András Sütő Mutter verspricht guten Schlaf - Adatbank
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ständigen festgestellt, daß es ein Fehler war. Der Garten wurde<br />
enteignet, das Geld ist weggeschwommen. Soll er jetzt gar einen<br />
Anwalt nehmen? Welchen Zweck könnte das haben?<br />
„War einmal und ist nicht mehr!“ lacht er über seinen Reinfall.<br />
„Los, Zigeuner, spiel was auf!“<br />
Der Anstand gebietet es, Großvater als erstem die Ehre zu<br />
erweisen. Leise gehn wir mit Gergely und meiner Schwägerin<br />
ins Haus. Zittrig sitzt mein vergreister Großvater auf dem Bett,<br />
das ausgezehrte Gesicht voller Fieberflecken. Im ersten Augenblick<br />
erkennt er mich gar nicht. Als er den Blick hochhebt,<br />
merke ich, daß er mich schon als eine ihm zugehörige Zweigspitze<br />
akzeptiert hat, doch er weiß nicht, welcher von seinen dreißig<br />
Enkeln ich sein könnte. Er mustert mich wie ein Ei, das der Glucke<br />
untergeschoben werden soll.<br />
„Welcher bist du ?“<br />
Ich sage ihm, welcher. Bertas Sohn, der ältere.<br />
„Erinnerst du dich nicht, wie du mich einmal mit der Peitsche<br />
verdroschen hast?“ stelle ich mich ihm detaillierter vor.<br />
„Wenn ich dich verdroschen hab“, sagt er, „hast du’s auch<br />
verdient. Zuerst hab ich gemeint, nicht du bist es, sondern der<br />
andere, der den Krug zerschlagen hat.“<br />
„Einen hab auch ich zerschlagen“, gestehe ich zerknirscht.<br />
Haargenau könnte ich nicht sagen, wann und wie, möglicherweise<br />
ist er mir bloß im Traum aus der Hand gefallen, aber ich habe<br />
ganz entschieden das Gefühl, irgendwo einen Krug zerschlagen<br />
zu haben. Danach jedoch forscht er mich jetzt nicht aus.<br />
„Und der andere, der vor zwanzig Jahren die Dachziegel an<br />
der Ecke abgeschlagen hat, wo ist der?“<br />
„Wenn er’s ist, dann in Neumarkt“, sage ich. Es könnte nämlich<br />
mein jüngerer Bruder sein.<br />
Aus beträchtlicher Entfernung blickt Großvater auf uns zurück.<br />
Wer weiß, womit und wie er seine Rechnung gemacht und auf<br />
welche Art er die Menschenwelt zusammengezählt hat, daß<br />
er uns jetzt nicht mehr nach Namen und Gesichtern, sondern<br />
bloß auf Grund unserer Taten im Gedächtnis behält.<br />
„Gut, daß ich dich sehn kann“, sagt er begütigend.<br />
Dann sinkt er wieder auf das Bett zurück. Wie ein unter der<br />
Last der Zeit verbogener Nagel sitzt er da. Ich schäme mich, daß<br />
ich ihn seit Jahren nicht aufgesucht habe. Er schaut mich an,<br />
als erwarte er eine Erklärung über die Ursache und den Zweck<br />
meines Fernbleibens.<br />
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