AA Tivoli Echo #16-1112 - Alemannia Aachen
AA Tivoli Echo #16-1112 - Alemannia Aachen
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Sascha Theisen ist Alemanne – 24<br />
Stunden am Tag. Das macht sein<br />
Leben nicht unbedingt einfacher,<br />
aber er will es auch nicht anders.<br />
Wie <strong>Alemannia</strong> seinen Alltag beherrscht,<br />
erzählt er regelmäßig im<br />
<strong>Tivoli</strong> <strong>Echo</strong>. Nebenher organisiert<br />
Theisen die mittlerweile zum Kult<br />
aufgestiegene Fußball-Lesung<br />
TORWORT. In seinem neuen Buch<br />
„Marmor, Stein und Eisen: Geschichten<br />
rund um den <strong>Aachen</strong>er<br />
<strong>Tivoli</strong>“, kann man die besten<br />
seiner Kolumnen sowie einige<br />
längere, bisher unveröffentlichte<br />
<strong>Aachen</strong>-Geschichten nachlesen.<br />
www.torwort.de<br />
Immer wieder TSV...<br />
kolumne<br />
über das tägliche Leben mit <strong>Alemannia</strong><br />
Der Hintern des Manuel Junglas<br />
„Ist es jetzt vorbei?“ – die Frage meiner Frau, Samstagnachmittag am Telefon gestellt, während ich mit meinem<br />
Sohn Carl auf dem Weg nach Hause im Auto saß, war zwar verständlich, aber eine klare Antwort darauf gab es nicht,<br />
wenigstens nicht zu diesem Zeitpunkt. Wir waren auf dem Weg nach Hause vom Auswärtsspiel beim MSV Duisburg.<br />
„Kommt darauf an, wie Ingolstadt morgen spielt“, antwortete ich wahrheitsgemäß, für sie aber einigermaßen verwirrend.<br />
Aber wie will man einem Menschen, der Fußball nicht als komplexes Gebilde versteht, die Bedeutung von<br />
Spielen wie Ingolstadt gegen Karlsruhe auch erklären? Am besten versucht man es gar nicht erst.<br />
Manchmal kann man ein Kopfschütteln durch ein Telefon hören. Denn bei uns zu Hause ist der Name Ingolstadt das<br />
Synonym für pädagogische Verfehlungen durch den Herrn des Hauses. Denn als ich den FC Ingolstadt zum letzten<br />
Mal traf (wenn auch nur vor dem Fernseher), endete es damit, dass ich einen IKEA-Fernsehsessel gegen die Wand<br />
meines Fußballkellers und gleich anschließend – fast elegant, denn wie in einer Bewegung – mein Handy auf den<br />
Boden schleuderte. Okay – rein pädagogisch war das vielleicht ein Griff ins Klo, saß doch Carl direkt neben mir und<br />
wahrscheinlich muss ich mich nicht wundern, wenn er eines Tages auf einer Couch liegend genau von dieser Aktion<br />
erzählt. Legt man allerdings den Fußballschmerz zugrunde, den ich nach Schäfflers Kopfballtor zum 3:3 gegen <strong>Alemannia</strong><br />
einstecken musste, waren die Würfe absolut angemessen. Denn Schäfflers Tor war die unbarmherzige Fortsetzung<br />
einer grausamen Saison, die bislang weit über meine Kräfte geht – einer Saison, die sich in etwa so anfühlt<br />
wie eine Liebesnacht mit Claudia Roth. Jedenfalls stelle ich mir die genau so vor. Du kämpfst stundenlang um<br />
eine Erektion, nur damit es irgendwann vorbei ist. Die Suche nach dem Anfang, damit du das Ende erreichen kannst.<br />
Fieser geht es nicht!<br />
Und mal ehrlich: Diese Saison war schlimmer, als einen Becher Eiter runter zu stürzen. Gefühlt zweitausend Gegentore<br />
in der Nachspielzeit oder die verschossenen Elfmeter kurz vor Schluss. Ganz miese Klatschen von Vereinen wie<br />
Union Berlin, Eintracht Braunschweig oder FSV Frankfurt. Krisensitzungen im <strong>Aachen</strong>er Stadtrat, drei Trainer in einer<br />
Saison und die Verpflichtung von Albert Streit, den ich aber nach seinem Tor gegen den VfL Bochum in meinen Klub<br />
der coolen Leute aufgenommen habe. Und zum Schluss mal ganz nebenbei der Abriss des <strong>Tivoli</strong>, wegen dem ich<br />
mit Sicherheit irgendwann mal auf einer Satin-Couch landen werde, auf der man für 200 Euro die Stunde von den<br />
schlimmsten Phasen in seinem Leben erzählt.<br />
Auch schön, die Halbzeitpause im Spiel gegen Dynamo Dresden, als wir quasi mitten in der Schlacht um Mittelerde<br />
standen und sich Manuel Junglas falsch herum ins Tor stellte, den anderen seinen Hintern entgegenstreckte und<br />
sie dazu aufforderte ihm genau diesen abzuschießen. Da blüht der Flachs. Bisschen blöd nur, dass der gerade blüht,<br />
wenn man selbst auf seinem Dauerplatz sitzt und seit dem Morgen keinen Bissen runter bekommen hat, nur weil<br />
man Angst davor hat bald zur Zweiten vom VfB Stuttgart, nach Unterhaching und zu Red Bull Leipzig fahren zu müssen.<br />
Wie gerne hätte ich da auch mal den Flachs blühen lassen und noch mal die gute alte rechte Klebe ausgepackt.<br />
Aber sei´s drum. Funkel, Junglas, Abrissbirne und Finanzsorgen. Das alles spielt noch keine Rolle. Denn der FC Ingolstadt<br />
hat letzte Woche den Karlsruher SC geschlagen. Und ich verbrachte den sonntäglichen Familienausflug damit,<br />
minütlich den Spielstand beim Kick auf der Schanz zu aktualisieren. Und auch die strengen Blicke meiner Frau<br />
als ich mitten im Museum einen lauten Jubelschrei raus haute und mit Carl die „High Five“ austauschte, weil ein<br />
Mann namens Marino Biliskov gegen einen Mann namens Dirk Orlishausen getroffen hatte. Ihr Blick entspannte sich<br />
schnell, als sie mein freudig erregtes Gesicht sah und ich ihr auf meinem Handy in Großformat die Partie Ingolstadt<br />
gegen Karlsruhe entgegenstreckte, wusste sie doch, dass dies die Antwort auf ihre Frage von Samstagnachmittag<br />
gewesen war. Nein – es ist noch nicht vorbei! Gar nichts ist vorbei! Come on <strong>Aachen</strong>!<br />
Kolumne 21