Otto Emersleben
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"Ich? Das --- das ist doch eine völlig absurde Frage!"<br />
"Nur zu, Doktor May! Keine falsche Scham. Der berühmte amerikanische Traum<br />
eröffnet jedem alle Möglichkeiten. Als Erstentdecker des Nordpols könnten Sie<br />
der Welt alles anpreisen: Doktor Mays kräftigende Suppenwürfel zur Verhütung<br />
von Blässe und Vitaminmangel; Polarschnürsenkel, mit denen das Leben nie am<br />
seidenen Faden hängt; Hämorrhidencreme Marke Nordpol - hilfreich beim<br />
Aussitzen der langen arktischen Winternacht; dazu Lebensversicherungen,<br />
Modechic, Immobilien rauf bis zur Hudson Bay - ach, einfach alles! Sie könnten<br />
---"<br />
"Ich am Pole?” unterbrach ich seinen Gedankenflug. “Das wäre --- ." Noch immer<br />
war ich nicht bereit, ihm die Wahrheit zu sagen, selbst bei der immerhin<br />
möglichen Verschwiegenheit dieses weltentlegenen Winkels. "Das wäre ja<br />
einfach unglaublich - ich meine ---"<br />
"Ja? Wäre es das wirklich? Tun Sie sich keinen Zwang an."<br />
"Ich stelle mir vor, ich würde einfach sagen: Na und!?"<br />
"Mehr nicht?"<br />
"Nein."<br />
"Sie könnten Millionär werden. Nicht nur durch Werbung. Ein paar Worte mehr,<br />
ein paar wahrhaft historische Worte: bei Vorträgen, in Büchern ---"<br />
"Der letzte Schritt zum Pole ein kleiner Schritt für den, der ihn letzlich tut, jedoch<br />
ein gewaltiger Sprung vorwärts für die gesamte Menschheit. Etwas von dieser<br />
Art?" Seine übersprudelnde Phantasie hatte mich angesteckt.<br />
"Wenn Ihnen nichts besseres einfällt. Nur versilbern muß es sich lassen. Warum<br />
nicht: An dieser Stelle setzte ein Mensch erstmalig den Fuß auf den Nordpol der<br />
Erde. Er trug dabei die Fellstiefel von ---"<br />
"Nein. Er kam im Geiste des Friedens, einen uralten Traum der gesamten<br />
Menschheit erfüllend ---"<br />
"Geschenkt. Für Träume gibt niemand einen einzigen müden Cent aus."<br />
"Es ist nur - was heißt schon: an dieser Stelle! Diese Stelle ist morgen ganz<br />
woanders, nur nicht mehr am Nordpol!"<br />
"Was schert Sie, was danach kommt! Wir leben schließlich für heute."<br />
Es ist ja überhaupt keine Frage, daß originelle Charaktere wie Harry Whitney<br />
stets und überall einen tieferen Eindruck machen als gewöhnliche<br />
Dutzendmenschen. Meine Unterhaltung mit ihm währte noch lange, doch blieb<br />
während der ganzen Zeit eines gewiß: er war ein Yankee vom Scheitel bis zur<br />
Sohle und als solcher äußerst problembewußt, geschäftstüchtig und, ja,<br />
pragmatisch.<br />
Nach einem Mal Schlaf zeigte mir Whitney das Allerheiligste seines Anwesens,<br />
jene Region, der - ideell, nicht wertmäßig gesehen - selbst Pelze und<br />
Narwalhörner und Walroßzähne nicht den Rang ablaufen konnten. Er winkte<br />
mich in das Hinterste des Felldepots und zeigte mir dort die Kiste, in der Doktor<br />
Cooks Instrumente und all die Aufzeichnungen, die allein den Anspruch auf einen<br />
erfolgreichen Polvorstoß zu belegen imstande waren, aufbewahrt wurden. Es<br />
handelte sich um eine schreiend bunt mit Schiffen und Seeungeheuern bemalte<br />
amerikanische Seemannskiste. Whitney öffnete mit großem Pomp das