András Sütő Mutter verspricht guten Schlaf - Adatbank
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von unten, fast schon aus dem Staub der Erde, aus dem Bereich<br />
von Malve, Portulak und Schierling, wo meine <strong>Mutter</strong>, auf einer<br />
aus groben Flicken gewebten Decke sitzend, das Hemd meines<br />
jüngsten Bruders Jóska flickte. Sie ruhte sich auf der warmen<br />
Erde aus. So wirkte sie noch schmächtiger, als sie ohnehin war,<br />
fast schoßkindhaft klein. In der Haarsträhne, die sich unter dem<br />
Kopftuch hervorzwängt, stecken schon unzählige weiße Fäden.<br />
Und ihre Augen werden heller, wie verwaschenes Leinen. Einmal<br />
waren sie braun, geht es mir durch den Kopf, und hatten<br />
die Farbe früher Kastanien.<br />
„Schau dich um, erst im Hof, dann im Dorf, und schreib<br />
über uns.“<br />
Ich mußte gar nicht weit blicken, der Hof ist wie ein Taschentuch.<br />
Ehemaliger Fronbauerngrund. Das Haus darauf: ein kleiner,<br />
warmer Backofen. Nicht der ländlichen Atmosphäre wegen,<br />
sondern aus einem einleuchtenden Grund, den mein Vater gewöhnlich<br />
„die Möglichkeiten“ nennt. Mehr hatten die dreißiger<br />
Jahre nicht abgeworfen. Es hat fünf Fenster mit vier Blumentöpfen.<br />
Wenn ich mich zu einem hinauslehnen will, muß ich<br />
das Fleißige Lieschen — aus dem Volkslied — wegschieben.<br />
„Runter mit ihr auf die Erde“, pflegt meine <strong>Mutter</strong> zu sagen.<br />
„Die hat schon genug gesehn.“<br />
Neben dem Haus steht die zusammengebretterte Sommerküche,<br />
weiter hinten der Stall, Obdach für eine einzige Kuh.<br />
Solange wir eine Kuh hatten, konnte ich mich nie genug darüber<br />
wundern, wie findig sie sich, ihren Kopf mit den Gabel-Hörnern<br />
wendig hindurchturnend, den Dimensionen der Tür anpaßte.<br />
Weiter hinten ein koffergroßer Hühnerstall und ein winziger<br />
Schafstall.<br />
An dem zwischen Haus und Stall ausgespannten Draht rennt<br />
der Hund hin und her. Weiß der Himmel, zum wievielten Mal<br />
er nun die Grenzen seiner Zehnmeterfreiheit ins Auge faßt.<br />
Sooft es ihn mit einem Ruck in die Ferne zieht, reißt ihn die<br />
Kette in der Luft zurück und würgt ihm die Kehle. Davon hustet<br />
und schnieft er so sonderbar, als hätte er ein Haar verschluckt.<br />
Lachend herrscht meine <strong>Mutter</strong> ihn an:<br />
„Willst wohl fliegen, närrischer Hund?“<br />
Hinten im Garten döst der Brunnen vor sich hin. In seinem<br />
Spiegel hat ein einziges Gesicht Platz. Das Wasser muß man<br />
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