Nr. 36, Januar - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
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Wohn- und Kinderbauernhof –<br />
Projekt in den Niederlanden<br />
In den meisten europäischen Ländern<br />
wird heute zwar anerkannt, dass<br />
Menschen mit Behinderungen das Recht<br />
auf eine eigene Wohnung haben, wo sie<br />
– mit Hilfen zwar – so selbstständig wie<br />
möglich leben können. Nur die Umsetzung<br />
dieser Idee lässt noch sehr zu wünschen<br />
übrig.<br />
Es gibt jedoch zusehends mehr neue<br />
Wohnmodelle und auch wenn die nicht<br />
immer darauf hinzielen, dass der<br />
Mensch mit Handicap ganz alleine<br />
wohnt, ist doch deutlich zu erkennen,<br />
dass es eine Tendenz gibt, weg von<br />
größeren Wohnheimen zu den mehr individuelleren,<br />
kleineren Wohnprojekten.<br />
Auch in Holland gilt heute schon ein<br />
Wohnheim mit zwölf Plätzen als nicht<br />
mehr zeitgemäß, nicht mehr zumutbar.<br />
So dürfen neue Wohnanlagen nicht<br />
mehr als acht Plätze haben, die bestehenden<br />
Wohnheime sollen allmählich<br />
umstrukturiert werden.<br />
Bauernhof in den Niederlanden<br />
Auf einem großen, neu gebauten Bauernhof<br />
in der Nähe von Gouda wohnen<br />
und arbeiten zurzeit acht Erwachsene<br />
mit einem Handicap, drei dieser Menschen<br />
haben <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>. Mit Hilfe<br />
von noch drei anderen jungen Erwachsenen<br />
mit einer Behinderung, die in der<br />
Stadt in einer eigenen Wohnung leben,<br />
bewirtschaften sie diesen so genannten<br />
„Kinderbauernhof“. Dieses lässt sich am<br />
ehesten vergleichen mit einem Streichelzoo.<br />
Auf diesem Hof findet man einige Kühe,<br />
Esel, Schafe, Schweine, Ziegen, Kaninchen,<br />
Ziegen, Tauben und Hühner aller<br />
Arten. Hofbesucher sind Familien mit<br />
kleineren Kindern und vor allem Kindergärten-<br />
und Schulgruppen. Die Kinder<br />
können sich Tiere anschauen, helfen<br />
beim Füttern, streicheln, reiten und<br />
wer will, kann in einem Schulungsraum<br />
informiert werden über die Besonderheiten<br />
dieser Tiere (kleine Vorträge, Filme,<br />
Dias usw.).<br />
Der Hof verfügt über ein gemütliches<br />
Café, wo man sich Getränke, Kuchen<br />
und Snacks servieren lassen kann, und<br />
über einen hofeigenen Laden, in dem es<br />
selbst angebautes Gemüse, Eier, Holz<br />
usw. zu kaufen gibt.<br />
Alle Hofbewohner sind im Betrieb tätig,<br />
sei es bei den Tieren, in den Gewächshäusern,<br />
im Laden oder Café. Arbeit<br />
gibt es genug und man rechnet damit,<br />
noch mehr Personal einstellen zu müssen.<br />
Die Wohnplätze sind jedoch vergeben,<br />
erst wenn einer der Bewohner auszieht,<br />
kann jemand anderer nachrücken.<br />
Beeindruckt hat mich die großzügige<br />
Bauweise. Der Hof ist sehr luxuriös ausgestattet,<br />
die Bewohner haben große<br />
Einzelzimmer, teilen sich jeweils zu<br />
zweit ein Badezimmer. Die Gemeinschaftsräume<br />
sind geschmackvoll eingerichtet,<br />
in der Küche gibt es die neuesten<br />
Geräten.<br />
Ein großer Vorteil ist, dass gleich vor<br />
dem Hof auf der Landstraße der Bus<br />
hält, der einen alle Viertelstunde in einigen<br />
Minuten nach Gouda bringt.<br />
Außerdem fahren einige der Bewohner<br />
auch mit dem Fahrrad in die Stadt, um<br />
dort Freunde zu besuchen, zur Sportgruppe<br />
zu gehen oder um anderen Freizeitbeschäftigungen<br />
nachzugehen.<br />
Mir gefiel es dort, auf dem Bauernhof,<br />
obwohl es immer noch eine Wohn-<br />
ERWACHSENE<br />
gruppe ist und die Arbeit und das Wohnen<br />
miteinander verknüpft sind. Wer<br />
auf dem Hof lebt, muss dort auch arbeiten,<br />
umgekehrt jedoch kommen einige<br />
der Angestellten aus den umliegenden<br />
Gemeinden. Obwohl der Hof außerhalb<br />
liegt, ist man in einigen Minuten in der<br />
Stadt oder in einigen anderen nahe gelegenen<br />
Ortschaften, so können die Bewohner<br />
leicht an den verschiedensten<br />
Freizeitaktivitäten, die die Stadt bietet,<br />
teilnehmen.<br />
Ein Landwirt, ein Zivi und eine Hausangestellte<br />
gehören außerdem zum Personal.<br />
Vier Sozialpädagogen begleiten<br />
das Projekt, sie sind zuständig für die<br />
Organisation etc. Ein kleines Arbeitszimmer<br />
steht ihnen auf dem Hof zur<br />
Verfügung. Möglich gemacht hat dieses<br />
auch für niederländische Verhältnisse<br />
modellhafte Projekt eine private Stiftung.<br />
Sie finanzierte den Neubau, der<br />
eine genaue Rekonstruktion ist von einem<br />
Hof, der 1875 hier errichtet wurde.<br />
Kinderbauernhöfe gehören in den<br />
Niederlanden schon seit vielen Jahren<br />
zu den klassischen Kinderattraktionen.<br />
Schulgruppen müssen oft lange auf einen<br />
Besuchstermin warten. Nun hat<br />
man sie als mögliches Arbeitsfeld für<br />
Menschen mit einer Behinderung entdeckt,<br />
das Beispiel des Hofes bei Gouda<br />
macht schon Schule, in anderen Teilen<br />
des Landes werden ähnliche Projekte<br />
durchgeführt.<br />
So stellt sich der Kinderbauernhof<br />
„In de Krom“<br />
vor. Auch wer nicht so<br />
gut lesen kann, wird informiert.<br />
Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>36</strong>, Jan. 2001 57