VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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70 Helmut Krausnick<br />
Zwei Tage später wurde Rommel durch seine schwere Verwundung handlungsunfähig.<br />
Über das weitere Schicksal Rommels ist genügend bekannt, um auch den Rest<br />
der Umdeutung seiner Haltung durch die Kritiker des 20. Juli zu entkräften. Daß<br />
er der einmal gewonnenen Überzeugung treu blieb, beweist sein Wort von dem<br />
„pathologischen Lügner", der „seinen wahren Sadismus gegen die Männer des<br />
20. Juli gerichtet" habe, beweist seine erneute Bereitschaft, zum Zwecke der Ausschaltung<br />
Hitlers Verantwortungen jeglicher Art zu übernehmen 24 . Hoffnungen<br />
eines Freundes aber, Hitler werde sich an ihn, seinen populärsten Heerführer, nicht<br />
heranwagen, wies er illusionslos zurück: „Doch, Du wirst sehen, er läßt mich Umbringen,<br />
Du solltest als Politiker diesen Verbrecher besser kennen als ich 25 ." Auch<br />
Hitler war über Rommels Einstellung ohne Illusionen, und daß er ihn beseitigt hat,<br />
ist eine Bestätigung <strong>für</strong> Rommels Haltung. Nach außen hin war Rommel nicht<br />
kompromittiert, insofern wäre seine Beseitigung nicht nötig gewesen. Hitler<br />
scheute sich zwar im eigenen Interesse, das gleiche Schauverfahren gegen Rommel<br />
anzuwenden wie gegen seine Gesinnungsgenossen — das gleiche Ziel aber wollte er<br />
auf Wegen der Tarnung, des Hinterhalts und der Lüge erreichen, die <strong>für</strong> ein Gelingen<br />
jede Gewähr boten. Rommel nahm das Gift, das Hitler ihm nach der Meinung<br />
jener Kritiker „schicken mußte" — doch nichts spricht da<strong>für</strong>, daß es <strong>für</strong> Rommel<br />
aus den Händen einer „Staatsautorität" kam, die er noch <strong>für</strong> sich und <strong>für</strong><br />
Deutschland als eine solche moralisch legitimiert betrachtet und der gegenüber er<br />
irgend etwas „eingesehen" hätte. Oft genug hat er ja jenes Hitlerwort zitiert, nach<br />
dem gegen eine Regierungsgewalt, die ein Volk dem Untergang entgegenführe,<br />
„die Rebellion eines jeden Angehörigen eines solchen Volkes nicht nur Recht, sondern<br />
Pflicht" sei 28 . Noch eine Woche vor seinem Tode sagte er zu seinem Arzt: „Ich<br />
<strong>für</strong>chte, dieser Wahnsinnige wird den letzten Deutschen opfern, ehe es mit ihm<br />
selbst zu Ende geht 27 ." Im Konflikt zwischen seinen Pflichten gegen Hitler und denen<br />
gegen Deutschland hat Rommel sich <strong>für</strong> sein Volk entschieden. Nicht ein sogenannter<br />
„höherer Gehorsam seines Heldentums" also, der noch immer Hitler geleistet<br />
worden wäre — wie es die Vertreter der neuen Dolchstoßlegende wollen —,<br />
sondern die Eindeutigkeit seiner Stellungnahme gegen den Diktator „entrückt<br />
Rommel dem Streit der Parteien"! Von den anderen Männern des 20. Juli unterscheidet<br />
ihn im letzten keine abweichende innere Haltung, sondern allenfalls der<br />
Zeitpunkt seiner Erkenntnis und die Frage der Form einer Ausschaltung Hitlers als<br />
Person. Eben weil aber, wie einer seiner Biographen 28 sagt, unter den Marschällen und<br />
Generalen des Dritten Reiches wohl keiner um die Erhaltung und Rechtfertigung<br />
„seiner" Welt tiefer gerungen und gelitten hat als Rommel, besitzt seine Wandlung<br />
um so größeren Wert in sich selbst und <strong>für</strong> eine noch vielfach irrende Nachwelt.<br />
24 Speidel, a. a. O., S. 176f.<br />
25 Speidel, a. a. O., S. 177.<br />
26 Speidel, a. a. 0., S. 88.<br />
27 Speidel, a. a. O., S. 177.<br />
28 Koch, a. a. O., S. 15f., 8ff., 329.