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Download PDF - Pastoral für Menschen mit Behinderung

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Drs. 760/08), der Begriff Inclusion nicht durchgängig <strong>mit</strong><br />

Teilhabe übersetzt wird.<br />

So ist z. B. in Art. 24 Abs. 1 (Bildung) nicht von inklusiver<br />

Bildung, sondern von einem „integrativen<br />

Bildungssystem“ die Rede. Dies ist irreführend, denn<br />

Integration geht davon aus, dass <strong>Menschen</strong>, <strong>für</strong> die<br />

zunächst nicht die gleichen Lebensbedingungen gelten,<br />

in ein <strong>für</strong> sie neues System integriert werden, während<br />

Inklusion den Weg da<strong>für</strong> bereitet, dass behinderte<br />

<strong>Menschen</strong> von Anfang an in allen Aspekten des Lebens<br />

in gleicher Weise beteiligt sind wie nichtbehinderte<br />

<strong>Menschen</strong>.<br />

Insoweit macht der Begriff Inclusion deutlich, dass<br />

die Behindertenrechtskonvention danach strebt, in den<br />

Bereichen der Bildung, des Wohnens, des Arbeitens, der<br />

Freizeitgestaltung usw. behinderten <strong>Menschen</strong> die gleichen<br />

Lebensmöglichkeiten zu verschaffen, die im<br />

Regelfall von nichtbehinderten <strong>Menschen</strong> in Anspruch<br />

genommen werden. Dies bedeutet nicht, dass<br />

Einrichtungen <strong>für</strong> behinderte <strong>Menschen</strong> – z. B.<br />

Förderschulen, Wohnheime und Werkstätten <strong>für</strong> behinderte<br />

<strong>Menschen</strong> – <strong>mit</strong> den Zielvorgaben der Behinderten -<br />

rechtskonvention unvereinbar sind. Es bedeutet allerdings,<br />

dass behinderten <strong>Menschen</strong> grundsätzlich die<br />

Wahlmöglichkeit eröffnet werden muss, ihren Alltag so zu<br />

gestalten, wie dies ihnen von nichtbehinderten<br />

<strong>Menschen</strong> vorgelebt wird, d. h. das Regelschulsystem in<br />

Anspruch nehmen zu können, <strong>mit</strong>ten in der Gemeinde zu<br />

wohnen und zu leben und am freien Arbeitsmarkt beschäftigt<br />

zu werden. Dies gilt auch <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />

schwerst- und mehrfachen Behin derungen, <strong>für</strong> die das<br />

Übereinkommen über die Rechte von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong><br />

<strong>Behinderung</strong>en in gleicher Weise und in gleichem<br />

Umfang Anwendung findet wie <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> leichteren<br />

<strong>Behinderung</strong>en (vgl. Art. 1 Satz 2 BRK). Auch<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> schweren geistigen <strong>Behinderung</strong>en<br />

und/oder psychosozialen Problemen dürfen deshalb<br />

nicht verpflichtet werden, Sondereinrichtungen, die nur<br />

<strong>für</strong> behinderte <strong>Menschen</strong> bestimmt sind, in Anspruch zu<br />

nehmen, sondern müssen die gleichen Wahlchancen eingeräumt<br />

bekommen, die anderen <strong>Menschen</strong> zustehen<br />

(vgl. Art. 19 BRK).<br />

Auswirkungen der Behindertenrechtskonvention auf den<br />

sozialrechtlichen Begriff der Teilhabe<br />

Ausgehend von der jahrzehntelang üblichen Unter -<br />

scheidung zwischen medizinischer, beruflicher und sozialer<br />

Rehabilitation unterscheidet das SGB IX zwischen<br />

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§§ 26 – 32<br />

SGB IX), Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 33<br />

– 43 SGB IX) und Leistungen zur Teilhabe am Leben in<br />

der Gemeinschaft (§§ 55 – 59 SGB IX). Sucht man nach<br />

entsprechenden Vorschriften in der Behinderten -<br />

rechtskonvention, so stößt man auf Art. 26 (Habilitation<br />

und Rehabilitation), der die Vertragsstaaten verpflichtet,<br />

„wirksame und geeignete Maßnahmen … zu treffen, um<br />

<strong>Behinderung</strong> & <strong>Pastoral</strong> / Themenschwerpunkt: <strong>Behinderung</strong> und UN-Konvention _ 07<br />

<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>en in die Lage zu versetzen,<br />

ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, umfassende körperliche,<br />

geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die<br />

volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die<br />

volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen<br />

und zu bewahren.“ Um dieser Zielvorgabe gerecht werden<br />

zu können, sind die Vertragsstaaten verpflichtet, „umfassende<br />

Habilitations- und Rehabilitationsdienste und -programme<br />

insbesondere auf dem Gebiet der Gesundheit,<br />

der Beschäftigung, der Bildung und der Sozialdienste zu<br />

organisieren, zu stärken und zu erweitern.“<br />

Art. 26 spricht nicht von einem Recht auf<br />

Habilitation und Rehabilitation, sondern von der<br />

Verpflichtung der Vertragsstaaten, Habilitation und<br />

Rehabilitation durch wirksame und geeignete<br />

Maßnahmen zu verwirklichen. Wie alle anderen Artikel der<br />

Behindertenrechtskonvention hat die Bundesregierung<br />

auch die Vorschrift des Art. 26 in einer Denkschrift kommentiert<br />

und interpretiert. Diese Denkschrift hängt dem<br />

Gesetzentwurf an, den die Bundesregierung in den<br />

Deutschen Bundestag eingebracht und dem Bundesrat<br />

zur Zustimmung vorgelegt hat (BT-Drs. 760/08, S. 43 ff.).<br />

Sie nimmt da<strong>mit</strong> in etwa die gleiche Funktion ein wie die<br />

Gesetzesbegründung in einer als Bundestagsdrucksache<br />

verfassten Gesetzesvorlage. In dieser Denkschrift lässt es<br />

die Bundesregierung da<strong>mit</strong> bewenden, den Inhalt des<br />

Art. 26 BRK zusammenzufassen. Sie beschränkt sich darauf<br />

darzustellen, wie der Bereich der Rehabilitation im<br />

Sozialgesetzbuch Neuntes Buch SGB IX geregelt ist. Dies<br />

erweckt den Eindruck, dass das SGB IX vollinhaltlich <strong>mit</strong><br />

Art. 26 übereinstimmt und sich deshalb aus Art. 26 BRK<br />

kein Änderungsbedarf <strong>für</strong> das Recht auf Teilhabe und<br />

Rehabilitation in Deutschland ableiten lässt.<br />

Einer derartigen Bewertung des Art. 26 müsste jedoch,<br />

soweit sie übernommen würde, widersprochen werden.<br />

Zum einen ergibt sich dies schon daraus, dass<br />

Art. 26 die Zielvorgabe enthält, „<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> Behin -<br />

derungen in die Lage zu versetzen, ein „Höchstmaß an<br />

Unabhängigkeit“ zu erreichen. § 1 SGB IX spricht von<br />

Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe behinderter<br />

<strong>Menschen</strong> am Leben in der Gesellschaft. Ob<br />

dies <strong>mit</strong> dem Begriff der Unabhängigkeit in Art. 26 Abs. 1<br />

BRK übereinstimmt, muss dezidiert überprüft werden.<br />

Ebenso muss untersucht werden, ob die Leistungen, die<br />

von den jeweiligen Rehabilitationsträgern im Sinne der<br />

§§ 6, 6 a SGB IX gewährt werden, wirklich darauf ausgerichtet<br />

sind, behinderten <strong>Menschen</strong> im jeweiligen<br />

Rehabilitationsbereich ein Höchstmaß an Unabhängigkeit<br />

zu sichern.<br />

Zum anderen erfährt die in Art. 26 geregelte<br />

Habilitation und Rehabilitation ihre Präzisierung durch den<br />

Verweis auf die Gebiete der „Gesundheit, der<br />

Beschäftigung, der Bildung und der Sozialdienste“, die<br />

sämtlich als konkrete – auf das Individuum bezogene –<br />

<strong>Menschen</strong>rechte ausgestaltet sind (Art. 25 BRK –<br />

Gesundheit, Art. 27 BRK – Arbeit und Beschäftigung, Art.

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