Genitale Verstümmelung bei Jungen und Männern - WikiMANNia
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Seite 55<br />
„Gewalt gegen Frauen“ die Rede ist, laufen die Gedanken automatisch in vorgefertigten<br />
Bahnen, heute mehr denn je. Vor allem das Schlagwort „Männerherrschaft“ passt<br />
zwar in die Rhetorik unserer Zeit, hat aber wenig mit den tatsächlichen Verhältnissen<br />
zu tun. Die Anthropologin Galahad etwa weist es als abstrus zurück, wenn die Beschneidung<br />
von „frauenfeindlichen Kreisen, die hier eine Wollüstlingslaune wittern,<br />
komischerweise“ als ein „Gipfel männlicher Brutalität gegenüber entrechteter Weiblichkeit“<br />
gehalten wird. Davon könne „nicht die Rede sein. Gerade in den alten,<br />
mächtigen Matriarchaten wurde die Operation von Frauen an Frauen ausgeführt<br />
<strong>und</strong> ist heute noch gerade <strong>bei</strong> Mutterrechtsvölkern ... typisch.“ Verboten wurde die<br />
Beschneidung im Lauf der Geschichte vor allem von <strong>Männern</strong>, in erster Linie solch<br />
patriarchalischen Exemplaren der Gattung wie Priestern der katholischen Kirche 4 .<br />
Auch die Feministin Mary Daly weist in ihrem Buch „Gyn/Ecology“ darauf hin, das<br />
Beschneidung etwas ist, das Frauen durch Frauen angetan wird <strong>und</strong> zitiert einen Augenzeugen:<br />
„Als die Klitoris herausgerissen wurde, heulten die Frauen vor Freude<br />
<strong>und</strong> führten sie in einer Parade durch die Stadt 5 .“<br />
Galahad führte weiter aus, dass die Beschneidung von Mädchen wie die von Knaben<br />
zu den Reifeweihen solcher Gesellschaften gehört. Knaben? Seit wann ist denn hier<br />
von <strong>Männern</strong> die Rede? Bezeichnender Weise kommen männliche Opfer dieser<br />
Praktiken in der Diskussion durchgehend nicht vor, für Männer ist ja schon die Täterrolle<br />
vorgesehen. Auch die Beschneidung von Knaben wird in Ländern der Dritten<br />
Welt nicht unter Narkose <strong>und</strong> mit sterilisierten chirurgischen Instrumenten, sondern<br />
mit sehr primitiven Werkzeugen vorgenommen 6 . Diese „kulturell legitimierte Form<br />
des gewalttätigen Übergriffs auf <strong>Jungen</strong>“ wird zwar in unserer sehr einseitig ausgerichteten<br />
Betroffenheitskultur nicht thematisiert, ist aber ebenfalls sehr weit verbreitet,<br />
etwa in Afrika, Vorderasien, Indonesien <strong>und</strong> Australien. Kritiker bezeichnen sie als<br />
eine „planmäßige Desensibilisierung eines höchst sensiblen <strong>und</strong> lustspendenden<br />
Organs des Mannes“ 7 . Es geht hier um so genannte Initiationsriten: Ein Mensch wird<br />
in die Gemeinschaft aufgenommen, indem er bewusst in eine Krisensituation gebracht<br />
wird, die seine Persönlichkeit neu begründen soll. Oft muss er eine Reihe von<br />
schmerzhaften oder demütigenden Prüfungen ablegen. Man findet solche Zeremonien<br />
nicht nur <strong>bei</strong> fremden Völkern „im Busch“, sondern ebenso in Eliteuniversitäten<br />
oder <strong>bei</strong>m Militär. Oft scheinen sie von staatlichen Stellen oder Erziehungsbehörden<br />
ausdrücklich <strong>und</strong> unter Strafandrohung untersagt. Selten jedoch ist so ein Verbot von<br />
Erfolg gekrönt. Da Männer die Rolle der Jäger, Kämpfer <strong>und</strong> Beschützer übernehmen<br />
sollen, werden ihnen oft schwerere „Prüfungen“ auferlegt als den Frauen:<br />
Mitglieder des nigerianischen Tiv-Stammes betrachten die Fähigkeit, Schmerzen<br />
auszuhalten, als Gr<strong>und</strong>voraussetzung für die Ehe. Die jungen Männer werden verstümmelt,<br />
ihnen werden z.B. die Zähne ausgeschlagen. Auf die Fragen von Anthropologen,<br />
ob das nicht sehr schmerzhaft sein, reagieren sie mit Verständnislosigkeit:<br />
4<br />
-Galahad, Sir: Mütter <strong>und</strong> Amazonen. Ein Umriss weiblicher Reiche. Berlin 1962<br />
-Goldberg, Herb: Man(n) bleibt Mann. Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen der Veränderung. Reinbek <strong>bei</strong> Hamburg 1986<br />
5<br />
-Schenk, Roy: The Other Side of Coin. Causes and Consequences of Men’s Oppression. Madison 1982<br />
-„Emma“ Juli/August 1998<br />
6<br />
-Aresin, Lykke <strong>und</strong> Starke, Kurt: Lexikon der Erotik. München 1996<br />
-Brownlow, Sheila u.a.: „Ill Take Gender Differences for $1000! Domain-Specific Intellectual Success on „Jeopardy“.<br />
In: Sex Roles, Vol. 38, Nos. 3-4, 1998, S 269ff<br />
7<br />
-Knuf, Thomas: Wissenschaftliche Fakten <strong>und</strong> Erkenntnisse über Männer als Opfer. In: moritz, Zeitschrift für<br />
Männer in Bewegung, Nr. 31 (1/97), S 22<br />
-Baumer, Harald: Puppen <strong>und</strong> Zeichnungen sind vor Gericht tabu. In: Nürnberger Nachrichten vom 31.07.1999.<br />
Zu finden auch im Internet unter: www.pappa.com/mmdm/BGH990/30.htm