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Einseitigkeit, I<strong>de</strong>ologie und Phantasielosigkeit. Vielfalt, wirkliche Alternativen und vor allem Freiheit <strong>de</strong>s<br />

Lernens gebe es nicht.<br />

46<br />

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Nach anarchistischer Auffassung ist Lernen in allen unseren Gesellschaften ein institutionalisierter*<br />

Zwangsprozeß, und <strong>de</strong>r Staat hält hierüber in <strong>de</strong>r Regel das Monopol. Er weiß auch, warum: Staatlich<br />

gesteuertes Lernen ist die beste Garantie dafür, daß alles beim alten bleibt. I<strong>de</strong>ologien mögen wechseln,<br />

Lehrpläne sich än<strong>de</strong>rn - die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n gesellschaftlichen Grundwerte, die vermittelt wer<strong>de</strong>n, tun es<br />

nicht. Egal, ob ich Mathe, Geschichte o<strong>de</strong>r Deutsch pauke, immer lerne ich auch mit, daß es oben und<br />

unten, Herrscher und Beherrschte, Staat und Autorität gibt. Dies in Frage zu stellen, wird an keiner Schule<br />

gelehrt.<br />

Eine freie Gesellschaft braucht freie Menschen. Wenn je<strong>de</strong> neue Generation von Kin<strong>de</strong>sbeinen an<br />

ten<strong>de</strong>nziell zur Unfreiheit erzogen wird, liegt es nahe, hier anzusetzen und für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Erziehung<br />

libertäre Alternativen zu entwickeln. Bei dieser praktischen Nutzanwendung <strong>de</strong>s Freiheitsprinzips geht es<br />

um dreierlei. Zum einen sollten <strong>de</strong>m Staat möglichst viele Kin<strong>de</strong>r entzogen wer<strong>de</strong>n. Das ist in erster Linie<br />

ein politisch-organisatorisches Problem. Zweitens sollten an<strong>de</strong>re Inhalte und Werte gelehrt wer<strong>de</strong>n. Das<br />

ist vor allem ein intellektuell*-theoretisches Problem. Nicht zuletzt sollten natürlich an<strong>de</strong>re Formen <strong>de</strong>s<br />

Lehrens und Lernens erprobt wer<strong>de</strong>n. Das ist ein überwiegend didaktisches* Problem. Viel Arbeit also<br />

und kein leichtes Unterfangen.<br />

Daß anarchistische Pädagogik nicht so aussehen konnte wie staatliche, war seit jenen Tagen klar, als<br />

Anarchisten begannen, "Freie Schulen" aufzubauen. Und das geschah schon im vorigen Jahrhun<strong>de</strong>rt.<br />

Nicht auf das Drillen <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, ihre Ausrichtung auf eine I<strong>de</strong>ologie o<strong>de</strong>r die Aufnahme von möglichst<br />

viel Wissen kam es dabei an – und natürlich auch nicht darauf, aus <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Anarchisten von<br />

heute die Anarchisten von morgen zu züchten. Libertäre Eltern wünschten sich vielmehr Kin<strong>de</strong>r, die<br />

selbständig <strong>de</strong>nken, han<strong>de</strong>ln und entschei<strong>de</strong>n könnten, fähig zur Freiheit und ebenso tolerant wie<br />

selbstbewußt.<br />

Aber nicht nur die Kin<strong>de</strong>r, auch die Erwachsenen! Lernen und Lehren sollte nicht an ein Alter gebun<strong>de</strong>n<br />

sein, son<strong>de</strong>rn ein ständiger und gegenseitiger Prozeß - weitgehend selbstbestimmt und ›lebenslänglich‹,<br />

wenn es gewünscht wäre. Die Lerninhalte dürften nicht starr und für alle gleich sein, son<strong>de</strong>rn müßten sich<br />

nach <strong>de</strong>n individuellen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Talenten eines je<strong>de</strong>n Menschen richten. An erster<br />

Stelle stün<strong>de</strong>n nicht Leistungsdruck und Erfolg, die alle Menschen in die gleichen Formen pressen, die<br />

eine industrielle Leistungsgesellschaft so gut gebrauchen kann, son<strong>de</strong>rn die Talente und Vorlieben eines<br />

je<strong>de</strong>n – gleichgültig, ob intellektuell, handwerklich o<strong>de</strong>r musisch. Leistung, so die Anarchisten, erbringen<br />

Menschen viel lieber freiwillig und viel besser in <strong>de</strong>n Bereichen, für die sie begabt sind. Auch die<br />

Grenzen zwischen Lehren<strong>de</strong>n und Lernen<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n in Frage gestellt. Schüler sollten <strong>de</strong>n Unterricht<br />

genauso mitbestimmen und mitgestalten wie Lehrer.<br />

Das sind so weitreichen<strong>de</strong> und umwälzen<strong>de</strong> For<strong>de</strong>rungen, daß es angebracht erscheint, das Ganze gar<br />

nicht mehr ›Erziehung‹ o<strong>de</strong>r ›Pädagogik‹ zu nennen. Bildung, gegenseitiges Lernen o<strong>de</strong>r lernen<strong>de</strong>s Leben<br />

wären treffen<strong>de</strong>re Bezeichnungen. Das Ziel anarchistischer Bildung besteht schließlich darin, die<br />

künstliche Trennung zwischen Leben und Lernen aufzuheben; letztendlich soll dadurch einmal die<br />

›Institution Schule‹ – zumin<strong>de</strong>st in <strong>de</strong>r Form, wie wir sie kennen – überflüssig wer<strong>de</strong>n.<br />

47<br />

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Zunächst einmal galt es aber, praktische Alternativen im Alltag aufzuzeigen. Und da gab es vor hun<strong>de</strong>rt

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