15.09.2013 Aufrufe

der klarste träger musikalischer ideen, der je geschaffen ... - OPUS

der klarste träger musikalischer ideen, der je geschaffen ... - OPUS

der klarste träger musikalischer ideen, der je geschaffen ... - OPUS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Einleitung<br />

Kategorien, auf welche die Musikhistoriographie unausgesprochen vertrauen konnte,<br />

wie etwa »Kausalität«, »Wandel«, »Komponistenintention«, »Werk«, »Stil«,<br />

»Werksinn« und »Werkbedeutung« gehörig ins Wanken geraten sind. 1 Die eigentliche<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung besteht in <strong>der</strong> Vorstellung,<br />

»daß Sprache <strong>der</strong> von ihr geformten Welt auf irgendeine Weise vorangeht, daß das, was<br />

wir als »Realität« erfahren, nichts an<strong>der</strong>es ist als ein gesellschaftliches (d. h. sprachliches)<br />

Konstrukt o<strong>der</strong> ein »Effekt« unseres <strong>je</strong>weiligen Sprachsystems.« 2<br />

Daraus ergibt sich als tiefgreifendste Konsequenz die Auflösung <strong>der</strong> für das<br />

musikhistoriographische Arbeiten charakteristischen Grundüberzeugung, dass <strong>der</strong><br />

untersuchte Gegenstand von sich aus einen zusammenhängenden und feststehenden<br />

Sinn hat, <strong>der</strong> durch eine sorgfältige hermeneutische Methode erschlossen werden<br />

kann. Dies hat ganz allgemein gesehen eine Auflösung <strong>der</strong> Geschichte selbst zur<br />

Konsequenz. 3 Dieser intellektuellen Herausfor<strong>der</strong>ung, die im musikwissenschaftlichen<br />

Diskurs mit <strong>der</strong> fast schon üblichen Verspätung ihre Kraft zu entfalten begann, bloss<br />

durch Lamentieren zu begegnen o<strong>der</strong> sie nur als einen Eingriff o<strong>der</strong> gar eine Invasion<br />

zu empfinden, 4 ist einer Wissenschaft, die sich ernst nimmt (bzw. ernst genommen<br />

werden will) und vor allem auch noch immer als historische Wissenschaft definiert,<br />

nicht angemessen. Vielmehr sollte man dieser Herausfor<strong>der</strong>ung durch Reflexion<br />

begegnen und daraus einen neuen kritischen Standpunkt bestimmen. Ein solcher<br />

1 Der Linguistic Turn war durch unterschiedliche Impulse (aber vornehmlich durch den<br />

Strukturalismus, die Semiotik und den Poststrukturalismus, beson<strong>der</strong>s in Form des<br />

Dekonstruktivismus) ausgelöst worden, wie Toews, Intellectual History after the Linguistic Turn<br />

(1987) und Jay, Geistesgesichte (1988) herausgearbeitet haben, und führte insgesamt zu einer<br />

Auflösung <strong>der</strong> Geschichte bzw. zu einer »Abkehr von <strong>der</strong> »Realität« hin zur Sprache als dem<br />

konstitutiven Element menschlichen Bewußtseins und gesellschaftlicher Sinnproduktion« (Spiegel,<br />

Geschichte, Historizität und die soziale Logik (1994), 162); Dazu auch White, Der historische Text<br />

als Kunstwerk (1994).<br />

2 Spiegel, Geschichte, Historizität und die soziale Logik (1994), 162.<br />

3 Dazu auch Burke, Zwei Krisen (1993).<br />

4 Dazu etwa Eggebrecht, Sinn von Musikwissenschaft heute (2000) und Finscher, Diversi diversa<br />

orant (2000).<br />

26

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!