Ausgabe 4/ 2013 - BLLV
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KOMMENTAR<br />
„Zeit ist keine Schnellstraße...<br />
... zwischen Wiege und Grab, sondern Platz zum Parken an der Sonne“ – ein schönes Bild von Phil Bosmans. Am Ende eines<br />
Schuljahres und so kurz vor den Sommerferien ist es an der Zeit nachzuhaken, wie es denn war, dieses Schuljahr: Haben wir diese<br />
Parkplätze gefunden und uns mal in der Sonne ausgeruht, die Stille genossen und uns entspannt, oder sind wir nur auf den Schnellstraßen<br />
dahingerast, voller Sorge, ja keinen Wegweiser zu übersehen, keinen Umweg zu fahren, möglichst<br />
schnell an unserem Ziel anzukommen ohne Blick nach links oder rechts?<br />
Nicht nur unsere Gesellschaft versinkt in einem Meer an Informationen und kurzlebigen Reizen,<br />
auch unsere Schulen werden überflutet von Aktionen und Reformideen. Nicht nur unser Lebensstil<br />
hat sich in fast unmenschlicher Weise beschleunigt, auch unsere Kinder sollen immer mehr in immer<br />
weniger Zeit lernen. Nicht nur die Erwachsenen leiden unter dem Druck von Übererwartung und<br />
ständiger Leistungssteigerung – auch unsere Kinder werden zu Opfern einer einseitigen Leistungserwartung.<br />
Zeit ist keine Schnellstraße... Was muten wir uns und unseren Kindern eigentlich viel zu oft zu?<br />
Wir hetzen durch überfüllte Lehrpläne, uns fehlt die Zeit, uns mit den Kindern intensiver zu befassen,<br />
die in besonderem Maß unsere Hilfe brauchen, wir sollen individuell fördern, haben aber keine Ressourcen,<br />
es fehlen Lehrer an allen Ecken und Enden, in der Grundschule sitzt jedem Lehrer, allen Eltern<br />
und Kindern spätestens ab der dritten Klasse der Übertritt im Nacken...<br />
Vieles von dem, was schön wäre, bleibt auf der Strecke: Die Fahrt ins Schullandheim, der Besuch im Altenheim oder die Teilnahme<br />
am Malwettbewerb. Wichtig sind Deutsch, Mathematik und HSU, und die eine Klasse darf ja keinen Schritt im Stoff hinter<br />
der Parallelklasse bleiben.<br />
Die Not an unseren Schulen ist groß: Beratungslehrer, Schulpsychologen und unterstützende Sozialarbeit – wo vorhanden – haben<br />
alle Hände voll zu tun. Die Wartezeiten bei den Kinder- und Jugendpsychiatern erstrecken sich mittlerweile in der Regel auf<br />
mehrere Monate. Eltern sind ratlos, Lehrer fühlen sich oftmals überfordert und im Stich gelassen, Schulleiter sind rundumbeschäftigte<br />
Manager, denen man von oben immer neue Aufgaben zuschiebt, verkauft als stärkere Eigenverantwortung der Einzelschule,<br />
und die Verbundkoordinatoren haben den Schwarzen Peter, wenn es darum geht, die immer weniger werdenden Mittelschüler auf<br />
die verbleibenden Schulstandorte zu verteilen.<br />
In der Zeitung lesen wir etwas ganz anderes: Noch nie gab es so viele Lehrer wie in diesem Jahr. Bayerische Schüler sind Spitze<br />
bei nationalen und internationalen Vergleichtests. Das bayerische gegliederte Schulsystem fördert jedes einzelne Kind begabungsgerecht.<br />
Die Mittelschule ist ein Erfolgskonzept.<br />
Der <strong>BLLV</strong> legt die Finger dorthin, wo Veränderungen Not tun. Wir brauchen eine Entschleunigung in unseren Schulen, mehr<br />
Ressourcen für individuelle Förderung, Teamteaching und für kleinere Klassen und Gruppen. Wir fordern eine Besinnung auf die<br />
wesentlichen Bildungsinhalte. Wir warnen vor blindem Reformaktionismus und ausufernder Bürokratisierung. Wir wünschen uns<br />
vom Kultusministerium mehr Ehrlichkeit bei der Darstellung unserer Situation und mehr Unterstützung in unserer Arbeit.<br />
Zeit ist keine Schnellstraße... Auch Schule darf keine Schnellstraße sein zwischen Übertritt und Übrigbleibern. Schule muss Zeit<br />
lassen und Zeit geben:<br />
Zeit zu Beziehung, Zeit zu Wertschätzung, Zeit zu gegenseitiger Unterstützung.<br />
Zeit zu lernen, Zeit zu leben.<br />
„... Platz zum Parken in der Sonne“ – Gott sei Dank gibt es sie auch immer wieder in unseren Schulen, diese sonnigen Parkplätze.<br />
Dank hoch engagierter Lehrerinnen und Lehrer, die wissen, dass ohne Beziehungsarbeit kein Stoff zu vermitteln ist, dank Lehrkräften,<br />
die sich intensiv um ihre Kinder kümmern und keinen im Stich lassen wollen, dank Schulleiterinnen und Schulleitern, die<br />
ihre Lehrer motivieren und vor allzu großem Aktionismus verschonen, dank Kollegien, die sich gegenseitig unterstützen und helfen,<br />
und die auch noch miteinander lachen können.<br />
Ihnen allen ein herzliches Dankeschön!<br />
Ich wünsche Ihnen viele sonnige Parkplätze! Nicht nur in den Ferien!<br />
Mit<br />
Ihre<br />
rzlichen he rüßen G<br />
Oberpfälzer Schule <strong>2013</strong>/4 3