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MAGAZIN<br />
Filmtipps Titel: „Angels in America“ Regie: Mike Nichols<br />
Als Tony Kushner Anfang der 90<br />
Jahre sein zweiteiliges Theaterstück<br />
„Angels in America“<br />
schrieb, rechnete vermutlich niemand<br />
mit dem durchschlagenden Erfolg, den<br />
dieses Theaterstück weltweit haben<br />
würde. Einem Theaterabend, der Themen<br />
wie <strong>AIDS</strong>, HIV, Homosexualität und die<br />
Verlogenheit der Gesellschaft während<br />
der „Reagan-Ära“ zum Inhalt hat, gab<br />
man keine großen Chancen.<br />
Doch man irrte sich. Als das Theaterstück<br />
im Jahr 1993 nach Aufführungen<br />
und Theater-Workshops in San Francisco,<br />
London und Los Angeles endlich in New<br />
York aufgeführt wurde, war das Echo<br />
phänomenal. Es wurde mit Preisen (inkl.<br />
Pulitzer-Preis!) geradezu überschüttet.<br />
Über zehn Jahre später produzierte der<br />
amerikanische Pay-Kanal HBO die Filmversion<br />
des Bühnenstücks als 6-stündige<br />
Miniserie. Prominent besetzt mit Al<br />
Pacino, Meryl Streep, Emma Thompson<br />
und Mary-Louise Parker wurde auch die<br />
Fernsehfassung mit sämtlichen namhaften<br />
Preisen der amerikanischen Fernsehindustrie<br />
ausgezeichnet. Dabei ist die<br />
Geschichte von „Angels in America“<br />
nicht gerade leichte Kost und wirft noch<br />
dazu einen äußerst kritischen Blick auf<br />
die amerikanische Gesellschaft.<br />
44 I 45<br />
Erzählt wird darin u. a. die Geschichte<br />
von Prior Walter und Louis Ironson. Prior<br />
hat gerade von seiner HIV-Infektion erfahren<br />
und wird daraufhin von Louis<br />
verlassen. Louis findet schnell Trost bei<br />
Joe Pitt, einem verheirateten Republikaner/Anwalt/Mormonen.<br />
Joes Frau<br />
Harper wiederum hat eine kleine Vorliebe<br />
für Tabletten und zieht sich immer<br />
mehr in die Welt ihrer Halluzinationen<br />
zurück. Dabei kann es durchaus vorkommen,<br />
dass sie in ihrer Traumwelt<br />
auf Prior trifft, den sie ja eigentlich gar<br />
nicht kennt. Joe hingegen ist sich seiner<br />
Vorliebe für Männer bewusst, kann das<br />
aber mit seinem Glauben nicht unter<br />
einen Hut bringen. Noch dazu arbeitet<br />
Joe für den skrupellosen Politiker Roy<br />
Cohn, den er heimlich verehrt. Roy Cohn<br />
ist selbst an <strong>AIDS</strong> erkrankt, leugnet dies<br />
aber vor der Öffentlichkeit. Die offizielle<br />
Diagnose lautet Lungenkrebs…<br />
Roy Cohn gab es wirklich. In den fünfziger<br />
Jahren war er die rechte Hand von<br />
Senator McCarthy und maßgeblich an<br />
der Kommunistenverfolgung und Diskriminierung<br />
in Amerika beteiligt. Er starb<br />
1986 an den Folgen seiner HIV-Infektion<br />
und gilt wegen seiner Skrupellosigkeit<br />
und Verlogenheit noch heute in<br />
der amerikanischen Gay-Community als<br />
eine Art „Schwuler Antichrist“!<br />
Vermutlich hört sich das Ganze jetzt für<br />
den einen oder anderen Leser etwas<br />
verwirrend an. Es ist auch nicht ganz<br />
einfach, den gesamten Inhalt der Geschichte<br />
in ein paar Zeilen zu erzählen.<br />
Ich empfehle daher einfach, sich die<br />
komplette Serie einmal auf DVD anzusehen<br />
und die Geschichte auf sich wirken<br />
zu lassen. Schwule Männer, tablettensüchtige<br />
Frauen, korrupte Politiker,<br />
tote Kommunisten, die als Geist erscheinen,<br />
Krankenpfleger mit langen<br />
Fingern, ein verwirrter Engel (grandios:<br />
Emma Thompson!), eine überforderte<br />
Mormonenmutter, ein Blick ins Jenseits,<br />
tolle Bilder, zynische Dialoge und ein<br />
kritischer Blick auf Amerika machen das<br />
Werk für mich zu einem wirklichen<br />
Fernseherlebnis!<br />
Leider brachte die Serie bei der Ausstrahlung<br />
im deutschen Fernsehen<br />
(ARD) im letzten Jahr nicht die erhofften<br />
Einschaltquoten. Darum wird es vermutlich<br />
eine Weile dauern, bis man die<br />
Serie wieder im Fernsehen zu sehen<br />
bekommt.<br />
Harald Mayer