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Vorlesung Immobilienrecht, Nachbarrecht 19. Februar 2013 ...

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Universitätsrepetitorium der<br />

HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN<br />

<strong>Vorlesung</strong> <strong>Immobilienrecht</strong>,<br />

<strong>Nachbarrecht</strong><br />

<strong>19.</strong> <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong><br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

Universitätsrepetitorium der<br />

HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN<br />

Literatur: Wenzel, NJW 2005, 241<br />

Rachlitz/ Ringshandl, JuS 2011, 970<br />

I. Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch<br />

1. Störer<br />

a) Ansatz<br />

alt: Rückführung auf den Eigentümerwillen<br />

neu: Suche nach einem Sachgrund für die Zuordnung<br />

Dazu BGH, Urteil vom 11. 6. 1999 - V ZR 377/98, BGHZ 142,<br />

66 – Brandschaden und Urteile vom 2. 12. 2011 – V ZR 119/11,<br />

WM2012, 1926 und V ZR 120/11, MDR 2012, 459<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

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Universitätsrepetitorium der<br />

HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN<br />

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das nur über einen zu dem<br />

Grundstück gehörenden Privatweg mit der öffentlichen Straße verbunden ist<br />

("Hammer- oder Pfeifenstielgrundstück"). Das Grundstück der Beklagten liegt<br />

auch im hinteren Bereich und ohne eine eigene Anbindung zur öffentlichen<br />

Straße. Der Zugang erfolgt über ein fremdes Grundstück und ist durch eine<br />

Grunddienstbarkeit in Form eines Geh-, Fahr- und Leitungsrechts gesichert. Für<br />

die Versorgung mit Wasser, Strom und Tele-kommunikation wird nicht dieses<br />

Leitungsrecht genutzt. Vielmehr ist das Grundstück an Versorgungsleitungen<br />

angeschlossen, welche die jeweiligen Versorgungsträger 1994 in dem Privatweg<br />

der Klägerin verlegten. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Führung der<br />

Leitungen zu unterlassen. Zu Recht? (Fall BGH, 2. 12. 2011 - V ZR 120/11, MDR<br />

2012, 459)<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

Universitätsrepetitorium der<br />

HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN<br />

b) Erstes Element der Zurechnung: adäquate Kausalität<br />

Leading cases:<br />

BGH, Urteile vom 20. 11. 1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 – Froschlärm,<br />

vom 18. 4. 1997 - V ZR 28/96, BGHZ 135, 235 – Tennisplatz und vom 7. 4.<br />

2000 - V ZR 39/99, BGHZ 144, 200 – Drogenhilfezentrum<br />

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Froschlärmfall<br />

Der Kläger ist zusammen mit seiner Ehefrau, die ihn zur Geltendmachung von<br />

Ansprüchen und zur alleinigen Prozessführung ermächtigt hat, Miteigentümer<br />

des Grundstücks G. Straße 116 in I. Eigentümerin des Nachbargrundstücks ist<br />

die Beklagte. Beide Grundstücke grenzen etwa 70 m von der Straße entfernt an<br />

einen Bach. Im Sommer 1986 ließ die Beklagte auf ihrem Grundstück mit<br />

behördlicher Genehmigung einen Teich mit einer Fläche von ca. 144 qm<br />

anlegen. Die Entfernung von der Teichmitte bis zum Schlafzimmer im Wohnhaus<br />

des Klägers beträgt etwa 35 m. Der Kläger behauptet, die Beklagte habe sofort<br />

nach dem Auffüllen des Teiches dort Frösche ausgesetzt, durch deren sehr<br />

lautes und unangenehmes Quaken er und seine Ehefrau mehrere Monate im<br />

Jahr vor allem in der Nachtruhe erheblich gestört würden. Er hat beantragt, die<br />

Beklagte zur Trockenlegung des Teiches zu verurteilen. Zu Recht?<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

Universitätsrepetitorium der<br />

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Drogenhilfezentrumsfall<br />

Der Kläger ist Eigentümer eines im Bahnhofsviertel von Frankfurt am<br />

Main gelegenen, zur gewerblichen Nutzung bebauten Grundstücks. Die<br />

Beklagte zu 1 ist Eigentümerin des Nachbaranwesens, in dem bis 1989<br />

ein Bordell betrieben wurde. Sie hat die Liegenschaft zum Betrieb eines<br />

Drogenhilfezentrums, das die Tagesstätte "Café Fix", einen<br />

Straßenschalter zum kostenlosen Spritzenaustausch, das Frauen-Café<br />

"Kassandra" sowie eine ärztliche Ambulanz umfasst, an den Beklagten<br />

zu 2 vermietet. Der Kläger verlangt von den Beklagten die Einstellung<br />

des Betriebs des Drogenhilfezentrums.<br />

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b) Wertende Zurechnung<br />

aa) Kausalität reicht nicht<br />

Leading Cases:<br />

BGH, Urteile vom 23. 4. 1993 - V ZR 250/92, BGHZ 122, 283 –<br />

Wiebke, vom 27. 1. 2006 - V ZR 26/05, NJW 2006, 992 -<br />

Zimmerbrand, vom 7. 7. 1995 - V ZR 213/94, NJW 1995, 2633 –<br />

Wollläuse und vom 26. 11. 2004 – V ZR 83/04, NZM 2005, 318 -<br />

Tropfwasserfall<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

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Wollläuse<br />

Die Parteien sind Nachbarn. Auf dem Grundstück des Beklagten steht<br />

seit 14 Jahren eine Lärche in rund 19 m Entfernung zum angrenzenden<br />

Grundstück des Klägers. Der Kläger hat behauptet, diese Lärche sei in<br />

erheblichem Umfang mit Wollläusen befallen. Diese verbreiteten sich<br />

auf sein Grundstück und hätten dort stehende Kiefern befallen und<br />

geschädigt. Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, das<br />

Eindringen von Wollläusen auf sein Grundstück zu verhindern.<br />

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Tropfwasserfall<br />

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der<br />

Beklagten stehen in einem Abstand von 40 cm von der Grenze entfernt<br />

entlang der Grundstücksauffahrt der Kläger 13 uralte sog. Kopflinden.<br />

Die Voreigentümerin hatte die Klägerin zugesagt, die Linden alle fünf<br />

Jahre beschneiden zu lassen und dies auch veranlasst. Die beklagten<br />

führten diese Praxis nicht weiter und ließen die Linden „schießen“. Die<br />

Folge davon ist, dass die Äste der Linden über die Grundstücksgrenze<br />

wuchsen, deren Laub auf die Grundstücksauffahrt der Kläger fällt und<br />

dort, insbesondere bei Nässe, zur Rutschgefahr führt. Außerdem tropft<br />

bei Regen Wasser von den überhängenden Lindenzweigen auf die<br />

Auffahrt und gefriert dort im Winter. Die Klägerin verlangt von den<br />

Beklagten, den Laub und Wasserbefall abzustellen. Diese wenden ein,<br />

die Bäume dürften nach der Baumschutzsatzung nicht beschnitten<br />

werden. Wie ist zu entscheiden?<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

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HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN<br />

bb) Einwirken von Naturkräften<br />

Ansatz:<br />

- Objektive Schaffung einer konkrete Gefahrenlage<br />

- Verletzung einer Sicherungspflicht<br />

Leading Cases:<br />

BGH, Urteile vom 12. 12. 2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035<br />

– Druckstempel, vom 14. 11. 2003 - V ZR 102/03, BGHZ 157,<br />

33 - Kiefernnadeln; und vom 28. 11. 2003 - V ZR 99/03, NJW<br />

2004, 603 - Betonplatte/Baumwurzel<br />

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Druckstempelfall<br />

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks in K. Das<br />

benachbarte Grundstück steht im Eigentum der Beklagten. Auf diesem<br />

Grundstück befindet sich nahe der gemeinsamen Grundstücksgrenze<br />

eine 17,5 m hohe Rotfichte. Von der Stammmitte aus gemessen ist der<br />

Baum 0,75 m von der Außenwand einer Garage entfernt, die auf dem<br />

Grundstück der Klägerin entlang der Grenze errichtet ist. An der<br />

grenzseitigen Garagenwand sowie an einer neben der Garagenzufahrt<br />

verlaufenden Stützmauer zu dem höher gelegenen Nachbargrundstück<br />

bildeten sich Risse. Deren Ursache sieht die Klägerin in dem<br />

Wurzelwerk der Fichte auf dem Nachbargrundstück. Im vorliegenden<br />

Rechtsstreit nimmt sie die Beklagte in erster Linie auf Entfernung<br />

dieses Baumes und hilfsweise auf geeignete Maßnahmen zur<br />

Verhinderung von Schäden durch den Baum und dessen Wurzeln in<br />

Anspruch. Zu Recht?<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

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Kiefernnadelfall<br />

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten<br />

stehen nahe der Grundstücksgrenze zwei Kiefern, die über die nach dem<br />

Pflanzabstand einzuhaltende Höhe hinaus gewachsen und bei Klageerhebung ca.<br />

14 m hoch waren. Von einem der Bäume ragten Zweige in einer Höhe von ca. 9<br />

m ungefähr 2,3 m, von dem anderen Baum ragen Zweige in einer Höhe von ca.<br />

5 m ungefähr 0,4 m auf das Grundstück des Klägers herüber; auch fallen<br />

Kiefernnadeln und -zapfen auf sein Grundstück. Der Kläger behauptet, dass er<br />

wegen der abfallenden Nadeln und Zapfen das Dach, die Dachrinnen und<br />

Dacheinläufe seines Wohnhauses sowie seinen Garten mehrfach im Jahr<br />

säubern müsse; auch habe er wegen des starken Nadelfalls einen Gartenteich<br />

verschließen müssen. Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zum<br />

Zurückschneiden der Kiefern auf die Höhe, die sie fünf Jahre vor der<br />

Klageerhebung hatten, und zum künftigen jährlichen Zurückschneiden auf diese<br />

Höhe sowie zur Beseitigung der auf sein Grundstück herüberragenden Zweige<br />

beantragt.<br />

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Betonplattenfall (Variante I)<br />

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück<br />

der Klägerin führte ein aus drei großen Betonplatten<br />

bestehender Weg von der Straße zum Eingang des<br />

Wohnhauses. Die Wurzel des 1 m von dem Weg entfernten<br />

Kirschbaums auf dem Grundstück der Beklagten haben eine<br />

Platte 25 bis 30 mm angehoben, so dass man stolpert. Die<br />

Klägerin verlangt von der Beklagten die Beseitigung der Wurzel<br />

unter der Platte und deren Neuverlegung. Wie würden Sie<br />

entscheiden?<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

Universitätsrepetitorium der<br />

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cc) Technisches Versagen<br />

Leading cases: BGHZ 142, 66 - Brandfall; BGHZ 155, 99 Rohrbruchfall<br />

Rohrbruchfall<br />

Am <strong>19.</strong> Mai 1992 brach die in einer städtischen Straße verlegte Kerosinleitung,<br />

durch welche die Gas-GmbH den nahe gelegenen Flughafen versorgt. Das<br />

ausfließende Kerosin überflutete u.a. das Grundstück des Ehemanns der<br />

Klägerin, auf welchem diese einen Rasentennisanlage betreibt. Das Kerosin<br />

dringt in den Boden ein, der Rasen verdirbt. Die Klägerin verlangt von der<br />

beklagten einen Bodenaustausch und die Verlegung von Rollrasen. Zu Recht?<br />

(vgl. auch BGH, Urteil vom 4. 2. 2005 - V ZR 142/04, NJW 2005, 1366)<br />

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2. Anwendung des allgemeinen Schuldrechts<br />

Leading cases:<br />

BGH, Urteile vom 30. 5. 2008 – V ZR 184/07, NJW 2008, 3122 – befristeter<br />

Überbau, vom 18. 7. 2008 - V ZR 171/07, NJW 2008, 3123 – das überbaute<br />

Wegerecht und vom 21. 5. 2010 - V ZR 244/09, NJW 2010, 2341 - Biodünger<br />

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Biodünger<br />

Die Klägerin verpachtete dem Beklagten ihr Grundstück zum Betrieb einer<br />

Baumschule für 350 € im Jahr. Der Beklagte nutzte das Grundstück nur<br />

anfänglich zu diesem Zweck, später baute er auf ihm Futtermais an. 2004<br />

gestattete er einer Firma Utilitas, auf das Grundstück Biodünger auszubringen.<br />

Es stellte sich heraus, dass das hierzu mehrfach angelieferte Material zumindest<br />

teilweise mit krebserregenden industriellen Abfallprodukten vermischt war. Die<br />

Entnahme von unmittelbar oder mittelbar zum Verzehr bestimmten Früchten<br />

aus dem Grundstück wurde behördlich verboten. Darauf kündigte die Klägerin<br />

das Pachtverhältnis fristlos, weil das Grundstück nicht mehr zu bewirtschaften<br />

sei. Zum Schutz der Bevölkerung wurde die Entnahme von Trinkwasser aus<br />

dem nahe gelegenen See eingestellt. Der Kreis legte mit erheblichem Aufwand<br />

ein Drainagesystem an, das die PFT auffangen und ihre Ausfilterung<br />

ermöglichen soll. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, den Zustand des<br />

Grundstücks wieder herzustellen, der ohne dessen Verunreinigung mit PFT<br />

bestünde. Zu Recht?<br />

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Überbautes Wegerecht<br />

Dem Kläger gehört ein Hinterliegergrundstück, das mit einem durch eine<br />

Dienstbarkeit gesicherten Weg mit der öffentlichen Straße verbunden ist. Es<br />

wird seit Jahrzehnten nicht genutzt. Der Beklagte erwarb das<br />

Nachbargrundstück und bebaute es mit einem Kino. Dabei überbaute er den<br />

Weg. Der Kläger verlangt den Rückbau des Kinos. Zu Recht?<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

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3. Beseitigungspflicht und Schadensersatz<br />

Leading cases:<br />

BGH, Urteile vom 18. 4. 1997 - V ZR 28/96, BGHZ 135, 235 – Tennisplatz, vom<br />

24. 1. 2003 - V ZR 175/02, NJW-RR 2003, 953 – Fernwärmeleitung und vom<br />

28. 11. 2003 - V ZR 99/03, NJW 2004, 603 - Betonplattenfall<br />

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Betonplattenfall (Variante II)<br />

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der<br />

Klägerin führte ein aus drei großen Betonplatten bestehender Weg von<br />

der Straße zum Eingang des Wohnhauses. Die Klägerin ließ im Jahr<br />

2001 diesen Weg aufbrechen und durch einen mit Kleinpflastersteinen<br />

befestigten Weg ersetzen. Hierfür zahlte sie 1.179,37 EUR. Mit der<br />

Behauptung, dass die Wurzeln eines auf dem Grundstück des<br />

Beklagten ungefähr 1 m von der Grundstücksgrenze entfernt<br />

stehenden Kirschbaums in ihr Grundstück hineingewachsen seien und<br />

dort innerhalb der letzten drei Jahre eine der drei Betonplatten des<br />

früheren Weges um 25 bis 30 mm angehoben hätten, so dass ein<br />

Versatz entstanden sei, hat die Klägerin die Verurteilung des Beklagten<br />

zur Zahlung des verauslagten Betrags beantragt.<br />

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4. Keine Entziehung durch Aufgabe des Eigentums<br />

Leading case:<br />

BGH, Urteil vom 30. 3. 2007 - V ZR 179/06, NJW 2007, 2182 -<br />

Bootsanlage<br />

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Bootsanlage<br />

Das klagenden Land hatte dem A eine Uferfläche zum<br />

vorübergehenden Betrieb einer Bootsanlage vermietet. Dieser<br />

errichtete darauf die Bootsanlage und verkaufte sie später an B, der<br />

ebenfalls mit dem Land einen Mietvertrag mit Verlängerungsoption<br />

schloss. B verkauft die Anlage an den Beklagten, mit dem das Land<br />

keinen Mietvertrag schließen wollte. Es verlangt die Herausgabe und<br />

die Räumung des Areals und die Beseitigung von zur Bootsanlage<br />

gehörenden Bauten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. In<br />

der Berufungsverhandlung vor dem Kammergericht hat der Beklagte zu<br />

Protokoll erklärt, er gebe einen etwaigen Besitz an der Fläche auf. Mit<br />

der Entfernung sämtlicher auf dem Grundstück vorhandenen Aufbauten<br />

durch das Land sei er einverstanden. Er meint, die Klage müsse jetzt<br />

abgewiesen werden. Sie auch ? BGH NJW 2007, 2182 - Bootsanlage<br />

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II. Duldungspflichten<br />

1. Unwesentliche Beeinträchtigungen<br />

Das Grundstück der Klägerin ist mit dem öffentlichen Straßenraum durch einen<br />

an dem Grundstück der Beklagten vorbeiführenden, öffentlich gewidmeten<br />

Stichweg mit dem übrigen Straßennetz verbunden. Der Eingang des von den<br />

Beklagten bewohnten Hauses befindet sich an der Seite des Stichweges,<br />

während die Garagen mit einer an der anderen Seite des Grundstücks<br />

vorbeiführenden öffentlichen Straße verbunden sind. Die Beklagten stellen zum<br />

Be- und Entladen zeitweise Fahrzeuge auf dem Stichweg ab. Die Klägerin meint,<br />

in der Vergangenheit sei es zu zahlreichen Behinderungen der Zufahrt zu ihrem<br />

Grundstück gekommen, verlangen von dem Beklagten es zu unterlassen, den<br />

Zugang oder die Zufahrt zu ihrem Grundstück durch verkehrswidriges Parken<br />

(Verlassen des Fahrzeuges oder längeres Halten als 3 Minuten) zu behindern<br />

oder durch Fahrzeuge Dritter, die ihren Besitz aufsuchen, behindern zu lassen.<br />

Zu Recht? (BGH. Urteil vom 1. 7. 2011 – V ZR 154/10, NJW-RR 2011, 1476)<br />

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2. Wesentliche Beeinträchtigung<br />

Leading cases: BGH, Urteile vom 6. 7. 2001 - V ZR 246/00, BGHZ 148, 261 –<br />

Hammerschmiede, vom 13. 2. 2004 - V ZR 217/03, NJW 2004, 1317 –<br />

Mobilfunkanlage und vom 26. 9. 2003 - V ZR 41/03, NJW 2003, 3699 –<br />

Rockkonzertfall<br />

Die Kläger wenden sich gegen Lärmbelästigungen, die von einem alljährlich<br />

stattfindenden Sommerfest eines Sportvereins und dabei insbesondere von<br />

einem Rockkonzert ausgehen. Die Kläger sind Eigentümer eines in einem<br />

allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks. Auf dem Nachbargrundstück,<br />

das der beklagten Stadt gehört, befinden sich ein Bolzplatz, eine Sporthalle und<br />

ein Fußballfeld. Die Beklagte hat das Gelände einem Sportverein für<br />

Vereinsaktivitäten überlassen. Einmal im Jahr veranstaltet der Sportverein ein<br />

Sommerfest. Dabei finden in einem Festzelt Musikveranstaltungen statt,<br />

darunter ein Rockkonzert. Für das bis weit nach Mitternacht dauernde<br />

Rockkonzert wurden für das Grundstück der Kläger in den Jahren 2001 und<br />

2002 Mittelungspegel von 55,9 bis 70,5 dB(A) und 53,3 bis 66 dB(A) gemessen.<br />

Die Kläger verlangen von der Gemeinde, das Konzert abzusagen. Zu Recht?<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

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3. Ortsübliche Benutzung des störenden Grundstücks<br />

leading case: BGH, Urteil vom 24. 1. 1992 - V ZR 274/90, BGHZ 117, 110 –<br />

Bienenflug<br />

Der Kläger ist Inhaber eines Gartenbaubetriebes. Er baut seit 1987 großflächig<br />

Schnittblumen (Gypsophila, Septemberkraut, Solidaster) im Freiland an, um sie<br />

zu veräußern. Auch sein Sohn tut dies auf einer benachbarten Fläche. Der<br />

Beklagte hält etwa 2,4 km von den Anbauflächen des Klägers (und dessen<br />

Sohnes) entfernt auf seinem Grundstück seit ca. elf Jahren nebenberuflich<br />

mehrere Bienenvölker. Der Kläger verlangt vom Beklagten seine Bienenvölker<br />

nicht mehr fliegen zu lassen. Er behauptet, die Bienen des Beklagten hätten<br />

1988 die Schnittstaudenbestände angeflogen, dadurch seien die Blüten<br />

befruchtet worden; dies habe ein rasches Verblühen zur Folge gehabt, so dass<br />

die Blumen nicht mehr hätten vermarktet werden können. Hat er den Anspruch?<br />

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4. Situationsbezogene Vorbelastung des gestörten<br />

Grundstücks<br />

Leading case: BGH, Urteil vom 6. 7. 2001 - V ZR 246/00, BGHZ<br />

148, 261 - Hammerschmiede<br />

J. Schmidt-Räntsch, <strong>Nachbarrecht</strong>, <strong>19.</strong> 2. <strong>2013</strong><br />

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HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN<br />

Die Kläger haben im Jahre 1990 ein am Rand eines allgemeinen Wohngebiets Grundstück<br />

erworben und mit einem von ihnen bewohnten Einfamilienhaus bebaut. In dem an das<br />

Wohngebiet angrenzenden Industriegebiet betreibt die Beklagte seit mehr als 30 Jahren<br />

eine behördlich genehmigte Hammerschmiede. Die Betriebszeit beträgt werktäglich acht<br />

Stunden, die Einwirkdauer beim Schmieden mit den Riemenfallhämmern ca. zwei bis fünf<br />

Stunden. Während der Betriebszeiten sind ganzjährig sämtliche Fenster im<br />

Produktionsgebäude geöffnet, im Sommer zusätzlich ein ca. fünf qm großes Tor. An das<br />

Betriebsgrundstück der Beklagten schließen sich eine Straße und ein weiteres<br />

Gewerbegebiet an. Die Kläger machen geltend, der Betrieb der Hammerschmiede führe zu<br />

unzumutbaren Lärmimmissionen, man könne sich auf ihrem Grundstück nicht im Freien<br />

aufzuhalten und sich zu unterhalten und im Inneren des Wohnhauses während des Betriebs<br />

der Hämmer auch nicht schlafen. Sie verlangen von der Beklagten, es zu unterlassen,<br />

während des Betriebs der Hammerschmiede Tore, Türen, Fenster, Lüftungsklappen oder die<br />

Oberlichtverglasung der Werkhalle an der Westseite des Betriebsgeländes offen zu halten,<br />

hilfsweise haben sie die Verurteilung der Beklagten beantragt, geeignete Vorkehrungen<br />

dagegen zu treffen, dass von der Hammerschmiede Geräusche ausgehen, welche die<br />

Benutzung des Wohngrundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigen. Was meinen Sie ?<br />

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5. Duldungspflicht kraft nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses<br />

Leading cases: BGH, Urteile vom 31. 1. 2003 – V ZR 143/02, NJW 2003, 1392<br />

Abwasserrohr und vom 8. <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong> – V ZR 56/12 , n. unveröff. ewiger Heizer<br />

Das Grundstück des Klägers und die Grundstücke der Beklagten waren ursprünglich Teile<br />

eines ungeteilten Hanggrundstücks in E. Sie sind durch die späteren Parzellierung dieses<br />

Grundstücks entstanden. Das Areal liegt an der Straße S. und fällt in einem langen Hang ab<br />

zu einer öffentlichen Straße. 1953 ließ die damalige Eigentümerin von der Straße S. aus<br />

hangabwärts Stichstraßen anlegen und an diesen Häuser errichten. Die Häuser der<br />

Beklagten liegen an einer dieser Stichstraßen. Zur Entsorgung der Abwässer dieser Häuser<br />

hatte die damalige Eigentümerin von dem am tiefsten gelegenen Haus durch das darunter<br />

liegende Wiesengelände ein Abwasserrohr zum öffentlichen Abwasserkanal in unten<br />

anschließende Straße verlegen lassen. In den 70er Jahren wurde das Areal an einen<br />

Immobilienhändler veräußert und von diesem parzelliert. Hierbei entstanden u. a. aus<br />

Flächen, auf denen die Häuser der Beklagten stehen, einzelne Hausgrundstücke, die später<br />

an die Beklagten veräußert wurden. Das an der Straße am Fuß des Hangs gelegene<br />

Wiesengelände wurde dabei ebenfalls parzelliert und später an Erwerber zur Bebauung<br />

verkauft. Einer dieser Erwerber ist der Kläger. Als er bauen will, stellt er das Abwasserrohr<br />

fest und verlangte beseitige, hilfsweise Verlegung. Zu Recht? BGH, Urteil vom 31. 1. 2003<br />

– V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 Abwasserrohr<br />

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Der Beklagte errichtete auf seinem Grundstück ein Doppelhaus, das nur über eine<br />

Heizungsanlage verfügt, die in der einen Doppelhaushälfte untergebracht ist und die andere<br />

mit Heizwärme und Warmwasser mitversorgt. Die mit der mitversorgten Doppelhaushälfte<br />

bebaute Teilfläche verkaufte er 1995 an ein Ehepaar. Der Kaufvertrag enthielt einen<br />

Hinweis auf das Fehlen einer eigenen Heizungsanlage und die Vereinbarung, dass der<br />

Beklagte die verkaufte Doppelhaushälfte gegen Erstattung der Verbrauchskosten und der<br />

Hälfte der Kosten für Instandhaltung, Wartung und Erneuerung mit Heizwärme und<br />

Warmwasser versorgt und für die Funktionsfähigkeit der Heizung Sorge trägt. Diese<br />

Vereinbarung sollte auch den Rechtsnachfolger des Verkäufers binden. 2001 verkauften die<br />

Erwerber ihre Doppelhaushälfte an den Kläger. Dieser Kaufvertrag enthält zu der Beheizung<br />

keine Regelung. Der Beklagte versorgte die Hälfte des Klägers zunächst weiter mit<br />

Heizwärme und Warmwasser. Mit Schreiben vom 8. <strong>Februar</strong> 2010 kündigte er die<br />

Vereinbarung und teilte mit, die Kappung der Leitungen solle im Zusammenhang mit einer<br />

Veränderung der Heizungsanlage erfolgen und werde rechtzeitig vorher angekündigt. Der<br />

Kläger verlangt von dem Beklagten in erster Linie, seine Doppelhaushälfte gegen<br />

Abrechnung der anteiligen Kosten weiterhin mit Heizwärme und Warmwasser<br />

mitzuversorgen, hilfsweise, ihm Zutritt zu dem Heizungsraum in dessen Doppelhaushälfte<br />

zu gewähren, damit er die witterungsbedingte Beheizung von dort selbst sicherstellen<br />

könne. Zu Recht? BGH, Urteil vom 8. <strong>Februar</strong> <strong>2013</strong> – V ZR 56/12, noch unveröff. ewiger<br />

Heizer<br />

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III. <strong>Nachbarrecht</strong>licher Ausgleichsanspruch nach § 906 II 2<br />

BGB<br />

1. Ausgangspunkt<br />

1. Erweiterung der Ausgleichspflicht auf andere<br />

Duldungsgründe<br />

a) Faktische Duldung rechtswidriger Einwirkungen<br />

aa) Grundsatz<br />

Leading Cases: BGH, Urteile vom 20. 4. 1990 - V ZR 282/88, BGHZ<br />

111, 158 – Schrotblei, vom 1. 4. 2011 – V ZR 193/10, NJW-RR 2011,<br />

739 – Bettenbrand und vom 10. 2. 2012 – V ZR 137/11 – Miteigentum<br />

auf Norderney<br />

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Bettenbrand<br />

Dem Ehemann der Beklagten gehört ein Reihenhaus, welches<br />

von ihnen und ihrem Sohn bewohnt wird. In den frühen<br />

Morgenstunden des 6. März 2008 brach dort ein Brand aus,<br />

wodurch die auf der einen und auf der anderen Seite<br />

angrenzenden Wohnhäuser beschädigt wurden. Die genaue<br />

Brandursache konnte nicht ermittelt werden. Ein Fehlverhalten<br />

der Beklagten schließt die Polizei aus. Fest steht allerdings, dass<br />

das Feuer in einem als Schlafzimmer genutzten Raum entstand,<br />

in dem sich ein Bett befindet, dessen Kopfteil mit einem<br />

Elektromotor verstellt werden kann. Die Klägerin zahlte als<br />

Gebäudeversicherer den Eigentümern der beschädigten<br />

Nachbarhäuser eine Entschädigung von insgesamt 79.560 €<br />

(Neuwertentschädigung) und verlangt Ersatz. Zu Recht?<br />

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Miteigentum auf Norderney<br />

Die Parteien sind neben weiteren Personen Miteigentümer<br />

nach Bruchteilen eines Hausgrundstücks. Das Haus besteht aus<br />

drei Wohnungen, die jeweils bestimmten Miteigentümern zur<br />

alleinigen und ausschließlichen Nutzung zugewiesen sind. Die<br />

Kläger sind Nutzungsberechtigte einer der beiden<br />

Erdgeschoßwohnungen, der Beklagte und seine Ehefrau sowie<br />

ein weiteres Ehepaar sind Nutzungsberechtigte zu jeweils 50%<br />

der darüber liegenden Dachgeschosswohnung. Anfang 2010 trat<br />

in dieser Wohnung ein Riss am Durchlauferhitzer auf; es drang<br />

Wasser in die darunterliegende, von den Klägern genutzte<br />

Wohnung ein. Die Kläger verlangen von dem Beklagten<br />

Schadensersatz für die beschädigten Hausratsgegenstände. Zu<br />

Recht?<br />

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bb) Grundstücksbezug auf Geschädigten-, aber auch auf<br />

Schädigerseite<br />

Leading Case: BGH, Urteil vom 18. 9. 2009 - V ZR 75/08, NJW<br />

2009, 3787 - Sylvesterrakete<br />

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Sylvesterrakete<br />

Am Neujahrsabend um 20.21 Uhr zündete der Beklagte vor dem von ihm<br />

bewohnten Haus auf dem Wohngrundstück eine Leuchtrakete, die er zuvor in<br />

einen Schneehaufen gesteckt hatte. Die Rakete stieg zunächst ca. fünf Meter<br />

gerade nach oben, schwenkte dann zur Seite und drang durch eine etwa 67 bis<br />

87 Millimeter breite Spalte zwischen der Außenwand und dem Dach in eine ca.<br />

zwölf Meter von der Abschussstelle entfernte Scheune ein. Dort explodierte sie<br />

und setzte den Gebäudekomplex (Scheune, Getreidelager, Schweinestall,<br />

Wohnhaus und Garagen) in Brand. Die klagende Versicherung regulierte den<br />

Schaden des bei ihr versicherten Eigentümers und verlangt von dem Beklagten<br />

aus übergegangenem Recht die Zahlung von 417.720,91 €. Das LG hat die<br />

Klage abgewiesen. Das OLG hat einen deliktsrechtlichen Anspruch der Klägerin<br />

verneint und einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen<br />

Ausgleichsanspruch dem Grunde nach bejaht. Der BGH wies die Klage aus<br />

nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch ab und die Sache im Übrigen an das<br />

OLG zurück.<br />

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b) Öffentliches Interesse<br />

Leading cases: BGH, Urteile vom 17. 9. 2004 - V ZR 230/03, BGHZ<br />

160, 232 – Teilrodungsfall und vom 26. 11. 2004 - V ZR 83/04, NZM<br />

2005, 318 - Hamburger Alleefall<br />

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Hamburger Alleefall<br />

Die Parteien sind seit März 1998 Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten<br />

stehen in einem Abstand von 40 cm von der Grenze entfernt entlang der<br />

Grundstücksauffahrt der Kläger 13 Linden, welche vor über 100 bzw. über 70 Jahren<br />

gepflanzt wurden. Zwischen den Klägern und der Voreigentümerin des Grundstücks der<br />

Beklagten war vereinbart, dass die Linden alle fünf Jahre geschnitten werden sollten, so<br />

dass sie als sogenannte Kopflinden ausgebildet wurden. Der letzte Rückschnitt erfolgte<br />

1987 oder 1990. Seitdem haben sich an den Bäumen zahlreiche über die<br />

Grundstücksgrenze gewachsene und in den Luftraum über dem Grundstück der Kläger<br />

hineinragende Stämmlinge gebildet, deren Laub auf die Grundstücksauffahrt der Kläger fällt<br />

und dort, insbesondere bei Nässe, zur Rutschgefahr führt. Außerdem tropft bei Regen<br />

Wasser von den überhängenden Lindenzweigen auf die Auffahrt und gefriert dort im Winter.<br />

Weiter steht auf dem Grundstück der Beklagten eine Buche, deren Zweige ebenfalls über<br />

die Grundstücksgrenze gewachsen sind. Die Linden und die Buche stehen unter<br />

Bestandsschutz nach Maßgabe der Vorschriften der Verordnung zum Schutz des<br />

Baumbestandes und der Hecken in der Freien und Hansestadt Hamburg<br />

(Baumschutzverordnung) vom 17. September 1948 (HmbBL I 791-i).<br />

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2. Erweiterung der Ausgleichspflicht auf andere Einwirkungen<br />

Leading cases: BGH, Urteile vom 21. 10. 1983 - V ZR 166/82, BGHZ 88, 344 –<br />

Hochhausantenne und vom 22. 2. 1991 - V ZR 308/89, BGHZ 113, 384 - Kaltluftsee<br />

Kaltluftseefall<br />

Die Beklagten zu 1 und die mitbeklagte Firma P. & Z. hatten sich zu der<br />

"Arbeitsgemeinschaft Tunnel E." zusammengeschlossen und im Auftrag der Beklagten zu 3<br />

für die Bundesbahn-Neubaustrecke Hannover-Würzburg einen Tunnel durch das Röth<br />

gebaut. Das dabei angefallene Aushubmaterial wurde zunächst auf einer behördlich<br />

genehmigten Zwischendeponie gelagert, die von den Beklagten zu 1 auf Grundstücken<br />

(Flurstücke Nr. 3043-3045 der Gemarkung L.) errichtet worden war, die unter dem<br />

Weinberg des Klägers (Flurstücke Nr. 3026-3029 der Gemarkung L.) angrenzen. Die<br />

Ausmaße der Deponie sind zwischen den Parteien streitig. Nach Behauptung des Klägers<br />

hat die 4,5 m hohe, 25 m breite und 200 m lange Deponie den Kaltluftabfluss von seinem<br />

Weinberg verhindert. Dadurch habe sich im Januar/<strong>Februar</strong> 1985 im unteren Bereich des<br />

Weinberges ein Kaltluftsee gebildet, der erhebliche Frostschäden an 1467 Rebstöcken<br />

verursacht habe. Der Kläger hat von den Beklagten Zahlung von 42960,94 DM<br />

Schadensersatz (Aufwendungen für Instandsetzungsarbeiten, Material und Gutachterkosten<br />

sowie Entschädigung für Ertragsausfälle in den Jahren 1985 bis 1987) verlangt. Zu Recht?<br />

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3. Verhältnis zum öffentlichen und zum Bergrecht<br />

Leading cases: BGH, Urteile vom 10. 12. 2004 - V ZR 72/04, BGHZ 161, 323 – Flughafen<br />

Köln/Bonn, vom 30. 10. 2009, V ZR 17/09, NJW 2010, 1141 – City-Tunnel Leipzig und vom<br />

<strong>19.</strong> 9. 2008 - V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 - Bergwerkseigentum<br />

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Flughafen Köln/Bonn<br />

Die Beklagte betreibt den erstmals 1959 genehmigten Flughafen Köln/ Bonn. Die Kläger<br />

sind seit 1989 Eigentümer eines Hausgrundstücks in L.-S., das zuvor der Mutter des<br />

Klägers gehörte, die den Klägern etwaige Ansprüche gegen die Beklagte wegen<br />

Fluglärmbelästigung abgetreten hat. Das Haus befindet sich außerhalb der durch das<br />

Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmschutzgesetz) gezogenen Schutzzonen unter<br />

dem Gleitpfad der einfliegenden Flugzeuge beim Anflug auf eine bestimmte, überwiegend<br />

nur bei Westwindwetterlagen genutzte Landebahn. Die durchschnittliche Überflughöhe<br />

beträgt, bedingt durch die Hanglage des Grundstücks, regelmäßig weniger als 300 m. Die<br />

Kläger haben behauptet, dass von dem Flugverkehr, insbesondere nachts, eine<br />

unzumutbare Lärmbelästigung ausgehe, der durch Schallschutzmaßnahmen nicht in<br />

ausreichendem Maße begegnet werden könne. Sie haben im Jahre 2000 die Fenster im<br />

Erdgeschoss ausgetauscht und mit Wärmeschutzverglasung versehen. Außerdem haben sie<br />

eine Isolierung des Flachdaches - soweit nicht überbaut - anbringen lassen. Die Kosten<br />

hierfür (10.849,14 EUR und 4.366,14 EUR) machen sie als Aufwendungsersatz für<br />

Schallschutzmaßnahmen geltend. Ferner verlangen sie Ausgleich einer nach ihrer<br />

Behauptung auf der Lärmimmission beruhenden Wertminderung von 54.467,16 EUR (25 %<br />

des Grundstückswerts).<br />

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City-Tunnel Leipzig<br />

Die Beklagten errichten auf Grund eines bestandskräftigen Planfeststellungsbescheids den<br />

"City-Tunnel Leipzig“, der den bayerischen Bahnhof mit dem Hauptbahnhof verbinden und<br />

dazu quer durch die Leipziger Innenstadt, unter anderem unter dem Marktplatz, verlaufen<br />

soll. Dort betreibt die Klägerin ein Restaurant mit einem hauptsächlich in den<br />

Rathausarkaden gelegenen Außenbereich. Im Laufe des Jahres 2005 wurde für das Projekt<br />

auf einer großen Fläche des Marktplatzes eine offene Baugrube ausgehoben. Ausweislich<br />

eines von der Klägerin im August 2005 eingeholten Privatgutachtens überschritten die<br />

Messwerte die in der TA Lärm festgesetzten Grenzwerte erheblich. Im zweiten Quartal 2006<br />

wurde die Baugrube mit Ausnahme des nördlichen Bereichs wieder geschlossen. Die<br />

Arbeiten wurden allerdings nicht nur unterirdisch fortgesetzt. Zudem führte ein Fahrweg<br />

zum Abtransport des Erdaushubs unmittelbar am Außenbereich des Restaurants vorbei. Die<br />

Klägerin verlangt für die von den Bauarbeiten ausgehenden Beeinträchtigungen eine -<br />

anfangs auf Ertragseinbußen, später (auch) auf den Wertverlust des Restaurants gestützte<br />

- Entschädigung von 107.349,62 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die<br />

Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Klageanspruch dem Grunde nach für<br />

gerechtfertigt erklärt. Dagegen wenden sich beide Parteien mit der von dem<br />

Oberlandesgericht zugelassenen Revision. Zu Recht? BGH Urt. v. BGH, Urt. v. 30. 10. 2009,<br />

V ZR 17/09, juris<br />

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Bergbau im Saarland<br />

Dem Kläger gehört ein Grundstück im Saarland mit einem sog. südwestdeutsches<br />

Bauernhaus. An dem Haus traten infolge des Bergbaus Risse auf, die die Beklagte als<br />

Bergschäden anerkannte und beseitigte. Sie ordnete das Gebäude in die höchste<br />

Schadensempfindlichkeitskategorie ein; solche Häuser können ab einer<br />

Schwingungsgeschwindigkeit von 3 mm/Sek. beschädigt werden. Seit dem Ende des Jahres<br />

2000 traten in L. Erderschütterungen auf, die ebenfalls auf den Bergbau der Beklagten<br />

zurückgehen. Im Jahr 2005 wurden 59 Erschütterungen von ein bis drei Sekunden Dauer,<br />

einer Stärke zwischen 1,9 bis 3,7 auf der Richterskala und einer<br />

Schwingungsgeschwindigkeit bis zu 30 mm/Sek. registriert. Der Wert von 5 mm/Sek.<br />

wurde dabei insgesamt zehnmal erreicht oder überschritten. Im <strong>Februar</strong> und März 2006<br />

wurden bei weiteren bergbaubedingten Erschütterungen Schwingungsgeschwindigkeiten<br />

von 71,28 mm/Sek., 61,16 mm/Sek. und 56,56 mm/Sek. gemessen. Der Kläger meint, er<br />

sei durch die Erschütterungen sei die Nutzungsmöglichkeit des Hauses stark eingeschränkt<br />

und in der Lebens- und Wohnqualität in unzumutbarer Weise beeinträchtigt und verlangt<br />

Ersatz nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Zu Recht?<br />

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