Download PDF - Pastoral für Menschen mit Behinderung
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<strong>Behinderung</strong> & <strong>Pastoral</strong> / Themenschwerpunkt: <strong>Behinderung</strong> und UN-Konvention _ 23<br />
Gemeinsam lernen<br />
An der Bischöflichen Maria-Montessori-Gesamtschule Krefeld lernen körperbehin-<br />
derte und nicht behinderte Kinder und Jugendliche gemeinsam – Erfahrungen einer<br />
integrativen Schule<br />
Hans-Willi Winden*<br />
Szenen eines Schultages<br />
An jedem Morgen, kurz vor Unterrichtsbeginn, vollzieht<br />
sich im Eingangsbereich unserer Schule, der Bischöflichen<br />
Maria-Montessori-Gesamtschule Krefeld (BMMG), ein nahezu<br />
immer gleiches Ritual: Kinder und Jugendliche im<br />
Rollstuhl bilden einen Kreis, drehen <strong>mit</strong> ihren Gefährten<br />
elegante Pirouetten, klatschen sich <strong>mit</strong> ihren Nachbarn an<br />
den Handflächen ab, bevor sie zu ihren Klassen eilen.<br />
Andere Schüler nehmen an diesem Morgenritual nicht teil.<br />
– Integration oder Segregation?<br />
Auf dem Weg zum Unterricht treffe ich im Gebäude<br />
diverse Schülergruppen bei der Freiarbeit an, darunter<br />
nicht wenige Kinder und Jugendliche <strong>mit</strong> unsichtbaren<br />
Körperbehinderungen (kb): ein Junge <strong>mit</strong> schweren<br />
„Integrationskiller“, weil die Mitschüler unsicher sind, ob<br />
sie sich in der Gruppenarbeit an Tobias oder an sein Alter<br />
Ego wenden sollen. Der Abiturient leidet an einer extrem<br />
progressiven Muskeldystrophie (Typ Duchenne). Sein<br />
Lebensziel (!) ist das Abitur – intellektuell kein Problem;<br />
ob sein Körper aber bis dahin durchhält, ist fraglich.<br />
In der großen Pause werde ich Zeuge einer Kon -<br />
troverse zwischen einer Englischlehrerin und einer<br />
Sonderschullehrerin über die rechte Auslegung des<br />
Nachteilsausgleich <strong>für</strong> eine kb-Schülerin: Soll sie die anstehende<br />
Klassenarbeit im Klassenverband <strong>mit</strong>schreiben<br />
oder separat <strong>mit</strong> der Sonderpädagogin?<br />
Am Nach<strong>mit</strong>tag habe ich zwei Elternpaare zum<br />
Gespräch eingeladen. Der kb-Sohn des einen Paares hatte<br />
den nicht kb-Jungen des anderen <strong>mit</strong> spitzen<br />
Bemerkungen so lange attackiert, bis dieser <strong>mit</strong><br />
seinen Fäusten konterte. Der katholische<br />
Montessori-Haussegen geriet daraufhin in eine<br />
kräftige Schieflage.<br />
Diese Szenen eines Schultages decken bereits<br />
mancherlei Licht und Schatten unserer integrativen<br />
Bemühungen auf. Nehmen wir sie etwas<br />
sys tematischer in den Blick.<br />
Wie alles begann<br />
Die „katholische Krefelder Montessori-<br />
Dreifaltigkeit“ – Kinderhaus gegründet 1971,<br />
Grundschule 1973, Gesamtschule 1977 – geht<br />
auf eine Initiative engagierter Eltern, Priester und<br />
des damaligen Oberbürgermeisters zurück. Sie<br />
gründeten 1966 den Montessori-Verein Krefeld<br />
e.V. und fanden beim Aachener Bischof Johannes<br />
Pohlschneider (zugleich Vorsitzender der<br />
Hans-Willi Winden<br />
Bischöflichen Kommission <strong>für</strong> Erziehung und<br />
Schule) ein offenes Ohr <strong>für</strong> die Gründung einer<br />
Anfallsleiden, ein Mädchen <strong>mit</strong> Diabetes, ein anderes <strong>mit</strong> Schule in kirchlicher Trägerschaft. Demgegenüber muss -<br />
Hörschädigung, das ihren Kolleginnen bedeutet, sie doch ten die Ohren der staatlichen Genehmigungsbehörde, be-<br />
beim Sprechen anzuschauen, ein Junge <strong>mit</strong> Glasknochen - sonders hinsichtlich der geplanten Grundschule, immer<br />
krankheit sowie mehrere chronisch kranke Schüler ohne wieder neu ausgespült werden.<br />
offiziellen Behindertenstatus.<br />
Die Montessori-Pädagogik reichte dem nordrhein-<br />
In meinem Leistungskurs Mathematik lanciert Tobias westfälischen Kultusministerium <strong>für</strong> das vom Grundgesetz<br />
seinen High-Tech-Rollstuhl <strong>mit</strong> kleinen Fingerbewegungen Art. 7 Abs. 5 geforderte „besondere pädagogische<br />
in den Raum; bei ihm ein Zivildienstleistender als Sekretär, Interesse“ nicht aus. Erst der Hinweis auf die geplante<br />
Mundschenk und Pfleger, bisweilen aber auch als Integration kb-Schüler machte den Weg frei! Pate standen