EuriArtes 38 - Euriade
EuriArtes 38 - Euriade
EuriArtes 38 - Euriade
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>EuriArtes</strong> <strong>38</strong><br />
Letztendlich war es eine interessante und bereichende<br />
Erfahrung Kasparov in diesem Interview zu<br />
erleben und sich seine eigenen Eindrücke zu machen.<br />
Minea Hoppe,<br />
Europaschule Herzogenrath (Deutschland)<br />
Über Garry Kasparov<br />
Am Freitag, also an unserem letzten Tag in Rolduc,<br />
hatten wir dann endlich auch die Möglichkeit Garry<br />
Kasparov, den diesjähriger Preisträger der Martin-<br />
Buber-Plakette, kennenzulernen. Er kam anlässlich<br />
der Verleihung am Abend und natürlich auch für<br />
den Dialog am Nachmittag mit uns.<br />
Auf diesen Dialog bereiteten wir uns am Vormittag<br />
vor, indem wir uns zunächst einmal über ihn informierten.<br />
Dabei stellten wir fest, dass im Grunde<br />
niemand aus meiner Arbeitsgruppe besonders<br />
viel von ihm gehört hatte bzw. über seinen Namen<br />
heraus gekommen war. Auch ich konnte<br />
mich erst im Nachhinein an Medienberichte über<br />
ihn erinnern, als er sie selbst erwähnte und dabei<br />
schaue ich regelmäßig Nachrichten. Bei den<br />
Lehrern hingegen schien er eine höhere Position<br />
einzunehmen. Dies erkläre ich mir damit, dass ich<br />
mich im Grunde nie wirklich mit der Situation in<br />
Russland auseinander gesetzt habe und bei<br />
<strong>38</strong> EURIADE 2013<br />
Berichte |<br />
Verslagen<br />
| Reports<br />
Erwachsenen die Erinnerung an die Sowjetunion<br />
einfach noch wacher ist. Aufgrund dieser Informationslücken<br />
fiel es uns zu Abfang auch schwer, Fragen<br />
an ihn zu formulieren. Daher kamen uns die<br />
Lehrer zu Hilfe. Zu meiner Arbeitsgruppe kam eine<br />
russische Lehrerin. Sie sah Kasparov eher kritisch<br />
und ihr Bild von Russland schien in einigen Punkten<br />
sehr verschieden zu seinem zu sein. Sie sah<br />
alles wesentlich weniger dramatisch und konnte<br />
durchaus Dinge nennen, die ihr an der Regierung<br />
gut gefielen. Zum Beispiel erzählte sie uns, dass sie<br />
eine Freundin in Deutschland habe, für die es fast<br />
unmöglich sei, einen Kindergartenplatz für ihre<br />
Tochter zu bekommen. In Russland sei so etwas<br />
kein Problem, da es sehr viel weniger Bürokratie<br />
gebe und Entscheidungen klarer ausfielen. Allgemein<br />
schien sie nicht unzufrieden mit ihrem Leben<br />
zu sein. Allerdings muss ich hinzufügen, dass ich<br />
nicht sicher weiß, ob diese Aussagen wirklich hundertprozentig<br />
ihrer Meinung entsprechen und ich<br />
hoffe nicht, dass sie angewiesen wurde, uns dies<br />
zu erzählen. Auf jeden Fall fielen uns auf dieser<br />
Grundlage auch kritische Fragen an Kasparov ein,<br />
sodass wir gut gerüstet zum Dialog aufbrechen<br />
konnten.<br />
Kasparov kam am Nachmittag an der Burg Rode<br />
an, wo er vom Bürgermeister von Herzogenrath<br />
begrüßt wurde. Kasparov schien sehr erschöpft<br />
von der Anreise und die Begrüßung mit einem<br />
Chor und Reden schien im wenig zu bedeuten.<br />
Ein Lehrer sagte uns, dass er diese „Zeremonie“<br />
möglichst schnell hinter sich bringen wollte, um<br />
Zeit für den Dialog mit uns zu haben. Daher gingen<br />
wir schnell in die Burg, wo der Dialog stattfinden<br />
sollte.<br />
Während des Dialogs wurde schnell deutlich, was<br />
für eine „Art Politiker“ Kasparov ist. Er war sehr<br />
konsequent in seiner Meinung und lies keine Widersprüche<br />
zu. Zum Beispiel vertrat er die feste<br />
Position, dass Präsident Putin ein Diktator sei, der<br />
das Volk unterdrücken würde. Daraufhin bekam er<br />
sofort Gegenspruch eines russischen Schülers, der<br />
ihm vorwarf, Respekt beim Schachspiel zu predigen,<br />
seine politischen Gegner aber respektlos zu<br />
behandeln, Kasparov wehrte dies ab, da Putin keinerlei<br />
Respekt verdiene. Die Frage eines anderen<br />
russischen Schülers, warum Kasparov überall auf<br />
der Welt Schachschulen eröffnete, nur in Russland<br />
nicht, beantwortete er mit der Aussage, dass die<br />
russische Regierung kluge Köpfe, die kritisch denken<br />
könnten, unbedingt verhindern wolle und daher<br />
auch Schach nicht mehr gefördert werde. Dies<br />
sei auch der Grund dafür, dass Russland seit Kas-