Nr. 36, Januar - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
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nach Bad Oeynhausen fahren. Der medizinische<br />
Fortschritt hatte also auch bei<br />
uns in der „Provinz“ Einzug gehalten,<br />
denn die notwendigen Kontrolluntersuchungen<br />
konnten nun auch hier durchgeführt<br />
werden.<br />
Über ein Jahr lang ging es Frank einfach<br />
gut. Gesundheitlich konnte man ihn<br />
als stabil bezeichnen, sodass im Juli<br />
1998 Scharlach recht gut mit der notwendigen<br />
Antibiotika-Behandlung in<br />
den Griff zu bekommen war (drei Tage<br />
Infusion, dann Weiterbehandlung in Tablettenform).<br />
Ein Fahrrad zum 16. Geburtstag<br />
Franks Belastbarkeit war so gut, dass er<br />
zu seinem 16. Geburtstag ein Fahrrad<br />
bekam, ein Dreirad mit Gangschaltung.<br />
Kleine Aufgaben wurden damit erledigt,<br />
z.B. das Entsorgen von Altglas, selbstverständlich<br />
alles in Begleitung. Täglich<br />
wurden zwei bis drei Kilometer im ersten<br />
Gang bewältigt. Das machte Spaß,<br />
hielt fit und Frank konnte viele Kontakte<br />
zu Nachbarn und Bekannten fast täglich<br />
pflegen und genießen. Frank auf<br />
dem Fahrrad – so kannte man ihn in unserer<br />
Siedlung.<br />
1997 wurde auf Elterninitiative ein<br />
Pflegedienst der Lebenshilfe eingerichtet,<br />
der Kinder und Jugendliche in einem<br />
familienähnlichen Umfeld außer<br />
Haus betreute und somit den betroffenen<br />
Eltern eine große Entlastung bot.<br />
Abgerechnet wurden die Leistungen des<br />
Pflegedienstes über Pflegesachleistungen<br />
nach dem Pflegeversicherungsgesetz.<br />
Somit hatten wir Eltern auch mal<br />
„frei“, erst nur an einem Wochenende<br />
pro Monat, später sogar bis zu vier Wochenenden<br />
im Monat. Franks Gesundheitszustand<br />
ließ es sogar zu, dass er im<br />
Sommer 1999 für drei Wochen von netten<br />
Menschen des Pflegedienstes versorgt<br />
wurde und seine Eltern mit seinem<br />
großen Bruder (18 Jahre) eine Urlaubsreise<br />
zur Sonnenfinsternis nach Österreich<br />
planen und genießen konnten.<br />
Herzattacken<br />
Ab November 1999 stellten sich in Abständen<br />
von ca. drei bis vier Monaten<br />
Herzattacken ein. Diese zeigten sich<br />
meist folgendermaßen: Frank ging es<br />
dann einfach schlecht. Er begann zu<br />
weinen und ließ sich mit nichts beruhigen.<br />
Dies konnte bis zu zwei Stunden<br />
dauern. Er schlug sich ins Gesicht bzw.<br />
mit dem Handrücken unter sein Kinn,<br />
teilweise musste er sich übergeben, und<br />
er wurde meist auch deutlich zyanotischer,<br />
als er sonst schon war (die Handinnenflächen<br />
waren dann teilweise tief<br />
dunkelblau, Stauungen an den Unterarmen<br />
bis zu den Ellenbogen deutlich<br />
sichtbar).<br />
War diese von allgemeiner Unsicherheit<br />
und Hilflosigkeit aller Beteiligten<br />
gekennzeichnete Phase vorüber,<br />
war sie auch für Frank schnell vergessen.<br />
Anschließend ging es ihm wieder<br />
gut und er genoss die Musik und sang<br />
teilweise sehr laut dazu.<br />
Im August 2000 wurden wir telefonisch<br />
informiert, dass Frank beim Pflegedienst<br />
wieder eine Herzattacke hatte<br />
und man mit dem Notarztwagen zur<br />
Kinderklinik unterwegs sei. Wir fuhren<br />
auch zur Klinik und waren nach insgesamt<br />
ca. zwei Stunden wieder zu Hause<br />
– mit Frank, alles war wieder vorüber.<br />
Frank geht’s wieder gut<br />
Insgesamt hatten wir seit dem Sommer<br />
2000 einen durchweg zufriedenen,<br />
glücklichen Sohn, der es inzwischen<br />
auch bevorzugte, länger zu schlafen, besonders<br />
morgens, wenn er zur Schule<br />
musste und der Bus nicht wartete.<br />
In den letzten Wintern war Frank<br />
der Einzige, der keinen Infekt hatte (ohne<br />
Grippeschutzimpfung). Gesunde<br />
Ernährung, täglich an der frischen Luft<br />
und ausreichend Schlaf schienen sich<br />
positiv auszuwirken. In diesem Jahr<br />
wollten wir es nicht noch einmal wagen<br />
und somit erhielt Frank gleich Anfang<br />
Oktober seine Grippeschutzimpfung. Es<br />
gab keine Nebenwirkungen, Frank ging<br />
es ausgesprochen gut.<br />
Das Ende kam so plötzlich<br />
Am 24. Oktober 2000 ging er wie immer<br />
fröhlich aus dem Haus und konnte es<br />
kaum erwarten, dass der Schulbus ihn<br />
abholte. Frank hatte einen schönen<br />
Schultag, bis er plötzlich um ca. 14.30<br />
Uhr ohnmächtig wurde – Notarzt, Reanimation,<br />
Intensivstation. Wir wurden<br />
von Franks Gruppenleitung informiert<br />
und bereits eine gute Stunde später<br />
standen wir am Bett unseres verstorbenen<br />
Sohnes.<br />
Wie bereits vor 17 1/2 Jahren, als<br />
Frank geboren wurde, brach erneut eine<br />
Welt für uns zusammen. Was nun alles<br />
folgte und ablief, mögen sich die Leserin<br />
und der Leser dieses Artikels<br />
selbst vorstellen.<br />
ELTERNARBEIT<br />
Frank auf seinem Fahrrad – so kannte<br />
man ihn in der Nachbarschaft<br />
Von vielen Freunden und Bekannten<br />
haben wir in unserem unsagbaren<br />
Schmerz Trost erfahren – die Anteilnahme<br />
war einfach überwältigend. Ferner<br />
müssen wir uns damit trösten, dass<br />
Frank wohl nicht viel davon mitbekommen<br />
hat, was mit ihm geschehen ist, da<br />
das akute Herz-Kreislauf-Versagen so<br />
plötzlich eingetreten ist.<br />
Unser eigentlicher Wunsch hat sich<br />
somit erfüllt: Abgesehen von den sicherlich<br />
sehr unangenehmen Herzattacken<br />
hat Frank nicht leiden müssen<br />
und hat bis zuletzt ein zufriedenes und<br />
glückliches Leben gehabt. Deshalb sollten<br />
wir nicht traurig sein, weil es vorüber,<br />
sondern uns freuen, weil es gewesen.<br />
Ich möchte den Bericht über die letzten<br />
Jahre mit dem Vers aus seiner Todesanzeige<br />
beenden: „Dein Anderssein<br />
hat viele Menschen zum Nachdenken<br />
gebracht – deine Liebe hat uns überzeugt“.<br />
(Anmerkung der Redaktion: Der erste<br />
Artikel über Frank wurde auch in die<br />
Sonderausgabe „Diagnose <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />
– was nun?“ aufgenommen.)<br />
Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>36</strong>, Jan. 2001 39