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1 pastorale. musik, melancholie und die kunst der selbstregierung ...

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<strong>musik</strong>essayistischen, theologischen <strong>und</strong> medizinischen Schriften auch des 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts rekonstruieren ließe, reichlich Material.<br />

Natürlich ist <strong>die</strong> <strong>musik</strong>alische Kultivierung des ‚sanftmelancholischen’<br />

Selbstgefühls keine Erfindung des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts. Bereits im Spätmittelalter zeichnet<br />

sich insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Lyrik ein neuer Gebrauch des Wortes „Melancholie“ ab.<br />

Melancholie wird in <strong>der</strong> neuzeitlichen Literatur Europas zum Synonym für „Traurigkeit<br />

ohne Ursache“ <strong>und</strong> nimmt dabei <strong>die</strong> Bedeutung eines transitorischen Gemütszustands an,<br />

einer ‚Stimmung’, <strong>die</strong> auch auf unbelebte Dinge übertragen werden kann. 21 Das<br />

„spezifisch „poetische“ Melancholiegefühl <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne“ 22 steht in beson<strong>der</strong>s enger<br />

Beziehung zur Musik. 23 Früher nur Heilmittel einer Krankheit, gilt sie in <strong>der</strong> Neuzeit „als<br />

Erlösung <strong>und</strong> Nahrung <strong>die</strong>ser doppeldeutigen, wehmütig-süßen Empfindung.“ 24 Mit <strong>der</strong><br />

Dopplung des Melancholiebegriffs wird auch das Verhältnis von Musik <strong>und</strong> Melancholie<br />

ambivalent. Die, <strong>die</strong> melancholisch gern sich fühlen, haben freilich kein Interesse an<br />

einer Therapie. An<strong>der</strong>s verhält es sich mit Blick auf <strong>die</strong> ‚schwarze’, pathologische<br />

Variante <strong>der</strong> Melancholie, wie ein Blick auf <strong>die</strong> wie <strong>die</strong> Lektüre <strong>der</strong> Lebensbeschreibung<br />

Adam Bernds, auf <strong>die</strong> Briefe Jakob Reinhold Maria Lenz’ o<strong>der</strong> auf Karl Philipp Moritz’<br />

autobiographischen Roman Anton Reiser unmittelbar einsichtig macht.<br />

Weil das aufklärerische Denken <strong>die</strong> Ursachen solchen Leidens im Rahmen <strong>der</strong><br />

sich ausbildenden empirischen Psychopathologie zunehmend auch in den sozialen <strong>und</strong><br />

21 Vgl. dazu Klibansky et alt., Saturn <strong>und</strong> Melancholie, 319-350. Vgl. auch Watanabe-o’Kelly, Melancholie<br />

<strong>und</strong> melancholische Landschaft.<br />

22 Klibansky et alt., Saturn, 338.<br />

23 Vgl. dazu beson<strong>der</strong>s Bandmann, Melancholie.<br />

24 Ebd., 338f, vgl. auch Goebl, „Schwermut/ Melancholie“, 450, sowie Lettgens, ‚... <strong>und</strong> hat zu retten keine<br />

Kraft’, 165f.<br />

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