23.10.2012 Aufrufe

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

342 Wilhelm Deist<br />

Für alle Maßnahmen der Mottenführung und <strong>für</strong> die Vertretung der Marineinteressen<br />

im Rahmen der Kriegführung und der Politik in den letzten Kriegswochen<br />

ist die Errichtung der Seekriegsleitung unter Admiral Scheer am 11. August<br />

1918 von entscheidender Bedeutung geworden. Mit dieser grundlegenden Neugestaltung<br />

der Befehlsverhältnisse hatten die seit Beginn der Aera Tirpitz schwebenden<br />

Auseinandersetzungen um die Spitzengliederung der Kaiserlichen Marine ihr<br />

vorläufiges Ende gefunden. Es ist bekannt, daß dieser Streit während der ersten<br />

Kriegsjahre in besonders scharfer Weise zwischen Flottenkommando, Admiralstab,<br />

Reichsmarineamt und Marinekabinett an der Frage des Einsatzes der Hochseeflotte<br />

und der Führung des unbeschränkten U-Bootkrieges entbrannte. Hier ist nicht der<br />

Ort, die Stadien dieser Auseinandersetzung im einzelnen zu verfolgen 3 , es sei aber<br />

festgehalten, daß das Loyalitätsverhältnis des Seeoffizierkorps zu seinen obersten<br />

Repräsentanten, den Admiralen v. Holtzendorff und v. Capelle, durch diese Vorgänge<br />

auf unheilvolle Art erschüttert wurde. Selbst vor der Person des Kaisers machte<br />

die Kritik aus dem Korps nicht halt 4 .<br />

Ebenso bedeutsam wie die Auswirkungen dieser sich lang hinziehenden Krise<br />

war die Tatsache, daß das Ringen um die Form und das Ausmaß der Kriegführung<br />

der Marine sich verband mit dem innerpolitischen Streit um die Kriegsziele und<br />

Schärfe vertreten. Unterstützt wurde seine Vermutung durch eine Aufzeichnung des ehemaligen<br />

Kapitäns z.S. und Chefs des Stabes der Seekriegsleitung, v. Levetzow, dem das Kriegstagebuch<br />

jener Kommandobehörde zur Verfügung stand und der deutlich zu erkennen gab,<br />

daß der Einsatz als eine Lebens- und Ehrenfrage der Marine angesehen wurde; vgl. M. v.<br />

Levetzow, Der letzte Akt, in: Südd. Monatshefte, Jg. 21 (1924), Heft 7, S. 55ff., abgedruckt<br />

auch in: A. Niemann, Revolution von oben — Umsturz von unten, Berlin 1928, S. 404ff.<br />

Levetzow hat sich in manchen Passagen getreu an den Wortlaut des Kriegstagebuches gehalten,<br />

allerdings auch wesentliche Teile ganz unberücksichtigt gelassen. Da im folgenden auf<br />

breiterer Aktengrundlage dasselbe Thema behandelt werden wird, ist auf den jeweiligen<br />

Verweis auf die Schrift von Levetzow verzichtet worden. Hinzuweisen ist ferner auf den<br />

kürzlich erschienenen, von Admiral a. D. Gladisch bearbeiteten Band des amtlichen Seekriegswerkes:<br />

Der Krieg in der Nordsee, Bd. 7, Frankfurt/M. 1965. Gladisch (S. 329ff.) beschränkt<br />

sich in Bezug auf die Vorgeschichte des Flottenvorstoßes auf die Mitteilung der Entscheidungen<br />

der Seekriegsleitung und des Flottenkommandos, ohne auf deren politische Motive einzugehen.<br />

3 Für den grundsätzlichen Aspekt der Frage vgl. W. Hubatsch, Der Admiralstab und die<br />

obersten Marinebehörden in Deutschland 1848-1945, Frankfurt/M. 1958, und die dort verzeichnete<br />

Literatur, sowie F. Forstmeier, Aus der Geschichte des Deutschen Flottenkommandos,<br />

in: Beiträge zur Wehrforschung, Bd. IV (1964), S. 9ff.<br />

4 Kontreadmiral v. Trotha berichtete in einem Brief vom 10. 7. 1916 an Kapitän z.S.<br />

v. Levetzow über einen Besuch des Vertreters des Admiralstabes im Gr. Hauptquartier,<br />

Kapitän z.S. v. Bülow, dem er u.a. gesagt habe: „Besonders betont habe ich den Punkt, daß<br />

ein ersprießliches Arbeiten unmöglich wäre, da wir zum Chef des Admiralstabes als Mittelsperson<br />

nicht mehr das geringste Vertrauen hätten, wir glaubten ihm weder, daß er die Flotte<br />

beim Kaiser richtig vertritt, noch daß er uns die Allerh. Ansichten sachlich übermittelt."<br />

Vgl. Militärgeschichtliches Forschungsamt/Dokumentenzentrale (MGFA/DZ), Nachlaß M.<br />

v. Levetzow, Box 3, Briefe und Schriftsachen, Bd. 5. — In dem Tagesbefehl vom 7. 9. 1915<br />

verlangte der Kaiser gegenüber der Kritik aus dem Seeoffizierkorps „die pflichtmäßige<br />

Unterordnung unter Meinen Willen als Oberster Kriegsherr"; vgl. Ursachen und Folgen,<br />

hrsg. v. H. Michaelis und E. Schraepler, Bd. II, S. 494f.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!