Folien ZPO vom 21.6. - Moritz Brinkmann
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Wiederholungsfragen<br />
★ Warum prüft man bei Rechtsbehelfen die<br />
Statthaftigkeit?<br />
★ Wann ist eine Revision zulässig?<br />
★ Wie kann man sich gegen die Nichtzulassung<br />
der Revision wehren?<br />
★ Welche Funktion hat die Rechtskraft?<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 27 Formelle und materielle Rechtskraft<br />
• Formelle Rechtskraft:<br />
• Grdsl. Unabänderlichkeit der Entscheidung<br />
• Materielle Rechtskraft:<br />
• Bindungswirkung der Entscheidung<br />
➡Funktion der Rechtskraft:<br />
Schutz u. Herstellung von Rechtsfrieden und<br />
Rechtssicherheit<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 27 Formelle und materielle Rechtskraft<br />
I. Die formelle Rechtskraft<br />
1. Eintritt gem. § 705<br />
• bei letztinstanzlichen Entscheidungen<br />
• mit Verkündung<br />
• sonst<br />
• mit Ablauf der Rechtsmittel- oder Rechtsbehelfsfrist<br />
• mit Rechtsmittelverzicht der Parteien, §§ 515, 563<br />
2. Wirkungen:<br />
a) (endgültige) Vollstreckbarkeit, § 705<br />
b) § 197 I Nr. 3 BGB: dreißigjährige Verjährung (sog.<br />
Tatbestandswirkung)<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>
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§ 27 Formelle und materielle Rechtskraft<br />
II. Die materielle Rechtskraft<br />
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1. Eintritt d. materielle Rechtskraft setzt den Eintritt der<br />
formellen Rechtskraft voraus.<br />
2. Wirkungen der materiellen Rechtskraft:<br />
a) Sperrwirkung bei identischem Streitgegenstand („ne<br />
bis in idem“ / „res iudicata“)<br />
b) Inhaltliche Bindungswirkung bei rechtskräftig<br />
entschiedenem, präjudiziellem Rechtsverhältnis.<br />
• Zweck: Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen<br />
• hM: keine materiellrechtlichen Wirkungen d. materiellen<br />
Rechtskraft: Das Urteil gestaltet die mat. Rechtslage<br />
nicht um (Ausnahme: Gestaltungsurteil)<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 27 II. Die materielle Rechtskraft<br />
3. Zur materiellen Rechtskraft von Feststellungsurteilen:<br />
Dünnes Eis<br />
K hat den B auf Rückgabe angeblich geliehener Schlittschuhe verklagt. B<br />
erhebt Feststellungswiderklage mit dem Antrag festzustellen, dass er<br />
Eigentümer der Schlittschuhe sei (weil K sie ihm „geschenkt“ habe). Die<br />
Klage wird abgewiesen, der Widerklage wird stattgegeben. Nach Eintritt<br />
der Rechtskraft erhebt K gegen B Klage auf Herausgabe von Nutzungen<br />
aus EBV.<br />
• Klage zulässig, keine Identität d. Streitgegenstands<br />
• ABER: Feststellungsurteil stellt verbindlich fest, dass B<br />
Eigentümer ist. Klage auf Herausgabe von Nutzungen daher<br />
unbegründet.<br />
4. Die (begrenzte) materielle Rechtskraft von Prozessurteilen<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 28 Die Grenzen der materiellen Rechtskraft, § 322<br />
I. Die Grenzen der Rechtskraft in objektiver Hinsicht<br />
1. Die Beschränkung auf den Tenor, § 322 I<br />
B wird verurteilt, an K 1000,- € als erste Rate eines<br />
Kaufpreises zu zahlen. Kann B im Prozess über die<br />
zweite Rate erneut einwenden, dass der Kaufvertrag<br />
nicht bestehe?<br />
• Die Aussagen über das präjudizielle Rechtsverhältnis<br />
(Kaufvertrag) erwachsen nicht in Rechtskraft!<br />
• B kann in einem zweiten Prozess wiederum einwenden,<br />
dass Kaufvertrag nicht besteht<br />
• K hätte Zwischenfeststellungsklage erheben müssen,<br />
§ 256 II<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>
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§ 28 Die Grenzen der materiellen Rechtskraft, § 322<br />
2. Klageabweisende Urteile<br />
• Auch das abweisende Urteil erwächst in Rechtskraft!<br />
• Zur Feststellung der Reichweite müssen TB und Gründe<br />
des Urteils herangezogen werden<br />
• Ebenso bei der Frage, inwieweit das Urteil Rechtskraft im<br />
Hinblick auf eine zur Aufrechnung gestellte Forderung<br />
entfaltet, § 322 II<br />
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Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 28 Die Grenzen der materiellen Rechtskraft, § 322<br />
III. Das kontradiktorische Gegenteil<br />
V hat dem D Waren unter verlängertem Eigentumsvorbehalt geliefert. Diese<br />
hat V im Wege des gewöhnlichen Geschäftsgangs an seine Abnehmer<br />
weiterverkauft und veräußert. Noch vor dem Vertragsschluss mit V hatte D<br />
mit Bank B einen Darlehensvertrag abgeschlossen, der eine Globalzession<br />
sämtlicher Ansprüche des D gegen seine Abnehmer vorsieht. Als D in<br />
Zahlungsschwierigkeiten gerät, wollen sowohl V als auch B auf die<br />
Forderungen zugreifen. D hinterlegt daraufhin den fraglichen Betrag (§ 372<br />
I2 BGB). V verklagt die B auf Einwilligung in die Auskehrung der<br />
hinterlegten Beträge, § 22 II Nr. 1 Hinterlegungsgesetz. B wird<br />
entsprechend verurteilt.<br />
a) Kann B den V nach Eintritt der formellen Rechtskraft dieses Urteils auf<br />
Erteilung seiner Zustimmung zur Auskehrung an B verklagen?<br />
b) Kann V die B nach Auskehrung des Betrages durch die<br />
Hinterlegungsstelle auf Zahlung verklagen?<br />
§ 22 Antrag auf Herausgabe, Nachweis der Berechtigung<br />
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(1) Die Herausgabeanordnung ergeht auf Antrag, wenn die Berechtigung des<br />
Empfängers nachgewiesen ist.<br />
(2) Der Antrag auf Herausgabe ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu<br />
stellen. Dabei soll, soweit hinterlegtes Geld herausgegeben werden soll, eine<br />
Bankverbindung des Empfangsberechtigten angegeben werden. Befindet sich der<br />
Nachweis der Empfangsberechtigung bei den Akten des Gerichts, zu dem die<br />
Hinterlegungsstelle gehört, genügt die Bezugnahme auf diese Akten.<br />
(3) Der Nachweis ist namentlich als geführt anzusehen,<br />
1.<br />
wenn die Beteiligten die Herausgabe an den Empfänger schriftlich oder zur Niederschrift<br />
der Hinterlegungsstelle, eines Gerichts oder eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle<br />
bewilligt oder seine Empfangsberechtigung in gleicher Weise anerkannt haben;<br />
2.<br />
wenn die Berechtigung des Empfängers durch rechtskräftige Entscheidung mit Wirkung<br />
gegen die Beteiligten oder gegen das Land festgestellt ist. Aus einem nachher<br />
entstandenen Grund kann auch in diesen Fällen die Berechtigung beanstandet werden.<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>
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Prätendentenstreit<br />
I. Materiellrechtliche Beurteilung<br />
• Erfüllungswirkung d Hinterlegung, §§ 376 II Nr. 1, 378<br />
BGB<br />
• Wem steht der hinterlegte Betrag zu?<br />
• Vorrang d. Abtretung an V oder d. Abtretung an B?<br />
a) Abtretung an B zeitlich zuerst,<br />
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b) aber, „Vertragsbruchtheorie“:<br />
• Abtretung nach § 138 I sittenwidrig, wenn vEV branchenüblich<br />
➡ B hat Blockadeposition (§ 22 II Nr. 1<br />
Hinterlegungsgesetz) ohne Rechtsgrund erlangt<br />
c) Anspruch auf Zustimmung aus § 812 I 1 2. Alt.<br />
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Prätendentenstreit<br />
II. Prozessuale Konsequenzen<br />
• B kann nicht mehr Klage auf Feststellung erheben, dass<br />
sie nicht zur Zustimmung verpflichtet sei (ne bis in idem)<br />
• Sie kann aber auch keine Leistungsklage des Inhalts<br />
erheben, dass V verpflichtet sei, die Zustimmung zur<br />
Auskehrung an sie zu erteilen (kontradiktorisches<br />
Gegenteil).<br />
➡ Klage im Fall a) unzulässig<br />
• Sie kann aber wohl eine Zahlungsklage gegen V<br />
erheben, denn über Zahlungsanspruch wurde nicht<br />
entschieden.<br />
➡ Klage im Fall b) zulässig. (M. Schwab Rz. 417 ff.)<br />
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Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 28 Die Grenzen der materiellen Rechtskraft, § 322<br />
Die Teilklage<br />
K meint, er habe einen Anspruch von insgesamt 20.000,- € gegen B, weil<br />
dieser seine Streupflicht verletzt habe. Er ist sich allerdings nicht sicher,<br />
dass er die erforderlichen Beweise wird führen können. Zur Begrenzung<br />
des Kostenrisikos verfällt er auf den Gedanken, zunächst nur einen Teil des<br />
Betrages, nämlich 7000,- €, einzuklagen.<br />
a) K hat in seiner Klage deutlich gemacht, dass es sich nur um einen<br />
Teilbetrag handelt, er gewinnt den ersten Prozess.<br />
b) Wie a), er verliert den ersten Prozess.<br />
c) K gewinnt den ersten Prozess, aber er hat nicht deutlich gemacht, dass<br />
er nur einen Teilbetrag eingeklagt hat.<br />
d) Rechtskräftige Abweisung einer verdeckten Teilklage<br />
Kann K den B jeweils wegen „weiterer“ 13.000,- € noch einmal verklagen?<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>
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§ 28 Die Grenzen der materiellen Rechtskraft, § 322<br />
a) Offene Teilklage, begründet<br />
• Klage zulässig<br />
• keine Bindungswirkung d Entscheidung des Vorprozesses.<br />
• Besonderheiten bei Schmerzensgeldklagen<br />
b) Offene Teilklage, Abweisung<br />
• Nur Rechtskraft in Höhe der eingeklagten Forderung.<br />
• BGH: K kann noch einmal bez. Rest klagen. (str.)<br />
c) Verdeckte Teilklage, begründet.<br />
• Rechtskraft auf den eingeklagten Teil beschränkt<br />
➡ K kann nachfordern (so BGH, str. )<br />
d) Verdeckte Teilklage, unbegründet (BGH NJW 1985, 2825 f.)<br />
• BGH: Zweite Klage zulässig, nicht notwendig unbegründet.<br />
• P Funktion der Rechtskraft, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit<br />
herzustellen.<br />
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Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 28 II. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft<br />
1. Parteien, Rechtsnachfolger, Besitzmittler und<br />
Prozessstandschafter<br />
• Rechtskraft wirkt grdsl nur zwischen den Parteien des<br />
Rechtsstreits (inter partes)<br />
• Wirkung auch ggü Rechtsnachfolgern, wenn Nachfolge<br />
nach Rechtshängigkeit, § 325 I 1. Var.<br />
• Ebenso Wirkung gegen denjenigen, der Besitzmittler einer<br />
Partei geworden ist, § 325 I 2. Var.<br />
• Wirkung gegen materiell Berechtigten, wenn<br />
Prozessstandschafter Partei ist<br />
• immer bei gewillkürter Prozessstandschaft<br />
• str. für gesetzliche Prozessstandschaft<br />
• HM (+) bei ausschließlicher Prozessstandschaft (Insolvenzverwalter)<br />
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§ 28 II. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft<br />
Die Veräußerung der streitbefangenen Sache im Prozess,<br />
§§ 325, 265<br />
Die Veräußerung durch den Beklagten<br />
K hat den B auf Herausgabe eines Laptops verklagt. Während<br />
des Prozesses verkauft B den Rechner auf eBay an D, dem B<br />
das Laptop zusendet. B wird zur Herausgabe verurteilt, weil<br />
das Gericht der Auffassung ist, dass K der Eigentümer ist.<br />
Wirkt das Urteil auch im Verhältnis K zu D?<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>
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§ 28 II. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft<br />
• Materiellrechtliche Konsequenz der Verfügung des B:<br />
• D erwirbt Egt. am Rechner gem. §§ 929, 932 BGB<br />
• Prozessual:<br />
• An sich Wegfall der Passivlegitimation des B durch Besitzverlust<br />
• Aber § 265 II: Besitzverlust irrelevant<br />
• B führt Prozess als gesetzlicher Prozessstandschafter<br />
• Wirkungen des Urteils gegen D:<br />
• § 325 I: Urteil wirkt auch gegen „Rechtsnachfolger“<br />
• ABER: § 325 II: Bei doppelter Gutgläubigkeit (hinsichtlich<br />
Eigentümerstellung und fehlender Rechtshängigkeit) keine<br />
Erstreckung der Urteilswirkungen gegen D<br />
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Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 28 II. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft<br />
2. Die Veräußerung durch den Kläger<br />
K verklagt den B auf Herausgabe eines Laptops aus Leihvertrag. Während des<br />
Prozesses überträgt K sein angebliches Eigentum unter Abtretung des<br />
Herausgabeanspruchs an D. K verliert den Prozess, da das Gericht der<br />
Auffassung ist, dass K dem B den Computer schenkweise übereignet hat.<br />
Nunmehr verklagt D den B auf Herausgabe.<br />
• K kann trotz des Prozesses veräußern (Klarstellung in § 265 I)<br />
• Prozessführungsbefugnis des K bleibt trotz Verfügung an D<br />
erhalten, § 265 II, (aber Klageumstellung auf Leistung an D,<br />
sog. „Relevanztheorie“)<br />
• Wirksamkeit des Urteils nach § 325 I auch gegen D?<br />
• (+), denn gutgl. Erwerb (-), wegen §§ 929, 931, 934<br />
• Wenn § 325 I (-), das Urteil also gem. § 325 II nicht gegen den<br />
Dritten wirkt, beachte § 265 III: Klage wird unbegründet, K muss<br />
Erledigung erklären.<br />
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§ 28 II. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft<br />
3. Die Abtretung vor Rechtshängigkeit<br />
K hat den B auf Kaufpreiszahlung verklagt. Schon vor<br />
Prozessbeginn hat K die Forderung an D abgetreten, was B<br />
nicht weiß. B verteidigt sich mit dem Einwand, dass die<br />
Forderung nicht besteht. Die Klage wird abgewiesen.<br />
Wie wird das Gericht über eine Zahlungsklage seitens des D<br />
gegen B entscheiden?<br />
• Klagesperre wg. Rechtskrafterstreckung?<br />
• § 325 I (-) (Zeitpunkt der Abtretung!)<br />
• ABER § 407 II BGB: Erstreckung der Rechtskraft<br />
zugunsten des gutgläubigen Schuldners auch ggü<br />
Zessionar.<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>
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§ 28 II. Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft<br />
III. Die materiellrechtliche Bindungswirkung (≠ Rechtskraft)<br />
nach § 124 I VVG<br />
K hat wegen eines Autounfalls mit B die Versicherung V<br />
des B verklagt. Diesen Prozess hat K verloren, das Urteil<br />
ist rechtskräftig. Nunmehr will er B selbst in Anspruch<br />
nehmen.<br />
• Direktanspruch K gegen Versicherung: § 115 I Nr. 1 VVG,<br />
• V und B sind Gesamtschuldner, § 115 I S. 4 VVG.<br />
• Bindungswirkung gem. § 124 VVG<br />
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Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 124 VVG „Rechtskrafterstreckung“<br />
(1) Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem<br />
Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wirkt<br />
das Urteil, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherer<br />
ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es<br />
zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch<br />
zugunsten des Versicherers.<br />
(2) Ist der Anspruch des Dritten gegenüber dem Versicherer durch<br />
rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt<br />
worden, muss der Versicherungsnehmer, gegen den von dem<br />
Versicherer Ansprüche auf Grund des § 116 Abs. 1 Satz 2 geltend<br />
gemacht werden, diese Feststellung gegen sich gelten lassen, es<br />
sei denn, der Versicherer hat die Pflicht zur Abwehr unbegründeter<br />
Entschädigungsansprüche sowie zur Minderung oder zur<br />
sachgemäßen Feststellung des Schadens schuldhaft verletzt.<br />
(...)<br />
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Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 28 III. Die Grenzen der Rechtskraft in zeitlicher Hinsicht<br />
• Maßgeblich ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten<br />
mündlichen Verhandlung<br />
• DAHER: neue Klage kann auf neue Tatsachen gestützt<br />
werden (vgl. § 767 II für „neue“ Einwendungen des<br />
Beklagten)<br />
• Dieser Gedanke gilt auch für „neue“ Gründe des Klägers<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>
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BGH NJW 2004, 1252<br />
Der Kl. kaufte von der Bekl. einen gebrauchten PKW. Im<br />
Kaufvertrag hieß es: „Fahrzeug ist unfallfrei.” Mehr als zwei Jahre<br />
später erfuhr der Kl., dass das Fahrzeug vor Abschluss des<br />
Kaufvertrags einen Unfallschaden erlitten hatte. Er trat <strong>vom</strong><br />
Kaufvertrag zurück und erhob Klage auf Rückzahlung des<br />
Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs an die<br />
Bekl. Das Gericht wies die Klage durch Urteil mit der Begründung<br />
ab, der geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Berufung gegen<br />
dieses Urteil legte der Kl. nicht ein; das Urteil wurde rechtskräftig.<br />
Danach focht der Kl. den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung<br />
mit der Begründung an, er habe nach Erlass des Urteils von dem<br />
Vorbesitzer Z erfahren, dass die Bekl. Kenntnis von dem<br />
Unfallschaden gehabt habe. Mit seiner erneuten Klage begehrt er<br />
wiederum den bereits im Vorprozess geltend gemachten Anspruch<br />
auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des<br />
Fahrzeugs. Ist die Klage zulässig?<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>