Fahrzeugverhalten berechnet. Die in<br />

der MKS-Simulation eingesetzten Kontaktmodelle<br />

bilden den Rad-Schiene Kontakt mit einer<br />

ebenen, elliptischen Kontaktfläche ab.<br />

Beim Kontakt von verschlissenem Rad und<br />

Schiene ergeben sich aber vor allem an der<br />

Fahrkante gekrümmte, nicht-elliptische Kontaktflächen.<br />

Durch die nicht-elliptischen, gekrümmten<br />

Kontaktflächen kommt es zu lokal<br />

großen Veränderungen der Kontaktspannungen<br />

in der Kontaktfläche. Diese spielen für<br />

Verschleiß und RCF eine bedeutende Rolle und<br />

müssen deshalb ausreichend genau modelliert<br />

werden.<br />

Um diese lokalen Änderungen der Kontaktspannungen<br />

zu berechnen, wurde ein Kontaktmodell<br />

entwickelt, das einerseits die gekrümmte, nichtelliptische<br />

Kontaktfläche ausreichend genau<br />

abbildet und andererseits die notwendige Recheneffizienz<br />

für die häufige Anwendung in der<br />

Schadenssimulation sicherstellt.<br />

Nach der detaillierten Kontaktanalyse erfolgt<br />

die Berechnung von Verschleiß und Schädigung.<br />

Das Schädigungsmodell berechnet<br />

näherungsweise die auftretende plastische<br />

Verformung und Verfestigung pro Überrollung.<br />

Damit werden die erwähnten großen plastischen<br />

Verformungen nahe der Schienenoberfläche<br />

berechnet, wobei die Interaktion zwischen<br />

Verschleiß und plastischer Verformung<br />

berücksichtigt wird.<br />

Obwohl die Schiene sehr große Verformungsgrade<br />

erträgt, steigt mit jeder weiteren Überrollung<br />

die Wahrscheinlichkeit zur Rissinitiierung.<br />

Die berechnete plastische Verformung wird nun<br />

zum Beispiel mit einer kritischen Verformung,<br />

bei der Rissinitiierung auftritt, verglichen und<br />

so ein Maß für die Schädigung angegeben.<br />

Am Ende der Berechnungsabfolge werden die<br />

Profiländerung aufgrund des Verschleißes und<br />

der aktuelle Schädigungszustand berechnet.<br />

Die beschriebene Simulationskette in Abb. 1<br />

wird so lange wiederholt, bis die geforderte Anzahl<br />

an Zugüberfahrten erreicht ist.<br />

Anwendung der Simulationskette<br />

am Beispiel der Wiener U-Bahn<br />

Im Folgenden sind die Ergebnisse der Berechnung<br />

für einen ausgewählten Gleisabschnitt im<br />

U-Bahn Netz der Wiener Linien dargestellt. In<br />

der MKS-Simulation sind die Fahrzeugtypen<br />

abgebildet, die in der U-Bahn verwendet werden.<br />

Es handelt sich dabei um Fahrzeuge mit<br />

konventionellen und radialstellenden Drehgestellen.<br />

Die Rad- und Schienenprofile stammen<br />

aus Messungen.


Abbildung 2: Gegenüberstellung der prognostizierten<br />

Rissrichtung nach rund 4 Mio. Lastwechsel<br />

in der Simulation (Insert) mit den im Betrieb<br />

auftretenden Rissen (grün, Magnetpulverprüfbild)<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Nach der Berechnung der globalen Fahrzeugdynamik<br />

erfolgt, wie in Abb. 1 beschrieben, die<br />

detaillierte Kontaktanalyse. Anschließend wird<br />

der Verschleiß und die Schädigung berechnet,<br />

wobei die Überfahrhäufigkeit berücksichtigt<br />

wird. Die Berechnung deckt einen Beobachtungszeitraum<br />

von knapp zwei Jahren ab, was<br />

rund vier Millionen Überrollungen entspricht.<br />

In Abb. 2 ist die prognostizierte Rissrichtung<br />

(rote Linien auf grauem Hintergrund) nach rund<br />

vier Millionen Überrollungen mit dem Foto der<br />

Magnetpulverprüfung überlagert. Der Ort und<br />

die Richtung der prognostizierten Risse stimmen<br />

gut mit der Messung überein. Durch die<br />

im ersten Schritt vereinfachte Berücksichtigung<br />

des Betriebes (z.B. Radprofile und Beladung)<br />

ergibt sich ein unvollständig prognostiziertes<br />

Rissband auf der Fahrfläche. Aus den einzelnen<br />

Berechnungsschritten lassen sich nun die<br />

Beiträge zur plastischen Verformung der einzelnen<br />

Fahrzeuge identifizieren. Die Head-Checks<br />

werden durch den Kontakt der vorlaufenden<br />

Achsen der Fahrzeuge mit dem konventionellen<br />

Fahrwerkskonzept verursacht. (Abb. 3, A11 und<br />

A21). Die Risse auf der Fahrfläche entstehen<br />

durch eine Kombination aller Fahrzeuge, wobei<br />

die gelenkten Fahrzeuge einen maßgeblichen<br />

Beitrag leisten. (Abb. 3, A12, A22, B11, B12,<br />

B21 und B22).<br />

Was bleibt zu tun?<br />

Die vorgestellte Simulationskette ermöglicht es,<br />

den Schienenfahrzeugbetrieb vom Fahrzeug bis<br />

Abbildung 3: Magnetpulverprüfbild mit überlagerten, berechneten Kontaktflächen der anfänglichen Überrollungen,<br />

Einfärbung entsprechend den Kontakttangentialspannungen; Indizierung der Fahrzeugtypen: A =<br />

konventionelles Fahrwerk, B = gelenktes Fahrwerk; die Nummern kennzeichnen die Achsen und Drehgestelle<br />

(Bsp. A21 = erste Achse, zweites Drehgestell Fahrzeug A)<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

hin zur lokalen Schienenstelle mit ihren ausgeprägten<br />

Schädigungsmustern abzubilden. Die<br />

dazu entwickelten Modelle beschreiben den<br />

Kontakt von Rad und Schiene für die Schädigungsrechnung<br />

ausreichend genau. Außerdem<br />

können damit die plastischen Verformungen in<br />

der Schiene berechnet werden. Damit stehen<br />

die für die Schädigungsbewertung notwendigen<br />

Informationen zur Verfügung. Vergleiche<br />

von Berechnungsergebnissen mit Messdaten<br />

von Prüfstandversuchen und von der Strecke<br />

zeigen eine qualitativ gute Übereinstimmung.<br />

Um allerdings gesicherte Aussagen zum ursächlichen<br />

Zusammenhang von dynamischem<br />

Fahrzeugverhalten und lokaler Schädigung<br />

ableiten zu können, müssen die Modelle weiter<br />

validiert und kalibriert werden. Außerdem<br />

muss die Abbildung des täglichen Betriebes<br />

verbessert werden, indem mehr Systemparameter<br />

berücksichtigt werden. Angedacht sind<br />

beispielsweise mehrere Beladungszustände,<br />

Geschwindigkeitsvariationen oder auch eine<br />

größere Anzahl an Profilen. Außerdem werden<br />

Prüfstandversuche durchgeführt und weitere<br />

Betriebsdaten der Strecke analysiert.<br />

Breite Anwendbarkeit<br />

Die abgesicherten Modelle sollen schlussendlich<br />

die Beantwortung grundsätzlicher Fragestellungen<br />

ermöglichen. Zum Beispiel lässt sich<br />

der Einfluss der Achslast auf die Schädigung<br />

berechnen oder die Art des Spurführungskonzeptes<br />

bewerten, also des Fahrzeugtyps.<br />

Was passiert, wenn Rad- oder Schienengüte<br />

verändert werden? Welche Auswirkungen haben<br />

Rad- oder Schienenprofile? Aber auch die<br />

Auswirkungen auf eine bestimmte Strecke bei<br />

Änderung des Fahrzeugmix lassen sich be-<br />

werten. Die vorgestellte Simulationskette bietet<br />

auch Lösungen für das inverse Problem: Wie<br />

wirkt sich eine andere oder neue Strecke auf<br />

ein Fahrzeug aus?<br />

Die Komplexität des Systems Bahn lässt sich<br />

durch die Kenntnis der relevanten Einflussfaktoren<br />

auf die Schädigung zwar nicht verringern,<br />

die relevanten Mechanismen und Parameter<br />

werden aber besser verstanden und die Vorhersage<br />

von Schäden und deren Einflussfaktoren<br />

wird ermöglicht. Damit kann den steigenden<br />

Kosten für die Instandhaltung mit einer verbesserten<br />

Prognose der Wirkung von Instandhaltungsmaßnahmen<br />

begegnet werden. ■<br />

Zum Autor<br />

DI Christof Marte ist<br />

Gruppenleiter Rail-<br />

Applications am<br />

VIRTUAL VEHICLE.<br />

Projektpartner<br />

• Institut für Baumechanik/TU-Graz<br />

• Österreichische Akademie der Wissenschaften<br />

/ Erich Schmid Institut<br />

• Materials Center Leoben<br />

• DB Systemtechnik GmbH<br />

• Schweizer Bundesbahnen AG<br />

• Siemens AG Österreich<br />

• voestalpine Schienen GmbH<br />

• Wiener Linien GmbH & Co KG<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

13


Gastbeitrag<br />

Innovative Schienentechnologien für<br />

die Herausforderungen der Zukunft<br />

Die voestalpine Schienen GmbH ist federführend bei der Entwicklung von neuen Technologien für den<br />

Schienensektor. Dabei spielt das Verständnis für die grundlegenden Mechanismen im Rad-Schiene Kontakt<br />

eine zentrale Rolle. Die Zusammenarbeit mit Kompetenzzentren wie VIRTUAL VEHICLE liefert dazu einen<br />

wichtigen Beitrag.<br />

Technologietreiber<br />

Die voestalpine Schienen GmbH produziert am<br />

Standort Leoben – Donawitz seit über 100 Jahren<br />

Eisenbahnschienen. Betrachtet man alleine<br />

die letzten 25 Jahre, gab es im Eisenbahnwesen<br />

eine Reihe von Technologie-Sprüngen, an<br />

denen die voestalpine Schienen GmbH federführend<br />

beteiligt war. Als Beispiel können die<br />

Erzeugung von 120m Langschienen oder die<br />

Einführung von wärmebehandelten Schienen<br />

am Europäischen Markt angeführt werden.<br />

Alle diese Entwicklungen zielen darauf ab,<br />

die Lebensdauer des Produktes Schiene trotz<br />

steigender Belastungen und Zugfrequenzen zu<br />

erhöhen. Die wesentlichen Gründe, die zu vorzeitigem<br />

Ausbau von Schienen führen können,<br />

sind einerseits Verschleiß und andererseits so<br />

genannte Rollkontaktermüdungsschäden (kurz<br />

RCF, vom englischen Rolling Contact Fatigue).<br />

Forschung als Erfolgsrezept<br />

Um gezielt Lösungen für die Probleme im<br />

Rad-Schiene Kontakt anbieten zu können, ist<br />

Abbildung 1: Wärmebehandlungsanlage mit Warmsäge und Kühlbett für 120m Langschienen<br />

Quelle: voestalpine Schienen GmbH<br />

14 magazine Nr. 14, II-2013<br />

Abbildung 2: Head Checks und Spalling auf der Schiene (links). Typischer Squat auf der Lauffläche (rechts)<br />

Quelle: voestalpine Schienen GmbH<br />

es nötig, die Mechanismen dahinter genau zu<br />

verstehen. Ist das bei Verschleißerscheinungen<br />

noch relativ einfach, so stellen RCF-Schäden<br />

aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinungsformen<br />

eine große Herausforderung dar. Typische<br />

RCF-Schäden, die man weltweit in den Gleisnetzen<br />

finden kann, sind z.B. Head Checks<br />

(periodische Risse an der Fahrkante), Spalling<br />

(Ausbrüche an der Fahrkante) oder Squats<br />

(Eindellungen auf der Fahrfläche mit darunter<br />

liegendem Rissnetzwerk). All diese RCF-Effekte<br />

sind jedoch nicht auf Materialfehler zurückzuführen,<br />

sondern sind eine Konsequenz<br />

der ständig steigenden Belastungen im Rad-<br />

Schiene Kontakt.<br />

Die Forschungsaktivitäten der voestalpine<br />

Schienen GmbH konzentrieren sich unter anderem<br />

auf die Auslöser für diese RCF-Schäden.<br />

Neben Erkenntnissen aus weltweiten<br />

Gleistests, die in enger Kooperation mit Kunden<br />

durchgeführt werden, spielen die zwei vollmaßstäblichen<br />

Rad-Schiene Prüfstande eine<br />

maßgebliche Rolle. Auf diesen Prüfständen<br />

ist es möglich, innerhalb sehr kurzer Zeiträume<br />

(wenige Tage) diese Schädigungs-Effekte<br />

im Labor reproduzierbar nachzustellen und zu<br />

erforschen.<br />

Mit Kooperation zum System-<br />

verständnis<br />

Einen wichtigen Aspekt der Forschungsaktivitäten<br />

stellt die Kooperation mit Kompetenzzentren<br />

und universitären Partnern dar. Neben der<br />

langjährigen und erfolgreichen Partnerschaft<br />

mit dem VIRTUAL VEHICLE arbeitet die voestalpine<br />

Schienen GmbH auch mit dem Material<br />

Center Leoben, der Universität Leoben,<br />

dem AC²T Kompetenzzentrum für Tribologie<br />

und dem CHALMERS Railway Mechanics<br />

Competence Center in Schweden zusammen.<br />

In diesen Kooperationsprojekten werden<br />

die grundlegenden Mechanismen hinter den<br />

Schädigungserscheinungen untersucht und<br />

simuliert. Die voestalpine fördert dabei die Zusammenarbeit<br />

und den Wissensaustausch der


einzelnen Kooperationspartner untereinander<br />

durch spezielle Workshops im Halbjahresabstand.<br />

Entscheidend für das Systemverständnis<br />

ist aber auch die Zusammenarbeit mit Kunden<br />

aus allen Bereichen (Schwerlast, Mischverkehr,<br />

Nahverkehr) und anderen Industriepartnern<br />

(aus benachbarten Bereichen wie z.B. der<br />

Schienenfahrzeuge) in diesen Projekten.<br />

Innovative Produkte<br />

Die erzielten Forschungsergebnisse wurden<br />

und werden konsequent in der Entwicklung neuer<br />

innovativer Produkte und Prozesse verwendet.<br />

Als Beispiel können hier die höchstfesten<br />

wärmebehandelten perlitischen Schienengüten<br />

angeführt werden. Diese mit dem HSH® (Head<br />

Special Hardening) Verfahren hergestellten<br />

Schienengüten haben eine Oberflächenhärte<br />

von bis zu 440 BHN, ohne die Zähigkeitseigen-<br />

Abbildung 3: Logistik: Langschienentransport mit Langschienenlager<br />

am Werksgelände der voestalpine Schienen GmbH<br />

Quelle: voestalpine Schienen GmbH<br />

schaften wesentlich zu verändern. Diese hochfesten<br />

Perlite werden je nach Festigkeits- und<br />

Härteklasse im Nah-, Misch,- oder Schwerlastverkehr<br />

aufgrund ihres ausgezeichneten Widerstandes<br />

gegen Verschleiß und RCF-Schäden<br />

sehr erfolgreich eingesetzt.<br />

Die Tatsache, dass perlitische Schienengüten<br />

aber bei entsprechender Belastung RCF-<br />

Schäden ausbilden, haben zur Entwicklung<br />

der neuesten Schienengeneration geführt, der<br />

Bainitischen Schiene DOBAIN®. Über ein spezielles<br />

Wärmebehandlungsverfahren wird ein<br />

sogenanntes bainitisches Mehrphasengefüge<br />

erzeugt, dass aufgrund seiner optimierten Mikrostruktur<br />

die Bildung von RCF-Rissen weitgehend<br />

verhindern soll.<br />

Ausgiebige Langzeitversuche auf den Rad-<br />

Schiene Prüfständen der voestalpine Schienen<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

Abbildung 4: Eine Schiene<br />

wartet in der HSH® (Head<br />

Special Hardening) Anlage<br />

auf die Wärmebehandlung.<br />

Quelle: voestalpine Schienen GmbH<br />

GmbH haben den ausgezeichneten Widerstand<br />

gegen Rissbildung nachgewiesen. Im Moment<br />

befinden sich Bainitische Schienen bei mehreren<br />

europäischen Bahnbetreibern in der Gleiserprobung.<br />

Die bisher erhaltenen Ergebnisse<br />

bestätigen die von den Prüfstandversuchen<br />

abgeleiteten Aussagen bezüglich des Rissbildungswiderstandes.<br />

In Zukunft ist geplant, diese<br />

Bainitischen Schienen in Streckenbereichen<br />

mit schweren RCF-Problemen einzusetzen, um<br />

hier den nötigen Instandhaltungsaufwand zur<br />

Entfernung dieser Schäden (Schleifen, Fräsen…)<br />

deutlich zu reduzieren.<br />

Darüber hinaus beschäftigt sich die voestalpine<br />

Schienen GmbH auch mit den Themen Logistik<br />

(just in time Lieferung von Langschienen an die<br />

Baustelle), Schweißtechnik sowie mit RAMS<br />

und LCC Berechnungen.<br />

Der bisherige Erfolg bestätigt, dass die Zusammenarbeit<br />

mit Kompetenzzentren, Universitäten,<br />

Kunden und anderen Industriepartnern<br />

einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der<br />

Probleme im Rad-Schiene Kontakt liefert. Damit<br />

ist es für alle beteiligten Partner auch in Zukunft<br />

möglich, „einen Schritt voraus“ zu sein. ■<br />

Industrie-Partner<br />

DI Dr. Richard Stock<br />

ist im Bereich Technischer<br />

Kundendienst<br />

der voestalpine<br />

Schienen GmbH tätig.<br />

15


Geräuschreduktion an Rad<br />

und Schiene<br />

Die Area NVH & Friction beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Geräuschentwicklung im Schienenverkehr.<br />

Ziel ist es, das Geräusch am Ort der Entstehung zu bekämpfen und damit andere Maßnahmen wie<br />

Lärmschutzwände überflüssig zu machen.<br />

Die Umweltbelastung durch Lärm aufgrund des<br />

Schienenverkehrs ist insbesondere in Ballungsräumen<br />

ein nach wie vor aktuelles Thema. Da<br />

man die Nachteile von weiteren Schallschutzwänden<br />

vermeiden möchte, werden neue Techniken<br />

untersucht, die das Geräusch schon am<br />

Ort seiner Entstehung reduziert. Dazu sind vor<br />

allem Maßnahmen zur Schwingungsreduktion<br />

an Rad und Schiene geeignet.<br />

Zur Reduktion von Bahnlärm werden vielfach<br />

Lärmschutzwände eingesetzt, deren Nachteil<br />

im massiven Landschaftseingriff, in der Einschränkung<br />

von Sichtverhältnissen und natürlich<br />

auch im finanziellen Aufwand besteht. Eine<br />

wesentlich elegantere Lösung sind Dämpfer/<br />

Tilger Elemente (Abb. 1 links), die am Ort der<br />

Geräuschentstehung angebracht werden. Solche<br />

Konstruktionen sind zwar in der Literatur<br />

bekannt, werden aber derzeit nicht großflächig<br />

eingesetzt.<br />

Geräuschentstehung im<br />

Rad-Schiene Kontakt<br />

In einem relativ breiten Geschwindigkeits-<br />

16 magazine Nr. 14, II-2013<br />

bereich ist das Rollgeräusch die maßgebliche<br />

Geräuschquelle eines akustisch gut konstruierten<br />

Schienenfahrzeuges. Die Gründe für die<br />

Entstehung von Rollgeräuschen sind die raue<br />

Lauffläche des Rades und der Schiene. Als<br />

Rad- bzw. Schienenrauigkeit werden aus akustischer<br />

Sicht Unebenheiten im Wellenlängenbereich<br />

von etwa 3 mm bis 60 cm bezeichnet.<br />

Die Schienenriffeln, mit typischen Wellenlängen<br />

von ca. 4 cm bis 12 cm, und die Radunrundheiten<br />

fallen ebenfalls in den Bereich der<br />

akustischen Rauigkeit. Die Aufrauung der Rad-<br />

Schiene-Kontaktflächen findet nach heutigem<br />

Wissensstand durch Verschleiß, plastischer<br />

Deformation und Rollkontaktermüdung statt,<br />

die genauen Entstehungsmechanismen sind<br />

aber noch nicht vollständig erforscht.<br />

Für die Geräuschabstrahlung des Wagons spielen<br />

die Räder eine bedeutende Rolle, die Abstrahlung<br />

steht in direktem Zusammenhang mit<br />

den angeregten Eigenschwingungsformen der<br />

Räder. Untersuchungen zeigen, dass für die<br />

Geräuschabstrahlung hauptsächlich bestimmte<br />

radiale und axiale Radschwingungsformen verantwortlich<br />

sind. Deshalb ist es sehr wichtig,<br />

Abbildung 1: Rad mit Absorber am Modalanalyseprüfstand (links) und berechnete Eigenschwingungsform (rechts)<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

die Eigenschaften der Räder so zu gestalten,<br />

dass diese Radschwingungen nicht mehr angeregt<br />

werden. Dabei liegt das Interesse hauptsächlich<br />

in dem Frequenzbereich von 1,5 bis 3<br />

kHz. Die durch den Rad-Schiene Kontakt entstandene<br />

Schwingungsenergie wird nicht nur<br />

an Rad, Fahrwerk und Wagenkasten sondern<br />

auch an die Schiene weitergeleitet. Die Schiene<br />

verhält sich trotz der Befestigung an den<br />

Schwellen sehr schwingungsaktiv. Durch die<br />

Anregung entstehen in der Schiene zwischen<br />

den Schwellen wellenförmige Schwingungsformen<br />

(„pinned – pinned“) mit ca. 1 bis 2 kHz.<br />

Ziel ist also, diesen Schwingungen entgegenzuwirken<br />

und sie zu reduzieren.<br />

Möglichkeiten der<br />

Geräuschreduktion<br />

Aufgabe ist die Entwicklung neuartiger Rad- und<br />

Schienenabsorber mit verbesserter Wirksamkeit<br />

im Vergleich zu kommerziell erhältlichen<br />

Varianten. Neben technischen und finanziellen<br />

Vorteilen ist die Beherrschung der Methode zur<br />

virtuellen Auslegung dieser Radabsorber (Abbildung<br />

1 rechts) ebenso ein wichtiges Ziel.


Abbildung 2: Darstellung der berechneten<br />

modalen Dämpfungen der<br />

lokalen Moden (blau), der globalen<br />

Moden (braun) und der gemessenen<br />

modalen Dämpfungen der globalen<br />

Moden (magenta) eines Rades mit<br />

Absorber<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Neben der Optimierung der Radgeometrie<br />

können für die Geräuschreduktion im Rad sogenannte<br />

Radschallabsorber herangezogen<br />

werden. Ähnliche Absorber können auch bei<br />

der Schiene verwendet werden, wo sie im Bereich<br />

der höchsten Auslenkung der Schwingung<br />

eingesetzt werden, also typischerweise mittig<br />

im Schwellenfach.<br />

Zu diesem Zweck wurden in der Area NVH &<br />

Friction des VIRTUAL VEHICLE spezielle Methoden<br />

und Simulationsmodelle entwickelt, die<br />

sich zur Berechnung des Schwingungsverhaltens<br />

von Eisenbahnwagonrädern und Schienen<br />

inklusive Schallabsorber eignen.<br />

Simulation<br />

Die Aufgabe bestand darin, Simulationstechniken<br />

und Modelle zu entwickeln, welche die<br />

vibro-akustischen Eigenschaften des Rades als<br />

Gesamtsystem aber auch dessen Einzelkomponenten<br />

(Absorber, Rad) richtig abbilden. Dazu<br />

sind viele Materialparameter notwendig. Einige<br />

davon, wie E-Modul, Dichte, Poisson Zahl,<br />

stellen die Materialhersteller zur Verfügung, bei<br />

dem frequenzabhängigen Verlustfaktor (Dämpfung)<br />

gibt es jedoch derzeit keine zuverlässige<br />

Angaben.<br />

Zur Identifikation des Verlustfaktors für die Simulationsmodelle<br />

können aus diesem Grund<br />

experimentelle Methoden wie z.B. Zug-Druck<br />

Versuch, Modalanalyse, Oberst-Methode, herangezogen<br />

werden. Es wurden daher zahlreiche<br />

Versuche mit der von uns angepassten<br />

Oberst-Methode an Probekörpern aus viskoelastischen<br />

Materialien durchgeführt, um die<br />

Dämpfungseigenschaften von verschiedenen<br />

visko-elastischen Materialien, die in Rad- und<br />

Schienenschallabsorbern vorkommen, zu bestimmen.<br />

Basierend auf diesen Daten wurden<br />

die FE-Modelle von Rad und Schiene inkl.<br />

Absorber (Abbildung 1 rechts) aufgebaut und<br />

berechnet. Abbildung 2 zeigt eine Beispielberechnung<br />

für dieses Rad mit Absorber. Es<br />

ist ersichtlich, dass die berechneten modalen<br />

Dämpfungen der globalen Moden (braun) sich<br />

jenen aus der Messung (magenta) sehr gut annähern.<br />

Die modalen Dämpfungen mit den hohen Werten<br />

in Abbildung 2 stellen die Dämpfungen<br />

der lokalen Moden der Absorber dar. Für die<br />

Geräuschabstrahlung des Rades sind diese<br />

Moden nicht relevant und werden daher nicht<br />

berücksichtigt.<br />

Bei der Schiene werden auch ähnliche Berechnungen<br />

durchgeführt. Aber zusätzlich zur<br />

Berechnung der modalen Dämpfung an einem<br />

kurzen (2m) Schienenstück mit Absorber wird<br />

auch die „Track Decay Rate“ (TDR) an einem<br />

langen (12m) Schienenstück (inkl. Schiene,<br />

Klemmen, Schwellen, Schotter) berechnet. Die<br />

TDR dient in der Praxis zur Beurteilung des<br />

Dämpfungsverhaltens (letztendlich auch für<br />

die Geräuschabstrahlung) vom Gleis und zeigt<br />

dadurch auch die Wirkung von Schienenabsorbern.<br />

Ausgehend von diesen validierten Ausgangsmodellen<br />

wurde durch zahlreiche Berechnungsschritte<br />

eine optimale Ausführung des<br />

Rad- und Schienenabsorbers hinsichtlich Geometrie,<br />

visko-elastischem Material und Materialverteilung<br />

erstellt.<br />

Zusammenfassung<br />

Am VIRTUAL VEHICLE stehen eine Vielzahl relevanter,<br />

experimentell validierter Simulationsmethoden<br />

zur Verfügung, mit deren Hilfe das<br />

vibro-akustische Verhalten von Rad und Schiene<br />

beschrieben werden kann. Ferner ist es<br />

möglich, die Wirkung der verwendeten Schallabsorber<br />

hinsichtlich der Geräuschabstrahlung<br />

abzuschätzen und deren optimale Auslegung<br />

zu suchen.<br />

Ausgehend von im Forschungsprojekt aufgebauten<br />

Methoden und Simulationsmodellen<br />

sind Folgeaktivitäten bezüglich der Auslegung<br />

und der experimentellen Validierung (Vorbeifahrtgeräusch-Messung)<br />

eines Prototypenschalldämpfers<br />

im Zuge eines Projektes mit<br />

einem unserer Industriepartner geplant. Bei der<br />

Anwendung an den Rädern eines Zuges wird<br />

eine Reduktion des Vorbeifahrtgeräusches um<br />

bis zu 5 dB erwartet. Dies würde einerseits eine<br />

deutlich wahrnehmbare Geräuschreduktion für<br />

die betroffene Bevölkerung bedeuten, andererseits<br />

wird durch einen großflächigen Einsatz<br />

von Rad- bzw. Schienenabsorbern Lärm direkt<br />

an der Quelle reduziert. Dadurch kann teilweise<br />

auf die Errichtung von Lärmschutzwänden verzichtet<br />

und so maßgeblich die Wirtschaftlichkeit<br />

des Eisenbahnwesens gesteigert werden. ■<br />

Zum Autor<br />

Dr. Karoly Jalics ist Leiter<br />

des Prüfstandszentrums im<br />

Bereich NVH & Friction am<br />

VIRTUAL VEHICLE.<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

17


Optimierungsverfahren für die virtuelle<br />

Fahrwerksentwicklung im Schienenfahrzeugbau<br />

Numerische single- oder multidisziplinäre Optimierungsverfahren gewinnen in der Entwicklung hochkomplexer<br />

Produkte wie Schienenfahrzeuge an Bedeutung. Das VIRTUAL VEHICLE forscht anwendungsnah mit der<br />

SIEMENS AG zu diesen Themen und beschäftigt sich mit den unterschiedlichsten Methoden auf diesem<br />

Gebiet. Dabei werden vor allem Aspekte der Integration dieser Methoden in die Produktentwicklungsprozesse<br />

berücksichtigt.<br />

Ein großer Teil der Entwicklung ist heutzutage<br />

bereits virtualisiert und dementsprechend ohne<br />

kostenaufwändige Prototypen zu bewerkstelligen.<br />

Allerdings hat die <strong>Virtual</strong>isierung eine<br />

Vielzahl von Werkzeugen mit unterschiedlichen<br />

mathematischen Ansätzen hervorgebracht, die<br />

meist nur von den jeweiligen Fachgebietsexperten<br />

verstanden und angewendet werden.<br />

Bisheriger Auslegungsprozess nach<br />

klassischem Muster<br />

Der bisherige Auslegungsprozess orientierte<br />

sich an der klassischen Vorgehensweise: Nach<br />

der Analyse der Anforderungen werden die entsprechenden<br />

digitalen Prototypen erstellt und<br />

dann hinsichtlich einzelner Auslegungsziele<br />

optimiert. Allerdings verbleiben die Experten<br />

dabei oftmals in ihren Domänen, die ein hohes<br />

Maß an tiefem Expertenwissen verlangen und<br />

die unterschiedliche mathematische Lösungsansätze<br />

und Programmsysteme mit jeweils<br />

unterschiedlichen Datenstrukturen aufweisen.<br />

Diese domänenbezogene Arbeitsweise führt<br />

Abbildung 1: Möglicher Aufbau eines<br />

automatisierten Optimierungssets<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

zur Optimierung von Subsystemen, berücksichtigt<br />

jedoch durch ihren lokalen Charakter die<br />

Gesamtperformance des Systems nicht immer<br />

ausreichend.<br />

18 magazine Nr. 14, II-2013<br />

Lösungsansatz und grundsätzliche<br />

technische Fragestellungen<br />

Eine Möglichkeit, Gesamtsystemoptimierungen<br />

durchzuführen, ist der Einsatz numerischer Optimierungsverfahren.<br />

Sie sind in der Lage, mathematische<br />

Abbilder domänenübergreifender<br />

Fragestellungen zu erstellen und diese dann<br />

zur Bewertung und Verbesserung des Gesamtsystems<br />

heranzuziehen. Jedoch bedarf der<br />

praktische Einsatz dieser Verfahren der Entwicklung<br />

einiger grundlegender methodischer<br />

Voraussetzungen, damit eine effiziente Anwendung<br />

in der Produktentwicklung möglich wird.<br />

Eine grundlegende Voraussetzung für die effiziente<br />

Anwendung numerische Optimierungsverfahren<br />

ist ein hoher Grad an Automatisierung<br />

des gesamten Prozesses, damit der Benutzer<br />

nicht gezwungen ist, die Einzelsimulationen<br />

manuell mit Variablenwerten zu bestücken, zu<br />

starten und Ergebnisse zu extrahieren. Werden<br />

mehrere Modelle verwendet, ist darüber<br />

hinaus eine Koordination des Datenflusses<br />

zwischen den beteiligten<br />

Komponenten notwendig.<br />

In Abbildung 1 ist<br />

eine mögliche allgemeine<br />

Basisarchitektur eines<br />

solchen automatisierten<br />

Aufbaus dargestellt. Sie<br />

kann je nach verwendeter<br />

Software leicht variieren.<br />

Die in Abb. 1 dargestellten<br />

elementaren Bausteine<br />

sind der Optimierungsalgorithmus,<br />

das Daten-<br />

und Solvermanagement<br />

sowie die Solver. Der<br />

Optimierungsalgorithmus<br />

trifft aufgrund von Vorgaben der Zielrichtungen<br />

und Nebenbedingungen eigenständig Entscheidungen<br />

darüber, wie das jeweilige System<br />

zu verändern ist. Um ihn mit entsprechenden<br />

Daten zu beliefern, ist ein geeignetes Datenmanagement<br />

notwendig, das Ergebnisdateien<br />

der einzelnen beteiligten Simulationsdisziplinen<br />

interpretieren kann und daraus die wichtigen<br />

Daten extrahiert. Gleichzeitig muss das Datenmanagementmodul<br />

auch die entsprechenden<br />

Eingabedateien zur Verfügung stellen und mit<br />

denjenigen Variablen bestücken, die im Rahmen<br />

der Optimierung variiert werden sollen.<br />

Das Solver-Management hat sicherzustellen,<br />

dass die Solver zum richtigen Zeitpunkt mit<br />

den richtigen Daten starten, muss das Ende<br />

der Simulationsläufe erkennen und eventuelle<br />

Unregelmäßigkeiten wie etwa abgestürzte oder<br />

ungültige Rechenläufe berücksichtigen.<br />

User Interaktion<br />

Neben der Architektur des Optimierungssets<br />

sind aber noch weitere Aspekte zu klären. Diese<br />

betreffen die Interaktion des Menschen mit<br />

dem System. Die an das System übergebenen<br />

Modelle müssen entsprechend bestehenden<br />

strengen Richtlinien aufgebaut sein, die eine<br />

automatisierte Modellveränderung zulassen.<br />

Dazu müssen Variablen in die Modelle eingeführt<br />

werden, die gesteuert werden können. Die<br />

zweite Interaktion betrifft die Interpretation der<br />

Ergebnisse nach dem Ablauf der Optimierung.<br />

Dem Bearbeiter sind geeignete grafische Darstellungen<br />

zur Verfügung zu stellen, welche die<br />

oftmals hohe Anzahl an Rechenläufen komprimiert<br />

und gut verständlich darstellen.<br />

Auswahl eines Algorithmus<br />

Der letzte, aber sehr wesentliche Punkt ist<br />

die Wahl eines geeigneten mathematischen<br />

Algorithmus. Nicht jeder Algorithmus ist für<br />

jede Problemstellung gleichermaßen geeignet.<br />

Daher ist es wichtig, den richtigen auszuwählen.<br />

Allerdings gibt es eine Vielzahl von<br />

unterschiedlichen Algorithmen und die Anwendungsempfehlungen<br />

sind oftmals sehr generell.<br />

Insofern ist dieser Schritt fallweise durch<br />

gezieltes Probieren erfolgreich zu bewältigen.<br />

Sind diese genannten Voraussetzungen geschaffen,<br />

können domänenübergreifende Gesamtsystemoptimierungen<br />

durchgeführt und


damit die Performance des Gesamtsystems<br />

verbessert werden.<br />

Beispielanwendung aus dem Projekt<br />

Multidisziplinäre Optimierung in der<br />

Fahrwerksentwicklung<br />

Die theoretischen Ausführungen wurden am<br />

VIRTUAL VEHICLE gemeinsam mit dem Forschungspartner<br />

Siemens in verschiedenen<br />

praktischen Anwendungen verifiziert.<br />

Eine Beispielanwendung aus der Fahrwerksentwicklung<br />

ist der klassische Widerspruch<br />

zwischen der Einhaltung des Lichtraumprofils<br />

und der Entgleisungssicherheit. Die zu optimierenden<br />

Variablen (Designvariablen) sind<br />

die Steifigkeit der Primärfeder in vertikaler<br />

Richtung (cz+) sowie die sekundäre Wanksteifigkeit<br />

(cw). Sind diese Steifigkeiten hoch, dann<br />

erreicht man zwar eine Reduktion der Wankbewegung,<br />

allerdings steigt dann auch die Tendenz<br />

zur Radentlastung in Verwindungen und<br />

damit die Entgleisungsgefahr. Eine zusätzliche<br />

Nebenbedingung ergibt sich durch den vorhandenen<br />

Bauraum, der eine obere Grenze der<br />

möglichen Federwege und somit eine Untergrenze<br />

der Federsteifigkeiten vorgibt.<br />

Die Sicherheit gegen Entgleisen ergibt sich aus<br />

dem Quotienten zwischen lateraler und vertikaler<br />

Rad-Schiene-Kraft. Die dazu notwendige<br />

Bestimmung der lateralen Führungskraft<br />

in einem 150m-Bogen erfolgt automatisiert<br />

durch MKS-Simulation. Die Berechnung des<br />

Wankverhaltens erfolgt durch ein iteratives<br />

analytisches Verfahren aus den Fahrzeugparametern.<br />

Der benötigte primäre Federweg zu<br />

einer gegebenen Primärvertikalsteifigkeit wird<br />

parallel dazu durch MKS-Simulation verschie-<br />

dener kritischer Szenarien<br />

bestimmt.<br />

Die spezifische Optimierungsumgebung<br />

für diese<br />

Problemstellung ist in Abbildung<br />

2 dargestellt. Sie<br />

muss die Durchgängigkeit<br />

der Datenstrukturen derart<br />

sicherstellen, dass alle beteiligten Simulationsläufe<br />

immer mit denselben, aktuellen Werten<br />

der Designvariablen ausgeführt werden.<br />

Der Berechnungsingenieur gibt dem Optimierungsset<br />

Zielfunktion und Nebenbedingungen<br />

vor, welche er aus der vorhandenen Aufgabenstellung<br />

ableitet. Die Optimierungsaufgabe<br />

kann in diesem Fall grafisch dargestellt werden<br />

(Abbildung 3), da nur zwei variable Größen (cw,<br />

cz+) vorhanden waren. Als Zielfunktion wurde<br />

die Minimierung des Neigekoeffizienten festgelegt.<br />

Die Isolinien dazu sind in Abbildung 3 blau<br />

gepunktet dargestellt. Die Entgleisungssicherheit<br />

muss als einschränkende Bedingung mit<br />

einem vorgegebenen Grenzwert beachtet werden<br />

(Abbildung 3, rote durchgezogene Linie).<br />

Damit bildet er zusammen mit dem maximal<br />

zulässigen Federweg (Abbildung 3, rote gestrichelte<br />

Linie) die Nebenbedingungen. Die Einschränkung<br />

der beiden Nebenbedingungen lassen<br />

nur ein kleines Lösungsgebiet zu, welches<br />

durch das grüne Dreieck repräsentiert wird.<br />

Die Aufgabe des Algorithmus besteht darin,<br />

das Lösungsgebiet möglichst unabhängig vom<br />

Startwert zu identifizieren und die beste Lösung<br />

dort aufzufinden. In Abbildung 3 ist solch<br />

ein möglicher Lauf dargestellt und die iterativen<br />

Zwischenlösungen eingezeichnet.<br />

Abbildung 3: Graphische Darstellung<br />

eines Optimierungslaufes unter<br />

Benutzung der ARSM<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Abbildung 2: Spezifische Optimierungsumgebung<br />

Entgleisungssicherheit vs. Neigekoeffizient mit<br />

Federwegsrestriktion<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Um die Stabilität der gefundenen Lösungen<br />

zu bewerten, wurden in weiterer Folge der<br />

Untersuchung Optimierungsalgorithmen und<br />

Startwerte variiert. Die Ergebnisse der Untersuchung<br />

zeigen einen klaren Zusammenhang<br />

zwischen Ergebnisgüte, Startwerten und Anzahl<br />

von Rechenläufen. Insofern ist es sinnvoll,<br />

die Algorithmen problemspezifisch zu wählen.<br />

Ist einmal die richtige Einstellung getroffen,<br />

läuft der Prozess automatisiert ab und kann<br />

daher dem Ingenieur als Auslegungswerkzeug<br />

entlastend zur Seite stehen. Dadurch kann man<br />

den Entwicklungsprozess beschleunigen, die<br />

Wiederholbarkeit von Entscheidungen verbessern<br />

sowie die Güte der Ergebnisse anheben.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Das Projekt zeigt das große Potenzial der<br />

Anwendung von numerischer Optimierung<br />

zur Steigerung der Effizienz im Bereich der<br />

Fahrwerksentwicklung auf. Im Zuge einer bereits<br />

erfolgten Generalisierung können diese<br />

Erkenntnisse auch auf andere Bereiche übertragen<br />

und damit die Vorteile einem breiteren<br />

Anwenderkreis zugeführt werden. Dazu laufen<br />

am VIRTUAL VEHICLE bereits weiterführende<br />

Projekte. ■<br />

Zum Autor<br />

DDI (FH) Michael Alb, M.A.<br />

ist Senior Researcher im<br />

Bereich Multidisziplinäre<br />

Optimierung am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

19


Interview<br />

Im Interview: Dr. Jochen Eickholt, Siemens AG<br />

Trends in der Schienenfahrzeugindustrie<br />

Die Entwicklung der Bahn der Zukunft wird in den nächsten Jahren primär kostengetrieben und weniger<br />

technologiegetrieben sein. Dr. Michael Schmeja befragte Dr. Jochen Eickholt (Siemens AG) zu aktuellen<br />

Trends in der Schienenfahrzeugindustrie.<br />

VVM: Herr Dr. Eickholt, Sie sind seit 1. Oktober<br />

2012 CEO der Siemens Rail Systems, wie geht<br />

es Ihnen?<br />

Eickholt: Danke der Nachfrage – ich fühle mich<br />

sehr wohl in meiner neuen Rolle. Das Geschäft<br />

mit Schienenfahrzeugen ist ein Aushängeschild<br />

für Siemens, ich habe die Verantwortung dafür<br />

sehr gerne übernommen. Nach drei Jahren als<br />

Verantwortlicher für Rail Automation ist das<br />

eine gute Möglichkeit, mich mit dem System Eisenbahn<br />

noch intensiver zu befassen. Wenn es<br />

um Schienenverkehrsfahrzeuge geht, sind die<br />

Menschen mit viel Begeisterung und Emotionen<br />

dabei – diese Leidenschaft teile ich. Allerdings<br />

hätte ich mir den Einstieg auch weniger turbulent<br />

vorstellen können. Konjunktureller Gegenwind<br />

und die Kaufzurückhaltung der Kunden<br />

sind Herausforderungen, mit denen wir in der<br />

nächsten Zeit fertig werden müssen.<br />

VVM: Die Automobilindustrie rüstet sich für die<br />

nächste Krise. Stimmt die alte Regel, dass das<br />

Eisenbahngeschäft antizyklisch ist?<br />

Eickholt: In der Vergangenheit hat sich im Eisenbahngeschäft<br />

mehrfach ein antizyklisches<br />

Verhalten gezeigt: Einer der Gründe liegt darin,<br />

20 magazine Nr. 14, II-2013<br />

dass Verkehrsprojekte finanziell längerfristig<br />

geplant sind und dann vielfach unabhängig von<br />

der Konjunktursituation vergeben werden. Ein<br />

anderer Grund ist, dass die Regierungen dazu<br />

neigen, die öffentlichen Ausgaben zu steigern,<br />

wenn die Konjunktur zurück geht, was häufig<br />

Infrastrukturprojekten und damit auch dem<br />

Ausbau bzw. der Erneuerung des Schienenverkehrs<br />

zu Gute kommt. Zurzeit beobachten<br />

wir das Ausbleiben von Aufträgen aus Ländern<br />

Südeuropas, wo zweifellos erheblicher Ersatzbedarf<br />

besteht, aber wegen der überschuldeten<br />

Haushalte konsequent gespart werden muss.<br />

Andererseits gibt es Märkte wie den russischen,<br />

der von dieser Entwicklung nicht betroffen ist.<br />

VVM: Nochmals der Vergleich mit der Automobilindustrie:<br />

Durch den Einzug der Mechatronik<br />

und der starken Diversifizierung in der Wertschöpfung<br />

ist die Komplexität in der Entwicklung<br />

kaum mehr beherrschbar. Steht die Eisenbahn<br />

bald vor einem ähnlichen Problem?<br />

Eickholt: Die Komplexität der Software für<br />

die Fahrzeugsteuerung nimmt weiter zu. Dies<br />

ist zweifelsohne eine Herausforderung, die<br />

aber beherrschbar ist. Unsere Ingenieure<br />

stellen sich auf die neuen Entwicklungen ent-<br />

Innen gelagertes Hochleistungsfahrwerk<br />

SF7000 für den englischen Markt<br />

Quelle: Siemens AG<br />

sprechend ein. Was die Diversifizierung in der<br />

Wertschöpfung betrifft: der Schienenfahrzeugbau<br />

ist – im Gegensatz zum Kraftfahrzeugbau<br />

– eher ein Anlagen- als ein Seriengeschäft. Die<br />

Stückzahlen sind vergleichsweise gering und<br />

besonders für den Fern- und Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />

weisen die länderspezifischen<br />

Betriebs- und Zulassungsbedingungen sowie<br />

die zum Teil auch historisch bedingten Wünsche<br />

der Betreiber erhebliche Unterschiede<br />

auf. Fahrzeuge können also nicht nach Katalog<br />

verkauft werden, sondern müssen in der Regel<br />

bei nahezu jedem Auftrag angepasst werden,<br />

was sich auf die Herstellungskosten auswirkt.<br />

Bei der Umsetzung der Kundenwünsche müssen<br />

wir künftig noch enger mit den Kunden zusammenarbeiten,<br />

damit die Anforderungen und<br />

Änderungen beherrschbar bleiben.<br />

VVM: Welche Trends und Herausforderungen<br />

sehen Sie im Bereich Rail Systems bis 2020 als<br />

relevant an und welche davon werden auch an<br />

das VIRTUAL VEHICLE adressiert?<br />

Eickholt: Die Entwicklung der Bahn der Zukunft<br />

wird in den nächsten Jahren primär<br />

kostengetrieben und weniger technologiegetrieben<br />

sein. Wenn Sie eine teure Maschine<br />

kaufen, dann versuchen Sie alles, um diese<br />

möglichst gut auszulasten. Übertragen auf die<br />

Eisenbahn bedeutet das eine noch intensivere<br />

Nutzung der Infrastruktur und der Fahrzeuge.<br />

Das heißt, die Zugfolgezeiten werden nochmals<br />

verringert werden, zusätzlich wird man die Kapazität<br />

durch eine Verstetigung des Geschwindigkeitsbandes<br />

erhöhen, indem der Güterverkehr<br />

entweder auf Strecken mit relativ geringer<br />

zulässiger Höchstgeschwindigkeit verlagert<br />

oder schneller wird und dadurch mehr Durchfluss<br />

möglich ist. Dies wird hohe Ansprüche an<br />

die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit und damit<br />

an Betrieb und Leittechnik stellen.<br />

In der Fahrzeugentwicklung geht der Trend<br />

nicht nur in Richtung virtuelle Entwicklung,<br />

sondern auch in Richtung virtuelles Testen und<br />

virtuelle Zulassung. Hier sehe ich insbesondere<br />

Ihr Forschungszentrum gefordert.


VVM: Wann wird das erste Schienenfahrzeug<br />

in Betrieb gehen, dass virtuell entwickelt, getestet<br />

und zugelassen wurde?<br />

Eickholt: Schon heute nutzen wir Verfahren<br />

zur virtuellen Entwicklung. Die „virtual reality“<br />

insbesondere bei der mechanischen und teilweise<br />

elektrischen Konstruktion ist schon sehr<br />

weit:<br />

• Unsere neuen Fahrzeuge sind komplett<br />

am Rechner in 3D erstellt, die daraus<br />

abgeleiteten Ansichten und Unterlagen<br />

werden weitgehend „papierlos“ direkt am<br />

Arbeitsplatz von Fertigung und Montage<br />

verwendet.<br />

• Statische und dynamische Festigkeit,<br />

Fahrkomfort und Fahrsicherheit werden<br />

rechnerisch optimiert.<br />

• Durch aerodynamische Simulationen wird<br />

die Fahrzeugform gestaltet, um niedrige<br />

Fahrwiderstände und somit geringen<br />

Antriebsenergiebedarf zu erzielen und<br />

die Kräfte auf entgegenkommende Fahrzeuge<br />

und auf Personen am Bahnsteig bei<br />

Vorbeifahrt zu minimieren.<br />

• Maßnahmen zur Verringerung der Brandausbreitung<br />

im Fahrzeug können ebenso<br />

per Simulation untersucht werden wie<br />

die akustischen Eigenschaften des Fahrzeugs.<br />

Auch bei der funktionalen Entwicklung, umgesetzt<br />

in Software-Programmen, die auf den<br />

zentralen Steuerungsrechnern der jeweiligen<br />

Subsysteme (z.B. Bremse, Fahrgastinformation,<br />

Antrieb) ablaufen, haben wir heute schon Simulationsverfahren,<br />

um zum Beispiel Hardware-<br />

Anschaltungen komplett zu simulieren. Nächste<br />

Schritte zur Verknüpfung beider Welten haben<br />

wir bei der Simulation des Fahrverhaltens, mit<br />

der die Beanspruchung des Antriebsstrangs<br />

ermittelt wird, punktuell bereits realisiert, was<br />

mittelfristig noch erheblich ausgeweitet wird.<br />

In dem von der EU geförderten Vorhaben Triotrain<br />

werden Wege erarbeitet, wie Simulationen<br />

bei Fahrzeugzulassungen künftig Versuche<br />

weitgehend ersetzen können, zunächst bezüglich<br />

Fahrsicherheit, Aerodynamik und Stromabnehmer.<br />

Eine weitgehend virtuelle Zulassung<br />

ist in fünf bis zehn Jahren vorstellbar.<br />

VVM: Graz hat mit der TU Graz und einer<br />

starken Kompetenzzentren-Landschaft ein<br />

sehr technikfreundliches Klima. Welche Rolle<br />

spielt die Nähe zur Universität für die Standortwahl?<br />

Eickholt: Demografische Studien zeigen eindeutig,<br />

dass es zu einer Verknappung von<br />

qualifizierten Arbeitskräften kommen wird. Wir<br />

wollen die Besten an uns binden, und damit<br />

uns das gelingt, müssen wir dort präsent sein,<br />

wo wir hochqualifizierte Mitarbeiter rekrutieren<br />

können.<br />

Um auf Graz zurück zu kommen, Sie haben<br />

hier das Institut für Eisenbahnwesen mit der renommierten<br />

Schienenfahrzeugtagung, das von<br />

Siemens mitfinanzierte Institut für Leichtbau<br />

mit dem großen Schwingprüfstand, die Fachhochschule<br />

mit dem Studiengang für Fahrzeugtechnik,<br />

die Montan-Universität in Leoben und<br />

das <strong>Virtual</strong> <strong>Vehicle</strong> mit 200 Mitarbeitern, bei<br />

dem auch Siemens von Anfang an beteiligt ist.<br />

Dies zusammen ergibt eine ungewöhnlich hohe<br />

Dichte an bahnaffiner Forschung.<br />

Wir haben seit 2008 mit Ihrem Zentrum eng<br />

im Bereich Forschung und Entwicklung zusammengearbeitet<br />

und konnten das attraktive<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

Interview<br />

Moderner Druckprüfstand zur Messung der Radlasten im Kompetenzzentrum Graz<br />

Quelle: Siemens AG<br />

Fördermodell nutzen. Diese Kombination aus<br />

Kompetenz, Förderung und interdisziplinärer<br />

Vernetzung an einem Ort ist eine ideale Voraussetzung<br />

für ein Weltkompetenzzentrum,<br />

wie wir es beispielsweise mit den Fahrwerken<br />

in Graz betreiben.<br />

VVM: Welche Erwartungen haben Sie an den<br />

Ingenieur der Zukunft?<br />

Eickholt: Der Ingenieur der Zukunft braucht<br />

weiterhin umfassende technisch physikalische<br />

Kenntnisse, um sich bei steigender Geschwindigkeit<br />

der Wissenserweiterung in seinem Arbeitsgebiet<br />

à jour halten zu können. Dazu benötigt<br />

er auch ein europaweites, besser noch<br />

ein weltweites Netzwerk zu einschlägigen<br />

Experten sowie die Fähigkeit, sich auf andere<br />

Kulturen einstellen zu können.<br />

Und er muss immer flexibler werden. Insbesondere<br />

die Informationstechnik, die immer mehr<br />

Einzug in unsere Fahrzeuge hält, entwickelt<br />

sich rasend schnell weiter, hier müssen sich<br />

auch die Ingenieure ständig weiterentwickeln.<br />

Weiterhin erfordert unsere globale Welt immer<br />

höhere Mobilität. Inbetriebsetzungsstellen<br />

weltweit, Werke in Schwellenländern und Koo-<br />

21


Interview<br />

perationen mit Lieferanten überall auf der Welt<br />

müssen flexibel bedient und mit einem hohen<br />

Anteil an Mobilität bearbeitet werden.<br />

VVM: VIRTUAL VEHICLE hat sich in zahlreichen<br />

Untersuchungen mit dem Arbeitsplatz<br />

der Zukunft beschäftigt. Wie sieht Ihr persönlicher<br />

Future Workplace aus?<br />

Eickholt: Die großen Trends und Treiber für den<br />

Arbeitsplatz der Zukunft liegen in der Globalisierung,<br />

der Verstärkung der Wissensintensität<br />

in der Arbeit und damit in der ständigen Notwendigkeit<br />

zum zeitnahen, ortsunabhängigen<br />

und unternehmensweiten Zugriff auf Wissen,<br />

Wissensträger und Problemlösungskompetenz.<br />

Es steht fest, dass der Arbeitsplatz der Zukunft<br />

mehr denn je durch den Einsatz modernster Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien<br />

geprägt sein wird. Auch das Verschmelzen von<br />

Arbeitszeit und Freizeit und die zunehmende<br />

Flexibilisierung und Mobilisierung der Arbeit<br />

sind hier zu nennen.<br />

Schon heute treffen die wesentlichen Treiber<br />

für den Arbeitsplatz der Zukunft aufeinander:<br />

steigende Verbreitung mobiler Endgeräte,<br />

steigender Bekanntheitsgrad sozialer Medien<br />

und Wahrnehmung ihrer Nützlichkeit aus<br />

dem privaten Umfeld, Mentalitätswandel der<br />

Menschen zum mobilen Arbeiten und die zunehmende<br />

Verfügbarkeit von Cloud-Services<br />

22 magazine Nr. 14, II-2013<br />

im privaten Bereich. In den Unternehmen wird<br />

die Transparenz über Wissen und Wissensträger<br />

steigen. Denn es ist oftmals wichtiger, die<br />

relevanten Wissensträger im Unternehmen zu<br />

identifizieren, als das explizite Wissen selbst.<br />

Damit entsteht ein umfassendes digitales Informationsangebot,<br />

welches über semantische<br />

Suchmaschinen unternehmensintern erschlossen<br />

werden kann.<br />

Obwohl Arbeit zunehmend digitalisiert und virtualisiert<br />

wird, bin ich der Ansicht, dass der physische<br />

Arbeitsort auch in Zukunft nicht gänzlich<br />

verschwinden wird. Denn Mitarbeiter benötigen<br />

immer einen Platz, um ihre sozialen Kontakte<br />

mit Kollegen zu pflegen.<br />

VVM: Gibt es im Leben eines Managers<br />

zwangsläufig ethische Zielkonflikte? Und wenn<br />

ja, wie gehen Sie damit um?<br />

Eickholt: Nein, zwangsläufige ethische Zielkonflikte<br />

gibt es nach meiner Einschätzung<br />

nicht. Ich persönlich kann mich in allen Situationen<br />

auf meine Lebens- und Managementerfahrung<br />

verlassen. Und dann haben wir<br />

bei Siemens eine Systematik, die in allen geschäftlichen<br />

Angelegenheiten ein verlässlicher<br />

Kompass ist: unser umfassendes Compliance-<br />

Programm ist für Führungskräfte und Mitarbeiter<br />

verbindlich – sozusagen ein Regelwerk, das<br />

den „Pfad der Tugend“ vorgibt. Das bedeutet im<br />

Hochgeschwindigkeitszüge für<br />

den Weltmarkt – Fertigung im<br />

Siemens-Werk in Krefeld<br />

Quelle: Siemens AG<br />

Klartext Verzicht auf Aufträge, die nur mit Korruption<br />

und anderen Mitteln erzielbar sind, die<br />

unserem Rechtssystem nicht entsprechen. Das<br />

bedeutet für uns Handeln auf der Basis unserer<br />

Werte sowie die Einhaltung von Regeln und<br />

Bestimmungen und die Förderung verantwortlicher<br />

Geschäftspraktiken.<br />

VVM: Herr Dr. Eickholt, eine letzte Frage: Worum<br />

geht es eigentlich im Leben?<br />

Eickholt: Die Frage hat ja eine private und eine<br />

berufliche Dimension. Ich werde mich bei der<br />

Antwort auf die berufliche Seite beschränken,<br />

dabei aber auch auf das private Umfeld hinweisen.<br />

Unser berufliches Umfeld ist geprägt<br />

von dem Wunsch nach Selbstverwirklichung<br />

am Arbeitsplatz. Wir wünschen uns anspruchsvolle<br />

und abwechslungsreiche Aufgaben, den<br />

Kontakt mit Mitarbeitern und Kunden, und die<br />

Möglichkeit, etwas zu bewegen. Das geht nur<br />

mit einem gesunden sozialen Umfeld und einer<br />

Familie, die Rückhalt und Rückzugsmöglichkeiten<br />

gibt. ■<br />

Industrie-Partner<br />

Dr. Jochen Eickholt<br />

verantwortet bei der<br />

Siemens AG als<br />

Leiter der Division<br />

Rail Systems im<br />

Sektor Infrastructure &<br />

Cities das Geschäft mit<br />

Schienenfahrzeugen.<br />

Die Division Rail Systems (11.500 Mitarbeiter,<br />

Stand 30.9.2012) umfasst das gesamte<br />

Schienenfahrzeuggeschäft von Siemens –<br />

von Eisenbahnen über Metros und Lokomotiven<br />

bis hin zu Straßen- und Stadtbahnen<br />

sowie dazugehörige Service-Leistungen.


Dank Optimierung effizient<br />

auf der Schiene unterwegs<br />

Sandungsanlagen unterstützen Eisenbahnen beim Beschleunigungs- und Abbremsvorgang. Die virtuelle<br />

Optimierung solcher Anlagen hilft, die ökologischen und ökonomischen Verbesserungen durchzuführen. Die<br />

Zusammenarbeit mit dem Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung der Technischen Universität<br />

Graz, Knorr-Bremse GmbH und Wiener Linien ermöglichte eine durch experimentelle Daten verifizierte<br />

Beschreibung einer Sandungsanlage.<br />

Verschmutzte, nasse oder vereiste Schienen<br />

stellen Schienenfahrzeuge verschiedenster<br />

Art beim Beschleunigen oder Verzögern vor<br />

spezielle Herausforderungen. Bei solchen Bedingungen<br />

wird der Reibwert zwischen Rad und<br />

Schiene aber auch zwischen Magnetschienenbremse<br />

und Schiene herabgesetzt, so dass<br />

Brems- oder Beschleunigungskräfte nur ungenügend<br />

übertragen werden können.<br />

Seit langer Zeit werden deshalb Sandungsanlagen<br />

eingesetzt, um Sand auf die Schiene<br />

aufzubringen und damit die Reibverhältnisse zu<br />

verbessern. Unter einer Sandungsanlage versteht<br />

man eine in Schienenfahrzeugen verwendete<br />

Einrichtung, bei der mit Hilfe von Druckluft<br />

Sand aus einem Sandkasten gefördert und über<br />

Rohre oder Schläuche in den Kontaktbereich<br />

zwischen Rad und Schiene eingebracht wird.<br />

Dort wird der Sand zermahlen und steigert somit<br />

den Reibwert.<br />

Ökonomische und ökologische<br />

Kriterien<br />

Für die Betreibergesellschaften sind neben der<br />

technischen Betriebssicherheit auch ökonomische<br />

Kriterien wie geringer Sandverbrauch<br />

bei höchster Effizienz maßgeblich, denn der<br />

Sand muss in Vorratsbehältern mitgeführt und<br />

regelmäßig nachgefüllt werden, was zusätzliche<br />

Kosten verursacht.<br />

Auch aus ökologischen Gründen ist ein möglichst<br />

geringer Sandeinsatz anzustreben. Denn<br />

der beim Überrollen zermahlene Sand erzeugt<br />

Rückstände, die entweder auf der Schiene zurückbleiben<br />

oder aufgewirbelt und in der Umgebung<br />

verteilt werden. Dies stellt einen Beitrag<br />

zur Feinstaubbelastung dar. Im Ernstfall können<br />

diese Rückstände auch zur Beschädigung von<br />

Rad und Schiene führen.<br />

Sandungsanlagen sind komplexe technische<br />

Systeme, in denen verschiedene Funktionen<br />

zuverlässig umgesetzt werden müssen. Dazu<br />

gehören zum Beispiel die Trockenhaltung des<br />

Sandes, die reproduzierbare Bereitstellung von<br />

bestimmten Massenströmen von Sand und Luft,<br />

und letztendlich die gezielte Ausbringung auf<br />

die Schienen. Gerade der letzte Punkt ist Gegenstand<br />

der hier vorgestellten Untersuchung,<br />

um eine optimale Geometrie-Variation des Sandungsrohrs<br />

zu erzielen. Vier Parameter sind<br />

dafür ausschlaggebend:<br />

• Druckverlust im Endstück<br />

• Die durchschnittliche Teilchen-<br />

geschwindigkeit nach dem Verlassen<br />

des Sandungsrohrs<br />

• Das Verhältnis der axialen und radialen<br />

Teilchengeschwindigkeit und der sich<br />

daraus ergebende Winkel zur Mittelachse<br />

des Sandstrahls<br />

• Der radiale Abstand der Teilchen von der<br />

Strahlachse<br />

Um das Verhalten dieser vier Zielgrößen analysieren<br />

zu können, wurden verschiedene virtuelle<br />

Kontrollebenen im Berechnungsgebiet<br />

definiert, an welchen die verschiedenen Eigenschaften<br />

untersucht werden. Die Simulation der<br />

vielversprechendsten Geometrievariation wurde<br />

im Laborversuch bei Knorr-Bremse GmbH<br />

bestätigt.<br />

So wurden die oben geschilderten Größen im<br />

Detail betrachtet:<br />

Druckverlust beim Endstück<br />

Durch ein verändertes Design des Endstückes<br />

ändern sich die Strömungsverhältnisse und<br />

auch der Druckverlust bei der Durchströmung<br />

(vgl. Abbildung 1). Um die Funktion der Sandungsanlage<br />

sicherzustellen, darf sich der<br />

Druckverlust nicht zu stark erhöhen.<br />

Durchschnittliche Teilchengeschwindigkeit<br />

Je schneller die Teilchen beim Verlassen des<br />

Sandrohrs sind, desto kleiner sind im Realbe-<br />

trieb die Effekte durch äußere Einflüsse wie<br />

Querströmungen – etwa durch Wind.<br />

Winkel zur Mittelachse des Sandstrahls<br />

Das Verhältnis von axialer zu radialer Teilchengeschwindigkeit<br />

und der sich daraus ergebende<br />

Winkel zur Mittelachse des Sandstrahls sind<br />

geeignet, die Bewegungsrichtung der Teilchen<br />

zu beschreiben. Der Mittelwert dieses Winkels<br />

über alle Teilchen ist somit ein Maß für die Fokussierung<br />

des Strahles.<br />

Radialer Abstand der Teilchen<br />

von der Strahlachse<br />

Zusätzlich wurde die Aufweitung des Strahles<br />

in einem bestimmten Abstand von der Austrittsöffnung<br />

des Sandrohrs untersucht. Diese ist definiert<br />

durch den radialen Abstand der Teilchen<br />

von der Strahlachse.<br />

Wissenschaftlicher Zugang<br />

Moderne Software-Pakete unter Berücksich-<br />

Abbildung 1: Simulation verschiedener Geometrien des<br />

Endstückes des Sandungsrohrs<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

23


tigung der Computational Fluid Dynamics<br />

(CFD) wie ANSYS-Fluent bieten eine Reihe<br />

unterschiedlicher Methoden, um Mehrphasenströmungen<br />

wie bei der Sandung abzubilden.<br />

Die Wahl des geeigneten Simulationsmodells<br />

ergibt sich aus den spezifischen Eigenschaften<br />

der vorliegenden Strömung. Von entscheidender<br />

Bedeutung sind hierbei die Stärke der<br />

Beladung, die Interaktion der einzelnen Phasen<br />

sowie die Ausbildung von möglichen freien<br />

Oberflächen.<br />

Für die geschilderte Aufgabenstellung wurde<br />

die partikelbeladene Strömung mittels eines<br />

Euler-Lagrangeschen Ansatzes abgebildet. Bei<br />

dieser Methode werden die einzelnen Sandteilchen<br />

als Punktmassen in der Simulation behandelt<br />

und die Wechselwirkung mit der Strömung<br />

abgebildet. Von besonderer Bedeutung<br />

in diesem Zusammenhang ist die theoretische<br />

Behandlung des Teilchen-Wand-Kontakts. Die<br />

Asphärizität der Sandteilchen, die Rauigkeit der<br />

Wand und andere Effekte stellten für die Simulation<br />

der Stöße zwischen den Sandteilchen<br />

und der Wand eine große Herausforderung dar.<br />

In der Simulation werden die oben genannten<br />

Schwierigkeiten gelöst, indem durch das sogenannte<br />

„virtual wall“-Konzept die Wand stochastisch<br />

geneigt wird. Eingangsparameter für<br />

diese Modellierung sind die Rotation der Teilchen,<br />

Elastizität und Reibungskoeffizient der<br />

Wand, sowie die Streuung der Wandneigung,<br />

welche zu einer statistischen Beschreibung des<br />

Wandabpralls führen. In Abbildung 2 ist das<br />

„virtual wall“-Konzept schematisch dargestellt.<br />

Optimierung<br />

24 magazine Nr. 14, II-2013<br />

Die in der CFD-Software Fluent als „user-defined<br />

function“ implementierte Methode zum<br />

Wandabprall wurde anhand von Laborversuchen<br />

verifiziert. Das resultierende Simulationsmodell<br />

wurde dann wiederum benutzt, um<br />

verschiedene Optimierungsstrategien für die<br />

Sandungsanlage zu untersuchen und zu analysieren.<br />

Hierfür wurde eine Reihe von Testfällen<br />

erstellt, in denen verschiedene Geometrievarianten<br />

umgesetzt sind.<br />

Realfall<br />

Für die genaue Abbildung der Sandung im realen<br />

Betrieb sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen.<br />

Ein tragfähiges Simulationsmodell für die<br />

Gas-Feststoff-Strömung ist erforderlich, insbesondere<br />

für die Strömung im Sandschlauch.<br />

Zusätzlich sind Erkenntnisse über die äußeren<br />

Einflüsse auf die Sandausbringung, also die<br />

Strömungsverhältnisse im Radhaus des Schienenfahrzeugs<br />

erforderlich.<br />

Die Geometrie des Schienenfahrzeugs hat einen<br />

maßgeblichen Einfluss auf die Effektivität<br />

der Sandungsanlage und muss daher in der<br />

Simulation berücksichtigt werden, wie ein Foto<br />

eines Sandungsvorgangs im Realbetrieb (Abbildung<br />

3) zeigt.<br />

Da die Berechnung der Teilchenbahnen im<br />

Allgemeinen transient zu behandeln ist, kann<br />

Abbildung 4: Simulation der Straßenbahnumströmung;<br />

Das Verhalten der Strömung ist durch Stromlinien<br />

visualisiert. Die Farben der Stromlinien spiegeln die<br />

Geschwindigkeit wider.<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Abbildung 2: Stochastische Beschreibung<br />

des Wandabpralls von Sandteilchen<br />

Quelle: Kahrimanovic/Pirker/Kloss, 2008<br />

die Simulation der Bremsung mit einem Vollmodell<br />

der Straßenbahn nicht in einem geeigneten<br />

Zeitrahmen durchgeführt werden. Aus<br />

diesem Grund wurde nur ein kleinerer Teil<br />

des Schienenfahrzeuges für die instationäre<br />

Berechnung herangezogen. Die dafür benötigten<br />

Randbedingungen an den Grenzen des<br />

Berechnungsgebietes werden aus einer stationären<br />

Simulation der Umströmung des gesamten<br />

Schienenfahrzeuges gewonnen und auf die<br />

Teildomäne des transienten Berechnungsgebietes<br />

aufgeprägt. Ergebnisse der Komplettberechnung<br />

sind in Abbildung 4 gezeigt. Diese<br />

Simulationen wurden durch Messungen der<br />

Luftgeschwindigkeiten am realen Schienenfahrzeug<br />

verifiziert, die in Zusammenarbeit mit den<br />

Wiener Linien und Knorr-Bremse GmbH durchgeführt<br />

wurden.


Abbildung 3: Sandstrahl im Realbetrieb<br />

Quelle: Knorr-Bremse GmbH<br />

Im Anschluss an die Komplettsimulation wurde<br />

eine transiente Simulation der Teildomäne der<br />

Straßenbahn durchgeführt. Hierbei war es nun<br />

möglich, verschiedene Geometrievarianten virtuell<br />

miteinander zu vergleichen und Optimierungspotenziale<br />

aufzuzeigen.<br />

Ergebnisse einer solchen Simulation sind in<br />

den Abbildungen 5 und 6 gezeigt. In diesen<br />

Abbildungen ist das Verhalten der Teilchen gut<br />

erkennbar. Während der Auswertung der erhaltenen<br />

Daten, wird die Verteilung der Teilchen<br />

auf der Schiene ermittelt.<br />

Diskussion<br />

Die Effektivität der Sandung wird durch die<br />

Menge des Sandes bestimmt, welcher direkt<br />

vor dem Rad auf die Schiene trifft. Zur Berechnung<br />

dieser Sandmasse wurde ein durch<br />

Experimente validierter Simulationsprozess<br />

entwickelt, welcher es erlaubt, die wesentlichen<br />

involvierten physikalischen Prozesse abzubilden.<br />

Somit ist es möglich, verschiedene Geometrievarianten<br />

miteinander zu vergleichen und<br />

Optimierungspotenziale zu identifizieren. ■<br />

Abbildung 6: Virtuelle Abbildung des Sandstrahls (II / von unten betrachtet).<br />

Die Farben kennzeichnen unterschiedlich schwere Teilchen.<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Zu den Autoren<br />

DI Sebastian Möller<br />

forscht im Bereich<br />

Aerodynamics und 3D-<br />

Simulation bei VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

Institut für Strömungslehre und<br />

Wärmeübertragung, TU Graz<br />

Leitung: Univ.-Prof. Günter Brenn<br />

Die Forschungsgebiete des Instituts<br />

umfassen Strömungsmesstechnik,<br />

mehrphasige Strömungen, Aerodynamik,<br />

Numerische Simulation und<br />

Modellbildung, sowie Wärme- und<br />

Stoffübertragung. Bearbeitet werden<br />

die Ausbreitung von Druckwellen, die<br />

Abbildung 5: Virtuelle Abbildung des Sandstrahls (l / seitliche Ansicht).<br />

Die Farben kennzeichnen unterschiedlich schwere Teilchen.<br />

Dr. Daniel Langmayr<br />

ist Key Researcher im<br />

Bereich Aerodynamics<br />

und 3D-Simulation bei<br />

VIRTUAL VEHICLE.<br />

Berechnung turbulenter Strömungen mit<br />

chemischen Reaktionen, die Aerodynamik<br />

des Skisprungs, Wärmeübertragung<br />

mit Phasenwechsel, sowie die Kollision<br />

flüssiger Tropfen.<br />

Auf direkte Kooperationen mit der Industrie<br />

wird großer Wert gelegt. Das Institut<br />

hat u.a. zwei Windkanäle, (optische)<br />

Strömungsmesstechnik, einen Parallelrechner<br />

und diverse Laborausstattung.<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

25


Verbesserte Prognosesicherheit bei der<br />

Komfortauslegung von Schienenfahrzeugen<br />

Der Fahrkomfort ist ein wichtiger Faktor, um Reisende für die Benützung der Bahn zu begeistern. Daher<br />

sind Fragestellungen des Komforts bei der Entwicklung und Auslegung von Schienenfahrzeugen von großer<br />

Bedeutung. Die Anforderungen an die virtuelle Produktentwicklung von Schienenfahrzeugen steigen deutlich,<br />

da sowohl der Fahrkomfort verbessert werden soll, gleichzeitig aber die Kosten und Entwicklungszeiten<br />

reduziert werden müssen.<br />

Die Komfortbeurteilung<br />

Bei Schienenfahrzeugen wird der Fahrkomfort<br />

typischerweise durch Messung von Beschleunigungen<br />

an spezifischen Punkten auf dem<br />

Fußboden des Wagenkastens beurteilt. Da<br />

Schienenfahrzeuge aufgrund der relativ geringen<br />

Stückzahlen praktisch immer prototypenfrei<br />

entwickelt werden, kommt der Komfortauslegung<br />

über Simulation als Prognosewerkzeug<br />

eine große Bedeutung zu. Dafür ist jedoch eine<br />

genaue Validierung der Simulationsmodelle<br />

unumgänglich. Beim Vergleich von rechnerisch<br />

ermittelten Komfortbewertungen mit experimentellen<br />

Bewertungsergebnissen zeigen sich<br />

allerdings immer wieder nicht zuordenbare Unterschiede.<br />

Diese Unterschiede sind zum Teil<br />

auf Unsicherheiten in den Randbedingungen<br />

von Simulation und Messfahrt zurückzuführen,<br />

dazu gehören z.B. die Gleislage oder nicht<br />

bekannte Schienenprofile. Neben der Modellierung<br />

von Fahrwerkskomponenten zeigt sich,<br />

dass die Vernachlässigung von strukturdynamischen<br />

Eigenschaften des Wagenkastens<br />

26 magazine Nr. 14, II-2013<br />

für die Abweichungen verantwortlich gemacht<br />

werden kann. Gemeinsam mit dem Industriepartner<br />

Siemens und dem Institut für Mechanik<br />

der Montanuniversität Leoben werden am<br />

VIRTUAL VEHICLE der Prozess der virtuellen<br />

Komfortbeurteilung von Schienenfahrzeugen<br />

untersucht und Optimierungsmaßnahmen am<br />

Fahrzeugmodell identifiziert, um zukünftig die<br />

Prognosequalität der Komfortauslegung weiter<br />

erhöhen zu können.<br />

Validierung der Berechnungsmodelle<br />

im Experiment<br />

Entsprechend dem V-Modell (Abbildung 1) der<br />

virtuellen Produktentwicklung werden Simulationen<br />

und Messungen auf Komponenten-,<br />

Subsystem- und Gesamtfahrzeugebene gegenübergestellt.<br />

Auf Komponentenebene werden<br />

Prüfstandsversuche durchgeführt, um die<br />

grundlegenden dynamischen Eigenschaften<br />

von Koppelelementen wie Federn, Dämpfer und<br />

Gummielementen etc. aufzunehmen. Anhand<br />

der Messungen werden die Komponentenmo-<br />

Abbildung 1: V-Modell der Fahrzeugentwicklung und Anwendung auf die Komfortauslegung von Schienenfahrzeugen<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

delle parametriert. Die parametrierten Komponentenmodelle<br />

müssen wiederum erneut mit<br />

den Komponentenmessungen verglichen werden,<br />

um sicher zu stellen, dass die jeweiligen<br />

Komponenten in der Simulation ausreichend<br />

genau abgebildet worden sind. Auf Subsystemebene<br />

wurden die strukturdynamischen<br />

Eigenschaften des Wagenkastens in unterschiedlichen<br />

Ausbauzuständen mittels Modalanalysemessungen<br />

ermittelt, d.h. im Rohbauzustand,<br />

als teilweise ausgebauter Wagenkasten<br />

und als voll ausgebauter Wagenkasten. Die<br />

komfortrelevanten dynamischen Eigenschaften<br />

des Fahrwerks wurden mittels Keilversuchen<br />

ermittelt. Auf Gesamtsystemebene wurden<br />

Streckenversuche am Eisenbahnversuchsring<br />

in Velim (CZ) durchgeführt.<br />

Keilversuche<br />

Für die messtechnische Ermittlung der Strukturschwingungen<br />

des Wagenkastens wurden<br />

Modalanalysen mit elektrodynamischen<br />

Schwingerregern durchgeführt. Wegen der er-


höhten Dämpfung der Starrkörpereigenformen<br />

eines gesamten Schienenfahrzeugs ist eine<br />

klassische Modalanalyse mittels elektrodynamischen<br />

Schwingerregers zur Identifikation<br />

der Starrkörperschwingformen nicht möglich.<br />

Zudem liegen die Eigenfrequenzen der Starrkörpermoden<br />

in einem Bereich, in dem auch<br />

typischerweise die Eigenfrequenzen der elektrodynamischen<br />

Schwingerreger liegen.<br />

Daher wurden Keilversuche durchgeführt. Bei<br />

einem Keilversuch wird ein gesamtes Schienenfahrzeug<br />

über Keile geschoben, die vor den<br />

Rädern auf den Schienen platziert sind (Abbildung<br />

2). Durch das Fallen des Fahrzeugs vom<br />

Keil und Auftreffen auf dem Gleis wird ein Eingangssprung<br />

erzeugt und damit das Fahrzeug<br />

mit einem breiten Anregungsspektrum angeregt.<br />

Aus der Antwort des Fahrzeugs auf diesen<br />

Eingangssprung können im nächsten Schritt<br />

die Eigenfrequenzen ermittelt werden. Je nach<br />

Anordnung der Keile unter dem Fahrzeug kann<br />

die Anregung spezifischer Eigenformen wie z.<br />

B. Nick-, Tauch- oder Wankbewegungen des<br />

Wagenkastens oder des Fahrwerks angeregt<br />

werden.<br />

Äquivalent zum Realversuch wurde der Keilversuch<br />

auch in der Simulation durchgeführt. In<br />

der Auswertung der Keilversuche wurden neben<br />

den Eigenfrequenzen und der Dämpfungen<br />

auch die Eigenvektoren identifiziert. Durch die<br />

Verfügbarkeit der Eigenvektoren wird es möglich,<br />

die komfortrelevanten Eigenbewegungen<br />

vollständig zu beschreiben und zu valideren.<br />

Abbildung 2: Platzierung eines Keiles vor den Rädern<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Modellierung des elastischen<br />

Wagenkastens<br />

Die Validierung des FE-Modells wird mit den<br />

Ergebnissen aus der experimentellen Modalanalyse<br />

durchgeführt. Dabei werden Eigenfrequenzen<br />

und Eigenvektoren der Berechnung<br />

und der Messung korreliert. Einen entscheidenden<br />

Einfluss auf die Ergebnisse haben z.B.<br />

die Wahl der Finiten-Element-Typen sowie die<br />

Diskretisierung des Modells (Abbildung 3). Damit<br />

kann ein Optimum zwischen Ergebnisqualität<br />

und Berechnungszeit gefunden werden.<br />

Streckenversuche und Validierung<br />

der Komfortbeurteilung<br />

Nach der Validierung der Komponenten und<br />

Sub-Systeme muss die abschließende Validierung<br />

der Gesamtsystemsimulation unter möglichst<br />

betriebsnahen Bedingungen erfolgen.<br />

Dafür wurden am Eisenbahnversuchsring in<br />

Velim in Tschechien Messfahrten durchgeführt.<br />

Auf dem ca. 13 km langen Testring sind Fahrgeschwindigkeiten<br />

bis zu 230 km/h möglich.<br />

Essentiell für die Validierung des dynamischen<br />

Gesamtsystems Schienenfahrzeug ist die<br />

Aufnahme der Randbedingungen des realen<br />

Streckenversuchs; dazu gehören Trassierung,<br />

Gleislagefehler, Rad-Schiene-Profile sowie<br />

Oberbau-Charakteristiken. Auf die Randbedingungen<br />

des Streckenversuchs wurde bei den<br />

Streckenversuchen ein besonderer Schwerpunkt<br />

gelegt, um die Vergleichbarkeit der Messergebnisse<br />

mit den Fahrkomfortsimulationen<br />

gewährleisten zu können.<br />

Die strukturdynamischen Eigenschaften des<br />

Wagenkastens müssen in der Fahrkomfortsimulation<br />

durch die Mehrkörpersystem (MKS)<br />

Simulation berücksichtigt werden. Dafür muss<br />

das komplexe FE-Modell des Wagenkastens<br />

geeignet reduziert und in die MKS-Welt eingebunden<br />

werden. Für die Modellreduktion wurden<br />

klassische Verfahren wie die Guyan und<br />

die Craig Bampton Methode verwendet, um<br />

den Zielkonflikt zwischen der Ergebnisqualität<br />

der Simulation und der Rechenzeit bestmöglich<br />

zu lösen.<br />

Abbildung 3: Eigenform Dachquerschwingung des elastischen<br />

Rohbau-Wagenkastens<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Die Weiterentwicklung von Validierungsmethoden,<br />

wie z.B. des Keilversuchs in Kombination<br />

mit neuen Auswerteverfahren erlauben eine<br />

treffsichere Identifikation von Schwachstellen<br />

in den Simulationsmodellen sowie die Beurteilung<br />

des quantitativen Einflusses dieser<br />

Schwachstellen auf die Zielgröße der Validierung,<br />

sprich den Komfortwert. Durch die anschließende<br />

zielgerichtete Weiterentwicklung<br />

der Simulationsmodelle wie z.B. des elastischen<br />

Wagenkastens oder Komponenten am<br />

Fahrwerk kann der Komfortwert mit einer Genauigkeit<br />

von rund 10 % durch die Simulation<br />

prognostiziert werden.<br />

Durch die konsequente Validierung der Simulationsmodelle<br />

von der Komponenten- bis zur<br />

Gesamtfahrzeugebene, der gezielten Schwachstellenanalyse<br />

und der anschließenden zielgerichteten<br />

Verbesserung der Modellierung kann<br />

damit vor allem das Entwicklungsrisiko für zukünftige<br />

Projekte deutlich reduziert werden. ■<br />

Zum Autor<br />

Dr. Martin Rosenberger<br />

ist stellvertretender Bereichsleiter<br />

des Bereichs<br />

„Mechanics & Materials“<br />

am VIRTUAL VEHICLE<br />

Projektpartner<br />

• Institut für Mechanik;<br />

Montanuniversität Leoben<br />

• Siemens AG<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

27


Durchgängige Toolketten für<br />

E/E-Systeme im Eisenbahnbereich<br />

E/E-Systeme erlangen im Schienenverkehr eine immer größere Bedeutung. Mit der Komplexität der<br />

Entwicklung steigt auch die Anzahl der eingesetzten Software-Entwicklungswerkzeuge. Aktuell eingesetzte<br />

Tools erschweren ein Umsetzen sicherheitsrelevanter Normen, da Schnittstellenbrüche eine effiziente<br />

Kommunikation verhindern. Schwerpunkte am VIRTUAL VEHICLE sind Analysen und Optimierung der<br />

Toollandschaft bei der Entwicklung von sicherheitskritischen Systemen.<br />

Wie in vielen technischen Bereichen finden<br />

E/E-Systeme für Eisenbahnen eine immer<br />

weitere Verbreitung. Eine Vielzahl technischer<br />

Funktionen wird verstärkt durch den Einsatz<br />

von Elektronik realisiert, um unterschiedliche<br />

Anforderungen effizient abdecken zu können.<br />

Komfortfunktionen wie die Heizung in Zugabteilen<br />

mussten früher per Hand geregelt werden.<br />

Mittlerweile sind elektronisch gesteuerte<br />

Regelkreise für die individuelle Klimatisierung<br />

der Abteile Stand der Technik. Zudem hat der<br />

Passagier als Kunde eine Vielzahl an Wünschen,<br />

die heute als selbstverständlich erachtet<br />

werden: So will man nicht nur eine geschlossene<br />

Mobilfunkverbindung im Zug, Internet soll<br />

auch noch zur Verfügung stehen, und das möglichst<br />

schnell und sicher. Elektronische Systeme<br />

haben auch im Hintergrund viele wichtige<br />

Aufgaben, die der Passagier nicht wahrnimmt.<br />

Signalsysteme dienen zur permanenten Überwachung<br />

der Sicherheit von Strecke und Zug.<br />

Damit verbunden ist eine Vielzahl an Sensorik,<br />

die den sicheren Zustand des Zuges und des<br />

Gleissystems gewährleisten soll. Neue Bahnsysteme<br />

sind verstärkt für höhere Geschwindigkeiten<br />

ausgelegt und fordern daher zusätzliche<br />

Sicherheitsmaßnahmen, um die Risiken im Versagensfall<br />

zu minimieren.<br />

Die Vielzahl der Anforderungen an das Gesamtsystem<br />

ist mit den aktuell eingesetzten<br />

Entwicklungsansätzen kaum mehr umsetzbar.<br />

Die Systemarchitektur wird derzeit oft in einem<br />

Zeichentool, eine Sicherheitsanalyse in einer<br />

Tabellenkalkulation und der abschließende Bericht<br />

in einem Textverarbeitungstool erstellt.<br />

Änderungen müssen manuell eingegeben werden<br />

und stellen ein großes Fehlerpotential dar.<br />

Das Löschen einer einzelnen Zelle in einem<br />

Tabellenkalkulationsprogramm kann in Extremfällen<br />

zu einer Gefährdung für den Bahnkunden<br />

führen. Es ist schwierig für den Gesamtprozess<br />

eine Konsistenz zu wahren, da die Tools nicht<br />

gekoppelt sind. Eine Methodik mit getrennten<br />

Tools ist nur für kleinere Projekte sowie für geringe<br />

Änderungen geeignet.<br />

28 magazine Nr. 14, II-2013<br />

Durchgängigkeit der Toolkette als<br />

Schlüssel zu sicheren E/E-Systemen<br />

Bei der Entwicklung von sicherheitskritischen<br />

Systemen kommen üblicherweise mehrere<br />

Softwaretools zum Einsatz, die jeweils eine<br />

spezifische Aufgabe erfüllen. Diese Tools werden<br />

von Spezialisten bedient, die für die jeweiligen<br />

Aufgaben zuständig sind. So erstellt zum<br />

Beispiel ein Sicherheitsingenieur die Sicherheitsanalysen<br />

mit Hilfe eines geeigneten Tools.<br />

Um die Entwicklungsdaten über die Toolkette<br />

hinweg austauschen zu können, gibt es grundsätzlich<br />

mehrere Möglichkeiten:<br />

1. Austausch über Import/Exportfunktionen<br />

Der Großteil der kommerziellen Tools arbeitet<br />

nach diesem Schema. Daten werden über<br />

Import- und Exportfunktionen ausgetauscht.<br />

Abbildung 1 zeigt den Informationsfluss bei der<br />

Verbindung von zwei Tools über Import/Exportfunktionen.<br />

Beim Import von Daten können je nach Tool Daten<br />

verloren gehen, da ein fremdes Format erst<br />

in ein natives Datenformat konvertiert werden<br />

muss. Der Benutzer des Tools fügt im Rahmen<br />

der Entwicklungstätigkeit Daten hinzu, zum Beispiel<br />

werden Sicherheitsanalysen auf Basis der<br />

vorhandenen Systemarchitektur erstellt. Wenn<br />

bei diesen Sicherheitsanalysen Schwachstellen<br />

der Systemarchitektur aufgedeckt werden, ist<br />

eine Korrektur notwendig, z.B. durch den Einbau<br />

zusätzlicher Diagnosefunktionen. Dadurch<br />

wird in den Daten eine Rückführungsschleife<br />

notwendig. Für wenig umfangreiche Daten kann<br />

dies manuell durchgeführt werden, bei größeren<br />

Umfängen muss eine geeignete Datenzusammenführung<br />

erfolgen (Diff/Merge). Die<br />

Entwicklung erfolgt üblicherweise in mehreren<br />

Schritten, d.h. die erzeugten Schleifen werden<br />

auch mehrfach durchlaufen. Die Kopplung von<br />

Tools über Import- und Exportfunktionen bringt<br />

dadurch zusätzliche Komplexität in den Entwicklungsprozess.<br />

Diff /<br />

Merge<br />

Abbildung 1: Datenfluss beim<br />

Austausch über Import/Export<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

File Type<br />

Predecessing Tool<br />

Change<br />

Add<br />

File Type<br />

Tool A<br />

File<br />

Type Tool B<br />

Change<br />

Add<br />

File Type<br />

Tool B<br />

File<br />

Type<br />

Tool C<br />

User<br />

User<br />

2. Austausch von Daten über gemeinsame<br />

Datenbanken<br />

Mehrere Tools können ihre Daten über gemeinsame<br />

Datenbanken ablegen und dadurch<br />

synchronisieren. Dieser Ansatz erfordert abgestimmte<br />

Metamodelle sowie eine gewisse<br />

Offenheit der Toolhersteller. Nachteil dieses<br />

Ansatzes ist die fehlende Rückwärtskompatibilität<br />

zu bereits in der Entwicklung verwendeten<br />

Tools.


3. Austausch von Daten über Nachrichten-<br />

versand zwischen den Tools<br />

Anstatt eine gemeinsame Datenbank zu nutzen,<br />

ist es auch möglich, dass Tools ihre selbst<br />

verwalteten Daten über Nachrichten synchronisieren.<br />

Dazu werden Steuerungsdaten generiert<br />

und zwischen den Systemen hin und her<br />

gesendet, um einen geregelten Austausch der<br />

Produktivdaten zu ermöglichen. Für typische<br />

Entwicklungswerkzeuge ist dieser Ansatz aktuell<br />

noch nicht verbreitet.<br />

4. Enge Toolkopplung durch gemeinsame<br />

Datenstrukturen<br />

Eine sehr enge Verzahnung von Tools lässt sich<br />

erreichen, indem gemeinsame Datenstrukturen<br />

verwendet werden. Dies erfordert eine enge<br />

Kooperation zwischen den Toolherstellern. Ein<br />

Beispiel für eine enge Toolkopplung ist die Integration<br />

von MS Visio in das PLM-Tool Teamcenter.<br />

Anforderungen an die Toolkette für<br />

E/E-Systeme im Eisenbahnbereich<br />

Für den Schienenverkehr sind bei der Entwicklung<br />

von sicherheitskritischen E/E-Systemen<br />

die Normen EN 50126, EN 50128 und EN 50129<br />

anzuwenden. Die Inhalte der Normen sind sehr<br />

umfangreich und betreffen mannigfaltige Aspekte<br />

des Entwicklungsprozesses: Vorgaben<br />

für das Management, die Entwicklungs- und<br />

Analysemethodik, Verifikations- und Validierungsmaßnahmen<br />

sowie anzuwendende Sicherheitsanalysen.<br />

Die wichtigsten Tools zur Erfüllung der Norm<br />

decken dabei folgende Aufgaben ab:<br />

1. Product Lifecycle Management<br />

2. Anforderungsmanagement<br />

3. Systemarchitektur<br />

4. Sicherheitsanalysen<br />

Über die in diesen Prozessen eingesetzten<br />

Tools hinweg erfordert die Norm EN50126 die<br />

Rückverfolgbarkeit der Anforderungen über<br />

dem gesamten Tooleinsatz. Für die Sicherheitsanalysen<br />

ist ein zertifiziertes Tool nach<br />

EN5012x notwendig, das eine Verlinkung der<br />

Sicherheitsanalysen (FMEA, FTA, Common<br />

Cause Failure Analyse) zur Systemarchitektur<br />

erlaubt. In allen Tools muss eine automatisierte<br />

Erstellung von Dokumenten möglich sein. Die<br />

größte Herausforderung besteht darin, dass<br />

die gesamte Toolkette für Änderungen und Entwicklungsschleifen<br />

geeignet sein muss.<br />

Abbildung 2.: Derzeitige Schnittstellenbrüche in der Safety-Toolkette im Schienenverkehr<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

Lösungsmöglichkeiten für die E/E-<br />

Toolkette im Eisenbahnbereich<br />

Da gängige Tools zwar untereinander keine<br />

Kopplung aufweisen, in den meisten Fällen jedoch<br />

standardisierte Schnittstellen zum Datentausch<br />

anbieten, kann in einem ersten Schritt<br />

eine Toolkette eingerichtet werden. Dadurch<br />

wird die eine Durchgängigkeit der Systeme<br />

noch nicht erreicht, jedoch durch automatisierten<br />

Datentausch eine Prozessverbesserung<br />

erzielt, da manuelle Übertragungsfehler ausgeschlossen<br />

werden können.<br />

Weitere Verbesserungen der Entwicklungsprozesse<br />

erzielt man durch den Einsatz von Notationssprachen<br />

im Entwicklungsprozess. Dadurch<br />

werden viele Schritte durch eine durchgehende<br />

Notation der Systemarchitektur formalisiert<br />

und vereinheitlicht. Hier zeichnet sich ab, dass<br />

der SysML-Standard zur Modellierung in der<br />

Industrie eine entscheidende Rolle einnimmt.<br />

SysML-Tools wie etwa Enterprise Architect verfügen<br />

in der Regel über Exportmöglichkeiten<br />

der modellierten Systemarchitektur von Hardware-<br />

und Softwarekomponenten einschließlich<br />

möglicher Fehlfunktionen.<br />

Damit kann bereits zu Beginn des Projektes ein<br />

„Top-Down“-Ansatz in der Entwicklung verfolgt<br />

werden, auf dem in weiterer Folge Risiko- und<br />

Gefährdungsanalysen aufsetzen können. Die<br />

aufgebaute Struktur des Systems kann durch<br />

entsprechende Werkzeuge für die Sicherheits-<br />

und Gefährdungsanalyse direkt eingelesen<br />

werden.<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Der Datentausch zwischen den Werkzeugen<br />

und der gezielte Einsatz von Notationssprachen<br />

für die Abbildung der Systemarchitektur sind<br />

am VIRTUAL VEHICLE Gegenstände aktueller<br />

Forschung. Der Fokus liegt vor allem auf der<br />

Analyse der Fähigkeiten aktueller Tools sowie<br />

Erarbeitung von Maßnahmen zur Schließung<br />

von Lücken für eine durchgängige Toolkette im<br />

Eisenbahnbereich.<br />

Am VIRTUAL VEHICLE hat daher das Thema<br />

Durchgängigkeit von Toolketten im Rahmen<br />

von Systems Engineering in Kombination mit<br />

sicheren E/E-Systemen einen besonderen Stellenwert<br />

erlangt und wird im Rahmen von Projekten<br />

in Zusammenarbeit mit Industriepartnern<br />

erforscht. Schwerpunkte liegen auf den Gebieten<br />

der Konzeptphase, Systemmodellierung,<br />

Sicherheitsanalysen, Integration der Sicherheit<br />

in bestehende Entwicklungsprozesse sowie<br />

Sicherheitszertifizierung von E/E-Systemen. ■<br />

Zu den Autoren<br />

DI Joachim Hillebrand<br />

leitet die Gruppe für<br />

Embedded Systems am<br />

VIRTUAL VEHICLE.<br />

DI Peter Reichenpfader<br />

ist Senior Researcher<br />

im Bereich Embedded<br />

Systems am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

29


Gastbeitrag<br />

Das Institut für Eisenbahnwesen und<br />

Verkehrswirtschaft der TU Graz stellt sich vor<br />

Impulse für ein betrieblich, technisch und wirtschaftlich erfolgreiches System Bahn: Das Institut für<br />

Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft steht für eine umfassende Sicht auf das System Bahn und berücksichtigt<br />

neben wirtschaftlichen auch betriebliche und technische Aspekte. Seit 2006 besteht eine Zusammenarbeit<br />

zwischen dem Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft und dem VIRTUAL VEHICLE.<br />

Das Eisenbahnwesen im Wandel<br />

Das Eisenbahnwesen in Europa befindet sich in<br />

einem massiven Wandel. Zur Stärkung der Eisenbahn<br />

geht die Europäische Union den Weg<br />

der Stärkung der Bahnen durch Steigerung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit. Diese soll durch<br />

eine Liberalisierung erreicht werden, die es<br />

allen Eisenbahnverkehrsunternehmen gestattet,<br />

auf allen Netzen zu fahren. Das erfordert<br />

eine Trennung von Infrastruktur und Eisenbahnverkehrsunternehmen.<br />

Sprechen die<br />

Einen von einem notwendigen Schritt mit bereits<br />

vielen Erfolgen, sprechen Andere davon,<br />

dass die Eisenbahn genau in jenem Punkt zerschnitten<br />

wird, in dem „Eisenbahn“ eigentlich<br />

stattfindet, dem Kontaktpunkt Rad-Schiene.<br />

Das Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft<br />

bezieht hier klare Position: Ja, wir<br />

brauchen einen starken technischen Fokus.<br />

Und wir müssen technische und auch betriebliche<br />

Gesetzmäßigkeiten identifizieren und in<br />

ihren Zusammenhängen darstellen.<br />

Zudem bin ich als Institutsvorstand überzeugt,<br />

dass Innovationen im heutigen Umfeld schwer<br />

umsetzbar sind.<br />

Umsetzung von Innovationen oft<br />

schwierig<br />

Die Gründe dafür sind vielfältig: Juristische<br />

Richtlinien machen die technische und betriebliche<br />

Umsetzung oft schwierig. Der wirtschaftliche<br />

Erfolg einer Innovation muss vorab<br />

berechnet werden, um sie umsetzen zu können.<br />

Für eine umfassende Beurteilung des Erfolges<br />

einer Innovation im Eisenbahnwesen, einer<br />

Strategie oder ganz allgemein einer Variante<br />

im wirtschaftlichen Sinne, muss allerdings das<br />

Gesamtsystem Bahn berücksichtigt werden.<br />

Schließlich wird die Innovation dort umgesetzt<br />

und auch wirksam.<br />

Es lassen sich viele Beispiele zu dieser Problematik<br />

anführen: Ein Fahrzeug mit besseren<br />

Laufeigenschaften wird wahrscheinlich teurer<br />

30 magazine Nr. 14, II-2013<br />

sein, schont aber die Infrastruktur und kann somit<br />

zum Gesamtoptimum beitragen.<br />

Ein verbesserter nachhaltiger Oberbau ist in<br />

der Investition zwar teurer, reduziert aber den<br />

Instandhaltungsbedarf, verlängert die Nutzungsdauer<br />

und reduziert damit betriebliche<br />

Behinderungen, was wiederum den Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />

zu Gute kommt.<br />

Das bedeutendste Lenkungsinstrument, das in<br />

dieser Weise erst ausgestaltet werden muss,<br />

sind Trassenpreise als Schnittpunkt zwischen<br />

Infrastruktur und Eisenbahnverkehrsunternehmen.<br />

Hier müssen Auswirkungen betrieblicher<br />

Behinderungen ebenso berücksichtigt<br />

werden wie Qualitäten von Fahrzeugen, Betriebskonzepten<br />

und dem Fahrweg. Aus diesem<br />

Grund stellt eine systemadäquate Ausgestaltung<br />

des Trassenpreissystems der Eisenbahn<br />

einen Forschungsschwerpunkt des<br />

Instituts dar.<br />

Abbildung 1: Instandsetzung Fahrbahn unter Betrieb<br />

Quelle: TU Graz, Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft<br />

Forschungsprojekte<br />

Die Trennung von Fahrweg und Betrieb und<br />

die Möglichkeit für Dritte, das Schienennetz<br />

zu nutzen, machte Forschungen zur Bestimmung<br />

von betrieblichen Folgekosten erforderlich.<br />

Daraus entwickelten sich Arbeiten<br />

zu Betriebserschwerniskosten und Dauerlangsamfahrstellen.<br />

Zudem zeigte sich ein<br />

relevanter Zusammenhang zwischen Fahrwegbeanspruchung<br />

und dem rollenden Material.<br />

Diese Wechselwirkung wird jedoch in der einzig<br />

verbliebenen Schnittstelle Fahrzeug – Fahrweg,<br />

den Trassenbenützungsgebühren, nicht<br />

abgebildet. Weitere Analysen haben gezeigt,<br />

dass auch andere Auswirkungen im Bereich<br />

Fahrzeug – Fahrweg, wie betriebliche Kapazität<br />

oder Lärm in Trassenpreisen nicht oder unzulänglich<br />

reflektiert werden.<br />

In unserem Projekt Baustellenlogistik (Abbildung<br />

1) am Institut für Eisenbahnwesen und<br />

Verkehrswirtschaft wird der Zusammenhang<br />

zwischen Bauabschnittslängen und Realisierungskosten<br />

(Abbildung 2) betrachtet. Dies<br />

ist für eine technisch-wirtschaftliche Optimierung<br />

notwendig. Maschinenleistungen, Logistik<br />

und daraus entwickelte Bauabläufe müssen genau<br />

untersucht werden, denn sie spielen eine<br />

entscheidende Rolle.<br />

Mit den bautechnischen Leistungen und den<br />

Kostenfunktionen die entstehen, wird es möglich,<br />

Zielkosten zu definieren. Optimierte Bauabschnittslängen<br />

können nämlich im Zusammenwirken<br />

mit Betriebserschwerniskosten als<br />

Zielkosten definiert werden.<br />

Das Projekt GleisPROPHET hat die Zielsetzung,<br />

eine spezifische Prognose des Gleisverhaltens<br />

abzugeben. Das Projekt baut auf<br />

Grundlagenuntersuchungen zum Gleisverhalten<br />

auf und hat bereits zu weiteren Grundlagenforschungen<br />

geführt. Im Mittelpunkt der<br />

Forschung stehen technische Innovationen<br />

im Komponentenbereich mit Fokus auf die<br />

technischen Langzeitauswirkungen auf Innovationen.<br />

Beispiele dafür sind: Asphalttrenn-


schichten, Schwellenbesohlungen, Rahmenschwellen<br />

und generell anwendungsorientierte<br />

Definitionen von Einsatzbereichen spezifischer<br />

Komponenten.<br />

Da eine Bewertung der Lebenszykluskosten<br />

(LCC) neben der Investition immer auch<br />

Instandhaltung und Nutzungsdauer berücksichtigen<br />

muss, wurden Standardelemente zur<br />

Abbildung dieses Verhaltens mittlerweile für die<br />

spezifischen Situationen Österreichs (Projekt<br />

Strategie Fahrweg), der Schweiz (SBB Standardelemente),<br />

Norwegens (Projekts NORSK)<br />

und Kroatiens (Projekt TRAMEO) erarbeitet<br />

und daraus Investitions- und Instandhaltungsstrategien<br />

abgeleitet. Es handelt sich<br />

um Projekte zur<br />

• technischen Instandhaltungsoptimierung<br />

durch beispielsweise Integrierte Instandsetzung,<br />

• Neugewichtung präventiver, reaktiver und<br />

zyklischer Instandhaltung oder<br />

• die Entwicklung von Schienenschleifstrategien<br />

im Licht der Head Check Problematik.<br />

Die Analyse des Langzeitverhaltens führte<br />

wegen der hohen Beeinflussung der technischen<br />

Nutzungsdauer durch den Schotter zu<br />

einer diesbezüglichen Grundlagenforschung<br />

und zu detaillierten Untersuchungen von<br />

Schwellenbesohlungen (Projekt WINS). Fragestellungen<br />

zur Dauerfestigkeit der Schienen<br />

und zur Bestimmung der Lastkollektive seien<br />

hier ebenfalls genannt.<br />

Weitergabe von Wissen -<br />

Studienschwerpunkte<br />

Unser Hauptaugenmerk liegt natürlich auch auf<br />

der Ausbildung unserer Studierenden. Ein uni-<br />

Abbildung 3: Tagung moderne Schienenfahrzeuge<br />

Quelle: TU Graz, Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft<br />

versitäres Studium sollte neben dem Weitergeben<br />

von fachlichem Wissen auf Verantwortung<br />

vorbereiten. Ziel des Portfolios unserer Lehrveranstaltungen<br />

ist es, Studierenden das System<br />

Eisenbahn mit seinen Wechselwirkungen<br />

von Infrastruktur, Betrieb und Wirtschaftlichkeit<br />

näher zu bringen. In der Grundvorlesung Eisenbahnwesen<br />

liegen die Schwerpunkte auf den<br />

konstruktiven Aspekten des Bauwesens. In den<br />

Vertiefungsfächern im Master werden sowohl<br />

konstruktive Schwerpunkte gesetzt als auch<br />

betriebliche und wirtschaftliche Grundlagen<br />

angeboten. Weitere Vorlesungen beschäftigen<br />

sich mit den Schnittstellen Fahrzeug / Fahrweg<br />

und Infrastruktur / Betrieb / Eisenbahnverkehrsunternehmen.<br />

Studierende haben des Weiteren die Möglichkeit,<br />

die Erkenntnisse in Projektarbeiten<br />

(Bachelor und Master) umzusetzen. Die drei<br />

Lehrschwerpunkte reflektieren dabei auch die<br />

Forschungsschwerpunkte des Instituts, womit<br />

eine forschungs- und praxisnahe Lehre sichergestellt<br />

wird.<br />

Abbildung 2: Unterbausanierung bei der SBB<br />

Quelle: TU Graz, Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft<br />

Europäischer Treffpunkt der Bahn<br />

Seit 1954 findet alle eineinhalb Jahre die Tagung<br />

zum Thema „Moderne Schienenfahrzeuge“<br />

an der Technischen Universität Graz<br />

statt (Abbildung 3). Die rund 600 Teilnehmer<br />

kommen vorwiegend aus dem deutschsprachigen<br />

europäischen Raum und zeigen Mal für<br />

Mal großes Interesse an den Vor- und Beiträgen<br />

der Firmen der Bahnindustrie, der Bahnverwaltungen<br />

selbst und dem Bereich Forschung, so<br />

dass sich die Veranstaltung mittlerweile als<br />

„europäischer Treffpunkt der Bahn“ etablieren<br />

konnte.<br />

Das Institut organisierte die Schienenfahrzeugtagung<br />

seit 1996 elf Mal, womit im April 2013<br />

die 41. Tagung stattfindet.<br />

Auch in Zukunft werden wir uns weder auf einen<br />

rein technischen, rein betrieblichen, noch rein<br />

wirtschaftlichen Standpunkt einschränken lassen,<br />

weil es in Wirklichkeit diese abgegrenzte<br />

Sicht nicht geben darf. Es gibt nur ein System<br />

Bahn und damit einen Systemstandpunkt – unabhängig<br />

von der Anzahl der Subsysteme. ■<br />

Zum Autor<br />

Forschungs-Partner<br />

Univ.-Prof. Dipl.-Ing.<br />

Dr.techn. Peter Veit;<br />

Institutsvorstand am Institut<br />

für Eisenbahnwesen und<br />

Verkehrswirtschaft der TU<br />

Graz<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

31


The <strong>Virtual</strong> Cable Liner<br />

Seilbetriebene Automated People Mover (APM) drängen verstärkt als kostengünstiges und umweltfreundliches<br />

Nahverkehrssystem auf den Markt. Das VIRTUAL VEHICLE leistete einen wichtigen Forschungsbeitrag, um<br />

die Systemdynamik hinsichtlich Komfort und Wirtschaftlichkeit zu optimieren.<br />

Der Personentransport in Bereichen mit hohem<br />

Beförderungsbedarf wie Flughäfen, Stadtzentren<br />

und Messen wird immer häufiger mit<br />

APM-Systemen durchgeführt. Diese Systeme<br />

zeichnen sich neben dem automatischen Betrieb<br />

durch eine Spurführung und einen separaten<br />

Fahrweg aus. Die technischen Anforderungen<br />

sind dabei sehr stark durch die speziellen<br />

Umgebungsbedingungen geprägt. So sind<br />

neben hohen Förderleistungen und niedrigen<br />

akustischen Emissionen vor allem sehr hohe<br />

Verfügbarkeiten erforderlich, welche z. B. auf<br />

Flughäfen oftmals über 99 % betragen sollen.<br />

Im Einsatzgebiet müssen zudem häufig Verkehrswege<br />

und Gebäude überbrückt werden,<br />

wodurch spezielle Anforderungen an die Fahrwegkonstruktion<br />

entstehen.<br />

Grundsätzlich kann bei APM zwischen Systemen<br />

mit fahrzeugfesten Antrieben (selbstfahrende<br />

Fahrzeuge) und mit ortsfesten Antrieben<br />

unterschieden werden. Bei den ortsfesten Antriebssystemen<br />

werden die Traktionskräfte in<br />

der Regel durch eine Drahtseilschleife von den<br />

externen Antriebsmaschinen zu den Fahrzeugen<br />

übertragen.<br />

Seilbetriebene APM-Systeme stellen häufig<br />

das technisch-wirtschaftliche Optimum in Bezug<br />

auf die genannten Anforderungen dar.<br />

Beispielsweise bewirken die fehlenden Antriebs-<br />

und Bremssysteme an den Fahrzeugen<br />

Abbildung 1: DCC-Cable Liner Shuttle in Las Vegas, Nevada<br />

Quelle: DCC<br />

32 magazine Nr. 14, II-2013<br />

nicht nur geringe Eigenmassen und akustische<br />

Emissionen, sondern ermöglichen in weiterer<br />

Folge leichte Fahrwegkonstruktionen, welche<br />

architektonische und bautechnische Vorteile<br />

bieten. Aufgrund der genannten Aspekte erzielt<br />

dieses Transportsystem in jüngerer Vergangenheit<br />

eine stärkere Marktdurchdringung.<br />

Auslegung von seilbetriebenen<br />

APM-Systemen<br />

Der Antrieb durch einen Seiltrieb leitet sich im<br />

Wesentlichen von den Standseilbahnen ab,<br />

wodurch für die rechnerische Auslegung die<br />

gängigen Seilbahnnormen (EN 12930, ANSI<br />

B77.1) zur Anwendung kommen. Zusätzliche<br />

APM-spezifische Vorgaben ergeben sich aus<br />

dem ASCE-Code (z. B. ASCE 21-98).<br />

Die genannten Regulierungen stellen zwar alle<br />

Methoden zur sicheren Auslegung der Systeme<br />

zur Verfügung, die technische Optimierung<br />

hinsichtlich Betriebsfestigkeit, Komfort und<br />

Beförderungskapazität erfordert jedoch weiterführende<br />

Simulationswerkzeuge, welche bis<br />

vor kurzem noch nicht in gewünschter Form zur<br />

Verfügung standen.<br />

Daher wurde am VIRTUAL VEHICLE das Forschungsprojekt<br />

„The <strong>Virtual</strong> Cable Liner“ mit<br />

dem Ziel ins Leben gerufen, neue Simulationsmethoden<br />

zur Vorausberechnung der System-<br />

dynamik zu entwickeln. Als Referenzsystem<br />

wurde hierfür der seilbetriebene APM „Cable<br />

Liner Shuttle“ des österreichischen Herstellers<br />

„Doppelmayr Cable Car GmbH & Co KG (DCC)“<br />

herangezogen (Abbildung 1). Neben DCC fungierten<br />

die Schweizer „Kontrollstelle IKSS“ und<br />

das Institut für Eisenbahnwesen der TU Graz<br />

als weitere Forschungspartner.<br />

Schwerpunkte des<br />

Forschungsprojektes<br />

Die Dynamik eines seilbetriebenen APM-Systems<br />

ist durch die komplexe Interaktion von<br />

Fahrzeug, Fahrweg und Seiltrieb gekennzeichnet,<br />

wobei insbesondere in longitudinaler und<br />

lateraler Richtung eine starke Kopplung aller<br />

drei Teilsysteme besteht. Während vor Projektbeginn<br />

die Vorausberechnung der Fahrzeug-<br />

Fahrweg-Interaktion mit Hilfe von Programmen<br />

für Mehrkörpersysteme (MKS) als Stand der<br />

Technik angesehen wurde, konnte die Abbildung<br />

des Seiltriebs und dessen Interaktion mit<br />

den Fahrzeugen als weißer Fleck auf der „Modellierungslandkarte“<br />

identifiziert werden. Eine<br />

ganzheitliche dynamische Vorausberechnung<br />

des Systems scheiterte somit am Fehlen eines<br />

entsprechenden Seilmodells.<br />

Der Schwerpunkt des Forschungsprojekts lag<br />

daher in der Entwicklung einer entsprechenden<br />

Modellierungstechnik für den Seiltrieb. In einem<br />

zweiten Schritt wurde die Modellierungstechnik<br />

prototyphaft in ein MKS-Programm implementiert.<br />

Dies ermöglichte im dritten Schritt im Verbund<br />

mit entsprechenden Fahrzeugmodellen<br />

eine integrierte Simulation des seilbetriebenen<br />

APM-Systems (Abbildung 2). Schlussendlich<br />

wurden die Simulationsergebnisse anhand von<br />

Versuchen an einer Gesamtanlage validiert.<br />

Entwicklung des Seilmodells<br />

Als Grundlage für die Entwicklung des Seilmodells<br />

diente die Identifikation und Bewertung<br />

der maßgeblichen physikalischen Phänomene<br />

des Seiltriebs. So stellte sich beispielsweise<br />

heraus, dass bei einem seilbetriebenen APM<br />

die transversale Bewegung des Seils keinen<br />

maßgeblichen Einfluss auf die Systemdynamik<br />

hat.


Als maßgebende Phänomene wurden die longitudinale<br />

Dehnung des Drahtseils sowie die<br />

Energiedissipation an den Kontaktstellen zwischen<br />

Seil und Seilführungselementen identifiziert.<br />

Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden ein mechanisches<br />

Ersatzmodell der Seilschleife sowie<br />

eine entsprechende numerische Umsetzung<br />

entwickelt. Dabei wurde die Seilschleife durch<br />

finite Elemente diskretisiert und das resultierende<br />

Differentialgleichungssystem im Anschluss<br />

in Form einer User-Routine in die bestehende<br />

MKS-Umgebung SIMPACK integriert.<br />

Validierung<br />

Als Basis für die Validierung der Modellierungstechnik<br />

wurden Messdaten aus Gesamtanlagenversuchen<br />

herangezogen, welche im Rahmen<br />

des Forschungsprojektes an einem Cable<br />

Liner Shuttle in Las Vegas (USA) durchgeführt<br />

wurden. Die messtechnische Erfassung der<br />

Systemdynamik erfolgte dabei durch den Einsatz<br />

von moderner GPS-Messtechnik.<br />

Die dynamischen Vorgänge wurden im Anschluss<br />

mit einem umfassenden Simulations-<br />

modell, welches die neue Seilmodellierungstechnik<br />

beinhaltet, nachgestellt. Die relevanten<br />

physikalischen Größen aus Experiment und<br />

Simulation, wie beispielsweise Fahrzeugbeschleunigungen<br />

und Seilkräfte, wurden dabei<br />

einem Vergleich unterzogen. Insbesondere die<br />

virtuelle Nachstellung der Notbremssituationen<br />

zeigte hierbei eine sehr gute Korrelation (Abbildung<br />

3).<br />

In weiteren Arbeitspaketen wurde eine Verallgemeinerung<br />

des Seilmodells durchgeführt,<br />

wodurch die Prognosegüte weiter gesteigert<br />

werden konnte.<br />

Anwendung in der Praxis<br />

Die Anwendung des entwickelten Seilmodells<br />

ermöglicht bereits in einer frühen Design-<br />

Phase die Vorausberechnung der Systemdynamik<br />

eines seilbetriebenen APM. Es können<br />

Aussagen hinsichtlich der zu erwartenden<br />

Fahrzeugbeschleunigungen und Betriebslasten<br />

der Anlage getroffen werden. Die Vorausberechnung<br />

ermöglicht eine verbesserte Auslegung<br />

und Abstimmung der Fahrzeuge sowie<br />

der Antriebs- und Bremssysteme, wodurch das<br />

System in Bezug auf Fahrkomfort und Betriebs-<br />

Abbildung 2: Seilkräfte bei einem Bremsvorgang eines Cable Liner Shuttle<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

festigkeit weiter optimiert werden kann. Folglich<br />

können auch die Umfänge der experimentellen<br />

Entwicklung während der Inbetriebnahme von<br />

neuen Anlagen eingeschränkt und somit Entwicklungszeit<br />

und auch Kosten reduziert werden.<br />

Aktuell werden die im Forschungsprojekt entwickelten<br />

Methoden in enger Zusammenarbeit mit<br />

dem Hersteller DCC für die Auslegung von neuen<br />

seilbetriebenen APM-Anlagen eingesetzt. ■<br />

Zum Autor<br />

DI (FH) Christian Nußbaumer<br />

ist Senior Researcher<br />

der Forschungsgruppe<br />

„<strong>Vehicle</strong> Dynamics - Rail<br />

Applications“ am VIRTUAL<br />

VEHICLE.<br />

Projektpartner<br />

• TU Graz - Institut für Eisenbahnwesen<br />

• Doppelmayr Cable Car GmbH<br />

& Co KG (DCC)<br />

• Kontrollstelle IKSS<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

Abbildung 3: Fahrzeugbeschleunigung<br />

bei einer Cable<br />

Liner Shuttle-Notbremsung<br />

Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />

33


short cuts<br />

Seit 1998 wurden in Österreich eine Reihe von<br />

Kompetenzzentren-Programme zur Stärkung<br />

der Kooperationskultur zwischen Industrie und<br />

Wissenschaft ins Leben gerufen. Das Ziel war<br />

der Aufbau stärkerer Synergien und gemeinsamer<br />

Forschungskompetenzen. Eine Initiative,<br />

die sich heute für Österreich nachhaltig bezahlt<br />

macht. VIRTUAL VEHICLE wird hier als internationales<br />

Vorzeige-Beispiel gesehen.<br />

Austrian Business Agency-Geschäftsführer Dr.<br />

René Siegl: „Spitzen-Know-how entspringt der<br />

Kooperation von Industrie und universitärer<br />

Forschung. Das VIRTUAL VEHICLE ist eines<br />

der besten Beispiele dafür. Diese fruchtbare<br />

Kombination ist als österreichischer Standortfaktor<br />

ein absoluter Wettbewerbsvorteil. Andere<br />

Länder beneiden uns darum.“<br />

Wirtschafts- und Innovationslandesrat des<br />

Bundeslandes Steiermark Dr. Christian Buchmann:<br />

„Besonders die K2-Zentren wie das<br />

VIRTUAL VEHICLE, das Materials Center Leoben<br />

und das Austrian Center of Industrial Biotechnology<br />

sind ein wesentlicher Treiber der<br />

F&E-Quote, die wir in der Steiermark bis 2020<br />

in Richtung 5% bewegen möchten.“<br />

e-mobility Graz 2013: „Smarte Städte - smarte Mobilität“<br />

Im Jahr 2040 werden 80 Prozent der europäischen<br />

Bevölkerung in Städten leben. Für die<br />

Energieversorgung, die Umwelt und den Verkehr<br />

bedeutet das eine enorme Herausforderung,<br />

die nur mit Hilfe modernster Technologie<br />

More news: www.v2c2.at<br />

Kompetenzzentren in Österreich: Die „Innovations-Zugpferde“<br />

34 magazine Nr. 14, II-2013<br />

ACstyria Autocluster Geschäftsführer DI Franz<br />

Lückler: „Die heimische Fahrzeugindustrie<br />

braucht einen klaren Wettbewerbsvorsprung.<br />

Im technologischen Bereich leistet unter anderem<br />

das VIRTUAL VEHICLE mit seinen komplexen<br />

Simulationslösungen ausgezeichnete Arbeit.<br />

Das ist auch der Grund, warum zahlreiche<br />

renommierte Automobilunternehmen bereits<br />

intensiv mit dem Kompetenzzentrum kooperieren<br />

und sich Graz als bevorzugter Standort für<br />

zu bewältigen sein wird. „Smarte Städte - smarte<br />

Mobilität“ – unter diesem Motto stand die emobility<br />

Konferenz vom 30. - 31.1.2013 in Graz.<br />

Das VIRTUAL VEHICLE war durch mehrere<br />

Beiträge prominent vertreten.<br />

zukunftsweisende Fahrzeugforschung etablieren<br />

konnte.“<br />

Der Geschäftsführer der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft<br />

FFG, Dr. Klaus<br />

Pseiner: „Das Thema Mobilität zählt traditionell<br />

zu den Stärken in der Steiermark. VIRTUAL<br />

VEHICLE konnte hier erfolgreich andocken und<br />

liefert wertvolle Beiträge in der Entwicklung von<br />

Fahrzeugkonzepten für die Zukunft.“ ■<br />

Die Neuorientierung unserer Mobilität, zukunftsorientierte<br />

Antriebskonzepte sowie die<br />

Differenziertheit und Interkompatibilität der<br />

einzelnen Technologien war auch diesmal der<br />

Dreh- und Angelpunkt des e-mobility Konferenz.<br />

Die Konferenz umfasste Themen wie<br />

Strategie, Energie und Batterie, Nutzfahrzeuge,<br />

Umweltzonen und Smart Cities ebenso<br />

wie Emotion, EV-Design, alternative Antriebe<br />

und aktuelle Praxisbeispiele. Eine großflächige<br />

Ausstellung rundete das Programm ab.<br />

VIRTUAL VEHICLE Geschäftsführer Dr. Jost<br />

Bernasch leitete die Session „Umweltschonende<br />

Antriebsformen in der Citylogistik“. Das<br />

VIRTUAL VEHICLE war zudem durch zwei Vorträge<br />

vertreten: Dr. Alexander Thaler erläuterte<br />

„Sicherheitsaspekte für Lithium-Ionen-Batterien<br />

im automotiven Umfeld“ und DI Günter<br />

Lang informierte über den „Elektrifizierten Antriebsstrang<br />

im Spannungsfeld von Reichweite<br />

und thermischem Komfort“. ■<br />

e-mobility 2014:<br />

29.01 - 30.01.2014


Der Rad-Schiene Kontakt ist für die zentralen<br />

Funktionen Tragen, Führen sowie Antreiben<br />

und Bremsen bei Schienenfahrzeugen verantwortlich.<br />

Das auf drei Jahre anberaumte Projekt<br />

„Dynamic Wheel-Rail Contact Forces“ kurz<br />

DynKraS hat es sich zum Ziel gesetzt, bereits<br />

bestehende Modelle um eine Reihe weiterer<br />

aus Messungen bekannter Effekte zu erweitern.<br />

Das Projekt wurde bereits 2010 mit den Industriepartnern<br />

Siemens AG, voestalpine Schienen<br />

GmbH, LBFoster (Portec Rail/Kelsan Technologies)<br />

(UK/Kanada), ÖBB Infrastruktur AG und<br />

der TU Graz als wissenschaftlicher Partner<br />

gestartet.<br />

Das VIRTUAL VEHICLE als Projektleiter lud<br />

am 9. Oktober nun nach Graz ein und die namhaften<br />

nationalen und internationalen Partner in<br />

Graz zogen eine erfolgreiche Zwischenbilanz:<br />

Der erste Abgleich der Simulationen mit Messergebnissen<br />

aus Fahrzeugversuchen mit einer<br />

Siemens Lokomotive sowie mit Ergebnissen<br />

aus Prüfstandsversuchen am Erich-Schmid-Institut<br />

für Materialwissenschaft (ESI) in Leoben<br />

More news: www.v2c2.at short cuts<br />

Rad-Schiene-Kontakt Projekt: Erfolgreiche Zwischenbilanz<br />

Mit seiner rasanten Entwicklung seit der Gründung<br />

des K2-Zentrums im Jahr 2008 ist das<br />

VIRTUAL VEHICLE heute ein Fixstern auf der<br />

europäischen Forschungsbühne. Derzeit laufen<br />

am Zentrum acht EU-Projekte mit einem<br />

Projektvolumen von ca. 2,9 Millionen Euro. Bei<br />

drei dieser laufenden Projekte ist VIRTUAL VE-<br />

HICLE in der Rolle des Projekt-Koordinators.<br />

Das Forschungszentrum ist zudem an fünf laufenden<br />

ARTEMIS-Projekten beteiligt. Zusammen<br />

mit einem weiteren bereits genehmigten<br />

ARTEMIS-Projekt ergibt sich ein Projektvolumen<br />

von insgesamt 2,8 Millionen Euro.<br />

Eines der vielen Highlights der vergangenen<br />

Jahre im Non-K-Bereich war beispielsweise<br />

2010 die Teilnahme beim Projekt CESAR mit<br />

dem Fokus „Durchgängige Entwicklungsprozesse<br />

für Embedded Systems“ im Rahmen der<br />

Förderschiene ARTEMIS (Gesamtbudget 58,5<br />

Millionen Euro). Im Jahr 2011 wurde das VIR-<br />

TUAL VEHICLE in zwei Projekten (GRESIMO<br />

und der University of Sheffield (UK) wies eine<br />

gute Übereinstimmung auf. Diese erweiterten<br />

Modelle haben hohe Relevanz in Bezug auf<br />

die optimale und damit wirtschaftliche Ausnut-<br />

zung des Rad-Schiene Kontakts. Die positiven<br />

Ergebnisse des Projektes stießen bei den Projektpartnern<br />

auf vollste Zufriedenheit. ■<br />

V.l.n.r.: Reihe vorne: DI Alexander Meierhofer (VIRTUAL VEHICLE), Dr. Klaus Six (VIRTUAL VEHICLE),<br />

DI Gabor Müller (VIRTUAL VEHICLE); Reihe hinten: Dr. Richard Stock (voestalpine Schienen GmbH),<br />

Dr. Heinz-Peter Kotz (Siemens AG Österreich), Prof. Peter Dietmaier (TU Graz), Ing. Wolfgang Zottl<br />

(ÖBB-Infrastruktur AG), DI Florian Saliger (ÖBB-Infrastruktur AG)<br />

VIRTUAL VEHICLE: Ein Fixstern auf der EU-Forschungsbühne<br />

und ENFASS) als Koordinator bestellt. GRESI-<br />

MO stellt dabei einen essentiellen Meilenstein<br />

für das Unternehmen dar, da es das bisher am<br />

höchsten mit Punktzahl bewertete EU-Projekt<br />

im Bereich „Europäische Ausbildungsprogramme<br />

- Marie Curie“ ist. Der Erfolgsweg im<br />

non-K-Bereich hat sich auch 2012 fortgesetzt.<br />

10 neue EU-Projekte mit einem Gesamtbudget<br />

für das VIRTUAL VEHICLE von 4,3 Millionen<br />

Euro wurden mit Ende des Jahres eingereicht,<br />

wobei das Forschungszentrum in vier Projekten<br />

als Koordinator vorgesehen ist.<br />

Interdisziplinäre Entwicklung von<br />

Straßen- und Schienenfahrzeugen<br />

Prozesse, Methoden, Tools, Best Practices<br />

Neben den Aktivitäten auf europäischer Ebene<br />

engagiert sich VIRTUAL VEHICLE zudem<br />

auch verstärkt in nationalen Projekten. 2012<br />

startete beispielsweise das Leuchtturm-Projekt<br />

VECEPT zum Thema Elektromobilität, in dem<br />

das K2-Zentrum eine wichtige Rolle innehat.<br />

VIRTUAL VEHICLE widmet sich in einigen Projekten<br />

auf nationaler Ebene auch Themen wie<br />

Gender Mainstreaming und Nachwuchsförderung<br />

für technische Berufe. ■<br />

6. GRAZER 6. GRAZER SYMPOSIUM SYMPOSIUM<br />

VIRTUELLES FAHRZEUG<br />

VIRTUELLES FAHRZEUG<br />

14.-15. Mai 2013 Graz<br />

14.-15. Mai 2013 Graz<br />

magazine Nr. 14, II-2013<br />

35


Rail mit System:<br />

■ Gemeinsame Betrachtung von Fahrzeug<br />

und Fahrweg<br />

■ Optimierung des Gesamtsystems Bahn<br />

VIRTUAL VEHICLE ist ein internationales Forschungszentrum,<br />

das sich mit der Fahrzeugentwicklung und zukünftigen<br />

Fahrzeugkonzepten für Straße und Schiene<br />

befasst.<br />

Unsere Expertise bietet eine interessante Kombination<br />

von Testverfahren und innovativen Simulationsmodellen,<br />

eine umfassende Systemsimulation sowie Methoden<br />

und Prozesse für die Gesamtfahrzeugentwicklung.<br />

Gemeinsam mit zahlreichen internationalen Premium-<br />

OEMs, Tier-1 Zulieferern und SW-Herstellern entwickeln<br />

unsere 200 Forscherinnen und Forscher Technologie<br />

für effiziente, leistbare und umweltfreundliche<br />

Fahrzeuge von morgen.<br />

magazine<br />

Kompetenzzentrum Das virtuelle Fahrzeug Forschungsgesellschaft mbH ■ A-8010 Graz, Inffeldgasse 21/A<br />

Tel.: +43 (0)316-873-9001 ■ Fax: +43 (0)316-873-9002 ■ E-Mail: office@v2c2.at ■ Internet: www.v2c2.at<br />

RAILSYSTEMS<br />

Unsere Expertise:<br />

■ Fahrzeugdynamik<br />

■ Kontaktmechanik<br />

■ Verschleiß & Rollkontaktermüdung<br />

■ Gleiszustands-/ Interaktionsbewertung<br />

■ Strukturmechanik / Strukturdynamik<br />

Nr. 14, II-2013<br />

www.v2c2.at

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