Horst Stowasser - hewpa.de.vu
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<strong>de</strong>r bestorganisiertesten und - geschützten Zentralstaaten <strong>de</strong>r Welt sang- und klanglos in <strong>de</strong>n<br />
Zusammenbruch. Das macht Mut! Die Tatsache, daß diese ›Kultur an-archischer Sekundärtugen<strong>de</strong>n‹<br />
ihrerseits so sang- und klanglos von unserer westlichen Vi<strong>de</strong>oclip-Gesellschaft geschluckt wer<strong>de</strong>n konnte,<br />
sagt wenig über die Qualität jener alten DDR-Anti-Gesellschaft aus - dafür umso mehr über <strong>de</strong>n Mangel<br />
an Kraft und Alternativen, etwa seitens <strong>de</strong>r west<strong>de</strong>utschen Libertären.<br />
Wir erleben heute weltweit <strong>de</strong>n schleichen<strong>de</strong>n Bankrott aller Organisations- und Steuersysteme, die auf<br />
Zentralismus, Hierarchie, Machtkonzentration und Wachstum aufgebaut sind. Solche Strukturen stoßen<br />
überall an ihre Grenzen und scheitern immer häufiger. Die unerwartete Krise <strong>de</strong>s ›Mo<strong>de</strong>lls Supermacht‹<br />
in West und Ost ist hierfür ein Indiz, und die Tatsache, daß Europa in einer kleinkarierten<br />
Nachahmungstat versucht, sich an diesen Geisterzug anzuhängen, beweist lediglich einen Mangel an<br />
Weitblick und Weltblick.<br />
Ist Vernetzung leistungsfähig?<br />
Spätestens hier stellt sich aber die Frage nach <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r anarchistischen Alternative. Ich<br />
bin dieser Frage bisher aus <strong>de</strong>m Blickwinkel <strong>de</strong>r Anarchisten nachgegangen. Been<strong>de</strong>n möchte ich die<br />
Betrachtung dazu mit <strong>de</strong>r Perspektive von Leuten, die eher zu <strong>de</strong>n Gegnern <strong>de</strong>r Anarchie zu rechnen sind.<br />
Multinationale Konzerne wie etwa VW o<strong>de</strong>r die IBM sind seit geraumer Zeit damit beschäftigt, ihre<br />
großen sozialökonomischen Gebil<strong>de</strong> in kleine, überschaubare Bereiche zu zerglie<strong>de</strong>rn. Hierarchische<br />
Strukturen wer<strong>de</strong>n abgebaut, gleichberechtigte Gruppen von Menschen sollen im Konsens<br />
Problemlösungen fin<strong>de</strong>n und dürfen auch mit entschei<strong>de</strong>n. Von größerer Transparenz und direkter<br />
Beteiligung <strong>de</strong>r Mitarbeiter erhoffen sich die Unternehmen verstärkte I<strong>de</strong>ntifikation und erhöhtes<br />
Engagement. Kommt uns das nicht bekannt vor? IBM nennt das natürlich nicht Selbstverwaltung o<strong>de</strong>r<br />
Anarchie, son<strong>de</strong>rn verkauft das als Teil seiner neuen corporate i<strong>de</strong>ntity. Bei <strong>de</strong>r UNESCO laufen<br />
Forschungsvorhaben, bei <strong>de</strong>nen es um ›Mo<strong>de</strong>lle weltweiter Vernetzung kleiner, <strong>de</strong>zentraler Einheiten‹<br />
geht. Mit Ähnlichem beschäftigt sich <strong>de</strong>r Club of Rome. Evangelische Aka<strong>de</strong>mien und Managerschulen,<br />
quer<strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Jesuiten und ein leibhaftiger Berliner Innensenator stoßen bei ihrer verzweifelten Suche<br />
nach leistungsfähigeren Strukturen immer häufiger auf Mo<strong>de</strong>lle, wie sie Anarchisten seit Generationen<br />
nicht mü<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n zu vertreten. Ja, sogar das Österreichische Bun<strong>de</strong>sheer <strong>de</strong>nkt laut darüber nach, wie es<br />
seine Effektivität mit einem Abbau von Hierarchie, Zentralismus und Autorität för<strong>de</strong>rn könnte.<br />
Das muß man sich auf <strong>de</strong>r Zunge zergehen lassen: libertäre Strukturen zur Leistungssteigerung einer<br />
Armee!<br />
61<br />
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Was will ich damit sagen? Nicht, daß all diese Herren mitsamt ihren Institutionen <strong>de</strong>n Weg zur Anarchie<br />
eingeschlagen hätten. In <strong>de</strong>n meisten Fällen haben sie gar keine Ahnung von <strong>de</strong>m an-archischen<br />
Hintergrund <strong>de</strong>ssen, was sie da zu ent<strong>de</strong>cken beginnen. Sie haben allenfalls die Hälfte <strong>de</strong>r Lösung<br />
gefun<strong>de</strong>n, und diese kaum richtig verstan<strong>de</strong>n. Ein leben<strong>de</strong>r Beweis hierfür ist zweifellos Hans A.<br />
Pestalozzi, ehemaliger Leiter <strong>de</strong>s Schweizer "Duttweiler-Instituts", einer renommierten europäischen<br />
›Denkfabrik für Führungskräfte‹: In <strong>de</strong>m Moment, als er bei seiner Suche nach Alternativen mit<br />
erkennbarer Freu<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Anarchismus stieß, wur<strong>de</strong> er gefeuert.<br />
Nein, meine Schlußfolgerung ist indirekt. Wir waren <strong>de</strong>r Frage nachgegangen, ob libertäre Strukturen als<br />
leistungsfähig einzuschätzen sind. Nun, hier haben wir prominenteste Vertreter <strong>de</strong>s kausalen* Denkens,<br />
Jünger <strong>de</strong>s technokratischen* Managements, Führungskräfte, die nur an greifbaren und handfesten<br />
Resultaten interessiert sind. Und ausgerechnet die kommen auf <strong>de</strong>r Suche nach Mo<strong>de</strong>llen, mit <strong>de</strong>nen sie<br />
glauben, Menschen zu motivieren, um das Funktionieren ihrer globalen Maschinerie zu retten, auf<br />
libertäre Strukturen. Wenn das kein Argument ist!