Mitteilungen Weihnachten 2008 - Rudolf Steiner Schule Aargau
Mitteilungen Weihnachten 2008 - Rudolf Steiner Schule Aargau
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5 Unterstufe<br />
Aus der vier ten Klasse:<br />
Germanische Mythologie, Stabreim, Runen<br />
Wie sollte ich den Erzählstoff in<br />
der vierten Klasse beginnen? Eine<br />
Schöpfungsgeschichte so ganz anders<br />
als die in der dritten Klasse? Als innere<br />
Vorbereitung (auch für mich selber)<br />
führte ich die Kinder in den hohen<br />
Norden, nach Island, wo die germanische<br />
Mythologie in der sog. Edda in altisländisch<br />
festgehalten wurde.<br />
Selber lernte ich Island vor vielen<br />
Jahren auf «Zwischenlandung für 5<br />
Tage» etwas kennen und war beeindruckt<br />
von dessen Landschaft: Karge<br />
Leere über der Erde, keine Bäume<br />
(von Natur aus), Gras, Büsche, um die<br />
Hauptstadt eine karge, schwarze Lavawüste.<br />
Umso lebendiger ist es unter<br />
der Erde.Da kocht und brodelt es.Und<br />
wie wenn sie es nicht mehr aushalten<br />
würde und ihre gestaute Kraft entladen<br />
müsste spuckt sie hohe Geysire<br />
aus, dampft in heissen Quellen, bricht<br />
auf und ergiesst sich in feurigen Vulkanen.<br />
Da kommen Kräfte von unten<br />
hoch und prägen Islands Atmosphäre.<br />
Unaufhörlich bläst salzige Luft vom<br />
Meer her übers Land. Lebhaft ist die<br />
Erinnerung an diese Frische im Wind,<br />
an das Schweflige im (Hahnen-)Wasser.<br />
Die Elemente begegneten einem<br />
als starke Wesen. Es wunderte uns damals<br />
nicht, dass die Isländer mit Elfen<br />
und Trollen leben.<br />
In Island trifft feuriges Lava auf kaltes<br />
Gletschereis. Die Edda beginnt<br />
eben so: Das feurige, südliche Muspelheim<br />
trifft auf das eisige, nördliche Nifelheim.<br />
Daraus entsteht der Ur-Riese<br />
Ymir, aus dessen Leib die Götter danach<br />
die Erde erschaffen.<br />
In den Bildern der Edda wird spürbar,<br />
wie die Menschen früher in allem<br />
Naturwalten Göttergewalt wahrnahmen:<br />
Der Wind ist Odins Atem, Blitze<br />
schleudert der gewaltige Thor und<br />
wenn er seinen Hammer gegen die<br />
Riesen wirft, kracht der Donner. Was<br />
im Grossen ist findet sich wieder im<br />
Kleinen: Im eigenen Innern erlebte<br />
der Mensch die Wirkung der Götter<br />
entsprechend: Odin im Atem, in der<br />
von ihm erschaffenen Sprache, Thors<br />
Hammerschlag im Puls, im Blut (Thor<br />
watet durch die Flüsse, er hat einen eisernen<br />
Handschuh an).<br />
So sind diese Bilder und dann die<br />
Geschichte dazu Bilder des Menschen<br />
und der Menschheitsgeschichte. Bekannt<br />
ist ja der Elternschaft, dass jedes<br />
Kind diese Menschheitsgeschichte in<br />
der eigenen Entwicklung nochmals<br />
durchläuft. Der Sündenfall im Alten<br />
Testament, die Vertreibung aus dem<br />
Paradies ist ein Bild für den Rubikon<br />
im 9./10.Lebensjahr.<br />
Nochmals erlebten die Viertklässler<br />
die Vertreibung aus dem goldenen<br />
(Kleinkinder-)Zeitalter durch den Tod<br />
des lichten Gottes Baldur, dann folgt<br />
der Götter dramatischer Untergang.<br />
Hier entstanden einige Fragen bei den<br />
Kindern: Ist die Weltenesche Yggdrasil<br />
auch untergegangen (sie ist – kurz gesagt<br />
– auch ein Bild des Menschen),<br />
was ist mit den Frauen der Götter passiert?<br />
Die Antworten musste ich mir<br />
entsprechend sorgfältig überlegen,<br />
dass sie auch der Wahrheit entsprachen.<br />
In den Vorträgen «Die Mission einzelner<br />
Volksseelen», GA 613, be-<br />
<strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Aargau</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>Weihnachten</strong> <strong>2008</strong><br />
schreibt <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> die Bedeutung<br />
der Götter und ihrer Taten. Da möge<br />
sich jeder,der sich dafür interessiert in<br />
diese Geheimnisse einlesen und selber<br />
forschen. Odin z.B. hing neun<br />
Nächte lang in dem windigen Baum,<br />
um qualvoll, mühevoll den Menschen<br />
die Sprache zu erschaffen. Die Schrift<br />
dazu, in Runenzeichen hob er auf, in<br />
Stäbe (Buchenstäbe-Buchstabe) geritzt.<br />
Weisheitsvoll ist die Sprache fürwahr,<br />
die Runen mehr als eine Schrift,<br />
Zeichen, denen grosse Wirksamkeit innewohnt(e).Futhark<br />
heisst das Runenalphabet,<br />
nach den ersten sechs Runen<br />
benannt.Aus drei Teilen, aetts, bestehend<br />
à 8 Buch(en)staben. Das erste<br />
aett wurde Frey, einem Wanengott zugeordnet.<br />
Die Wanen sind älter als die<br />
andern Götter und sehr weise. Das<br />
zweite wurde Odin zugeordnet, das<br />
dritte Thor. Die Kinder rätselten, was<br />
die Zeichen mit dem jeweiligen Gott<br />
zu tun hätten. Untereinander gereiht,<br />
unterstützt durch die Farben blau,<br />
gelb, rot zeigt sich erneut ein Bild des<br />
Menschen. Zuoberst der Kopf, die Gedanken<br />
(Frey), dann der Brustbereich<br />
das Fühlen (Odin), dann der untere<br />
Mensch,der Wille (Thor).<br />
Buchenstäbe gingen wir in den<br />
Wald schneiden. Im Schulzimmer beschnitzten<br />
die Kinder sie mit ihrem<br />
Namen in Runenschrift, was sie sehr<br />
gerne taten. Schöne Verzierungen kamen<br />
hinzu. Hilfreiche Runen, wie<br />
«Götter», «Sonne», «Gabe» usw. suchte<br />
und fand jedes Kind in seinem Namen.<br />
Nun galt es mit den Kindern in das<br />
Sprechen des Stabreims zu kommen.<br />
Dies ist die kräftige Versform der Edda.<br />
Die Wirkung des Stabreims konnte<br />
ich an mir selber erfahren in der Vorbereitung<br />
mit Karin Croll, unserer<br />
Sprachgestalterin. Auch schon früher<br />
übte ich mit ihr Stabreim, therapeutisch<br />
gegen Eisenmangel.Wenn es mir<br />
wirklich gelang, spürte ich erschlosse-