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1 pastorale. musik, melancholie und die kunst der selbstregierung ...

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Spiegels zu. Gerade Schlaflosigkeit aber gilt bereits in <strong>der</strong> antiken Medizin, <strong>und</strong> so auch<br />

noch im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert als gängiges Symptom <strong>der</strong> melancholischen Schwermut. 73<br />

Schlaflosigkeit, ständige Grübelei, Unfähigkeit zur Freude, Weigerung, sich von<br />

seinem Schmerz ablenken zu lassen: Für sich genommen, rechtfertigte vielleicht keines<br />

<strong>die</strong>ser Symptome <strong>die</strong> Diagnose ‚Melancholie’, zumal <strong>der</strong> Begriff an keiner Stelle fällt.<br />

Doch Wielands Herrscherfigur ist darüber hinaus integraler Bestandteil einer kulturellen<br />

Imagination, <strong>der</strong> das Herrscheramt zum „Spektrum <strong>der</strong> <strong>melancholie</strong>verdächtigen<br />

Professionen“ zählt. 74 Schon bei Aristoteles ist <strong>die</strong> Figur des Herrschers Prototyp des<br />

Melancholikers, doch <strong>der</strong> Topos scheint im Laufe <strong>der</strong> Jahrh<strong>und</strong>erte nichts von seiner<br />

Attraktivität einzubüßen. Auf den Theater- <strong>und</strong> Opernbühnen beherrscht <strong>die</strong> Melancholie<br />

<strong>die</strong> Mächtigen von Shakespeares Macbeth über das barocke Trauerspiel bis hin zum<br />

Drama des Sturm <strong>und</strong> Drangs <strong>und</strong> später zu Schillers Wallenstein. 75 Der junge Goethe<br />

spricht zur Entstehungszeit des Goldnen Spiegels noch umstandslos von den vielen<br />

Königen, „<strong>die</strong> mitten im Glanz ihrer Herrlichkeit <strong>der</strong> Ennui zu Tode fraß.“ 76 Dabei<br />

überlagert sich das Bild des melancholischen Herrschers sicherlich auch mit demjenigen<br />

des Melancholikers aus <strong>der</strong> im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert in weiten Kreisen <strong>der</strong> Bevölkerung immer<br />

noch populären Temperamentenlehre, in <strong>der</strong>en Zusammenhang häufig das Bild des<br />

schwermütigen reichen Mannes als melancholischem Saturnkind gezeichnet wird, das<br />

73 Zur Schlaflosigkeit vgl. Starobinski, Geschichte <strong>der</strong> Melancholiebehandlung, 23, 41, 45; Klibansky et<br />

alt., Saturn, 97, 100, 146, 188, 193 u.ö.; Zedler, „Schwermuth, Schwermüthigkeit, Melancholey“, 469f;<br />

Geyer-Kordesch, „Psychomedizin“, 41f; Schipperges, Melancolia, 53-55; Freud, Trauer <strong>und</strong> Melancholie,<br />

431, 439.<br />

74 Zitiert nach Borchmeyer, Macht, 44; vgl. Schings, Melancholie, 56, 71, 243, u.ö.; Lepenies, Melancholie<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft, 46f; Mattenklott, Melancholie, 117-119; Bandmann, Melancholie, bes. 11-21, bes. 18;<br />

Rehm, Gontscharow, 8f; Barner, Lessing, 208; Mauser, „Melancholieforschung“, 256f.<br />

75 Vgl. Borchmeyer, Macht; Frank et alt., Der fiktive Staat, bes. 158f.<br />

76 Zitiert nach Rehm, Gontscharow, 8f., weitere Belege dort.<br />

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