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Kapitel 6<br />

Kritik am Staat<br />

Der Staat ist eine Abstraktion, die das Leben <strong>de</strong>s Volkes verschlingt -<br />

ein unermeßlicher Friedhof, auf <strong>de</strong>m alle Lebenskräfte eines Lan<strong>de</strong>s<br />

großzügig und andächtig sich haben hinschlachten lassen.<br />

- Michail Bakunin -<br />

"WAS SOLL AM STAAT <strong>de</strong>nn schon so schlimm sein, daß die Anarchisten sich <strong>de</strong>rart in ihn verbeißen?<br />

Sicher, <strong>de</strong>r Staat engt mich irgendwie ein, Politiker lügen, korrupte Beamte gibt es auch; das Finanzamt<br />

ist ein Raubritternest und die Armeen verpulvern unsere Steuergel<strong>de</strong>r. Aber <strong>de</strong>r Staat baut auch Straßen,<br />

unterhält Schulen, und wenn ich alt bin, hält er für mich meine Rente bereit. Lei<strong>de</strong>n die Anarchisten<br />

vielleicht unter einer Staatspsychose*, daß sie ihn für die Ursache allen Übels halten?"<br />

Solche Argumente sind je<strong>de</strong>m Anarchisten geläufig. Kaum jemand liebt <strong>de</strong>n Staat, viele schimpfen über<br />

ihn, und leicht stimmt <strong>de</strong>r Normalbürger auch mal einem Anarcho zu, wenn er gegen diese o<strong>de</strong>r jene<br />

Schweinerei wettert. Doch dann kommt stets das große "Aber ..." und das be<strong>de</strong>utet meist nichts an<strong>de</strong>res<br />

als: "Es könnte ja alles noch viel schlimmer sein". Die glühen<strong>de</strong>n Patrioten sind ausgestorben; mo<strong>de</strong>rne<br />

Staatsbürger haben eine negative I<strong>de</strong>ntifikation* mit <strong>de</strong>m Staat, und diese Haßliebe ist zäh und schwerer<br />

zu erschüttern als <strong>de</strong>r hohle Nationalismus vergangener Epochen – ein Phänomen, das Anarchisten<br />

übrigens oft unterschätzen.<br />

Nun ist ja die unbestreitbare Tatsache, daß alles noch schlimmer sein könnte, kein Grund, nicht dafür<br />

einzutreten, daß alles noch besser wer<strong>de</strong>n sollte. Eben das versuchen Anarchisten, wobei sie ständig an<br />

Grenzen stoßen, die <strong>de</strong>r Staat setzt. Sie haben dabei oft festgestellt, daß es auch mit seinen positiven<br />

Seiten nicht immer weit her ist. In <strong>de</strong>r Tat gibt es keine einzige Dienstleistung <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen Staates, die<br />

spezifisch* staatlich wäre. Angefangen von <strong>de</strong>r Post über die Eisenbahn, Krankenhäuser, Straßen- und<br />

Brückenbau, Universitäten und Schulen bis hin zu Rentenversorgung, Altersversicherung und<br />

Arbeitslosenunterstützung hat sich <strong>de</strong>r Staat im Laufe <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rte eine ganze Latte positiver<br />

gesellschaftlicher Errungenschaften schlicht unter <strong>de</strong>n Nagel gerissen. Alle diese Einrichtungen<br />

entstan<strong>de</strong>n unabhängig von Regierungen aus <strong>de</strong>r Gesellschaft, und Gesellschaft ist nicht gleich Staat. Ihre<br />

Ursprünge liegen in Dorfgemein<strong>de</strong>n, Klöstern, Handwerkergil<strong>de</strong>n, Privatfirmen, Einzelinitiativen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

kollektiven Selbsthilfe Betroffener. Erst nach langer Zeit, oft unter Druck von Sozialreformern und gegen<br />

<strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rstand von Regierungen, haben sich Staaten solche Einrichtungen angeeignet. Ob unsere<br />

mo<strong>de</strong>rnen ›Sozialstaaten‹ mit ihrem bürokratischen Apparat diese Aufgaben optimal, human, gerecht und<br />

effektiv erfüllen, ist eine Frage, die selbst Politiker zunehmend bezweifeln. Die Tatsache, daß immer<br />

mehr dieser Bereiche in die Privatwirtschaft zurückgegeben wer<strong>de</strong>n – was natürlich kaum eine bessere<br />

Alternative ist –, läßt eher auf das Gegenteil schließen.<br />

Soziale Aufgaben machen <strong>de</strong>n Staat nicht aus. Was <strong>de</strong>n Staat tatsächlich ausmacht – und<br />

28<br />

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was er auch nie privatisieren wür<strong>de</strong> –, sind seine spezifischen Institutionen wie Regierung, Parlament,<br />

Bürokratie, Staatsbeamtentum, Steuerhoheit, Geld- und Erziehungsmonopol, Justiz, Polizei, Armee,<br />

Geheimdienste, Zoll, Fernseh- und Rundfunkhoheit und nicht zuletzt das Recht, je<strong>de</strong>n zu bestrafen und<br />

notfalls zu töten, <strong>de</strong>r gegen eines dieser Dinge aufbegehrt. Dies sind die eigentlichen Funktionen von<br />

Herrschaft – sie sind genuin* staatlich. Alles an<strong>de</strong>re ist usurpiert*.

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