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ekommen, die in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten zu einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Denkansatzes geführt haben –<br />
zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>n Kreisen, die sich überhaupt kritischen Gedanken aussetzen.<br />
Jahrzehntelang war die Ökonomie das zentrale Thema kritischer Menschen, <strong>de</strong>r Dreh- und Angelpunkt für<br />
die Frage nach sozialer Freiheit. ›Die Frau‹ war dabei ein sogenannter ›Nebenwi<strong>de</strong>rspruch‹; ihre<br />
Unterdrückung wür<strong>de</strong> sich mit gerechten wirtschaftlichen Verhältnissen in Nichts auflösen... Nun kamen<br />
plötzlich zornige Frauen daher und wiesen mit verblüffen<strong>de</strong>r Einfachheit darauf hin, daß die praktizierte<br />
Ökonomie ja wohl eine reine ›Männerwirtschaft‹ sei, und daß diese Art wirtschaftend zu unterdrücken<br />
männliche Qualität habe. Gleiches ließe sich unterm Strich über die Ursachen <strong>de</strong>r weltweiten<br />
ökologischen Katastrophe sagen, wie über die Art, mit <strong>de</strong>r die (Männer-) Gesellschaft glaubt, ihrer Herr<br />
zu wer<strong>de</strong>n. Hierarchie und Kirche, Medizin und Wissenschaft, Politik und Erziehung - all das wur<strong>de</strong> nun<br />
unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>r Patriarchatskritik betrachtet und führte prompt zu <strong>de</strong>r Erkenntnis, daß es spezifisch<br />
männliche Formen und Strukturen seien, die sich durchgesetzt haben. Es han<strong>de</strong>lt sich dabei übrigens um<br />
dieselben Strukturen, die <strong>de</strong>r Anarchismus mit Vorliebe kritisiert.<br />
Auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>n weiblichen Werten<br />
Der Kritik an typisch männlichen Werten folgte natürlich die spannen<strong>de</strong> Frage nach <strong>de</strong>r Qualität typisch<br />
weiblicher Werte, was wie<strong>de</strong>rum zahllose weitere Fragen aufwarf, die sich daraus ableiten. Etwa, ob<br />
solche Werte unabän<strong>de</strong>rlich und angeboren o<strong>de</strong>r gesellschaftlich bedingt und somit verän<strong>de</strong>rbar seien.<br />
Sind Frauen die besseren Menschen? Sollen Frauen gegen die Männer ihren eigenen Weg gehen und<br />
Männer ignorieren? Sollen sie statt <strong>de</strong>s Patriarchats ein Matriarchat durchsetzen, o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Männern<br />
einen an<strong>de</strong>ren, neuen und gemeinsamen Weg suchen?<br />
Auch bei Frauen gibt es auf viele Fragen viele Antworten, und so gehen Meinungen und Überzeugungen<br />
in diesen Punkten auseinan<strong>de</strong>r. Und gewiß gibt es auch dogmatische Fraktionen in <strong>de</strong>r Frauenbewegung,<br />
ebenso wie es in ihr phantastische und erschrecken<strong>de</strong>, kluge und dumme Ansätze gibt, aufgesetzte<br />
Attitü<strong>de</strong>n und vergängliche Mo<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong> Männer, die sich von selbstbewußten Frauen verunsichert<br />
fühlen, weisen gerne und mit Häme auf solche ›Schwachpunkte‹ hin, wobei sie natürlich verschweigen,<br />
daß dies ausnahmslos auf alle Bewegungen zutrifft, einschließlich <strong>de</strong>r anarchistischen. Worte wie dumm,<br />
erschreckend, aufgesetzt und modisch passen ebensogut auf vieles, was die Männergesellschaft an<br />
Typischem hervorgebracht hat...<br />
In Wirklichkeit sind die Frauen, die sich auf die Suche nach ihrer I<strong>de</strong>ntität begeben und<br />
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diese mit <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>r Menschheit verknüpft haben, erst am Beginn eines langen Weges. Das ist nicht<br />
erstaunlich:<br />
Zum ersten ist all das, was einst an weiblichen Traditionen existiert haben mag, heute verschüttet, um es<br />
gelin<strong>de</strong> auszudrücken. Auch Geschichtsschreibung, Philosophie und Kirche sind männliche Domänen,<br />
und Männer haben alles nur Er<strong>de</strong>nkliche getan, um jene Bereiche, in <strong>de</strong>nen Frauen die Gesellschaft<br />
prägten, zu verschleiern. Matriarchale Tradition und die mit ihr verbun<strong>de</strong>nen Erfahrungen müssen heute –<br />
unabhängig von <strong>de</strong>r Frage, ob das nun alles gut war o<strong>de</strong>r nicht – erst einmal mühsam rekonstruiert und<br />
erforscht wer<strong>de</strong>n: von <strong>de</strong>r mystischen* Kultur <strong>de</strong>r einstigen Weltengöttin Gaia bis hin zur ausgerotteten<br />
Welt <strong>de</strong>r letzten ›wissen<strong>de</strong>n Frauen‹, die man vor noch nicht allzulanger Zeit in einem perfekt<br />
organisierten Femizid* als ›Hexen‹ verbrannte. Dabei för<strong>de</strong>rt die unermüdliche Frauenforschung ständig<br />
neue Bruchstücke zu Tage. Mit Erstaunen ent<strong>de</strong>cken wir, daß es vor <strong>de</strong>m Patriarchat auch schon ein<br />
gesellschaftliches Leben gab. In ihm waren überwiegend Frauen tonangebend, und nach allem was wir<br />
wissen, scheint es da durchaus humaner und weniger hierarchisch zugegangen zu sein als bei allem, was<br />
folgte. Dieses Mosaik verschie<strong>de</strong>ner Gesellschaften wird heute unter <strong>de</strong>m Begriff Matriarchat<br />
zusammengefaßt.