VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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10 Helm Speidel<br />
schlüssig macht, daß auf seiner Ebene der Beobachtung von allgemeineren polititischen<br />
Erwägungen keine Rede war und daß insbesondere der fachlichen Zusammenarbeit<br />
jedes konspirative Element durchaus fehlte. Die Zielsetzung deutscherseits<br />
nach innen (Tarnung) wie nach außen lag in den Händen höherer Stellen, wobei<br />
vor allem naturgemäß die Rolle von Seeckts zur Erörterung steht.<br />
Es wird daher angebracht sein, in diesen Vorbemerkungen mit möglichster Kürze<br />
zusammenzufassen, was sich nach dem Stand der Forschung über die allgemeineren<br />
Zusammenhänge sagen läßt, von denen die Beziehungen zwischen<br />
Reichswehr und Roter Armee ein so wesentlicher Teil sind.<br />
Dabei ist zunächst festzustellen, daß der Rapallo-Vertrag von 1922 nicht, wie oft<br />
vermutet worden ist, einen geheimen Anhang hatte, oder einen formulierten militärischen<br />
Vertrag nach sich zog: weder ein „Militärbündnis" noch eine jener „Militärkonventionen",<br />
die aus der Geschichte der Ententen bekannt sind. In dieser Form<br />
ist keineswegs etwa vom Reichswehrministerium in die Politik hineinregiert worden.<br />
Hingegen steht ebenso außer Zweifel, daß sehr frühzeitig schon zwischen<br />
Deutschland und der Sowjetunion allgemeine wirtschaftliche wie insbesondere militärwirtschaftliche<br />
und militärtechnische Besprechungen und Abreden begannen.<br />
Trotz der Geheimhaltung namentlich auf den letzteren beiden Gebieten sickerte<br />
manches davon durch. Und es wird glaubwürdig versichert, daß von Schleicher, in<br />
dessen Privatwohnung einige der ersten Zusammenkünfte stattfanden, der weiteren<br />
Entwicklung skeptisch gegenüberstand, weil er so viel zu dementieren und<br />
„auszubügeln" hatte 3 . Übrigens ergab sich zwischen ihm und von Seeckt schon bei<br />
einer Lagebesprechung im Dezember 1918 eine Meinungsverschiedenheit dahingehend,<br />
daß Schleicher der von Seeckt bereits damals vertretenen These von der<br />
wiederzugewinnenden „Bündnisfähigkeit" die der wirtschaftlichen Gesundung<br />
zeitlich weit voranstellte 4 .<br />
In der Tat stand zunächst die Frage wirtschaftlicher Betätigung im Osten durchaus<br />
im Vordergrund. — Am 6. Mai 1921 — zwei Monate nach dem englischen Vorgang<br />
— kam es zu einem Handelsabkommen Deutschlands mit der Sowjetunion.<br />
Die Wiedereröffnung des russischen Marktes wurde ein Hauptanliegen deutscher<br />
Politik in der 2. Hälfte des Jahres 1921. Dabei trat ein Interessenkonflikt hervor<br />
zwischen der Schwerindustrie (Stinnes) und der im eigenen Rohstoffbezug vom<br />
Westen abhängigeren verarbeitenden Industrie (Rathenau), die demgemäß eher<br />
dem Gedanken der Bildung eines internationalen Konsortiums <strong>für</strong> die wirtschaftliche<br />
Betätigung im Osten zuneigte. Immerhin: Der deutsche Anteil an der Sowjet-<br />
Einfuhr wuchs von 25 Prozent im Jahr 1921 auf 32,7 Prozent im Jahr 1922 5 . Im<br />
3 Aussage des Generals a. D. J. von Stülpnagel (Befragungsprotokoll im Besitz des <strong>Institut</strong>s<br />
<strong>für</strong> Zeitgeschichte München). — Das Buch von H. R. Berndorff über Schleicher („General<br />
zwischen Ost und West") kann als wissenschaftliche Quelle nur mit starken Vorbehalten<br />
benutzt werden.<br />
4 F. von Rabenau, Seeckt. Aus seinem Leben. 1918—1936 (Leipzig 1940), S. 117 f. —<br />
Walter Görlitz, Der deutsche Generalstab (Frankfurt 1950), S. 301.<br />
5 E. H. Carr, German-Soviet Relations between the two World Wars(Baltimore 1951), p. 55.