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1 pastorale. musik, melancholie und die kunst der selbstregierung ...

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genannt wird. Denn als <strong>musik</strong>alisch therapierbar werden gerade <strong>die</strong> symptomatischen<br />

Affekte <strong>der</strong> Melancholie – Angst <strong>und</strong> Schwermut – vorgestellt. Die mit Abstand am<br />

häufigsten zitierte Fallgeschichte einer <strong>musik</strong>alischen Kur ist (neben dem Phänomen des<br />

Tarantismus) <strong>die</strong> Heilung König Sauls durch Davids Harfenspiel. Für <strong>die</strong> meisten<br />

Mediziner <strong>und</strong> Musikgelehrten des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts ist das längst nicht mehr <strong>die</strong><br />

Geschichte <strong>der</strong> Austreibung eines bösen Geistes, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> <strong>der</strong> Heilung eines<br />

Melancholikers.<br />

Der diachrone Blick auf das medizinische Schrifttum zeigt jedoch, dass das<br />

gängige Repertoire biblischer <strong>und</strong> philosophischer Erzählungen von den Heilwirkungen<br />

<strong>der</strong> Musik im Verlaufe des Jahrh<strong>und</strong>erts im wissenschaftlichen Schrifttum immer mehr<br />

an Bedeutung verliert. Im Gefolge <strong>der</strong> anthropologischen Wende <strong>und</strong> <strong>der</strong> damit<br />

einhergehenden Aufwertung von Beobachtung <strong>und</strong> Erfahrung verän<strong>der</strong>t sich auch <strong>der</strong><br />

theoretische Umgang mit den Heilwirkungen <strong>der</strong> Musik. Schon um <strong>die</strong> Jahrh<strong>und</strong>ertmitte<br />

werden <strong>die</strong> hippokratischen <strong>und</strong> pythagoräischen Schriften, <strong>die</strong> Ausführungen Homers,<br />

Platos, Ciceros o<strong>der</strong> Plutarchs wohl mehr aus historischem Interesse referiert. Auch<br />

Anekdoten jüngerer Zeit werden weiterhin zitiert. Doch physiologische bzw.<br />

‚seelenk<strong>und</strong>liche’ Überlegungen dominieren; auch bemüht man sich zunehmend um<br />

empirische Verifizierung <strong>der</strong> überlieferten ‚Fallgeschichten’ o<strong>der</strong> argumentiert ausgehend<br />

von allgemeiner Erfahrung.<br />

Diese Hinwendung zur Erfahrung in <strong>der</strong> Reflexion iatro<strong>musik</strong>alischer Praktiken<br />

lässt sich auch in Musikästhetik <strong>und</strong> Literatur beobachten, <strong>die</strong> das Wissen um <strong>die</strong><br />

heilsamen Wirkungen <strong>der</strong> Musik ebenfalls fortschreiben. Musikgelehrte wie Johann<br />

Mattheson, Friedrich Wilhelm Marpurg <strong>und</strong> Jacob Adlung o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Schriftsteller<br />

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