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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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360 Wilhelm Deist<br />

des U-Bootkrieges <strong>für</strong> unwahrscheinlich erklärt habe. Trotha gegenüber war er in<br />

der Beantwortung derselben Frage während einer gesonderten Besprechung in<br />

engstem Kreise offenherziger. Bei der Wiederaufnahme des Krieges würde der<br />

Kampf, nach den in Berlin gewonnenen Eindrücken, höchstens 4-6 Wochen<br />

dauern. In dieser Zeitspanne könne aber mit einer Wirkung des U-Bootkrieges<br />

nicht gerechnet werden; Admiral Scheer halte daher den Einsatz der „Flotte zum<br />

Endkampf" jetzt <strong>für</strong> unerläßlich. In derselben Besprechung ist dann auch die Frage<br />

erörtert worden, ob der „Kaiser <strong>für</strong> diese Unternehmung sich auf der Flotte einschiffen<br />

solle". Zu einem Ergebnis scheint man in diesem Punkte nicht gekommen<br />

zu sein. Die Tatsache jedoch, daß im engsten Kreise diese Überlegungen angestellt<br />

wurden, lassen den besonderen Charakter der Unternehmung erkennen 42 . Nimmt<br />

man die Äußerungen Levetzows über die voraussichtliche Weiterentwicklung des<br />

Krieges hinzu, so wird kein Zweifel daran mehr möglich sein, daß das pathetische<br />

Wort Trothas vom 8. Oktober von dem in „Ehren untergehen" mit dem Flottenvorstoß<br />

Wirklichkeit werden sollte.<br />

Levetzow, der gegenüber dem Flottenchef auf eine baldige Durchführung des<br />

Vorstoßes in den Kanal gedrungen hatte, vermittelte am selben Tage dem gesamten<br />

Flottenstab sein Bild von dem Ablauf der Berliner Verhandlungen vom 16. bis<br />

20. Oktober. Über Form und Tenor der Ausführungen berichtet das Kriegstagebuch<br />

nichts. Nach den Eintragungen über jene Verhandlungen selbst kann aber kein<br />

Zweifel daran bestehen, daß die Entscheidung der politischen Führung bezüglich<br />

des unbeschränkten U-Bootkrieges einer scharfen Kritik unterzogen wurde. Der<br />

Gang der Verhandlungen, die in ihnen zutage tretenden Schwankungen des Urteils<br />

der handelnden Personen und die dem Soldaten wesensfremde Form der Aussprache,<br />

in der anscheinend nebensächliche und rein formale Gesichtspunkte ausführlich<br />

erörtert wurden, hatten in der von Levetzow diktierten Aufzeichnung ihren ironisierenden,<br />

zum Teil spöttischen Niederschlag gefunden 43 . Es wäre verwunderlich,<br />

wenn er diese Empfindungen - in welcher Form auch immer - in dem ihm vertrauten<br />

Kreise von Seeoffizieren nicht zum Ausdruck gebracht hätte. Wenn im<br />

Kriegstagebuch auch ausdrücklich vermerkt wurde, daß die „die Operationen<br />

berührenden Gesichtspunkte" von Levetzow nicht erwähnt wurden, so kann der<br />

Zweck der Information einer größeren Gruppe von Offizieren doch nur darin bestanden<br />

haben, den Standpunkt der Marine und ihre Aufgabe in dieser Zeit der<br />

Umwälzung aufzuzeigen. Nach der Einstellung des U-Bootkrieges gab es nur eine<br />

Alternative <strong>für</strong> die Marine: Resignation oder das Wagnis eines letzten, ehrenvollen<br />

Kampfes.<br />

Die Vermutung, daß Levetzow den Gedanken an einen letzten Einsatz der Flotte<br />

in dieser Besprechung hat anklingen lassen, wird bestärkt durch die Meldung eines<br />

Seeoffiziers aus Cuxhaven, daß er bereits am 25. Oktober, also nur drei Tage später,<br />

in einer Gesellschaft von dem „überall" umlaufenden Gerücht einer in Kürze<br />

42 Vgl. hierzu S. A. Kaehler, Studien zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahr­<br />

hunderts, S. 291.<br />

43 Vgl. Anmerk. 32.

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