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1 pastorale. musik, melancholie und die kunst der selbstregierung ...

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Entwicklung dargestellt, <strong>die</strong> eine theoretische Neubestimmung des politischen Ortes <strong>der</strong><br />

Dichtung erfor<strong>der</strong>lich macht. Dass <strong>und</strong> inwiefern <strong>die</strong>ser Funktionswandel <strong>der</strong> Literatur<br />

sich im Zeichen <strong>der</strong> Melancholie vollzieht, zeigt das erste Kapitel.<br />

Die Melancholie des Herrschers<br />

Wielands multiperspektivisches Erzählen ist bekanntlich um <strong>die</strong> „psychologische<br />

Plausibilität“ <strong>der</strong> „mitgeteilten Unterhaltung“ 58 mindestens ebenso besorgt wie darum,<br />

das Zustandekommen philosophisch ergiebiger Gesprächskonstellationen überzeugend zu<br />

motivieren. Der selbst gesteckte Anspruch auf anthropologische Wahrscheinlichkeit 59<br />

konfrontiert ihn mit <strong>der</strong> Schwierigkeit, <strong>die</strong> für das politische Denken <strong>der</strong> Aufklärung<br />

paradigmatische Gesprächskonstellation des Philosophen am Thron des Herrschers nicht<br />

einfach als gegeben vorauszusetzen. Es gilt, ‚realistische’ Umstände zu imaginieren, <strong>die</strong><br />

ein solches Gespräch narrativ überzeugend motivieren können. Dazu be<strong>die</strong>nt sich <strong>der</strong><br />

Roman des Jahrtausende alten Topos’ <strong>der</strong> Melancholie <strong>der</strong> Macht.<br />

Denn <strong>die</strong> philosophischen Gespräche zwischen Schach Gebal <strong>und</strong> Danischmend<br />

kommen nur deswegen zustande, weil <strong>der</strong> Herrscher von Indostan zusehends<br />

Verhaltensweisen an den Tag legt, <strong>die</strong> von ‚schwarzgalliger’ Verstimmung zeugen. 60<br />

Zwar fällt das Schlagwort Melancholie in <strong>die</strong>sem Zusammenhang nicht. Doch <strong>die</strong><br />

Symptome sind unverkennbar. „Verbitter(t)“ über <strong>die</strong> beständigen Händel <strong>der</strong> Priester<br />

<strong>und</strong> Streitigkeiten <strong>der</strong> Minister, über <strong>die</strong> Intrigen des Serails <strong>und</strong> <strong>die</strong> Eifersucht <strong>der</strong><br />

58 Reemtsma, Sokrates, LVII.<br />

59 Zum anthropologischen ‚Realismus’ bei Wieland vgl. Erhart, Entzweiung, 87-103.<br />

60 Der einzige mir bekannte Forschungsbeitrag, <strong>der</strong> auf <strong>die</strong> Melancholie des Herrschers wenigstens am<br />

Rande eingeht, ist Florian Gelzers Analyse <strong>der</strong> Naturkin<strong>der</strong>utopie (Gelzer, Muse, 9).<br />

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