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Otto Emersleben

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Herdlampe, und an der Art, wie die junge Frau deren Lage zueinander und zum<br />

Lampenkörper laufend veränderte, war unschwer abzulesen, daß Aleqasina den<br />

Erwärmungsprozeß in dem Topf auf dem kleinen Dreifuß aus kräftigem<br />

Eisendraht in keinem Augenblick dem Zufall überließ. In der Arktik will auch der<br />

kleinste Handgriff, soll er effektvoll sein, überlegt getan werden.<br />

Von der bemoosten Steinplattendecke des Raumes hingen allerlei Pfannen,<br />

Becher, Gabeln und andere Gerätschaften herab. Sie waren zum Teil noch<br />

traditionell gestaltet, wie sie seit jeher im Gebrauche der Inuit gewesen sein<br />

mochten - gefertigt unter Verwendung der dafür schon immer verwendeten<br />

Materialien wie Schwemmholz, Knochen, Speckstein undsoweiter -, zum Teil<br />

verrieten sie durchaus schon die Herkunft aus der sogenannten Zivilisation: ein<br />

Drahtsieb, ein Nudelholz, eine Schere (um hier nur diese drei Dinge beim Namen<br />

zu nennen, die mir allerdings eher zufällig in Erinnerung geblieben sind).<br />

Kein Zufall war die Komposition dieser baumelnden Menage aus alt und neu;<br />

daß Peary auch auf dem Gebiete der Küchengeräte nicht untätig war, um die Inuit<br />

in Abhängigkeit von Lieferungen zu bringen, die nur er ihnen vermitteln konnte,<br />

dieser Umstand war unübersehbar. Was den Eskimomännern seine Messer,<br />

Gewehre und Patronen, waren den Frauen Nähnadeln und Nudelholz.<br />

Meinen Trank beendet, setzte ich die Schale auf einem schmalen Steinbord ab<br />

und bedankte mich nochmals mit einem Nicken. Kinder hatten inzwischen von<br />

dem Küchenraume, in dem Whitney und ich noch immer standen, Besitz ergriffen<br />

und spielten laut lärmend um unsere Beine. Plötzlich stutzte ich. Das kann doch<br />

nicht wahr sein!, sagte deutlich etwas in mir. Und doch ---. Ich sah noch einmal<br />

genauer hin, sah die hart blickenden Augen des etwa dreijährigen Knaben, der<br />

dort mit seinen Gefährten tollte, sah seine mit nichts auf der Welt zu<br />

verwechselnde Nase, die fliehenden Schläfen, die hohe Stirn bis zum Ansatz der<br />

schwarzen Eskimohaarpracht. Der Junge trug unverkennbar Pearysche Züge.<br />

Ich merkte, daß Whitneys Augen meinem Blicke gefolgt waren und fragte, ohne<br />

ihn dabei anzuschauen: "Sehen Ihre Augen auch, was meine sehen?"<br />

"Oh ja - habe ich es Ihnen nicht angekündigt? Entsinnen Sie sich?", entgegnete er<br />

langsam, doch offenbar überhaupt nicht zögerlich, ja, eher genußvoll.<br />

"Das also ---". Ich nickte. "Hat der Große noch mehr Kinder hier oben?" Wir<br />

sprachen jetzt Englisch und ich vermied mit Absicht die Nennung von Pearys<br />

Namen.<br />

"Allerdings. Noch einen, schon etwas älteren Sohn. Der muß wohl mit den Jägern<br />

unterwegs sein, oder er ist zu Besuch in einem anderen Iglu. Ich frage nachher die<br />

Hausfrau."<br />

"Sie ist wohl die Mutter der beiden?"<br />

"Erraten!"<br />

Ich strich Pearys Sohn freundlich über den Scheitel und fragte ihn nach seinem<br />

Namen. Jetzt erkannte ich in seinem Gesicht und in seiner Haltung auch etwas<br />

von den ebenmäßigen, ja sehr schönen Zügen Aleqasinas. Der Junge verstand<br />

zunächst nicht, was ich mit meiner Frage meinte. Erst als ihm seine Mutter<br />

zunickte, antwortete er mir, der Eskimositte entsprechend von sich selbst in der<br />

dritten Person redend: "Man nennt diesen Knaben Kale. Er wird einst ein großer<br />

Jäger werden und auf seinen weitgreifenden Streifzügen das Land der Kabluna

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