Otto Emersleben
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gehalten, mit Schlitzohr Gerlach. Was sollte ich tun? Wieder einmal war ich - wie<br />
schon so oft im Leben - ganz allein auf mich selbst gestellt. In dieser Sache durfte<br />
ich mich offenbar nicht einmal auf das Herzle verlassen.<br />
Ich stand auf, wischte das bunte Blatt von der Mütze und ging meines Weges.<br />
Nachdenklich gelangte ich ins Hotel zurück. Sollte ich sofort, dieses Mal in<br />
Person, nach Radebeul aufbrechen und Klara zur Rede stellen? Die anderen<br />
Teilnehmer der obskuren Runde waren inzwischen ohnehin längst wieder<br />
verschwunden. Sie würde Ausflüchte benutzen, würde behaupten, alles geschähe<br />
doch nur zu meinem eigenen Wohle. Würde - geschäftstüchtig war sie schon<br />
immer - mir womöglich Bilanzen unter die Nase halten, die nur zu diesem einen<br />
einzigen Zweck vorbereitet waren: mich umzustimmen. Indes, all dieses Mühen<br />
wäre vergeblich.<br />
Winnetou auf der Leinwand! Ein Unding. Man konnte damit meine Absicht zur<br />
Veredelung der Menschheit und all meine anderen hehren und erhabenen Ziele so<br />
sehr entstellen, daß davon weniger übrigblieb als von einer Brücke über einen<br />
Gebirgsbach nach dem Frühlingshochwasser. Ich entsann mich der bösen Briefe,<br />
die ich Fehsenfeld hatte schreiben müssen, als er eine Postkartenserie zu meinen<br />
Reiseerzählungen herausbrachte. Ich hatte mich dieser Bilder geschämt, auf denen<br />
ich aussah wie ein vom Esel gestürzter dummer August. Das Gute, Edle und<br />
Schöne, für das ich meine Leser begeistern wollte, blieb jedenfalls auf der<br />
Strecke. Und dann die dummen Sachfehler im Detail! Bei einem Meisterschuß<br />
hob mein Pferd, grad als der Schuß fällt, das Bein. Unmöglich, da sicher zu<br />
zielen! Und Kara Ben Nemsis Pferd Rih hatte auf einem Bild eine Blesse -<br />
ausgerechnet das herrlichste Pferd, das ich je zwischen meinen Schenkeln hatte!<br />
Kein Beduine reitet ein Pferd mit einer Blesse, weil dies für ihn die Vorbedeutung<br />
des baldigen Todes hätte.<br />
Und das waren stehende Bilder! Mich schauderte bei dem Gedanken an all die<br />
Möglichkeiten der Entstellung und Verdrehung, die sich eröffneten, wären die<br />
Bilder, in die meine Werke umgesetzt werden sollten, auch noch bewegt. Doch<br />
offenbar ging denen, die ich da unfreiwillig belauscht, der erhoffte Gewinn über<br />
alles und setzte jegliche künstlerischen und ethischen Beweggründe außer Kraft.<br />
Der Kinematograph überschwemmte mit ausländischen Produktionen den<br />
deutschen Kinomarkt; warum also nicht Deutschlands größten lebenden Dichter<br />
auf die Leinwand bringen? Klug, überklug gedacht - nur würde diese Rechnung<br />
nicht aufgehen, hatte man sie doch geschrieben, ohne den Wirt zu hören. Nicht<br />
umsonst heißt es: Du sollst dir kein Bild machen. Für mich war und blieb das<br />
einzige Bild, das beim Lesen meiner Erzählungen entstehen sollte, dasjenige,<br />
welches der Leser in seinem Kopfe formte. Die meisterhaften Darstellungen<br />
meines Freundes Sascha Schneider nehme ich bei dieser - zugegeben, recht<br />
rigorosen - Absage an eine bildliche Umsetzung meines Werkes einmal explizit<br />
aus.<br />
In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf. Nach reiflichem Überlegen und dem<br />
Abschätzen aller mir offenstehenden Möglichkeiten kam ich zu dem Entschlusse,<br />
vorerst Radebeul Radebeul und die Filmverschwörung Filmverschwörung sein zu<br />
lassen; ohne meine Zustimmung würde sich in der Angelegenheit nichts wirklich<br />
bewegen. Die Verschwörer mochten sich auf meine Rückkehr so gründlich