FFT Katalog 2013
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Sólveig Anspach, isländisch-französischer charme<br />
AURORE GUILHAMET<br />
Zwischen Ernst und Humor behandeln<br />
Sólveig Anspachs Filme oft schwierige<br />
Themen, aber immer mit dieser gewissen<br />
Distanz, die einen schmunzeln lässt.<br />
Sólveig Anspach, geboren in Vestmannaeyjer<br />
in Island, ist die Tochter der ersten<br />
weiblichen Architektin des Landes und<br />
eines kinobegeisterten Vaters. Geprägt<br />
durch die feministische Überzeugung ihrer<br />
Mutter und die Kinoliebe ihres Vaters,<br />
entscheidet sich Sólveig für das Kino und<br />
studiert an der Pariser Filmhochschule<br />
La Fémis, die sie 1989 mit Diplom verlässt,<br />
nachdem sie zuvor bereits Philosophie und<br />
Klinische Psychologie studiert hat. Es ist<br />
die Aufrichtigkeit, die aus ihren feinsinnigen<br />
und intimen Filmen hervorsticht. Kino<br />
soll ihrem Verständnis nach ein emotionaler<br />
Schock sein. Ihre Werke decken<br />
gesellschaftliche Zustände mit einer klaren<br />
Schlichtheit auf. In Dokumentationen wie<br />
in Kurz- und Langspielfilmen schildert sie<br />
immer eine Realität menschlichen Daseins.<br />
Die Krankheit in Haut les cœurs !, der<br />
1998 den Publikumspreis und den Preis<br />
für die Beste Dokumentation beim<br />
Frauenfilmfestival in Créteil gewinnt, die<br />
Todesstrafe in Made in the USA, die<br />
Trauer in Queen of Montreuil, den Krieg<br />
in zwei Kurzfilmen über Sarajevo oder<br />
auch das Gefängnis und die Kriminalität<br />
in Par amour, La Tire oder Que personne<br />
ne bouge!.<br />
Die Themen sind ernst, werden aber<br />
immer mit einer Prise Humor behandelt.<br />
Kann man über alles lachen? Sólveig zeigt<br />
uns, dass wir die unglücklichen Zufälle<br />
des Lebens wenigstens entdramatisieren<br />
können. Queen of Montreuil behandelt<br />
Trauer mit viel Finesse. Mit ihrem<br />
bewegenden und zugleich lustigen Film<br />
erhält Sólveig die isländische Tradition<br />
der Vermischung von Verrücktheit,<br />
Humor und Poesie.<br />
Island ist in ihrer Filmographie im<br />
übrigen allgegenwärtig. Sie realisiert 2001<br />
Reykjavik, des elfes dans la ville und<br />
dreht 2003 auf ihrer Heimatinsel Stormy<br />
Weather in Koproduktion mit den<br />
Dardenne-Brüdern. 2006 folgt erneut ein<br />
Dreh in Island, jener ihres liebenswert<br />
durchgeknallten Films Back Soon, in<br />
dem man diesen verrückten isländischen<br />
Esprit wiederfindet. Die Protagonistin<br />
möchte ihren Kanabishandel verkaufen,<br />
um sich ihren zwei Söhnen zu widmen.<br />
Sie wird bald in einen Haufen skurriler<br />
Abenteuer gezogen. Ihr neuester Film<br />
Lulu, femme nue ist an den Comic von<br />
Étienne Davodeau angelehnt. Lulu, vom<br />
Leben gequält, das sie nicht mehr meistern<br />
kann, beschließt nach einem missglückten<br />
Vorstellungsgespräch, nicht nach Hause<br />
zurückzufahren. Sie entdeckt Freiheit<br />
und Hoffnung.<br />
Sólveig Anspachs Kino ist zutiefst menschlich<br />
und sensibel. Man weint, man lacht<br />
und wird von der einfachen Ästhetik ihrer<br />
Filme verzaubert. Diese Erzählerin<br />
übermittelt starke Geschichten und es<br />
werden noch schöne Filme folgen.<br />
Aurore Guilhamet ist Autorin und<br />
Biographin<br />
Sie betreibt die Internetseite<br />
www.negrelitteraire.fr<br />
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