András Sütő Mutter verspricht guten Schlaf - Adatbank
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einem zerrissenen Faden, dessen Knäuel irgendwo zwischen den<br />
Sträuchern meiner Kindheit davongekullert ist. Der Faden<br />
bezeichnet die verschlungenen Lebenswege meines Vaters von<br />
der Jahrhundertwende bis heute, da es mir immer schwerer wird,<br />
mich in der unfreiwilligen Vielfalt seines Fleißes zurechtzufinden.<br />
Solange ich neben ihm gewesen bin und, wie ein Fohlen in seiner<br />
Spur trabend, zwei Schritte statt einem machte, sogar die Kopfhaltung<br />
ihm abguckte, solange ich während des Weizendruschs<br />
fest an seinen Rücken geschmiegt im Stroh schlief und wir uns<br />
im Morgengrauen mit frischem Brunnenwasser den Nachttau<br />
vom Gesicht wuschen, waren seine Gedanken mir vertrauter<br />
gewesen. Er mußte bloß ein Wort sagen, und schon wußte ich,<br />
was ich zu tun und wohin ich zu gehen hatte. Vielleicht ist es<br />
gerade dies, das in mir bohrt: durch Blicke können wir uns nicht<br />
mehr verständigen. Die Zeit hat eine Wand zwischen uns errichtet.<br />
Jetzt muß ich mir den Kopf darüber zerbrechen, woraus sich<br />
seine Tage zusammensetzen. Seine Mitgliedschaft in der Produktionsgenossenschaft<br />
ist bloß symbolisch. Was von seiner<br />
früheren Kraft übriggeblieben ist, reicht weder fürs Mähen noch<br />
fürs Hacken. Und über die Schwelle eines Handwerks ist er nie<br />
hinausgekommen: er ist ein Hans Dampf in allen Gassen, ein<br />
Tausendkünstler, das ist viel an Arbeit und wenig für ein Fach.<br />
Jetzt strebt er eher nach Beständigkeit, doch diese rückt beharrlich<br />
immerzu um einen Berg weiter, wie János Aranys Regenbogentor.<br />
Dabei ist er diesem nicht mal zu Fuß nachgerannt, sondern<br />
mit dem Fahrrad.<br />
Auf der Flucht vor dem herrschaftlichen Taglohn hat es ihn<br />
in den zwanziger Jahren als Autowäscher und Schofförgehilfen<br />
bis nach Klausenburg verschlagen; von dort wieder nach Hause<br />
als herrschaftlichen Mechaniker; vom Gutshof nach Bukarest<br />
in die Gelegenheitsarbeit; von dort zurück als Bauer auf zwei<br />
Joch Ackerboden und einem halben Joch Weideland sowie dem<br />
Boden, den er dem Pfarramt abgepachtet hatte; von da wiederum<br />
als Mechaniker ins Nachbardorf; zehn Jahre später kehrte<br />
er als halber Dreschmaschinenbesitzer heim.<br />
Das Ende war ein Bankrott. Die Schulden verschluckten<br />
Weide, Kuh, Schwein und Geflügel.<br />
Und wieder tauchte ein Regenbogentor vor ihm auf.<br />
Nach dem Krieg stieß er in der Umgebung von Ludusch auf<br />
das Stahlskelett einer ausgebrannten Dreschmaschine. Er kaufte<br />
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