05.10.2013 Aufrufe

Horst Stowasser - hewpa.de.vu

Horst Stowasser - hewpa.de.vu

Horst Stowasser - hewpa.de.vu

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Natürlich stecken auch im Marxismus freiheitliche Elemente, und man hat oft darauf<br />

39<br />

--------------------------------------------------------------------------------<br />

hingewiesen, daß <strong>de</strong>r Leninismus eigentlich eine Vergewaltigung <strong>de</strong>s Marxismus sei und <strong>de</strong>r Stalinismus*<br />

seine endgültige Pervertierung*. Das stimmt. Genauso richtig ist es aber, daß schon bei Marx die<br />

freiheitlichen Elemente eher kümmerlich und beliebig eingestreut waren, während das Zentralistische,<br />

Diktatorische und Autoritäre seine Lehre schlüssig durchzog und prägte. Nicht umsonst hat Bakunin ihn<br />

als einen "Preußen" charakterisiert. Wenn <strong>de</strong>r Marxismus also von späteren Generationen pervertiert<br />

wur<strong>de</strong>, so konnte dies nur allzu leicht geschehen, <strong>de</strong>nn die ›Perversion‹ war von vornherein angelegt.<br />

Überhaupt ist es problematisch, ›Kommunismus‹ zu sagen, wenn eigentlich ›Marxismus‹ o<strong>de</strong>r<br />

›Leninismus‹ gemeint ist. ›Kommunismus‹ bezeichnet genau genommen eine Gesellschaft <strong>de</strong>r Gleichheit.<br />

Eben das ist auch gemeint, wenn wir später vom "anarchistischen Kommunismus" etwa bei Peter<br />

Kropotkin hören wer<strong>de</strong>n. Das alles hat nichts mit <strong>de</strong>r tausendfältigen Sektenbewegung ›kommunistischer‹<br />

Parteien zu tun, die dafür sorgten, daß dieser Begriff für die meisten Menschen zu einer ungenießbaren<br />

Abscheulichkeit wur<strong>de</strong>.<br />

Aber zurück zum Marxismus:<br />

Viele Anarchisten haben durchaus Marxens wirtschaftliche Analysen und seine Kritik am Kapitalismus<br />

begrüßt. Einige seiner Thesen wur<strong>de</strong>n vorbehaltlos geteilt, was nicht verwun<strong>de</strong>rt, wenn man weiß, daß<br />

Marx auf wichtigen Vorarbeiten aufbaute, die <strong>de</strong>r Anarchist Proudhon geliefert hatte. Bakunin übersetzte<br />

das "Kommunistische Manifest" und Teile von Marx' Hauptwerk "Das Kapital" ins Russische. Die bisher<br />

einzige für <strong>de</strong>n Normalmenschen verständliche Zusammenfassung dieses komplizierten Buches schrieb<br />

<strong>de</strong>r radikale Sozial<strong>de</strong>mokrat und spätere Anarchist Johann Most und machte es so <strong>de</strong>n Arbeitern erstmals<br />

verständlich, für die es eigentlich hätte geschrieben sein sollen. Was aber Marxens Schlußfolgerungen<br />

angeht, so fan<strong>de</strong>n er und seine Nachfolger in <strong>de</strong>n Libertären immer engagierte Kritiker. Vor allem<br />

konnten sie nicht begreifen, wie er sich die überdrehte Theorie <strong>de</strong>s historischen und dialektischen<br />

Materialismus* aus<strong>de</strong>nken konnte, die <strong>de</strong>n Gang <strong>de</strong>r Geschichte gewissen "objektiven Wahrheiten‹<br />

unterordnet und mit fast religiöser Überzeugung vorauszusagen wagt, was, wann, wie und warum<br />

passieren muß: Alles sei wissenschaftlich beweisbar vorbestimmt. Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Menschen passen nicht in<br />

dieses Konzept.<br />

Die Geschichte hat gezeigt, daß sich Marxisten immer wie<strong>de</strong>r und sehr gründlich geirrt haben, bis hin zu<br />

ihrem eigenen Scheitern. Wenngleich es auch in <strong>de</strong>r anarchistischen Bewegung zeitweise be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />

Ten<strong>de</strong>nzen gab, die mit <strong>de</strong>m Marxismus sympathisierten – namentlich nach <strong>de</strong>r russischen<br />

Oktoberrevolution von 1917 und in <strong>de</strong>r westeuropäischen Stu<strong>de</strong>ntenrevolte nach 1968 –, so haben sie<br />

doch in einem Punkt <strong>de</strong>m Marxismus nie über <strong>de</strong>n Weg getraut: in <strong>de</strong>r Schizophrenie* nämlich, daß aus<br />

einer Diktatur irgendwann einmal Freiheit erwachsen könne.<br />

Ein gutes halbes Jahrhun<strong>de</strong>rt vor <strong>de</strong>n stalinistischen Greueln in <strong>de</strong>r Sowjetunion schrieb Michail Bakunin:<br />

"Vorzugeben, daß eine Gruppe von Individuen, seien es die intelligentesten und mit <strong>de</strong>n besten Absichten,<br />

in <strong>de</strong>r Lage sind, die Seele, <strong>de</strong>r leiten<strong>de</strong> und vereinigen<strong>de</strong> Wille <strong>de</strong>r revolutionären Bewegung und <strong>de</strong>r<br />

Wirtschaftsorganisation <strong>de</strong>s Proletariats zu<br />

40<br />

--------------------------------------------------------------------------------<br />

sein, ist eine solche Ketzerei gegen <strong>de</strong>n Gemeinsinn, daß man mit Erstaunen fragt, wie ein so intelligenter<br />

Mensch wie Herr Marx das hat <strong>de</strong>nken können. Die Einrichtung einer universellen Diktatur (...) wür<strong>de</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!