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Ausgabe 4/ 2013 - BLLV

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Kleinere Klassen und mehr Lehrer<br />

Aus einem Interview der Mittelbayerischen Zeitung mit Maria Karg-Pirzer,<br />

der stellvertretenden <strong>BLLV</strong>-Bezirksvorsitzenden und Leiterin der Mittelschule Teublitz<br />

Bayerns Schulpolitik ist umstritten. Die<br />

schärfsten Kritiker finden sich in den<br />

Reihen des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes.<br />

Die MZ sprach mit<br />

Maria Karg-Pirzer, der stellvertretenden<br />

<strong>BLLV</strong>-Bezirksvorsitzenden, über die Situation<br />

an den Grund- und Mittelschulen,<br />

über Lehrermangel und Unterrichtsqualität.<br />

Frau Karg-Pirzer, der Lehrerberuf steht auf<br />

der Beliebtheitsskala – unter 32 Berufsbildern<br />

– auf dem zehnten Platz. Ein Traumberuf?<br />

Die meisten Lehrer lieben ihren Beruf, wollen<br />

das Beste für die ihnen anvertrauten<br />

Schüler und haben pädagogische Visionen,<br />

aber sie sehen auch tagtäglich die Unzulänglichkeiten.<br />

Unzulänglichkeiten? Wenn man die Verlautbarungen<br />

des Kultusministeriums liest,<br />

ist in Bayern alles im grünen Bereich. Ausreichend<br />

Lehrer, die Zeit für Intensivierung<br />

haben und den Schülern den Weg ebnen, um<br />

ihre Talente zu entfalten. Leiden die Verantwortlichen<br />

im Kultusministerium unter Realitätsverlust?<br />

Fakt ist: Es fehlen Lehrer. Täglich müssen<br />

an vielen Schulen Unterrichtsstunden<br />

aufgefangen werden – irgendwie. Dann<br />

unterrichten Fachlehrer oder Förderlehrer<br />

fachfremd; Arbeitsgemeinschaften werden<br />

aufgelöst; es gibt keine Differenzierung in<br />

den Ganztagsklassen oder große Klassen.<br />

Das ist starker Tobak. Die vom Kultusministerium<br />

hochgelobte individuelle Förderung<br />

findet also an vielen Grund- und Mittelschulen<br />

nur auf dem Papier statt?<br />

Ja. Die Schulleitungen sind schon glücklich,<br />

wenn sie überhaupt eine Vertretung bekommen<br />

– auch wenn es jemand nach dem ersten<br />

Staatsexamen ist, oder netterweise sogar<br />

ein Pensionist einspringt.<br />

Aber was ist mit der Mobilen Reserve, die,<br />

laut Kultusministerium, aufgestockt wurde<br />

und Ausfälle auffangen sollte.<br />

Die ist zwar faktisch vorhanden, wurde auch<br />

von den Schulämtern vorschriftsmäßig mit<br />

entsprechender Stundenzahl gebildet, ist<br />

aber oft schon nach der ersten Krankheitswelle<br />

im Herbst verplant und reicht bei Weitem<br />

nicht aus.<br />

Das ist bitter angesichts der vielen jungen<br />

Lehrer, die nicht eingestellt werden. Wie viele<br />

Junglehrer stehen denn auf der Warteliste?<br />

Rund 2000. Wenn sie Glück haben, bekommen<br />

sie ab November einen Angestelltenvertrag,<br />

der zeitlich befristet ist. Weil aber<br />

viele auf ein regelmäßiges Einkommen<br />

angewiesen sind, können sie nicht warten,<br />

bis sie vielleicht im November oder Januar<br />

einen befristeten Vertrag bekommen, und<br />

müssen sich nach ihrer Prüfung ab September<br />

etwas anderes suchen.<br />

Wo nehmen die Schulämter dann die benötigten<br />

Lehrer her?<br />

Laut einer Mitteilung des Kultusministeriums<br />

wurden im Februar 2012 als „Aushilfen“<br />

bis zum Juli 24,3 Prozent von der<br />

Warteliste, 16,8 Prozent mit nur 1. Staatsexamen,<br />

12,7 Prozent freie Bewerber, 30,3<br />

Prozent mit Lehramt Gymnasium und vier<br />

Prozent mit 1. Staatsexamen für Lehramt<br />

Realschule eingestellt.<br />

Da stellt sich die Frage, wie es mit der Unterrichtsqualität<br />

aussieht, wenn Schüler<br />

von Aushilfen unterrichtet werden, die ihre<br />

Ausbildung noch gar nicht abgeschlossen<br />

haben oder nur für eine andere Schulart<br />

ausgebildet sind?<br />

Solche Lösungen sind nach Meinung des<br />

<strong>BLLV</strong> Billiglösungen für den Staat und<br />

nicht gerade motivationsfördernd für unsere<br />

Lehrkräfte im täglichen Einsatz. Und schon<br />

gar keine Lösung für unsere Junglehrer auf<br />

den Wartelisten. Aber wenigstens gibt es dadurch<br />

weniger Klassenauflösungen und vor<br />

allem keinen Unterrichtsausfall.<br />

Nach der Definition des Ministeriums ist<br />

ein Unterrichtsausfall dann gegeben, wenn<br />

Schüler heimgeschickt werden…“<br />

... und das kommt, hier stimmen wir mit<br />

dem Ministerium überein, wirklich äußerst<br />

selten vor. Was logisch ist, denn Unterricht<br />

in (immer mehr) Ganztagsklassen kann<br />

nicht einfach ausfallen, sondern wird durch<br />

schulhausinterne Maßnahmen aufgefangen.<br />

Ein Erfolg für die Statistik – auf Kosten der<br />

individuellen Förderung.<br />

Der <strong>BLLV</strong> hält mit seiner Kritik bekanntlich<br />

nicht hinterm Berg.<br />

Wir sind keine Nörgler und Jammerer, wir<br />

sprechen nur aus unserer täglichen Erfahrung<br />

in und mit der Schule und aus pädagogischer<br />

Verantwortung heraus. Der <strong>BLLV</strong><br />

sieht es als seine Pflicht an, auf Unzulänglichkeiten<br />

hinzuweisen und Verbesserungen<br />

einzufordern.<br />

Oberpfälzer Schule <strong>2013</strong>/4 – 35. Jahrgang<br />

Viele Eltern beobachten mit Sorge die Entwicklung<br />

an den Grundschulen. Hier geht<br />

es fast nur noch um Übertritt. Können Sie<br />

diese Beobachtung bestätigen?<br />

Absolut. Schule und Lernen reduzieren sich<br />

hier mittlerweile in ihrer Bedeutung auf drei<br />

Fächer und abfragbares, kognitives Wissen,<br />

auf Noten und damit verbundene Berechtigungen.<br />

Ist die Grundschule zur Sortieranstalt verkommen?<br />

Fakt ist, dass immer mehr Kinder den Lernstoff<br />

schon kennen, bevor er in der Schule<br />

besprochen wird. Sie werden vor den angekündigten<br />

Proben regelrecht gedopt. Kinder,<br />

die zu Hause Unterstützung haben, werden<br />

gefördert, bekommen Nachhilfe, bekommen<br />

aber häufig auch unglaublichen Druck, und<br />

diejenigen, die keinen haben, bleiben oft auf<br />

der Strecke.<br />

Wie sieht es denn mit der Anerkennung der<br />

Mittelschulen aus, die vom Kultusministerium<br />

gerne als Erfolgsmodell verkauft werden?<br />

Die Aufwertung der Mittelschule ist aus<br />

meiner Sicht bisher noch nicht gelungen.<br />

Die meisten Eltern versuchen nach wie vor,<br />

ihre Kinder auf andere Schularten zu schicken.<br />

Wenn Sie drei Wünsche freihätten, was würden<br />

Sie sich wünschen?<br />

Das, was sich die meisten Lehrer wünschen:<br />

Eine Schule, in der das Lernen und<br />

Lehren wieder Freude macht, eine Schule,<br />

in der der einzelne Schüler im Mittelpunkt<br />

steht und mehr Zeit ist, dessen individuelle<br />

Stärken und Schwächen zu erkennen und zu<br />

fördern – zum Beispiel durch eine längere<br />

gemeinsame Schulzeit.<br />

Zurück zur Realität. Was tut der <strong>BLLV</strong>, um<br />

diese hehren Ziele zu erreichen?<br />

Wir fordern immer wieder mit Nachdruck<br />

Verbesserungen ein. Wir setzen uns zum<br />

Beispiel ein für mehr Ressourcen für individuelle<br />

Förderung, kleinere Klassen und<br />

mehr Lehrer; wir fordern mehr Leitungszeit<br />

für Schulleitungen der Grund- und Mittelschulen<br />

und die „eigenverantwortliche<br />

Schule“ auch für die Grund- und Mittelschulen,<br />

außerdem weniger Ungerechtigkeiten<br />

zwischen den Schularten, mehr<br />

Verwaltungsangestellte und dass Wartelistenbewerber<br />

bereits im Juli die Zusage für<br />

Einstellungen im November bekommen.<br />

Interview: Elisabeth Hirzinger

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