� THEMA DER WOCHE Pflanzenjäger Von Uschi Schleich Blumen als Boten einer exotischen Welt. Als man Tul<strong>pe</strong>n, Orchideen und Chrysanthemen noch nicht in jedem Blumenla<strong>den</strong> kaufen konnte, jagten verwegene Pflanzenjäger nach <strong>den</strong> begehrten Trophäen. Begleitet wur<strong>den</strong> sie auf ihren Ex<strong>pe</strong>ditionen von detailversessenen Zeichnern mit Lu<strong>pe</strong>, Graphitstift und Botanisiertrommel. Es waren schlichte Tul<strong>pe</strong>nzwiebeln, <strong>die</strong> 1636 in Holland zu einem gigantischen Börsenkrach führten. Ein Jahrhundert früher war <strong>die</strong> Tul<strong>pe</strong> erstmals nach Europa gebracht wor<strong>den</strong>. Gärtner und Botaniker waren begeistert und begannen, mit der farbenprächtigen Pflanze zu ex<strong>pe</strong>rimentieren: Es entstan<strong>den</strong> Blüten mit Mustern von atemberaubender Schönheit. Die Seltenheit der mutierten Formen führte dazu, dass wohlbetuchte Tul<strong>pe</strong>nliebhaber bereit waren, für <strong>den</strong> Erwerb einer einzigen Pflanze Unsummen hinzulegen. Am Höhepunkt des Tul<strong>pe</strong>nfiebers wurde für eine einzige Zwiebel der Sorte Sem<strong>pe</strong>r Augustus der zwölffache Jahreslohn eines Zimmermanns geboten. Für ein Exemplar der seltenen Art Vizekönig erhielt man 24 Wagenladungen Korn, acht Mastschweine, vier Kühe, vier Fässer Bier, 1000 Pfund Butter und ein paar Tonnen Käse. Und ein Brauereibesitzer in Utrecht soll sogar seine ganze Brauerei gegen drei kleine Tul<strong>pe</strong>nzwiebeln verkauft haben. Schließlich kam es, wie es kommen musste: Auf das Fieber folgte der Crash und <strong>die</strong> holländische Tul<strong>pe</strong>nmanie endete mit einer Wirtschaftskrise, von der sich das Land erst nach Jahren erholen sollte. 16 Tul<strong>pe</strong>nfieber in Europa Das Tul<strong>pe</strong>nfieber grassierte zu einer Zeit, in der exotische Pflanzen in Europa gerade in Mode kamen. Nicht nur Wissenschafter waren an Orchideen, Kakteen, Lilien und Hortensien aus fernen Kontinenten interessiert. Auch an <strong>den</strong> europäischen Höfen war es en vogue, aufregende und <strong>die</strong> Sinne betörende Pflanzen zu kultivieren. Extravagante Gärten und Glashäuser, in <strong>den</strong>en Orangen und ausgefallene Kakteen wuchsen, wur<strong>den</strong> zum Statussymbol. Als <strong>die</strong> Kolonialmächte England und Frankreich begannen, ihre Ex<strong>pe</strong>ditionsschiffe Richtung Asien loszuschicken, um Flora und Fauna fremder Länder zu erforschen, war auch das gol<strong>den</strong>e Zeitalter der Pflanzenjäger angebrochen. Meist waren sie im Auftrag der Royal Horticultural Society, der königlichen Gartenbaugesellschaft Englands, unterwegs. Aber auch so mancher private Sammler scheute keine Kosten, um in <strong>den</strong> Besitz besonders seltener Exemplare zu kommen. Pflanzenjäger wur<strong>den</strong> in <strong>die</strong> entlegensten Winkel der Erde geschickt, um nach dem „grünen Gold“
Bauernpfingstrose. Zeichnung von Clara Po<strong>pe</strong>, 1821. THEMA DER WOCHE � 17 <strong>Foto</strong>s: Sandra Knapp, Das Blütenmuseum, Frederking & Thaler Verlag.