Wehr und Wucher - Welcker-online.de
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Ja, seit die Berliner unser gol<strong>de</strong>nes Herz haben, geben die Wiener immer<br />
feste drauf.<br />
* * *<br />
EIN FAUXPAS (FEHLSCHRITT)<br />
Der Weltfrie<strong>de</strong> kann ein Stilproblem sein, wenn <strong>de</strong>r Weltkrieg ein Preßproblem<br />
war. Wer mag <strong>de</strong>r Stilist sein, <strong>de</strong>r in einer Entscheidungsst<strong>und</strong>e für<br />
»Deutschland an das russische Volk« das große Wort führt?<br />
Berlin, 15. April. Die 'Nordd. Allg. Ztg.' schreibt: — — Danach erstreben<br />
bei<strong>de</strong> Parteien nichts an<strong>de</strong>res als die Sicherung <strong>de</strong>s Daseins,<br />
<strong>de</strong>r Ehre <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Entwicklungsfreiheit ihrer Völker — —<br />
nicht beabsichtigt, die Ehre o<strong>de</strong>r die Freiheit <strong>de</strong>s russischen Volkes<br />
anzutasten — — Wenn das russische Volk noch länger blutet<br />
<strong>und</strong> lei<strong>de</strong>t, statt sich ruhig <strong>und</strong> ungestört <strong>de</strong>m inneren Ausbau seiner<br />
Freiheit zu widmen, so ist nicht Deutschland daran schuld. Die<br />
Schuld liegt dort, wo ein Interesse am Fortgang <strong>de</strong>s Krieges besteht.<br />
Wo fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Erklärung vom 10. April ausgesprochene<br />
Frie<strong>de</strong>nswille <strong>de</strong>s russischen Volkes <strong>de</strong>n entschie<strong>de</strong>nsten Wi<strong>de</strong>rspruch?<br />
Bei seinen eigenen Verbün<strong>de</strong>ten — —. Das russische<br />
Volk wird — niemand wird es an<strong>de</strong>rs erwarten — <strong>de</strong>n Verpflichtungen<br />
gegen seine Verbün<strong>de</strong>ten treu bleiben. Aber das russische<br />
Volk soll wissen, daß seine Söhne noch fernerhin kämpfen <strong>und</strong><br />
sterben müssen, weil seine Verbün<strong>de</strong>ten es so wollen, um ihre eigenen<br />
Eroberungs— <strong>und</strong> Annexionspläne durchzusetzen. Das ist<br />
<strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong>, weshalb Rußland hungern <strong>und</strong> lei<strong>de</strong>n soll, anstatt — —<br />
Wenn es also niemand an<strong>de</strong>rs erwarten wird, wenn ein Appell an die<br />
Treue Rußlands gegen seine Verbün<strong>de</strong>ten geplant war, so war <strong>de</strong>r gleichzeitige<br />
Schritt zur Versöhnung unnötige Mühe <strong>und</strong> es besteht nun gar die Gefahr,<br />
daß auch das russische Volk, das von dieser ehernen Konsequenz vielleicht<br />
nichts geahnt hätte, nun sich beschämt fühlen <strong>und</strong> nicht an<strong>de</strong>rs tun wird als<br />
man von ihm erwartet, schon um sich nicht vom Feind <strong>de</strong>r Untreue beschuldigen<br />
zu lassen. Aber bleibt es treu, wie niemand an<strong>de</strong>rs erwarten wird, so weiß<br />
es ja schon alleine, daß das die Fortsetzung <strong>de</strong>s Kämpfens <strong>und</strong> Sterbens be<strong>de</strong>utet,<br />
<strong>und</strong> muß nicht erst auf <strong>de</strong>n Vertragsinhalt <strong>de</strong>r Treue aufmerksam gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n. Was die Welt betrifft, so läßt sich wohl nicht leugnen, daß sie<br />
lieber durch allerhand Untreue zum Frie<strong>de</strong>n käme als durch allerhand Treue<br />
zu einer Fortsetzung <strong>de</strong>s Kriegs. Was aber das russische Volk betrifft, so hätte<br />
es vielleicht die Untreue vorgezogen; wenn man aber von ihm partout <strong>de</strong>utsche<br />
Treue verlangt, so gibt es sie vielleicht her. Es besteht <strong>de</strong>r Verdacht, daß<br />
hier das i<strong>de</strong>ologische Moment <strong>de</strong>r eigenen Treue in die Ansprache an <strong>de</strong>n<br />
Feind unversehens eingeflossen ist. Die Welt wünscht allerdings <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n,<br />
fürchtet aber, daß die Geistesverfassung, die Leitartikel eingibt, nicht die<br />
rechte ist, um ihn vorzubereiten. Denn es war <strong>und</strong> ist noch immer die rechte,<br />
um die Kriegslust zu wecken.<br />
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