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Otto Emersleben

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angesprochenen Dinge hinter mir lassend: "Daß wir über Pearys Verhalten derart<br />

unterschiedlicher Ansicht sind, lieber Herr Whitney, braucht ja unserem guten<br />

Verhältnis und gegenseitiger Achtung nicht im Wege zu stehen." Es gehört seit<br />

jeher zu meinen innersten Grundsätzen, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind.<br />

Denn sobald man dies zu verstehen gibt, wird man nie bei ihnen anstoßen,<br />

sondern vielmehr ungeteilte Anerkennung finden. So auch hier. Whitney hielt<br />

mir, nachdrücklich nickend, die Rechte hin. Ich sah ihn an und schlug ein.<br />

"Sagen Sie, hatte Peary nicht den Bootsmann der 'Roosevelt' hier in Etah<br />

gelassen, um die Pelze zu bewachen?"<br />

"Ja, gesagt hat Peary das. Aber in Wirklichkeit hat der Bootsmann wohl hier<br />

bleiben sollen, um in Pearys Auftrag noch mehr Pelze anzuhäufen. Ich meine:<br />

Pelze, die Geld einbringen. Nicht wirkliche Jagdtrophäen."<br />

"So gehen Sie nicht mit ihm gemeinsam auf Jagd?"<br />

"Dazu, lieber May, sind unsere Ansichten von der Kunst des Weidmannes denn<br />

wohl doch zu unterschiedlich. Ich jage am liebsten mit den Eskimos. Von ihnen<br />

kann man die Hohe Schule des Anschleichens und der Geduld erlernen. Ganz<br />

allein, so wie ich Ihnen heute begegnet bin, bin ich nur ausnahmsweise<br />

unterwegs. Der Bootsmann hingegen - ach, lassen wir das. Ein lieber Kerl. Doch<br />

ist er, wenn ich das so sagen darf, eher ein Metzger, kein Sportsmann wie<br />

unsereins. Nur ist er natürlich stärker von Peary abhängig als ich es bin. Er hat<br />

mir so manches Mal ---", Whithney zögerte augenblickslang. " Naja, er ist ganz<br />

brauchbar, sobald er benötigt wird. Falls er gerade hier ist."<br />

"Verstehe." Daß ich überhaupt nichts verstanden hatte, sollte ich später merken.<br />

Er bot mir einen Sitzplatz an. Wer schon einmal, wie ich in jenem Augenblick,<br />

nach neunmonatiger Abwesenheit von jeder Art Segnung der Zivilisation in<br />

einem warmen Raum in einem weichen Fellpolster hat Platz nehmen und alles<br />

vergessen dürfen, was in den nächsten Minuten sein Leben bedrohen könnte, wird<br />

nachfühlen, wie mir zu Mute war. Doch nicht genug damit. Plötzlich stand eine<br />

dampfende Tasse mit heißem Wasser vor mir; darin schwamm ein Brühwürfel<br />

und ich hörte Whitney beschwörend sagen: "Mit dem Löffel rühren, Herr Doktor,<br />

bis alles restlos aufgelöst ist. Der Fleischextrakt hilft ausgezeichnet gegen<br />

Skorbut."<br />

Beim Genuß des wohlschmeckenden Gesundheitstrankes muß ich wohl<br />

eingenickt sein. Als ich aus dem Schlaf schreckte, kam mein Gastgeber gerade zur<br />

Tür herein und sagte: "Ich habe mich derweil um Ihre Hunde gekümmert, Herr<br />

Doktor. Seien Sie unbesorgt - die Tiere sind gefüttert, ausgeschirrt und in<br />

sicherem Abstand zueinander einzeln angeleint. Ich glaube, Sie alle haben nach<br />

Ihrem langen Marsch vor allem ein gehöriges Maß an Ruhe nötig. Legen Sie ab,<br />

machen Sie es sich bequem! Den Schlitten abladen können wir später noch." Ich<br />

ließ mich nicht zweimal bitten.<br />

Wenn mein Zusammentreffen mit Harry Whitney keine Fügung des Himmels<br />

war, dann gibt es überhaupt keine. Er ließ es mir während der fünf sinnipah, die<br />

ich sein Gast sein durfte, an nichts fehlen. Für den bevorstehenden Weitermarsch<br />

stattete er mich mit einem seiner beiden leichten Zehnschuß-Winchestergewehre<br />

“Automatic Nullzweiundzwanzig” aus, einer neuartigen Waffe mit gefälligem

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