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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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Deutsch-englische Ausgleichsbemühungen im Sommer 1939 399<br />

nichts über das Verhandlungsprogramm, Wilson gibt nur an, daß er sich streng an<br />

die Linie der Reden von Chamberlain und Halifax gehalten habe. Dirksens Bericht<br />

dagegen bestätigt alle Punkte des von Wohlthat in seinem „Vermerk" dargelegten<br />

Programms. Starke Betonung legt Dirksen auf die Bereitschaft der britischen Regierung<br />

zu Verhandlungen mit Deutschland über das Programm, was wohl aus den<br />

schon erwähnten Gründen geschah 171 .<br />

Breiten Raum nahm die Erörterung der Frage ein, wie die Gespräche fortgesetzt<br />

und in ein greifbares, offizielles Stadium überführt werden könnten, wer die<br />

Initiative zu den Verhandlungen ergreifen sollte, wie der Bericht Wohlthats in<br />

Berlin aufgenommen worden sei und welche Schritte Hitler nun plane.<br />

Nach Ansicht Wilsons hatte Hitler als erster öffentlich die Initiative zu Verhandlungen<br />

zu ergreifen. Die englische Vorleistung liege in der Bereitschaft, über alle<br />

deutschen Forderungen zu sprechen. Hitler könne die Initiative eher ergreifen als<br />

die britische Regierung, weil er keine Opposition zu <strong>für</strong>chten habe. Hitler allein<br />

könne den „circulus vitiosus", in dem sich die Beziehungen beider Länder befänden,<br />

durchbrechen 172 . Wilson meinte — laut Dirksen —, daß es <strong>für</strong> die englische Seite<br />

eine große Enttäuschung bedeute, „wenn der Faden der Gespräche nicht weitergesponnen<br />

würde". Eine Fortsetzung der Gespräche sei trotz der Indiskretion<br />

Hudsons möglich, man könne sich in der Schweiz treffen 173 . Am Ende seiner Ausführungen<br />

stellte Wilson folgende präzise Fragen: Welche Instruktionen habe der<br />

Führer bezüglich der weiteren Behandlung des von Wohlthat erstatteten Berichts<br />

gegeben, welche Vorstellungen habe die deutsche Regierung „hinsichtlich des<br />

nächsten, jetzt zu ergreifenden Schrittes"? Werde es „dem Führer möglich sein,<br />

die Ereignisse in den nächsten Wochen, so weit es an ihm Hegt, so zu bestimmen,<br />

daß sie keine Verschärfung der Lage herbeiführen"? Wodurch könne der „Führer",<br />

vorausgesetzt, daß das Verhandlungsprogramm ausgearbeitet ist, seinen Entschluß<br />

kundtun, die Initiative zu ergreifen, „um eine Atmosphäre zu schaffen, in der das<br />

Verhandlungsprogramm mit Aussicht auf Erfolg erörtert werden könnte" 174 ?<br />

Dirksen war offensichtlich bemüht, bei Wilson den Eindruck zu erwecken, als<br />

sei die deutsche Führung an Verhandlungen interessiert. Möglicherweise glaubte<br />

Dirksen auch selber daran. Er erklärte Wilson, die Anfragen Ribbentrops zeigten,<br />

„daß Wohlthats Informationen beachtliches Interesse hervorgerufen hätten". Er<br />

halte es „<strong>für</strong> unzweifelhaft, daß das Interesse von Hitler geteilt würde. Er erwarte<br />

Instruktionen mit der Wirkung, daß Kordt nach Berlin kommen sollte". Er selbst<br />

werde demnächst nach Berlin fliegen 175 . Dirksen betonte jedoch, unter den gege-<br />

Wilson und Dirksen besprachen „zwei Stunden lang das Programm, das Wilson Wohlthat<br />

vorgelegt hatte".<br />

171<br />

Vgl. Anm. 157.<br />

172<br />

DBFP III, 6, Nr. 533.<br />

173<br />

Archiv Dirksens 2, Nr. 24. Nach Wohlthat teilte ihm Sir Horace mit, daß er „jederzeit"<br />

bereit sei, die Gespräche fortzusetzen, „wenn es von deutscher Seite gewünscht wurde, auch<br />

in einem neutralen Lande, z. B. der Schweiz" (Wohlthat-Aufzeichnung).<br />

174<br />

DBFP HI, 6, Nr. 533; vgl. auch Archiv Dirksens 2, Nr. 24.<br />

175 Archiv Dirksens 2, Nr. 24.

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