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VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...

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74 Dokumentation<br />

Erlebnisse im Zusammenhang mit der Ermordung Schleichers, den er am 18. Januar<br />

1952 aufgesetzt hat, zur Publikation überlassen.<br />

Auch diese Dokumente vermögen keine vollständige Aufklärung über die Erschießung<br />

Schleichers zu geben. Sie sind schon deswegen unvollständig, weil die<br />

nationalsozialistischen Machthaber die polizeiliche Untersuchung noch am Todestage<br />

selbst abgebrochen und eine Wiederaufnahme nicht geduldet haben. Immerhin<br />

ergibt sich aus den vorliegenden Dokumenten einwandfrei, daß Schleicher nicht<br />

wegen Widerstandes mit der Waffe bei seiner Verhaftung erschossen, sondern ermordet<br />

worden ist. Andererseits fehlt es nach wie vor an jeglichen Nachweisen über<br />

die Personen der Täter und ihre Auftraggeber, über die Art des Auftrags sowie über<br />

den Anlaß zur Tötung.<br />

Gleichzeitig geben diese Berichte einen interessanten Einblick in die politische<br />

Geistesverfassung und Berufsvorstellung der Beamtenschaft im zweiten Jahr des<br />

nationalsozialistischen Regimes.<br />

Einige Bemerkungen rechtlicher und organisatorischer Art mögen zum Verständnis<br />

der Berichte im einzelnen dienen.<br />

Die Staatsanwaltschaft ist nach § 152 Abs. 2 der Strafprozeßordnung verpflichtet,<br />

„wegen aller gerichtlich strafbaren und verfolgbaren Handlungen einzuschreiten,<br />

sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen" (Legalitätsgrundsatz).<br />

Die Staatsanwaltschaft hatte demnach im vorhegenden Falle zu prüfen, ob derartige<br />

Anhaltspunkte <strong>für</strong> eine strafbare Handlung vorlagen. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen<br />

und politische Motive durften <strong>für</strong> die Handlungen der Staatsanwaltschaft<br />

nicht bestimmend sein. Ebenso durfte die Staatsanwaltschaft das einmal<br />

eingeleitete Verfahren entsprechend dem Legalitätsprinzip nur in den von der<br />

Strafprozeßordnung festgelegten Formen beenden.<br />

Der Tatort Neubabelsberg gehörte zum Landgerichtsbezirk Potsdam. Zuständig<br />

war daher die Staatsanwaltschaft in Potsdam. Nach § 144 des Gerichtsverfassungsgesetzes<br />

handeln die dem ersten Beamten beigeordneten Beamten der Staatsanwaltschaft<br />

stets in Vertretung des ersten Beamten und sind zu allen Amtsverrichtungen<br />

desselben ohne den Nachweis eines besonderen Auftrages berechtigt. Zuständig war<br />

in erster Linie der Oberstaatsanwalt Tetzlaff. Todesermittlungssachen bearbeitete<br />

bei der Staatsanwaltschaft in Potsdam an Stelle des damals im Urlaub befindlichen<br />

Dezernenten, Gerichtsassessor Dr. Grützner.<br />

Die Staatsanwaltschaft Potsdam mußte nach § 160 der Strafprozeßordnung einschreiten,<br />

nachdem sie durch den Gendarmerieposten und durch den Amtsvorsteher<br />

Schiche von der Erschießung des Ehepaars von Schleicher Kenntnis erhalten hatte.<br />

galten aber in der nationalsozialistischen Vorstellungswelt als ehrenrührige Verbrechen im<br />

höchsten Maße. Von der Erschießung wegen Widerstandes war mit keinem Wort, auch nicht<br />

andeutungsweise, die Rede. Diese Erklärung mußte auf die Mitglieder als eine Ehrenrettung<br />

wirken. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die Erklärung Mackensens, zum mindesten<br />

in dem im vervielfältigten Bericht wiedergegebenen Wortlaut, mit den maßgebenden<br />

Parteiinstanzen vorher abgestimmt war.

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