Folien ZPO vom 26.4. - Moritz Brinkmann
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Zum Aufwärmen<br />
★ Welche Wirkungen hat die Erhebung einer Klage?<br />
★ Welche Klagearten kennen Sie?<br />
★ Welche besondere Sachurteilsvoraussetzungen<br />
ist bei der Feststellungsklage zu prüfen?<br />
★ Was hat es mit der Subsidiarität der<br />
Feststellungsklage auf sich?<br />
★ Was ist der „Anspruch“ im prozessualen Sinn und<br />
wie wird er bestimmt?<br />
★ Nennen Sie Fragen, bei denen es auf den<br />
Streitgegenstandsbegriff ankommt.<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
§ 9 Der Streitgegenstand<br />
I. Die unterschiedliche Streitgegenstandslehren<br />
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1. Materiellrechtliche Theorie<br />
• Zwei Streitgegenstände bei verschiedenen<br />
materiellrechtlichen Ansprüche<br />
2. Eingliedriger prozessualer Streitgegenstandsbegriff<br />
• Nur Antrag soll maßgeblich sein. Lebenssachverhalt<br />
soll allenfalls Bedeutung iRd Auslegung des Antrags<br />
haben.<br />
3. Der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff (ganz hM,<br />
BGH NJW 2004, 1252)<br />
• Antrag + Lebenssachverhalt<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
Wenn nicht so, dann anders<br />
K verklagt den B auf Zahlung von € 8000,-. Seinen<br />
Anspruch leitet er aus einem Darlehensvertrag her. Im<br />
Prozess ergibt sich, dass es nicht zum Abschluss eines<br />
Vertrages gekommen ist. Kann K jetzt seine Klage ohne<br />
Weiteres auf<br />
a) einen Anspruch aus ungerechtfertigter<br />
Bereicherung,<br />
umstellen?<br />
b) einen Anspruch aus einem Verkehrsunfall<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>
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Wenn nicht so, dann anders<br />
P: Liegt jeweils eine Klageänderung, § 263, vor?<br />
• Var. a): Auswechselung d. rechtlichen Begründung<br />
• Rechtliche Begründung ist weder Teil des Antrags<br />
noch des Lebenssachverhalts<br />
➡ Änderung des Streitgegenstands (-), keine<br />
Klageänderung (vgl. § 264 Nr. 1)<br />
• Var. b): Auswechselung der tatsächlichen Begründung<br />
• Neue tatsächliche Begründung ist neuer<br />
Lebenssachverhalt<br />
➡ Änderung des Streitgegenstands (+)<br />
➡ Klageänderung (+)<br />
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Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
Üble Nachrede<br />
A behauptet, gegen S einen Anspruch auf Zahlung von €<br />
8000,- aus einem Dienstvertrag zu haben. S ist der<br />
Auffassung, dass an dieser Behauptung nichts dran sei<br />
und will verhindern, dass A ihn bei seinen<br />
Geschäftspartnern in ein schlechtes Licht setzt. S erhebt<br />
daher Klage gegen A und beantragt festzustellen, dass A<br />
keinen Anspruch gegen S habe. Daraufhin verklagt A<br />
seinerseits den S auf Zahlung. Ist die Klage des A<br />
zulässig? Welche Auswirkungen hat das auf die Klage des<br />
S?<br />
P: Ist die Klage des A trotz § 261 III Nr. 1 zulässig?<br />
I. Zulässigkeit der Klage des A<br />
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Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
Üble Nachrede<br />
1. Unzulässig wg. anderweitiger Rechtshängigkeit, § 261 III Nr. 1?<br />
a) Setzt denselben Streitgegenstand voraus.<br />
b) Nach ein- und zweigliedrigem SG-Begriff (-), da sich der Antrag<br />
unterscheidet (hier Leistungs- dort Feststellungsantrag).<br />
2. Klage zulässig.<br />
II. Auswirkungen auf die Klage des S<br />
1. P: Rechtsschutzbedürfnis für die negative Feststellungsklage des<br />
S ist infolge der Erhebung der Leistungsklage weggefallen, denn<br />
Streitgegenstand d. Leistungsklage umfasst den der<br />
Feststellungsklage (vgl. BGH NJW 1973, 1500; str., andere Lösung über § 148)<br />
2. Feststellungsklage ist für erledigt zu erklären, § 91a<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong>
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„Torpedoklagen“ (EuGH Rs 144/86 Gubisch, NJW 1989, 665)<br />
befürchtete<br />
Leistungsklage<br />
zur Abwehr der Leistungsklage wird<br />
präventiv eine negative Feststellung<br />
in einer „langsamen“ Rechtsordnung<br />
als „Torpedo“ erhoben<br />
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Art. 27 EuGVVO<br />
(1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten<br />
Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen<br />
denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das<br />
später angerufene Gericht das Verfahren von Amts<br />
wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst<br />
angerufenen Gerichts feststeht.<br />
(2) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen<br />
Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene<br />
Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.<br />
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„Torpedoklagen“ (EuGH Rs 144/86 Gubisch, NJW 1989, 665)<br />
• EuGH verwendet zur Bestimmung der Identität der<br />
Streitsache iRv. Art. 27 EuGVVO die sog.<br />
Kernpunkttheorie<br />
• Danach ist eine Klage unzulässig, wenn sie „im Kern“<br />
identisch ist mit einer anderen, bereits rechtshängigen<br />
Klage<br />
• Dies wird insbesondere bejaht für Leistungsklage und<br />
negative Feststellungsklage (EuGH, Rs 144/86, NJW<br />
1989, 665 - Gubisch)<br />
➡ Weiter Streitgegenstandsbegriff führt zu weiter<br />
Rechtshängigkeitssperre<br />
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„Torpedoklagen“ (EuGH Rs 144/86 Gubisch, NJW 1989, 665)<br />
• Dies kann der präsumptive Schuldner ausnutzen, indem er<br />
seine negative Feststellungsklage vor der Erhebung der<br />
Leistungsklage rechtshängig macht.<br />
• Der Torpedoeffekt:<br />
• Nach Erhebung der negativen Feststellungsklage ist<br />
Erhebung der Leistungsklage unmöglich, Art. 27 EuGVVO<br />
• Der Trick: Die Feststellungsklage wird in einer als sehr<br />
ineffizient (langsam!) bekannten Rechtsordnung erhoben, so<br />
dass der Schuldner diesen „Schutz“ evtl. für Jahre genießt!<br />
• Eindämmung dieser Strategie im Zuge der Reform der<br />
EuGVVO (Art. 31 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 <strong>vom</strong> 12.<br />
Dezember 2012)<br />
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Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
Teil 1 Grundlagen des Zivilprozesses<br />
Teil 2 Die Beteiligten und die Organe des<br />
Zivilprozesses<br />
Teil 3 Die Klage<br />
Teil 4 Die Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />
§ 10 Die Parteien betreffende<br />
Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />
§ 11 Das Gericht betreffende<br />
Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />
§ 12 Sachurteilshindernisse<br />
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Teil 4 Die Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />
• „Die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit<br />
Gericht Entscheidung in der Sache trifft.“<br />
Prozessvoraussetzungen<br />
•Vss. f. Zustellung<br />
der Klage<br />
allgemeine<br />
SV<br />
• zB Zuständigkeit<br />
d. Gerichts<br />
• Parteifähigkeit v.<br />
Kläger u<br />
Beklagtem<br />
• § 261 III Nr. 1<br />
besondere<br />
SV<br />
•zB<br />
Feststellungsinteresse<br />
Bei Fehlen einer Sachentscheidungsvoraussetzung:<br />
Klage ist unzulässig --> Prozessurteil, Kostentragungspflicht des<br />
Klägers, § 91<br />
Sachurteilshindernisse,<br />
vgl. § 296 III<br />
•zB 1032 I<br />
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§ 10 Die Parteien betreffende<br />
Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />
I. Die Existenz der Partei<br />
Kläger K verstirbt während des Verfahrens. Wie wirkt sich<br />
das auf den Prozess aus?<br />
Im Parteiprozess: § 239: Unterbrechung, Aufnahme durch<br />
Erben.<br />
Im Anwaltsprozess: § 246: Keine Unterbrechung von Amts<br />
wegen.<br />
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§ 10 Die Parteien betreffende<br />
Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />
II. Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit, §§ 50 ff.<br />
• Parteifähigkeit, § 50<br />
• Prozessfähigkeit, §§ 51, 52.<br />
➡Partei- und Prozessfähigkeit beider Parteien sind<br />
Sachentscheidungsvoraussetzungen.<br />
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§ 10 Die Parteien betreffende<br />
Sachentscheidungsvoraussetzungen<br />
III. Die Prozessführungsbefugnis<br />
• Definition: „Befugnis der Partei, über das geltend gemachte<br />
Recht im eigenen Namen einen Rechtsstreit zu führen.“<br />
• Unterscheide von Parteirolle einerseits und<br />
Sachlegitimation andererseits:<br />
K klagt eine angeblich ihm zustehende Forderung gegen B<br />
ein, die in Wirklichkeit dem X zusteht.<br />
➡ Prozessführungsbefugnis (+), da K das Bestehen eines<br />
eigenen Rechts behauptet. ➡ Klage zulässig.<br />
➡ Klage unbegründet, wg. fehlender Sachlegitimation<br />
• Prozessführungsbefugnis meist unproblematisch, wenn<br />
Kläger eigenes Recht geltend macht, aber zB. §§ 2211,<br />
2212 BGB; §§ 80, 81 InsO<br />
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§ 10 III. Die Prozessführungsbefugnis<br />
Prozessstandschaft: Geltendmachung eines fremden<br />
Rechts im eigenen Namen<br />
1. Gesetzliche Prozessstandschaft (Beispiele)<br />
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a) Partei kraft Amtes (vgl. § 116 S. 1 Nr. 1 <strong>ZPO</strong>)<br />
• Testamentsvollstrecker, § 2212 (§ 2205)<br />
• Nachlassverwalter, § 1984<br />
• Zwangsverwalter, § 152 ZVG<br />
• Insolvenzverwalter, § 80 InsO<br />
b) Eigennützige gesetzliche Prozessstandschaft, z.B.<br />
• § 432 BGB<br />
• § 2039 BGB<br />
• § 1368 BGB<br />
Zivilprozessrecht I, Universität Bonn SS 2013, Prof. Dr. <strong>Moritz</strong> <strong>Brinkmann</strong><br />
Auf dem Boden essen?<br />
A und B sind im gesetzlichen Güterstand<br />
miteinander verheiratet. A hat die<br />
Wohnungseinrichtung mit in die Ehe gebracht. Ein<br />
Jahr nach Eheschließung stellt er „seinen“<br />
Esstisch bei ebay ein. K ersteigert den Tisch, der<br />
ihm auch von A ausgehändigt wird. B ist entsetzt.<br />
Sie will die Herausgabe des Tisches von K<br />
erreichen.<br />
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Auf dem Boden essen?<br />
I. Materiellrechtliche Rechtslage<br />
1. KV unwirksam wg. §§ 1369, 1366 IV BGB<br />
2. Übereignung ebenfalls wg § 1369 BGB unwirksam<br />
➡ Herausgabeanspruch des A aus § 985 u. § 812 I 1 1. Alt.<br />
BGB (Kondiktion des Besitzes)<br />
II. Prozessual:<br />
1. Kann B im eigenen Namen klagen?<br />
2. Grdsl. (-), da sie ein fremdes Recht geltend macht.<br />
3. Aber: Gesetzl. Prozessstandschaft aus § 1368 BGB<br />
➡ B kann fremdes Recht im eigenen Namen geltend<br />
machen<br />
➡ Sie kann auf Rückgabe an A klagen (nach hM uU auch<br />
an sich)<br />
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§ 10 III. Die Prozessführungsbefugnis<br />
2. Gewillkürte Prozessstandschaft<br />
Der Sicherungsgeber hat dem Sicherungsnehmer eine<br />
Forderung gegen D zur Sicherheit abgetreten. Kann SG den<br />
D im eigenen Namen verklagen?<br />
• Voraussetzungen d. gewillkürten Prozessstandschaft<br />
a) Ermächtigung zur Prozessführung (Prozesshandlung)<br />
!<br />
b) Zumutbarkeit der Prozessstandschaft (insbes. bei<br />
Ermächtigung leistungsunfähiger Person wg. Kosten)<br />
c) Rechtliches Interesse des Ermächtigten an Durchsetzung<br />
des Anspruchs,<br />
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§ 10 III. Die Prozessführungsbefugnis<br />
2. Gewillkürte Prozessstandschaft<br />
Der Sicherungsgeber hat dem Sicherungsnehmer eine<br />
Forderung gegen D zur Sicherheit abgetreten. Kann SG den<br />
D im eigenen Namen verklagen?<br />
• Voraussetzungen d. gewillkürten Prozessstandschaft<br />
a) Ermächtigung zur Prozessführung (Prozesshandlung)<br />
!<br />
b) Zumutbarkeit der Prozessstandschaft (insbes. bei<br />
Ermächtigung leistungsunfähiger Person wg. Kosten)<br />
c) Rechtliches Interesse des Ermächtigten an Durchsetzung<br />
des Anspruchs,<br />
• hier Eigeninteresse des SG (+), da er im Innenverhältnis<br />
zu D die Beträge vereinnahmen und behalten darf<br />
• str. inwieweit Provisionsinteresse zB bei Inkassoermächtigung<br />
genügt<br />
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§ 10 III. Die Prozessführungsbefugnis<br />
d) Wirkungen der gewillkürten Prozessstandschaft:<br />
• Die Klagesperre aus § 261 III Nr. 1 erfasst auch eine<br />
Klage des materiell Berechtigten:<br />
Wenn SG bereits aus fremdem Recht den D verklagt<br />
hat, kann SN keine weitere Klage erheben<br />
• Rechtskraft des Urteils wirkt für und gegen den<br />
materiell Berechtigten:<br />
Wenn SG den Prozess verloren hat, dann wirkt dieses<br />
Urteil auch gegen SN.<br />
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