Download - Virtual Vehicle
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Die Tribologie bestimmt den Rad-<br />
Schiene Kontakt<br />
Der Rad-Schiene Kontakt beim System Eisenbahn bestimmt ganz wesentlich die Fahrzeugdynamik sowie das<br />
Verschleiß- und Schädigungsverhalten von Fahrzeug und Fahrweg. Kontaktmodelle, die auf der Berücksichtigung<br />
der komplexen tribologischen Effekte in der Rad-Schiene Schnittstelle basieren, sind von großer Bedeutung für<br />
die Verbesserung des Systems Bahn in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Kosten.<br />
Der Rad-Schiene Kontakt stellt die Schnittstelle<br />
zwischen Fahrzeug und Fahrweg dar. Diese<br />
Schnittstelle muss auf sehr kleinen Kontaktflächen<br />
– in der Größe eines Fingernagels – unter<br />
höchsten Belastungen die Funktionen Tragen,<br />
Führen sowie Antreiben und Bremsen realisieren.<br />
Modelle zur Beschreibung der wesentlichen,<br />
im Rad-Schiene Kontakt auftretenden<br />
Effekte sind von hoher Bedeutung, da mit deren<br />
Hilfe das System Eisenbahn unter Verwendung<br />
von Simulationstools optimiert und teure<br />
Versuche auf ein Minimum reduziert werden<br />
können. Typische Fragestellungen in diesem<br />
Zusammenhang sind z.B. jene der Fahrzeugdynamik<br />
sowie der Fahrzeug- und Fahrwegschädigung<br />
aufgrund von Verschleiß, Rollkontaktermüdung<br />
und Komponentenermüdung (siehe<br />
auch Beitrag „RCF & Verschleiß: Prognose<br />
gefragt!“, Seite 12). Um hier jedoch einen entscheidenden<br />
Schritt voran zu kommen, gilt es,<br />
die komplexen tribologischen Zusammenhänge<br />
im Rad-Schiene Kontakt durchgängig zu verstehen<br />
und in Modellen abzubilden. „Einfache“<br />
Standardmodelle reichen dabei häufig nicht<br />
mehr aus. Dies gilt auch in Verbindung mit den<br />
weiteren Forschungsschwerpunkten am VIR-<br />
TUAL VEHICLE im Rail-Bereich (siehe Beiträge<br />
„Fahrzeug und Fahrweg - eine gemeinsame<br />
Interaktion“, Seite 8 und „RCF & Verschleiß:<br />
Prognose gefragt!“, Seite 12).<br />
State-of-the-art Reibkraftmodelle<br />
Zur Beschreibung der im Rad-Schiene Kontakt<br />
entstehenden Reibkräfte gibt es eine Reihe von<br />
Modellen. Die meisten gehen von konstanter<br />
Coulombscher Reibung aus, woraus folgt,<br />
dass das Verhältnis von maximal übertragbarer<br />
Reibkraft zu Normalkraft entsprechend eines<br />
vorab zu definierenden Reibungskoeffizienten<br />
konstant ist. Unter dieser Annahme ergibt sich<br />
qualitativ der in Abbildung 1 rot dargestellte Zusammenhang<br />
zwischen dem Längsschlupf und<br />
dem Kraftschluss. Bei diesem Verlauf können<br />
je nach Antreiben oder Bremsen grundsätzlich<br />
zwei Bereiche unterschieden werden. Im<br />
Mikroschlupfgebiet – einem Bereich mit steil<br />
10 magazine Nr. 14, II-2013<br />
ansteigendem Kraftschluss bei kleinen Schlüpfen<br />
– gibt es in der Kontaktfläche gleichzeitig<br />
Haft- und Gleitgebiete. Im Makroschlupfgebiet<br />
– einem Bereich mit konstantem Kraftschluss<br />
bei hohen Schlüpfen – tritt Gleiten im gesamten<br />
Kontaktgebiet auf, dabei entspricht der Kraftschluss<br />
dem vorgegebenen Reibungskoeffizienten<br />
µ.<br />
Effekte aus Kraftschlussmessungen<br />
am Fahrzeug<br />
Die grüne Kurve in Abbildung 1 stellt qualitativ<br />
einen typischen, aus Messungen bekannten<br />
Kraftschlussverlauf dar. Dabei zeigen sich<br />
über den gesamten Schlupfbereich massive<br />
Abweichungen im Vergleich zu den erwähnten<br />
State-of-the-art Modellen, wie geringere Kraftschlussgradienten<br />
bei kleinen Schlüpfen sowie<br />
negative Kraftschlussgradienten bei höheren<br />
Schlupfwerten. Die maximal erreichbaren<br />
Kraftschlusswerte hängen darüber hinaus von<br />
der Fahrzeuggeschwindigkeit, der Normallast<br />
und den Rad-Schiene Rauigkeiten sowie von<br />
der Existenz flüssiger und fester Zwischenschichten<br />
wie z.B. Wasser, Schmutz und Abrieb<br />
aber auch bewusst eingebrachter Stoffe<br />
Abbildung 1: Rad-Schiene Kontakt – Kraftschlusscharakteristik<br />
Quelle: VIRTUAL VEHICLE<br />
wie Sand, Schmiermittel oder Friction Modifier<br />
ab (Abbildung 2). Die erwähnten Phänomene<br />
lassen sich über Prüfstandsversuche nachweisen<br />
und treten auch im realen Fahrzeugbetrieb<br />
auf (siehe auch Abbildung 4, Abhängigkeit des<br />
Kraftschlussmaximums von der Fahrzeuggeschwindigkeit).<br />
Die angesprochenen Stateof-the-art<br />
Modelle können diese Effekte nicht<br />
beschreiben. Daher werden häufig empirische<br />
Beschreibungen, d.h. direkt aus Messungen<br />
und ohne Modellvorstellung, verwendet. Dieses<br />
Vorgehen birgt allerdings den Nachteil in sich,<br />
dass die Modellparameter für bestimmte Bedin-<br />
Abbildung 2: Abhängigkeit des maximalen Kraftschlusses von der<br />
Fahrzeuggeschwindigkeit, der Normallast und der Rauigkeit<br />
Quelle: VIRTUAL VEHICLE