Wehr und Wucher - Welcker-online.de
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unverwendbar zurückgegeben hätte. »Mehr tot als lebendige kommt Herr<br />
Tressler dorthin, wohin er gehört, in die Gar<strong>de</strong>robe«. Köstlich schil<strong>de</strong>rt er,<br />
wie schläfrig er war, wie er aber, sobald <strong>de</strong>r Vorhang in die Höhe rauschte,<br />
als echtes Theaterblut, selbstre<strong>de</strong>nd, <strong>de</strong>r Kenner kennt das. Und mit <strong>de</strong>r Miene<br />
<strong>de</strong>s gerissenen Kulissenk<strong>und</strong>en ergänzt er: »'Husch! Husch! die Waldfee!'<br />
Wie man bei altern<strong>de</strong>n Naiven zu sagen pflegt.« Nun aber harrt <strong>de</strong>s Unverwüstlichen<br />
die schwierigste Aufgabe.<br />
Die Herren <strong>de</strong>r Gesandtschaft hatten fünf<strong>und</strong>siebzig Einladungen<br />
ergehen lassen. Es war eine außeror<strong>de</strong>ntlich glänzen<strong>de</strong> Gesellschaft<br />
in <strong>de</strong>n märchenhaften Räumen <strong>de</strong>s Hotel Bellevue—Palace<br />
vertreten, welches sich für die — hoffentlich in absehbarer Zeit<br />
beginnen<strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>nsverhandlungen vorzüglich eignen wür<strong>de</strong>.<br />
Immerhin besser als für die Fetierung eines mittelmäßigen Schauspielers.<br />
Denn wie immer man über <strong>de</strong>n Wan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>r Zeiten <strong>de</strong>nken mag, die sich<br />
aus solchen, welche die Tischwäsche vor <strong>de</strong>n Komödianten in Sicherheit<br />
brachten <strong>und</strong> diese kaum am Gesin<strong>de</strong>tisch hätten speisen lassen, in die <strong>de</strong>r<br />
aristokratischen Reinhardt—Bälle verwan<strong>de</strong>lt haben; ob man nun <strong>de</strong>m Vorurteil<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Toleranz <strong>de</strong>n Vorzug gibt: so muß doch wohl gesagt wer<strong>de</strong>n, daß<br />
die Begebenheit, die einem Herr Tressler noch schil<strong>de</strong>rn darf, ohne Beispiel<br />
ist:<br />
Mir wur<strong>de</strong> die ehrenvolle Aufgabe zuteil, die Prinzessin Schönburg—Hartenstein,<br />
die Gemahlin unseres Botschafters am Vatikan,<br />
zu Tisch zu führen. Links von mir saß die schöne Gräfin<br />
Schwerin mit <strong>de</strong>m Prinzen Schönburg. Und da prangte nun ein<br />
Büfett von einer Mannigfaltigkeit, wie ich es kaum je in Frie<strong>de</strong>nszeiten<br />
gesehen habe. Also so sieht es im siebenten Himmel aus?!<br />
Tausend<strong>und</strong>eine Nacht!<br />
Das <strong>de</strong>n meisten an<strong>de</strong>rn Österreichern unerreichbare Büfett sei Herrn<br />
Tressler gegönnt. Was die an<strong>de</strong>re ehrenvolle Aufgabe betrifft, muß gesagt<br />
wer<strong>de</strong>n, daß ich, wenn ich Botschafter am Vatikan wäre, zur äußersten Schonung<br />
dortiger Empfindlichkeiten <strong>und</strong> überhaupt aus Rücksichten <strong>de</strong>s Prestiges<br />
alles tun wür<strong>de</strong>, um zu vermei<strong>de</strong>n, daß Herr Tressler meine Frau zu Tisch<br />
führt. Wenn ich aber die Gräfin Schwerin wäre, wür<strong>de</strong> ich streng darauf achten,<br />
nie solche gesellschaftliche Verpflichtungen einzugehen, die mich zwingen<br />
könnten, die linke Tischnachbarin eines Schauspielers dritten Ranges zu<br />
sein <strong>und</strong> geschähe es mir doch, so wür<strong>de</strong> ich die Anerkennung meiner Schönheit<br />
durch Herrn Tressler <strong>und</strong> die Neue Freie Presse mir mit einer Entschie<strong>de</strong>nheit<br />
verbitten, daß einem Komiker, wenn er mir schon beim Dessert <strong>de</strong>n<br />
Apfel reichen dürfte, doch die Lust zu Parisurteilen verginge. Die Erlebnisse<br />
<strong>de</strong>s Weltkriegs sind ja nicht gera<strong>de</strong> danach angetan, die Wichtigkeit aristokratischer<br />
Herabkunft zu überschätzen, <strong>und</strong> umsoweniger, als just <strong>de</strong>r Weltkrieg<br />
in Fülle Beispiele einer sich selbst aufopfern<strong>de</strong>n Wür<strong>de</strong> geboten <strong>und</strong> die Wertlosigkeit<br />
vieler Rezensionsexemplare <strong>de</strong>s 'Salonblatt' dargetan hat. Beileibe<br />
nicht, weil sie sich so o<strong>de</strong>r so im Krieg o<strong>de</strong>r hinter ihm benommen hätten;<br />
son<strong>de</strong>rn weil sie im Gegenteil nicht <strong>de</strong>m a<strong>de</strong>ligen Instinkt gefolgt sind, die<br />
Mobilisierung <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ale für <strong>de</strong>n handgreiflichsten Zweck zu durchschauen;<br />
weil sie nie so frie<strong>de</strong>nsdiensttauglich waren, um einen Krieg dieser Art zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />
Kein tieferer Gedanke verbin<strong>de</strong>t ihren Rang mit <strong>de</strong>m Verfall <strong>de</strong>r<br />
Menschheit als <strong>de</strong>r Entschluß, <strong>de</strong>n Reklamestrebungen bürgerlicher Wohltätigkeit<br />
ihren Namen zu spen<strong>de</strong>n. Aber weil <strong>de</strong>r Lebensinhalt dieser Klasse die<br />
Tradition sein sollte; weil selbst die verlorene Wür<strong>de</strong> noch besser ist als die<br />
gewonnene Gemütlichkeit, so ist es immer wie<strong>de</strong>r wichtig, <strong>de</strong>n Herrschaften<br />
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