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Bettensonnen<br />

Die Sonne musste von allem und jedem ferngehalten<br />

werden. Zum Heuen trug man Schatthüte. Auf der Sonnseite<br />

wurden die Läden gezogen. Am Sonntag und zur Tracht<br />

trugen die Frauen Sonnenschirme, denn die Brüechliseide<br />

war viel zu choschtlig. Außer Gesicht, Hände, Unterarme,<br />

Füße und bei den Kindern ein wenig Bein kam nie etwas<br />

an die Sonne. Sonnenschutzmittel gab es keine. Verbrannte<br />

man sich die Arme, schmierte man Essigsuuritoneede<br />

ein. Ein paar Tage später ließ sich die oberste Hautschicht<br />

abziehen wie Hedepfelschölfere. Niemandem wäre es in<br />

den Sinn gekommen – auch wenn er de Wiil gehabt hätte –<br />

an die Sonne zu liegen, geschweige denn halbnackt.<br />

Eine Ausnahme gab es: die Betten, genauer gesagt die<br />

Matratzen und Decken, mussten mindestens einmal im<br />

Sommerhalbjahr an die Sonne gelegt werden. Bettensonnen<br />

war Aufregung im Haus, denn was so harmlos, ja mühelos<br />

tönt, war Schwerstarbeit für die weiblichen Hausbewohnerinnen,<br />

und etwas widerwillig mussten sogar die<br />

Männer und Buben mit anpacken. Die Mutter bestimmte<br />

am Morgen, welche Kammer drankam. Die Betten wurden<br />

abgezogen und die Rosshaarmatratzen mit den lustigen<br />

Zötteli zu zweit ins Freie getragen. Die Bubenarme waren<br />

meistens zu kurz und irgendwo schlipfte sie einem aus.<br />

Die Untermatratze mit den Stahlfedern war schwerer und<br />

ließ sich nicht um die Ecken biegen. Sie war Sache der Erwachsenen.<br />

Vor dem Haus lagen sie dann in Reih und<br />

Glied auf Bänken und Böcken. Niemand hätte sich getraut,<br />

darauf herumzuliegen, denn der Teppichklopfer war fast<br />

ununterbrochen im Einsatz, bis die Matratzen keinen<br />

Staub mehr von sich gaben. Dazwischen wurde gebürstet<br />

und gekehrt. Matratzenklopfen war sehr anstengend für<br />

kurze Kinderarme. Wenn niemand zuschaute, traktierte der<br />

Teppichklopfer zwischendurch auch andere(s). Und unter<br />

Brüechli = Göller der Ap -<br />

penzeller Frauentracht<br />

choschtlig = kostbar<br />

Essisuuritoneede = essig<br />

saure Tonerde<br />

Hedepfelschölfere = Kartoffelschale<br />

De Wiil haa = Zeit haben

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