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1 pastorale. musik, melancholie und die kunst der selbstregierung ...

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Silvio Vietta es einmal formuliert hat, den „subjektphilosophischen Ansatz“ in <strong>die</strong> Poetik<br />

überträgt <strong>und</strong> damit den Begriff des Schönen gr<strong>und</strong>sätzlich verän<strong>der</strong>t. Als „schön“ gilt<br />

nun, „was von <strong>der</strong> literarischen Einbildungskraft auf <strong>die</strong> Einbildungskraft wirkt“. Schach<br />

Gebals Geschmacksdiktat entzieht dem mit <strong>die</strong>ser Umakzentuierung <strong>der</strong> poetischen<br />

Diskussion einsetzenden, „spezifisch mo<strong>der</strong>nen Prozeß <strong>der</strong> bewußten Selbstentfaltung<br />

<strong>und</strong> Emanzipation <strong>der</strong> künstlerischen Phantasie“ 50 seinen Boden. Der Sultan wi<strong>der</strong>setzt<br />

sich damit jener Prämisse, auf <strong>der</strong> das „Phänomen reflektierter Innerlichkeit“ wesentlich<br />

beruht. 51 Immun gegen das von seinem Philosophen vertretene Programm <strong>der</strong><br />

Affektmaximierung durch Selbst-Disziplinierung, bzw. Selbstregierung (wie es im<br />

Sprachgebrauchdes 18. Jahrh<strong>und</strong>erts heißt), will sich <strong>der</strong> zu vernünftigem ‚politischen’<br />

Handeln unfähige Herrscher von den Vorzügen <strong>der</strong> mit den Mitteln <strong>der</strong> Dichtung<br />

propagierten Programms ethisch-ästhetischer Selbstformierung nicht überzeugen lassen. 52<br />

50 Vietta, Literarische Phantasie, 2.<br />

51 Lütteken, Das Monologische, 124; vgl. dazu gr<strong>und</strong>legend Schulte-Sasse, „Einbildungskraft“.<br />

52 Vgl. zur Bedeutung <strong>der</strong> poetologischen Diskussionen <strong>der</strong> Jahrh<strong>und</strong>ertmitte für den Pathosdiskurs <strong>der</strong><br />

Aufklärung Luserke, Bändigung <strong>der</strong> wilden Seele: „Der emanzipatorische Diskurs, <strong>der</strong> das<br />

Katharsistheorem . . . dem gesellschaftlichen Diskurs über <strong>die</strong> Leidenschaften zuführt, wirkt gleichzeitig<br />

repressiv innerhalb sozialer Strukturen. Die mentalitätsgeschichtlich wichtigsten diskursiven G<strong>und</strong>lagen für<br />

<strong>die</strong>sen Prozeß werden in den poetologischen Debatten <strong>der</strong> 1750er Jahre gelegt“ (148). Die von Luserke<br />

herausgestellte Ambivalenz des Programms <strong>der</strong> poetischen Disziplinierung <strong>der</strong> Leidenschaften kommt auch<br />

in Wielands Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Musik in den 1770er Jahren zur Sprache (vgl. Kap. IV <strong>und</strong> V <strong>der</strong><br />

vorliegenden Arbeit). Die kritische Reflexion <strong>die</strong>ser Ambivalenz vollzieht sich in einer Zeit, in welcher,<br />

wie Vollhardt mit Blick auf Wielands Roman Sokrates Maimenos schreibt, <strong>der</strong> „Gesamtkomplex <strong>der</strong><br />

praktischen Philosophie (…) zum Objekt erneuter Aufklärung“ wird. Während <strong>die</strong> Literatur seit den<br />

zwanziger Jahren des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts dem „staatlichen Zwang . . . als eine Instanz <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Selbstverständigung (<strong>und</strong> Disziplinierung) gegenüber“ trete, lasse sich um 1770 „bei <strong>der</strong> literarischen<br />

Gestaltung des naturrechtlich-sozialethischen Wissens ein tiefgreifen<strong>der</strong> Wandel beobachten“ (Selbstliebe,<br />

327f). Das zeigt sich auch in <strong>der</strong> Diskursivierung <strong>musik</strong>alischer Erfahrung, <strong>die</strong> am Pathosdiskurs des<br />

Aufklärungszeitalters partizipiert.<br />

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